EuZ – Zeitschrift für Europarecht – Ausgabe 8 / 2023

Über die EuZ

Die EuZ – Zeitschrift für Europarecht berichtet über die jüngsten Entwicklungen im Recht der EU sowie über die Beziehungen der Schweiz zur EU. Im Rahmen wissenschaftlicher Beiträge analysieren renommierte Experten aktuelle Rechtsfragen in allen wirtschaftsrelevanten Bereichen des EU-Rechts. Daneben informieren kurze Beiträge über neue Gesetzesvorhaben, sonstige Vorstösse der EU-Institutionen sowie Urteile des EuGH.
Die EuZ erscheint zehnmal jährlich als Open Access-eJournal. Die wissenschaftlichen Beiträge werden zudem am Ende jeden Jahres in Gestalt eines Jahrbuchs zusammengefasst und sind in dieser Form als eBook sowie als Print on demand-Publikation erhältlich. 

Leitartikel

Dirk Trüten *

Die Schweiz im europäischen und internationalen zivilprozessualen Rechtsraum – Stand und Perspektiven

Voraussichtlich im Jahr 2025 wird die Schweiz dem Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen (HGÜ) beitreten. Dadurch wird das schweizerische Internationale Zivilprozessrecht zwar nicht grundlegend verändert, aber doch in einigen Punkten ergänzt und modernisiert. Der vorliegende Beitrag beleuchtet das HGÜ in seinem nationalen, europäischen und internationalen Regelungsumfeld und hebt hervor, dass es sich nicht um ein isoliertes Übereinkommen, sondern einen wichtigen Baustein im gerade entstehenden „Haager System“ des Internationalen Zivilprozessrechts handelt.

* PD Dr. iur. Dirk Trüten, LL.M., ist Privatdozent für Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Universität Luzern. 

Aktuelle Entwicklungen im Europarecht

Allgemeines und Institutionelles

Von der Leyen: Rede zur Lage der EU

Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hat am 13. September 2023 vor dem Plenum des Europäischen Parlaments in Strassburg ihre vierte Rede zur Lage der Union gehalten. Darin beschreibt sie die wichtigsten Prioritäten für das kommende Jahr 2024, aufbauend auf den bisherigen Erfolgen der Europäischen Union. Sie betonte, dass sich Europa in einer Welt voller Ungewissheiten wieder gemeinsam seinen historischen Herausforderungen stellen müsse.

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Vorbereitung des EU-Gipfels in Granada

Mit einer Mitteilung vom 27. September 2023 leistet die Kommission einen Beitrag zur bevorstehenden Debatte der Staats- und Regierungschefs in Granada über den zukunftsorientierten Ansatz für die offene strategische Autonomie der EU und über die vorrangigen politischen Ziele der Union in den kommenden Jahren. Die Mitteilung enthält eine Bestandsaufnahme des bereits Erreichten und der verbleibenden Herausforderungen bei der Schaffung eines innovativeren und stärker vernetzten Binnenmarkts, bei der Wahrung des inneren Zusammenhalts, der Förderung von Bündnissen mit internationalen Partnern und dem Ausbau der Fähigkeit der EU, als Garantin von Sicherheit für ihre Bürgerinnen und Bürger.

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Aussenbeziehungen

EU/China: Zehnter Wirtschafts- und Handelsdialog

Valdis Dombrovskis, Exekutiv-Vizepräsident der Europäischen Kommission, und He Lifeng, Vizeministerpräsident des Staatsrats, führten heute gemeinsam den Vorsitz beim 10. Wirtschafts- und Handelsdialog auf hoher Ebene zwischen der EU und China. Der HED ist für die EU und China die wichtigste Plattform für Gespräche über wirtschaftliche und finanzielle Fragen sowie zur Zusammenarbeit bei Handel und Investitionen. Beide Seiten erörterten insbesondere die makroökonomische Lage in der EU, China und weltweit. Exekutiv-Vizepräsident Dombrovskis betonte speziell die Folgen von Russlands grundlosem Angriff auf die Ukraine für die weltweiten Wachstumsaussichten sowie für die Sicherheit der Nahrungsmittel- und Energieversorgung. Ferner wurden Fragen des Marktzugangs und der Lieferketten besprochen, wobei Exekutiv-Vizepräsident Dombrovskis Fortschritte beim Zugang zum chinesischen Markt anmahnte, welche der EU Anlass zur Besorgnis gibt.

