Über die EuZ
Leitartikel
Corinne Zellweger-Gutknecht,
Rolf H. Weber*
Digital Money – Taxonomy and Regulatory Approaches
Cryptocurrencies and other digital assets increasingly gain importance as means for payments facilitation and value storage. But the efforts of international regulators to establish a reliable and enforceable legal framework have not yet led to resilient approaches. This article aims to clarify and amend the existing taxonomy and shed light on the main normative challenges associated with digital money. Current and potential future types of state money as well as the regulatory aspects related to privately issued digital money are addressed.
*Corinne Zellweger-Gutknecht, Professor of Private Law and Economic Law, University of Basel; Rolf H. Weber, Professor of Business Law, University of Zurich, and practicing Attorney-at-Law in Zurich.
Matthias Horst*
„From Farm to Fork“ – Schwerpunkte der EU-Lebensmittelrechtspolitik bis 2024
Mit der Strategie „From Farm to Fork“ will die EU-Kommission das Lebensmittelsystem nachhaltig ausrichten und damit zur Verwirklichung des „Green Deal“ beitragen.
27 Massnahmen werden neue, z.T. gravierende Anforderungen an die Lebensmittelkette stellen, die ihre Tätigkeit und damit auch das Angebot verändern werden. Das Lebensmittelrecht erhält mit der Nachhaltigkeit eine zusätzliche Zielrichtung, die nicht ohne weiteres kompatibel mit der überkommenen Zweckbestimmung (u.a. Gesundheits- / Täuschungsschutz) erscheint. Auf Jahre wird die Strategie den Gesetzgeber beschäftigen und die (lebensmittel-) rechtspolitische Diskussion prägen. Es gilt, Bewährtes mit dem Neuen zu einem gemeinsamen, praktikablen System zu verbinden.
* Prof. Dr. Matthias Horst war langjähriger Hauptgeschäftsführer ernährungswirtschaftlicher Spitzenverbände, Honorarprofessor an der Universität Bonn, Mitglied des Verwaltungsrates der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), und ist heute Anwalt bei ZENK Rechtsanwälte, Berlin.
Aktuelle Entwicklungen im Europarecht
Allgemeines und Institutionelles
Stabilitäts- und Wachstumspakt bleibt weiterhin ausgesetzt
Die Europäische Kommission hat am 23. Mai 2022 mit dem Frühjahrspaket des Europäischen Semesters ihre Empfehlungen für die Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten vorgelegt. Aufgrund der Abwärtsrisiken wegen des Kriegs in der Ukraine, den Energiepreissteigerungen und der Störungen der Lieferkette soll der Stabilitäts- und Wachstumspakt nach Auffassung der Kommission noch bis Ende 2023 ausgesetzt bleiben. Die Aktivierung der allgemeinen Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts im März 2020 ermöglichte es den Mitgliedstaaten, rasch zu reagieren und Notfallmassnahmen zu ergreifen, um die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Pandemie so gering wie möglich zu halten. Die besondere Art des makroökonomischen Schocks, den die Invasion Russlands in der Ukraine ausgelöst hat, sowie seine langfristigen Auswirkungen auf die Energiesicherheit in der EU machen laut Kommission eine sorgfältige Gestaltung der Finanzpolitik im Jahr 2023 erforderlich.
EU-Berichte zu Hongkong und Macau
Die Europäische Kommission hat am 20. Mai 2022 Berichte über die politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen im Jahr 2021 in den Sonderverwaltungsregionen Hongkong und Macau vorgelegt. Beide Berichte konstatieren eine anhaltene Verschlechterung der Grundfreiheiten. In Hongkong begann das Jahr 2021 mit der Massenverhaftung von 55 Anhängern der Demokratie-Bewegung, unter ihnen prominente politische Persönlichkeiten, und endete mit der Wahl des Legislativrats ohne jede Oppositionskraft. Das nationale Sicherheitsgesetz hatte eine abschreckende Wirkung auf die Zivilgesellschaft Hongkongs. Mehr als 50 Organisationen der Zivilgesellschaft haben sich aus Angst vor Strafverfolgung aufgelöst. Daneben kam es zu Rückschritten in der Medienfreiheit. Auch im Jahresbericht zu Macau geht es vor allem um die zunehmenden Schwierigkeiten der Medien Macaus, ein breites Spektrum an Meinungen abzubilden.
