Über die EuZ
Leitartikel
Chayanis Aueamnuay / Carmen Berjón / Stella Galehr / Luca Graf / Andreas Heinemann *
Digital Regulation in the EU
The EU is responding to the challenges of the digital transformation with an unprecedented number of regulatory acts. The central objectives of the Union, such as the creation of the single market, and its values shall also apply to the digital world. By adopting landmark regulations, the Union wants to strengthen its digital sovereignty instead of following the rules of others. While the Digital Markets Act (DMA) aims to control the bottleneck power of gatekeeper platforms, the Digital Services Act (DSA) establishes a constitution for the Internet. Other important acts regulate access to data, for example the Data Act (DA), the Data Governance Act (DGA) and the European Health Data Space (EHDS). Finally, the draft Artificial Intelligence Act (AI Act) is a pioneering attempt to contain the most disruptive technologies. It remains to be seen what impact the regulatory offensive will have on the promotion of innovation in Europe.
* MLaw Chayanis Aueamnuay, MLaw Carmen Berjón, MLaw Stella Galehr, LLM (UC Berkeley), and MLaw Luca Graf, LLM (King’s College London) are predoctoral assistants at the Chair of Commercial, Economic and European Law of Prof. Dr. Andreas Heinemann, University of Zurich, Faculty of Law.
Aktuelle Entwicklungen im Europarecht
Allgemeines und Institutionelles
Vorbereitung der nächsten EU-Erweiterungsrunde
Die Europäische Kommission hat am 20. März 2024 eine Mitteilung über die Überprüfung von Reformen und politischen Massnahmen im Vorfeld der nächsten EU-Erweiterung angenommen. Die Kommission führt in der Mitteilung aus, dass die Erweiterung im strategischen Interesse der EU liege und gleichzeitig mit einer Vertiefung einher gehen müsse. Die Aufrechterhaltung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten bilde hierbei die Grundlage eines tiefgreifenden Transformationsprozesses in den Erweiterungsländern. Im Fokus der vorliegenden Mitteilung stehen fünf Bereiche, und zwar die Verbesserung der Konnektivität, die Erfüllung der gemeinsamen Klima- und Umweltverpflichtungen, die Verbesserung der Qualität und der Sicherheit von Lebensmitteln, die Schaffung der Voraussetzungen für soziale, wirtschaftliche und territoriale Konvergenz sowie die Erfüllung starker Sicherheitszusagen, Migration und Grenzmanagement.
20 Jahre EU-Ostererweiterung
In einer Mitteilung erinnert die Kommission an den EU-Beitritt von Tschechien, Polen sowie acht weiteren Staaten vor 20 Jahren am 1. Mai 2004. Damit wuchs die Zahl der EU-Bürgerinnen und -Bürger um rund 75 Millionen Menschen. Über ein halbes Jahrhundert lang waren die europäischen Völker durch den Eisernen Vorhang und den Kalten Krieg getrennt. Die historische Erweiterung von 15 auf 25 Mitgliedstaaten stand am Ende eines Prozesses, der mit dem politischen Umbruch in Mittel- und Osteuropa in den Jahren 1989/90 begonnen hatte.
Leitlinien für die Minderung systemischer Risiken für Wahlen
Die Europäische Kommission empfiehlt eine Reihe von Massnahmen und bewährten Verfahren, um gerade mit Blick auf die Integrität von Wahlen im Allgemeinen und die Europawahl im Besonderen systemische Risiken im Internet anzugehen. Die Leitlinien richten sich an sehr grosse Online-Plattformen und Suchmaschinen mit mehr als 45 Millionen aktiven Nutzerinnen und Nutzern in der EU. Diese Unternehmen sind nach der Verordnung über digitale Dienste (DSA) verpflichtet, die Risiken im Zusammenhang mit Wahlprozessen zu mindern und Grundrechte wie das Recht auf freie Meinungsäusserung zu wahren.
Arbeitsrecht
Neue Initiativen gegen Fachkräftemangel
Als Reaktion auf den Fachkräftemangel in der EU hat die Europäische Kommission einen Aktionsplan mit Massnahmen in fünf Politikbereichen vorgelegt, die möglichst bald auf Ebene der EU, der Mitgliedstaaten und der Sozialpartner umgesetzt werden sollten: Unterstützung der Aktivierung unterrepräsentierter Gruppen auf dem Arbeitsmarkt, Unterstützung von Kompetenzentwicklung sowie allgemeiner und beruflicher Bildung, Verbesserung der Arbeitsbedingungen in bestimmten Sektoren, Verbesserung der Mobilität von Arbeitskräften und Lernenden innerhalb der EU auf einer gerechten Grundlage sowie Anwerbung von Fachkräften aus Drittländern.