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EuG: Klage Venezuelas gegen restriktive Massnahmen abgewiesen

Das Gericht hat mit Urteil vom 13. September 2023 die Klage Venezuelas gegen die restriktiven Massnahmen der EU abgewiesen. Der Rat der EU hatte in Anbetracht der Beeinträchtigung der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie in Venezuela am 13. November 2017 entsprechende Massnahmen erlassen. Diese sahen im Wesentlichen ein Verkaufsverbot für Ausrüstungen vor, die zur internen Repression verwendet werden können.

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Bildung und Forschung

Teilnahme des UK am Forschungsprogramm Horizon

Die Europäische Kommission und das Vereinigte Königreich haben am 7. September 2023 eine politische Einigung über die Teilnahme des Vereinigten Königreichs an „Horizont Europa“, dem Forschungs- und Innovationsprogramm der EU, und Copernicus, dem weltweit führenden Erdbeobachtungsprogramm der EU, erzielt. Die miteinander ausgehandelte Lösung ist das Ergebnis eingehender Gespräche zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich und soll beiden Seiten zugutekommen. Sie wird es der EU und dem Vereinigten Königreich ermöglichen, ihre Beziehungen in den Bereichen Forschung, Innovation und Raumfahrt zu vertiefen und Forschungs- und Weltraumgemeinschaften zusammenzuführen. Das Abkommen steht im Einklang mit dem Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich.

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Kommunikation und Medien

Bericht über den Stand der digitalen Dekade

Der am 27. September 2023 veröffentlichte erste Bericht über den Stand der digitalen Dekade liefert einen umfassenden Überblick über die Fortschritte bei der Verwirklichung des digitalen Wandels, mit dem die EU digital souveräner, widerstandsfähiger und wettbewerbsfähiger gemacht werden soll. Der Bericht enthält eine Bewertung der Leistung der EU im Hinblick auf die Ziele und Vorgaben Europas für 2030, wobei der Schwerpunkt auf vier Hauptsäulen liegt: digitale Kompetenzen, digitale Infrastruktur, Digitalisierung der Unternehmen, einschliesslich der Nutzung künstlicher Intelligenz (KI), und Digitalisierung öffentlicher Dienste. Die Mitgliedstaaten werden in dem Bericht zu gemeinsamem Handeln aufgefordert, um die derzeitigen Investitionslücken zu schliessen und den digitalen Wandel in Europa zu beschleunigen.

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Europäischer Chips Act

Am 21. September 2023 ist das europäische Chip-Gesetz in Kraft getreten. Damit wird ein umfassendes Massnahmenpaket umgesetzt, um die Versorgungssicherheit, Resilienz und technologische Führungsrolle der EU im Bereich Halbleitertechnologien und -anwendungen zu sichern. Halbleiter sind die wesentlichen Bausteine digitaler und digitalisierter Produkte. Von Smartphones und Autos über kritische Anwendungen und Infrastrukturen für die Gesundheitsversorgung, Energie, Verteidigung, Kommunikation und industrielle Automatisierung sind Halbleiter für die moderne digitale Wirtschaft von zentraler Bedeutung. Konkret wird das europäische Chip-Gesetz die Fertigung in der Union stärken, das europäische Design-Ökosystem fördern und die Expansion und Innovation in der gesamten Wertschöpfungskette vorantreiben. Dank des europäischen Chip-Gesetzes soll die Europäische Union ihr Ziel erreichen, das darin besteht, ihren derzeitigen weltweiten Marktanteil bis 2030 auf 20 % zu verdoppeln.

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EuGH: Strafverfolgung und Datenschutz

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 7. September 2023 festgestellt, dass die Datenschutzrichtlinie 2002/58/EG der Nutzung personenbezogener Daten elektronischer Kommunikationsvorgänge, die von Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste auf Vorrat gespeichert und in der Folge den zuständigen Behörden zur Bekämpfung schwerer Kriminalität zur Verfügung gestellt wurden, im Rahmen von Untersuchungen wegen Dienstvergehen im Zusammenhang mit Korruption im öffentlichen Sektor entgegenstehe.