EU-Justizbarometer 2022
Die Europäische Kommission hat am 19. Mai 2022 das EU-Justizbarometer 2022 veröffentlicht, das einen vergleichenden Überblick über Effizienz, Qualität und Unabhängigkeit der Justizsysteme in allen EU-Mitgliedstaaten gibt. Seit dem letzten Jahr ist die von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommene Unabhängigkeit der Justiz laut dem Bericht in mehr als der Hälfte der Mitgliedstaaten zurückgegangen. Bei der Digitalisierung der Justizsysteme besteht weiterhin Spielraum für Verbesserungen, hier müssen die Mitgliedstaaten die Reformen zur Modernisierung nach Auffassung der Kommission beschleunigen. Was den Zugang zur Justiz und seine Auswirkungen auf das Anlegervertrauen, das Unternehmensumfeld und das Funktionieren des Binnenmarkts anbelangt, so enthält das Justizbarometer 2022 auch Daten zur Verwaltungseffizienz, zu rechtlichen Garantien in Bezug auf Verwaltungsentscheidungen und zum Vertrauen in den Investitionsschutz.
Aussen- und Sicherheitspolitik
Strategische Partnerschaft mit der Golfregion
Der Hohe Vertreter der Union für Aussen- und Sicherheitspolitik und die Europäische Kommission haben am 18. Mai 2022 eine Gemeinsame Mitteilung über eine „Strategische Partnerschaft mit der Golfregion“ angenommen. Auf deren Grundlage soll die Zusammenarbeit der EU mit dem Golf-Kooperationsrat (GCC) und seinen Mitgliedsländern erweitert und vertieft werden. Im Zentrum stehen die Stabilität in der Golfregion und im Nahen Osten, die globalen Sicherheitsbedrohungen, Energiesicherheit, Klimawandel, der grüne Wandel, Digitalisierung, Handel und Investitionen. Auch Kontakte zwischen Studenten, Forschern, Unternehmen und Bürgern sollen gestärkt werden.
Energie
Ausbau von erneuerbaren Energien
Die Europäische Kommission hat am 18. Mai 2022 einen Plan zum Ausbau erneuerbarer Energien (REPowerEU-Plan) vorgelegt, mit dem sie auf die Belastungen und Störungen auf dem globalen Energiemarkt reagiert, die durch Russlands Invasion in die Ukraine verursacht wurden. Verfolgt wird mehr Unabhängigkeit von den fossilen Brennstoffen aus Russland sowie ein Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise. Mit den Massnahmen des REPowerEU-Plans sollen diese Zielvorgaben durch Energieeinsparungen, die Diversifizierung der Energieversorgung und den beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien als Ersatz für fossile Brennstoffe in Privathaushalten, in der Industrie und in der Stromerzeugung entsprochen werden.
Neue TaskForce für Energieimporte
Mit einer neuen TaskForce Energieplattform will die EU-Kommission den Zugang zu alternativen Energiequellen unterstützen. Ziel ist es insbesondere, die Abhängigkeit von russischen fossilen Brennstoffen zu verringern. Die Task Force wird am 1. Juni ihre Arbeit aufnehmen. Zu ihren Aufgaben zählt es dann, die Nachfrage zu bündeln, Kapazitäten zu koordinieren und auf Verhandlungen über Energielieferungen hinzuarbeiten.
Soforthilfemassnahmen zur Bekämpfung hoher Energiepreise
Als Reaktion auf mehrere Monate aussergewöhnlich hoher und volatiler Energiepreise hat die Kommission am 18. Mai 2022 weitere kurzfristige Massnahmen zur Bekämpfung der hohen Energiepreise und zur Bewältigung möglicher Unterbrechungen der Lieferungen aus Russland vorgeschlagen. Sie fordert die Mitgliedstaaten auf, weiterhin die Energiepreis-Toolbox zu nutzen, die Massnahmen zur Senkung der Energierechnungen der europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher enthält. Darüber hinaus steht den Mitgliedstaaten eine Reihe kurzfristiger Massnahmen zur Verfügung, die jetzt und in der nächsten Heizperiode genutzt werden können.
Gesundheit
Strengere Regeln für das Inverkehrbringen von medizinischen Tests
Ab 26. Mai 2022 gilt eine neue Verordnung für In-vitro-Diagnostika (IVDR) wie HIV-Tests, Schwangerschaftstests und COVID-19-Tests. Die neuen Regeln sollen die Patientensicherheit bei diagnostischen Medizinprodukten verbessern und das EU-Recht mit den Fortschritten in Medizin und Technologie in Einklang bringen. Zu den wichtigsten Neuerungen zählen ein risikobasiertes Produktklassifizierungssystem, mehr Transparenz resp. Informationen für Patienten sowie strengere Marktüberwachung durch die Mitgliedstaaten.