Beziehungen Schweiz – EU
Verhandlungen Schweiz-EU sind offiziell eröffnet
Bundespräsidentin Viola Amherd und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen haben am Montag, 18. März 2024, die Verhandlungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union in Anwesenheit der Chefunterhändler beider Seiten offiziell eröffnet. Beide Seiten würdigten die Bedeutung der bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU sowie die gemeinsamen wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Werte. Angesichts internationaler Herausforderungen, beispielsweise in Fragen der Sicherheit, des Klimas oder der Migration, sei es besonders wichtig, in Europa positive und konstruktive Formen der Zusammenarbeit zu bewahren, betonte die Bundespräsidentin. Die Schweiz und die EU sind bestrebt, ihre Beziehungen zu stabilisieren und weiterzuentwickeln. Die Verabschiedung der Verhandlungsmandate bedeuteten einen grossen Schritt in diese Richtung. Bundespräsidentin Amherd und Kommissionspräsidentin von der Leyen zeigten sich erfreut, dass die Verhandlungen zu den verschiedenen Elementen des Pakets bereits diese Woche starten können.
Geistiges Eigentum
Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie
Die Europäische Kommission hat eine Toolbox zur Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie angenommen. Die Empfehlung bezieht sich darauf, wie Nachahmungen sowohl offline als auch online bekämpft und das Recht am geistigen Eigentum besser geschützt werden können. Sie soll die Zusammenarbeit zwischen Rechteinhabern, Dienste-Anbietern und Strafverfolgungsbehörden fördern und gleichzeitig bewährte Verfahren und den Einsatz moderner Instrumente und Technologien unterstützen.
Gesundheit
Einigung über europäischen Raum für Gesundheitsdaten
Das Europäische Parlament und der Rat konnten eine politische Einigung über einen europäischen Raum für Gesundheitsdaten erzielen. Er soll den Bürgerinnen und Bürgern volle Kontrolle über ihre Gesundheitsdaten geben, um eine bessere Gesundheitsversorgung in ihrem Land und der gesamten EU zu erhalten. Zudem wird ein solider Rechtsrahmen für die Bereitstellung von Daten für die Forschung und im Bereich der öffentlichen Gesundheit geschaffen. Der diesbezügliche Verordnungsvorschlag von 2022 muss noch förmlich angenommen werden, bevor er in Kraft treten kann.
Kommunikation und Medien
DMA: Untersuchungen gegen Alphabet, Apple und Meta
Zwei Wochen nach dem Ablauf der Umsetzungsfrist für die Verordnung über digitale Märkte (DMA) hat die Europäische Kommission erste Untersuchungen wegen Nichteinhaltung eingeleitet. Betroffen sind die Gatekeeper Alphabet, Apple und Meta. Konkret geht es um Alphabets Regeln zur Lenkung in Google Play und zur Selbstreferenzierung in der Google-Suche, Apples Regeln zur Lenkung im App Store und zur Auswahl von Browsern und zur Änderung von Standardeinstellungen sowie Metas „Bezahl- oder Zustimmungsmodell“. Die Kommission hat den Verdacht, dass die von diesen Gatekeepern ergriffenen Massnahmen nicht ausreichen, um ihre Verpflichtungen aus dem Markenschutzgesetz wirksam zu erfüllen.
Verordnung zu künstlicher Intelligenz
Mit grosser Mehrheit haben die Abgeordneten des Europäischen Parlaments die Verordnung über die Künstliche Intelligenz (KI) angenommen. Ziel der neuen Vorschriften ist es, vertrauenswürdige KI in Europa und darüber hinaus zu fördern, indem sichergestellt wird, dass KI-Systeme die Grundrechte, die Sicherheit und die ethischen Grundsätze achten und die Risiken sehr leistungsfähiger und wirkungsvoller KI-Modelle angehen. Die grosse Mehrheit der KI-Systeme fällt in die Kategorie des minimalen Risikos. Anwendungen mit minimalem Risiko wie KI-gestützte Empfehlungssysteme oder Spam-Filter werden von einem Freipass und fehlenden Verpflichtungen profitieren, da diese Systeme nur ein minimales oder gar kein Risiko für die Rechte oder die Sicherheit der Bürger darstellen. KI-Systeme, die als risikoreich eingestuft werden, müssen strenge Anforderungen erfüllen, darunter Systeme zur Risikominderung, eine hohe Qualität der Datensätze, die Protokollierung von Aktivitäten, eine ausführliche Dokumentation, klare Benutzerinformationen, menschliche Aufsicht und ein hohes Mass an Robustheit, Genauigkeit und Cybersicherheit. KI-Systeme, die eine eindeutige Bedrohung für die Grundrechte der Menschen darstellen, werden verboten.
