EuZ – Zeitschrift für Europarecht – Ausgabe 9 / 2023

Über die EuZ

Die EuZ – Zeitschrift für Europarecht berichtet über die jüngsten Entwicklungen im Recht der EU sowie über die Beziehungen der Schweiz zur EU. Im Rahmen wissenschaftlicher Beiträge analysieren renommierte Experten aktuelle Rechtsfragen in allen wirtschaftsrelevanten Bereichen des EU-Rechts. Daneben informieren kurze Beiträge über neue Gesetzesvorhaben, sonstige Vorstösse der EU-Institutionen sowie Urteile des EuGH.
Die EuZ erscheint zehnmal jährlich als Open Access-eJournal. Die wissenschaftlichen Beiträge werden zudem am Ende jeden Jahres in Gestalt eines Jahrbuchs zusammengefasst und sind in dieser Form als eBook sowie als Print on demand-Publikation erhältlich. 

Leitartikel

Valentin Jentsch *

Der Europäische Rechtsrahmen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen

Der Leitartikel zeichnet die aktuellen Entwicklungen aus Europa im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach, indem der Regelungsinhalt der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) überblicksartig dargestellt wird und ausgewählte damit verbundene Rechtsfragen problembezogen diskutiert werden. In konzeptioneller Hinsicht werden im Leitartikel der Anwendungsbereich der Richtlinie, Ausnahmen und Erleichterungen und das Konzernprivileg thematisiert, in inhaltlicher Hinsicht die Berichterstattung über Nachhaltigkeitsaspekte, Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung und die Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten. Ein Fazit mit Ausblick rundet den Leitartikel ab.

* Prof. Dr. Valentin Jentsch, LL.M. (Stanford), Rechtsanwalt, ist Tenure Track Assistant Professor of Corporate Law an der Universität St. Gallen sowie Research Affiliate am Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen in München. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen vor allem das Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht sowie Grundfragen der Privatrechtsordnung. 

Aktuelle Entwicklungen im Europarecht

Allgemeines und Institutionelles

Bundespräsident Berset am dritten Gipfeltreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft

Bundespräsident Alain Berset nahm am dritten Gipfeltreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) teil. Das Treffen, an dem neben der Schweiz 46 Staaten sowie die Institutionen der Europäischen Union (EU) teilnahmen, fand am 5. Oktober 2023 in der südspanischen Stadt Granada statt. Die Staats- und Regierungschefinnen und -chefs diskutierten neben Fragen der Sicherheit in Europa und der Energieversorgung insbesondere auch geopolitische Entwicklungen. Die EPG ist ein Forum, um den politischen Dialog und die Zusammenarbeit auf dem europäischen Kontinent zu fördern. Der Gründungsgipfel der EPG fand im Oktober 2022 in Prag statt, im Juni dieses Jahres folgte der zweite Gipfel in der moldauischen Hauptstadt Chișinău. Auch künftig sollen die Gipfeltreffen wechselweise inner- und ausserhalb der EU durchgeführt werden. Nächster Gastgeber wird im Frühling 2024 das Vereinigte Königreich sein. Die Schweiz engagiert sich aktiv für dieses noch junge Format.

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Modernisierung der Verwaltungen in der EU

Am 25. Oktober 2023 hat die Kommission eine Mitteilung zur Stärkung des europäischen Verwaltungsraums veröffentlicht. Die Kommission schlägt ein Massnahmenpaket vor, mit welchem die EU die öffentlichen Verwaltungen der Mitgliedstaaten dabei unterstützen will, den Bedürfnissen von EU-Bürger/innen und -Unternehmen gerecht zu werden. Mit insgesamt 25 Massnahmen sollen (1) die Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungen gefördert, (2) die Kapazitäten im Hinblick auf die Digitalisierung gestärkt und (3) die Kapazitäten bei der Realisierung des grünen Wandels intensiviert werden.

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Bewältigung des demographischen Wandels

Die Kommission hat in einer Mitteilung vom 11. Oktober 2023 eine Reihe von Instrumenten erläutert, die den Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen, um den demografischen Wandel und seine Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Wirtschaft der EU, einschliesslich ihrer globalen Wettbewerbsfähigkeit, zu bewältigen. Das Instrumentarium stützt sich auf EU-weit gesammelte Erfahrungen und enthält einen umfassenden Ansatz, der sich auf vier Säulen stützt: Adressiert werden Eltern, die jüngere Generation, die ältere Generation sowie die Migrationsbewegungen.

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Beschäftigung und Soziales

EuGH: Gleichbehandlung von Teilzeitangestellten bei Überzeitkompensation

Mit Urteil vom 19. Oktober 2023 hat der EuGH entschieden, dass Teilzeitbeschäftigte nicht schlechter behandelt werden dürfen, wenn es darum geht, eine erhöhte Vergütung wegen Überschreitung einer bestimmten Zahl an Arbeitsstunden zu erhalten. Die Situation beider Arbeitnehmerkategorien sei vergleichbar. Nationale Regelungen, die zu einer schlechteren Behandlung der teilzeitbeschäftigten Angestellten führen, verstossen laut EuGH gegen das Unionsrecht, es sei denn, diese Behandlung ist durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt.