Kommunikation und Medien
Neue Richtlinie zur Cybersicherheit
Das Europäischen Parlament und der Rat konnten am 13. Mai 2022 eine politische Einigung betreffend die Revision der Richtlinie über Massnahmen für ein hohes gemeinsames Cybersicherheitsniveau in der Union (NIS-2-Richtlinie) erzielen. Die geltende Richtlinie war der erste EU-weite Rechtsakt auf dem Gebiet der Cybersicherheit und ebneten in vielen Mitgliedstaaten den Weg für ein grundlegendes Umdenken und für ein neues institutionelles und regulatorisches Herangehen an Fragen der Cybersicherheit. Um auf die wachsenden Bedrohungen im Zusammenhang mit der Digitalisierung und Vernetzung zu reagieren, wird die NIS-2-Richtlinie nun auch mittlere und große Einrichtungen aus einer größeren Anzahl von Sektoren erfassen, die für die Wirtschaft und Gesellschaft von entscheidender Bedeutung sind, darunter Anbieter öffentlicher elektronischer Kommunikationsdienste und digitaler Dienste, die Abwasser- und Abfallwirtschaft, die Herstellung kritischer Produkte, Post- und Kurierdienste und die öffentliche Verwaltung.
Landwirtschaft
Einmalzahlung für Landwirte wegen hoher Betriebskosten
Per Verordnungsvorschlag vom 20. Mai 2022 hat die Europäische Kommission Landwirten und Unternehmen der Agrar- und Ernährungswirtschaft, die von einem erheblichen Anstieg der Betriebsmittelkosten betroffen sind, eine Einmalzahlung aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums in Aussicht gestellt. Die Kommission verstärkt zudem die Überwachung der wichtigsten Agrarmärkte, die von Russlands Einmarsch in der Ukraine betroffen sind. Die Mitgliedstaaten werden der Kommission monatlich die Höhe der Vorräte an Getreide, Ölsaaten, Reis und zertifiziertem Saatgut für diese Erzeugnisse mitteilen.
Personenfreizügigkeit
Statusbericht zum Schengen‑Raum
Der Schengen-Raum ohne Kontrollen an den Binnengrenzen ist eine der historischen Errungenschaften der europäischen Integration. Wie das Schengen-System strategisch weiterentwickelt werden kann, hat die EU-Kommission am 24. Mai 2022 in ihrem ersten Schengen-Statusbericht dargelegt. Er enthält einen Überblick über die wichtigsten Prioritäten an den Binnen- und Aussengrenzen. Genannt werden u.a. Massnahmen zur Gewährleistung systematischer Kontrollen aller Reisenden an den Aussengrenzen, eine gestärkte Governance-Struktur unter Einbindung aller beteiligten Akteure sowie die Einführung eines Schengen-Scoreboards mit einer Übersicht über den Stand der Umsetzumgsmassnahmen.
Der Bericht wird flankiert von einer zeitgleich veröffentlichten Strategie für ein integriertes europäisches Grenzmanagement und dem Bericht über die Kontrollen an den EU-Aussengrenzen.
Strafrecht
EuGH: Urteilsfindung in Abwesenheit einer angeklagten Person
Mit Urteil vom 19. Mai 2022 hat der EuGH festgestellt, dass gegen eine Abwesenheit verhandelt und auch eine Verurteilung erfolgen kann, wenn es unmöglich ist, sie aufzufinden. Sie hat in diesem Fall jedoch das Recht, eine neue Verhandlung in ihrer Anwesenheit zu verlangen, in der der Sachverhalt erneut geprüft wird. Dieses Recht kann ihr jedoch verweigert werden, wenn sie sich dem Handeln der Justiz absichtlich entzogen und die Behörden daran gehindert hat, sie über die Verhandlung zu unterrichten.
Verbraucherschutz
Neue Verbraucherschutzrichtlinie tritt in Kraft
Am 28. Mai 2022 ist die neue Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung des Verbraucherrechtsvorschriften in Kraft. Sie aktualisieren die Instrumente, die zur Bewältigung der Herausforderungen der digitalen Märkte zur Verfügung stehen. Neu müssen bei der Online-Suche transparente Informationen über die Art und Weise, wie Angebote eingestuft werden, von den Plattformen bereitgestellt werden. Damit sollen irreführende Geschäftspraktiken vermieden werden. Der Zugang zu individuellen Rechtsbehelfen sowie Sanktionen bei grenzüberschreitenden Verstössen werden ebenfalls verbessert. Hierdurch soll eine gerechte Entschädigung der Opfer und eine echte Abschreckung für die Täter gewährleistet werden.
Verkehr
Notfallplan für den Verkehrssektor in Krisenzeiten
Die COVID-19-Pandemie und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine beinträchtigen auch den Personen- und Güterverkehr europaweit. Mit einem am 23. Mai 2022 vorgestellten Nofallplan will die EU-Kommission einen robusten Rahmen für einen krisensicheren und widerstandsfähigen EU-Verkehrssektor schaffen. Der Plan benennt zehn Aktionsbereiche, dazu zählt die Stärkung der sog. Green Lanes zur schnellen Abfertigung im Güterverkehr sowie die Stärkung der Rolle des Netzes der Kontaktstellen in den nationalen Verkehrsbehörden.