Landwirtschaft
Unterstützungspaket für Landwirtinnen und Landwirte
Die Europäische Kommission hat ein Paket mit Vorschlägen vorgelegt, wie sich der Verwaltungsaufwand für bäuerliche Betriebe in der EU verringern lässt und sie mehr Flexibilität bei der Einhaltung bestimmter Umweltauflagen bekommen. Auch die Verwaltungen in den EU-Mitgliedstaaten sollen von einer grösseren Flexibilität bei der Anwendung bestimmter Normen profitieren. Das Papier wurde dem Rat und dem Europäischen Parlament übermittelt. Es wurde auf der Ratstagung der Landwirtschaftsministerinnen und -minister am 24. und 25. März erörtert.
Produktsicherheit
Jahresbericht zum EU-Schnellwarnsystem für Produktsicherheit
Das europäische Schnellwarnsystem für Produktsicherheit, das sog. Safety Gate, trägt weiter dazu bei, dass mangelhafte Produkte gemeldet und vom Markt genommen werden. Das zeigt der Jahresbericht der Europäischen Kommission zum Safety Gate von 2023, der sich auf Warnmeldungen und die Reaktionen der nationalen Behörden bezieht. Kosmetische Mittel standen an der Spitze der am häufigsten gemeldeten Produktkategorien, gefolgt von Spielzeug, Kraftfahrzeugen, Elektrogeräten und Kleidung. Im Jahr 2023 gaben Behörden aus den 30 am Safety Gate teilnehmenden Ländern 3’412 Warnmeldungen und 4’287 Folgemassnahmen ein. In jedem Mitgliedstaat haben die Marktüberwachungsbehörden die Warnmeldungen regelmässig weiterverfolgt und zusätzliche Informationen ausgetauscht.
Umwelt
Förderung der Biotechnologie
Der Biotechnologie- und Bioproduktionssektor in der EU steht vor mehreren Herausforderungen: Forschung und Technologietransfer auf den Markt, komplexe Rechtsvorschriften, Zugang zu Finanzmitteln, Qualifikationen, Hindernisse in der Wertschöpfungskette, geistiges Eigentum, öffentliche Akzeptanz und wirtschaftliche Sicherheit. Aus diesem Grund schlägt die Kommission in ihrer Mitteilung „Mit der Natur in die Zukunft“ u.a. die folgenden Massnahmen vor: Nutzung der Forschung und Förderung der Innovation, Stimulierung der Marktnachfrage, Straffung der Regulierungswege, Förderung von öffentlichen und privaten Investitionen, Stärkung der biotechnologischen Kompetenzen.
Verteidigung
Stärkung der Europäischen Verteidigungskapazitäten
Die europäische Verteidigungsindustrie kann ihre Produktionskapazität für Munition bis Ende 2025 auf 2 Millionen Stück pro Jahr hochfahren; die EU-Kommission hat diesbezüglich 500 Millionen Euro bereitstellt, die im Rahmen der Verordnung zur Unterstützung der Munitionsproduktion vorgesehen sind. Daneben hat die Kommission das Arbeitsprogramm für das Instrument zur Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie durch gemeinsame Beschaffung (European Defence Industry Reinforcement through common procurement act, EDIRPA) und das vierte Jahresarbeitsprogramm des Europäischen Verteidigungsfonds (European Defence Fund, EDF) vorgestellt. In diesem Rahmen hat sie Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen für die gemeinsame Beschaffung von Verteidigungsgütern mit einem Gesamtvolumen von 310 Millionen Euro veröffentlicht.
Wettbewerbsrecht
Zusammenschluss von Lufthansa und Ita
Die Europäische Kommission hat die Deutsche Lufthansa AG und das italienische Ministerium für Wirtschaft und Finanzen von ihrer vorläufigen Auffassung in Kenntnis gesetzt, dass der geplante Erwerb der gemeinsamen Kontrolle über ITA Airways den Wettbewerb auf bestimmten Strecken auf dem Markt für Passagierluftverkehrsdienste innerhalb und ausserhalb Italiens einschränken könnte. Die Kommission befürchtet, dass die Kunden nach dem Zusammenschluss mit höheren Preisen oder einer geringeren Dienstleistungsqualität konfrontiert sein könnten. Mit der Mitteilung der Beschwerdepunkte setzt die Kommission die Beteiligten auf schriftlichem Wege förmlich von ihren kartellrechtlichen Bedenken in Kenntnis. Die Mitteilung der Beschwerdepunkte greift dem Ergebnis der Untersuchung nicht vor.