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Bildung und Forschung

Horizon: Bund finanziert weitere Übergangsmassnahmen für Einzelprojekte

Der Bund stellt für die Starting und Consolidator Grants 2024 des Europäischen Forschungsrates (European Research Council, ERC) Mittel für Übergangsmassnahmen zur Verfügung. Dies hat der Bundesrat am 25. Oktober 2023 beschlossen. Aufgrund der aktuellen Nicht-Assoziierung am Horizon-Paket sind Forschende in der Schweiz zu den entsprechenden europäischen Ausschreibungen nicht zugelassen. Die Grants des Europäischen Forschungsrates fördern exzellente Grundlagenforschung und sind ein zentrales Förderinstrument für Spitzenforschende in der Schweiz. Diese waren bei vergangenen Ausschreibungen im internationalen Vergleich überdurchschnittlich erfolgreich. Daher soll Forschenden in der Schweiz, wie bereits in den Vorjahren, ein adäquater nationaler Ersatz angeboten werden. Der Bundesrat stellt dafür max. CHF 84 Mio. zur Verfügung.

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Energie

Sofortmassnahmen zur Unterstützung der Windkraftindustrie

Die Kommission hat am 24. Oktober 2023 einen Aktionsplan zur Unterstützung der Windkraftindustrie vorgelegt. Der Aktionsplan soll dazu beitragen, eine gesunde und wettbewerbsfähige Windenergie-Lieferkette mit einer klaren und sicheren Projektpipeline zu erhalten, die die erforderlichen Finanzmittel anzieht und weltweit unter gleichen Wettbewerbsbedingungen konkurriert. Zu den Massnahmen zählen u.a. ein beschleunigter Ausbau durch bessere Berechenbarkeit und schnellere Genehmigungsverfahren, ein verbessertes Auktionsdesign sowie gross angelegte Kompetenzpartnerschaften für erneuerbare Energie.

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Gesundheit

Bewältigung von Engpässen bei Arzneimitteln

Die Kommission hat am 24. Oktober 2023 eine Mitteilung zur Bewältigung von Arzneimittelengpässen vorgelegt. Zu den vorgeschlagenen Massnahmen zählen u.a. die Einrichtung eines freiwilligen Solidaritätsmechanismus der EU für Arzneimittel, mehr Flexibilität für die Mitgliedstaaten bei der Regulierung von Arzneimitteln (Haltbarkeitsdauer etc.), die Erstellung einer Unionsliste kritischer Arzneimittel sowie EU-Leitlinien für die Beschaffung von Arzneimitteln.

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Unterstützung globaler Gesundheit

Die EU hat am 26. Oktober 2023 auf dem Global-Gateway-Forum in Brüssel 500 Mio. EUR für globale Gesundheit freigegeben, um die Finanzierungspartnerschaft zwischen der Europäischen Kommission, der Europäischen Investitionsbank (EIB) und der Bill & Melinda Gates Foundation zu stärken, sowie weitere 134 Mio. EUR, um die lokale Herstellung von hochwertigen, sicheren, wirksamen und erschwinglichen Gesundheitsprodukten und den gleichberechtigten Zugang zu diesen in sechs afrikanischen Ländern zu verbessern. Die finanzierten Projekte in Afrika, Lateinamerika und der Karibik sowie Asien werden von der EIB, der Europäischen Kommission und der Bill & Melinda Gates Foundation gemeinsam entwickelt. Sie umfassen beispielsweise Bemühungen, Gesundheitsinnovationen wie mRNA-basierte Impfstoffe und Therapeutika für Menschen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen leichter zugänglich zu machen oder die Diagnose- und Laborkapazitäten afrikanischer Länder zu erhöhen.

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Kommunikation und Medien

Empfehlungen zur Umsetzung der Verordnung über digitale Dienste

Die Kommission hat am 18. Oktober 2023 eine Reihe von Empfehlungen an die Mitgliedstaaten veröffentlicht, um ihre Reaktion auf die Verbreitung und Verstärkung illegaler Inhalte – wie terroristischer Inhalte oder rechtswidriger Hetze – besser zu koordinieren, bevor diese zu einer ernsten Bedrohung der öffentlichen Sicherheit werden können. So sollen die Mitgliedstaaten die Kommission unterstützen, wenn sie dafür sorgt, dass sehr grosse Online-Plattformen und Suchmaschinen ihre neuen Pflichten aus der Verordnung über digitale Dienste (sog. Digital Services Act) vollständig erfüllen, und zwar bereits vor Ablauf der Frist, ab der die Mitgliedstaaten dann ihre eigene Rolle bei der Durchsetzung des Gesetzes über digitale Dienste zu spielen haben werden.