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Migration

EuGH: Rückführungsrichtlinie

Mit Urteil vom 21. September 2023 hat der EuGH festgestellt, dass die Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG auf jeden Drittstaatsangehörigen Anwendung findet, der in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats eingereist ist, ohne die Voraussetzungen für die Einreise oder den dortigen Aufenthalt zu erfüllen. Dies gelte insbesondere auch dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, der Betroffene an einer Grenzübergangsstelle aufgegriffen wurde, die sich im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats befindet. Die Einreise einer Person in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats könne nämlich bereits vor dem Überschreiten einer Grenzübergangsstelle erfolgen.

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EuG: Schadensersatz wegen Rückführung

Das Gericht hat in einem Urteil vom 6. September 2023 die Schadensersatzklagen mehrerer syrischer Flüchtlinge gegen Frontex nach deren Rückführung in die Türkei durch Griechenland abgewiesen. Da Frontex weder für die Prüfung der Begründetheit von Rückkehrentscheidungen noch von Anträgen auf internationalen Schutz zuständig sei, hafte die Agentur auch nicht für den Ersatz etwaiger Schäden in Verbindung mit der Rückführung in die Türkei. In Bezug auf die Rückkehraktionen hat Frontex lediglich den Auftrag, die Mitgliedstaaten technisch und operativ zu unterstützen. Dagegen sind die Mitgliedstaaten ausschliesslich zuständig, um die Begründetheit von Rückkehrentscheidungen zu würdigen und Anträge auf internationalen Schutz zu prüfen.

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10 Punkte Plan für Lampedusa

Angesichts der Lageentwicklung in Lampedusa und des zunehmenden Drucks entlang der verschiedenen Migrationsrouten hat die Präsidentin der Europäischen Kommission am 17. September 2023 einen Plan über grundrechtskonforme und mit den internationalen Verpflichtungen der EU vereinbare Sofortmassnahmen vorgelegt. Dazu zählen u.a. die Verstärkung der Unterstützung Italiens, die Unterstützung der Überstellung von Menschen aus Lampedusa, Massnahmen gegen den Einsatz seeuntüchtiger Schiffe sowie die Intensivierung der Grenzüberwachung.

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Personenfreizügigkeit

Digitalisierung der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit

Die Kommission hat am 6. September 2023 in einer Mitteilung Massnahmen zur Digitalisierung der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vorgeschlagen. Dies betrifft Massnahmen für einen schnelleren und einfacheren grenzüberschreitenden Zugang zu Diensten der sozialen Sicherheit dank des umfassenden Einsatzes digitaler Instrumente, die den Verwaltungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen verringern sollen. Der Informationsaustausch zwischen den nationalen Trägern der sozialen Sicherheit soll verbessert und die Anerkennung und Gewährung relevanter Leistungen über die Grenzen hinweg sollen beschleunigt werden. Die Europäer/innen werden so einfacher im Ausland leben, arbeiten und reisen können, Unternehmen können leichter in andere EU-Länder expandieren, und die Behörden können die soziale Sicherheit besser grenzüberschreitend koordinieren.

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Steuerrecht

Vorschläge für eine einfachere Besteuerung für grenzüberschreitend tätige Unternehmen

Die Europäische Kommission hat am 12. September 2023 Massnahmen zur Reduzierung der Befolgungskosten für grosse, grenzüberschreitend tätige Unternehmen in der Europäischen Union vorgeschlagen. Mittels der vorgeschlagenen Verordnung soll das Leben von Unternehmen und Steuerbehörden erleichtert werden, indem ein neues, einheitliches Regelwerk zur Berechnung der Steuerbemessungsgrundlage von Unternehmensgruppen geschaffen wird. Dadurch sollen die Befolgungskosten grosser Unternehmen, die in mehr als einem Mitgliedstaat tätig sind, gesenkt werden.

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Umwelt

Beschränkung des Einsatzes von Mikroplastik

Die Kommission hat am 25. September 2023 eine Durchführungsverordnung erlassen, mit der sie die Verwendung von Mikroplastik einschränkt. Gegenwärtig wird annähernd eine halbe Million Tonnen Mikroplastik in die Umwelt freigesetzt. Durch die neue Verordnung wird der Verkauf von Mikroplastik als solchem und von Produkten untersagt, denen Mikroplastik bewusst zugesetzt wurde, und die dieses Mikroplastik bei der Verwendung freisetzen. In hinreichend begründeten Fällen gelten für die betroffenen Akteure Ausnahmeregelungen und Übergangsfristen für die Anpassung an die neuen Vorschriften.

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