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Migration

Pilotprojekte für beschleunigte Asyl- und Rückkehrverfahren

6 Monate nach dem Start der Pilotprojekte für beschleunigte Asyl- und Rückführungsverfahren hat die Kommission über gute Fortschritte berichtet, die Bulgarien und Rumänien erzielen konnten. Bulgarien hat zum Thema Asyl Schulungen durchgeführt, um die Umsetzung der in der Asylverfahrensrichtlinie vorgesehenen beschleunigten Asylverfahren zu erleichtern. Ferner hat Bulgarien eine Liste sicherer Herkunftsstaaten und sicherer Drittstaaten erstellt und die Zahl der Entsendungen der EU-Asylagentur (EUAA) erhöht. Rumänien hat seine Asylvorschriften im Mai dahin gehend geändert, dass nun mit einer Rückkehrentscheidung zugleich auch eine ablehnende Entscheidung über den internationalen Schutz erlassen werden kann, was zu einem wirksameren Rückkehrverfahren beiträgt.

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Personenfreizügigkeit

EU-Aktionsplan für die östliche Mittelmeerroute

Die Kommission hat am 18. Oktober 2023 einen EU-Aktionsplan für die östliche Mittelmeerroute vorgestellt, der gezielte operative Vorgaben zur Ausrichtung von Massnahmen zur Migrationssteuerung entlang dieser Route enthält und die bereits vorgelegten Aktionspläne für den Westbalkan, das zentrale Mittelmeer, die westliche Mittelmeerroute und die Atlantikroute ergänzt. Der Aktionsplan umfasst insgesamt 29 operative Massnahmen, die in 4 zentrale Bereiche untergliedert sind, nämlich die Verhinderung irregulärer Ausreisen, die Verbesserung des wirksamen Grenzmanagements, die Verstärkung der Kooperation im Bereich Rückkehr und die Gewährleistung einer effizienten Migrationssteuerung.

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Sicherheit

Strategie zur Abwehr von Drohnen

Per Mitteilung vom 18. Oktober 2023 hat die Kommission eine umfassende Drohnenabwehrstrategie für die EU vorgestellt, mit der verhindert werden soll, dass die schnellen technologischen Entwicklungen und die steigende Zahl von Drohnen zu einer unkontrollierten Zunahme der Bedrohungen im zivilen Raum führen. Ausserdem soll ein einheitlicher politischer Rahmen geschaffen und ein allgemeiner Konsens darüber erzielt werden, mit welchen Verfahren den ständig neuen Bedrohungen begegnet werden kann. Flankiert wird die Mitteilung von zwei Handbüchern der Gemeinsamen Forschungsstelle der Kommission mit praktischen Orientierungshilfen zu den zentralen technischen Aspekten der EU-Drohnenstrategie.

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Umwelt

Bericht zur Förderung sauberer Technologien

In einer Mitteilung vom 24. Oktober 2023 legt die Kommission dar, was die EU bislang zur Förderung der Entwicklung und Einführung sauberer Technologien unternommen hat – etwa durch die Stärkung des Binnenmarkts, die Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen, die Unterstützung der Forschung und Innovation, die Ausweitung ihres Netzes von Handelsabkommen und die Abmilderung der Auswirkungen externer Entwicklungen. Ausserdem geht sie darin auf erste Folgen des US Inflation Reduction Act (IRA) ein, und betont, wie wichtig es sei, die Lage weiterhin zu beobachten und konstruktiv auf die USA zuzugehen. Darüber hinaus wird in der Mitteilung dargelegt, dass auch andere Akteure, insbesondere China, aktive öffentliche Förderprogramme aufgelegt haben, die sich auf das Investitionsumfeld für saubere Technologien in der EU auswirken dürften.

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Verbraucherschutz

Vereinfachung der aussergerichtlichen Beilegung von Verbraucherstreitigkeiten

Die Kommission hat am 17. Oktober 2023 vorgeschlagen, die Vorschriften über die aussergerichtliche Streitbeilegung zu modernisieren und zu vereinfachen, um sie an die digitalen Märkte anzupassen. Der Vorschlag sieht eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Richtlinie über die alternative Beilegung von Streitigkeiten vor, um u. a. Streitigkeiten im Zusammenhang mit irreführender Werbung, dem Zugang zu Diensten und ungerechtfertigtem Geoblocking aussergerichtlich beilegen zu können. Damit Verbraucherinnen und Verbraucher leichter von dieser Möglichkeit Gebrauch machen können, sollen benannte Stellen wie das Netzwerk der Europäischen Verbraucherzentren ihnen die Verfahren erläutern und bei deren Nutzung helfen. Ein weiteres Ziel des Vorschlags besteht darin, die Verfahren zu beschleunigen.

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