Inhalt
- Einführung
- Das Wesen der CBDC
- Gefahr für das Privatleben
- Ökonomisches Leben
- Politische Gefahren
- Konklusion
I. Einführung
Viele Notenbanken der Welt beschäftigen sich mit der Entwicklung einer sogenannten digitalen Notenbankwährung (CBDC – central bank digital currency). Ziel ist es, dass die Bürger eine digitale Variante der nationalen Währung benutzen können. Die Inspiration kommt von Krypto-Währungen wie Bitcoin, wo man über ein „Wallet“ auf dem Handy seine Bitcoins verwalten und Spenden kann. Auf gleiche Weise soll man etwa seine digitalen Euros oder Dollars in einem Wallet aufbewahren und daraus ausgeben.
Damit würden die Notenbanken sich als Konkurrenten zu Krypto-Währungen auf der einen Seite und zu digitalen Bezahlungsmöglichkeiten wie etwa Google Pay oder verschiedenen Online Banking-Arten ins Spiel bringen. Die Europäische Zentralbank behauptet, die Existenz des Bitcoins sei ein Beweis der Nachfrage nach CBDCs; indes sind Krypto-Währungen vielmehr Evidenz dafür, dass Menschen eine Alternative zu den etablierten Währungen suchen. Eine CBDC wäre dann die falsche Antwort seitens der Notenbank, und weil eine digitale Notenbankwährung ihre eigenen Risiken bringen würde, lohnt es sich, kurz zu skizzieren, welche Gefahren sie genau brächte.
II. Das Wesen der CBDC
Eine CBDC ist eine Alternative zum Bargeld und zu privaten Zahlungslösungen, meistens von Privatbanken dargeboten. Sie ist auch eine Möglichkeit, durch welche Menschen ohne Zugang zum Finanzsystem einen solchen Zugang erlangen würden. Die Notenbank würde ein Wallet anbieten, das Privatpersonen nutzen können. Das digitale Geld würde ein Passivum der Notenbank darstellen und Privatpersonen würden so einen direkten Zugang zur Bilanz der Notenbank haben, ein Zugang, der im heutigen System nur Banken und Finanzunternehmen gewährleistet ist. Alternativ würden Privatbanken ein Wallet anbieten, aber das digitale Geld würde trotzdem ein Passivum der Notenbank darstellen.
Grundsätzlich ist eine CBDC also ein Schritt Richtung eines zentralisierten Geldsystems. Das heutige System ist auch sehr zentralisiert, vor allem weil die Geldschöpfung von den Notenbanken monopolisiert ist. Allerdings ist die Zentralisierung des heutigen Systems gemildert, da die Privatbanken und andere Privatunternehmen zwischen der Notenbank und den Privatpersonen als Vermittler stehen. Die Frage ist also, welche Gefahren eine weitere Zentralisierung brächte. Diese können wir in drei Kategorien einteilen: Gefahren für das Privatleben, für das wirtschaftliche Leben und für das politische Leben.
III. Gefahr für das Privatleben
Wenn man mit CBDCs zahlt, ist es im Prinzip immer möglich, dass die Notenbank die Zahlungen überwacht, um zu verhindern, dass das Geld für illegale Zwecke ausgegeben wird. Das könnten zum Beispiel Geldwäsche oder Terrorfinanzierung sein. Die Europäische Zentralbank schreibt sie wolle das Privatleben der Menschen respektieren und deswegen keine automatische Einsicht in ihren Zahlungen haben, aber sie müsse im Verdachtsfall Zugang zu allen Konto- (oder Wallet‑)Daten haben.[1]Report on a Digital Euro, 2020, abrufbar unter <https://www.ecb.europa.eu/euro/html/digitaleuro-report.en.html>. Auch wenn die Behörden nicht täglich nachschauen, wofür man sein Geld ausgibt, muss eine solche Einsicht also möglich sein. Jeder kann etwas tun, das verdächtig aussieht, ohne dabei etwas Illegales getan zu haben, und jeder kann so ohne sein Wissen immer überwacht werden. Die Gefahr besteht auch, dass das System gehackt wird und dass private Informationen so verbreitet würden.
Die Banken, die im jetzigen System die grosse Mehrheit aller Zahlungen abwickeln, speichern zwar diese Zahlungsdaten; dies allerdings nur teilweise, weil Bankenregulierungen sie dazu zwingen. Für die Sicherheit des Zahlungsverkehrs ist es notwendig, dass man weiss, wer wem was bezahlt hat – sonst hätte man ja keine Beweise, ob die Rechnung bezahlt, der Vertrag erfüllt wurde oder nicht. Die Banken haben aber gute Gründe, diese Information gut zu verwalten. Eine Bank, deren Umgang mit persönlichen Akten und vertraulichen Dokumenten man nicht akzeptabel fände, würde man einfach nicht nutzen. Die Angestellten der Bank sind grundsätzlich auf der Seite der Kunden und wollen ihr Vertrauen behalten. Das bedeutet, dass Informationssicherheit (durch Verschlüsselung der Daten und was auch immer) eine hohe Priorität hat. Die Beziehung zwischen Bank und Kunde ist eine freiwillige, und wenn der Kunde nicht zufrieden wäre, würde er einfach gehen. Im Idealfall besteht ein absoluter Willenseinklang zwischen Bank und Kunde.
Die Notenbank steht in einer anderen Beziehung zu den Privatpersonen. Sie ist erstens Diener des Staates und steht deswegen – auch wenn sie sonst den Bürgern gute Dienstleistungen, z.B. als Clearinghouse, gewährleistet – den Privatpersonen als Behörde gegenüber. Ihr Interesse ist es grundsätzlich nicht, das Privatleben zu respektieren, sondern ihre Aufgabe gesetzesgemäss auszuführen und die anderen Teile des Staatsapparates zu unterstützen. Die EZB bietet wieder ein Beispiel: Ihr Auftrag laut der EU-Verfassung ist es, ihre geldpolitischen Aufgaben auszuführen und auch sonst die EU zu unterstützen.
Eine weitere Möglichkeit der CBDCs liegt in der Begrenzung unerlaubter oder „schädlicher“ Transaktionen. Eine CBDC ist programmierbares Geld, und die Notenbank kann durch das Programmieren bestimmen, wie das Geld gebraucht wird. Es wäre zum Beispiel möglich, dass der Schokoladenverbrauch einer Person begrenzt wird, weil Sozial- und Gesundheitsbehörden meinen, dass dieser Verbrauch gesundheitsschädlich sei. Oder Fleisch wird de facto rationiert, indem nur ein gewisser Betrag pro Person pro Monat für Fleisch ausgegeben werden darf, um damit das Klima zu schonen. Oder man muss sein Geld innerhalb einer gewissen Frist ausgeben, um damit die Wirtschaft „wiederzubeleben“ (siehe unten). In allen Fällen gilt: Insofern er CBDC benutzt, ist der Einzelne nicht länger Herr seines eigenen Geldes. Die Freiheit würde so auf unauffällige, aber tiefgreifende Weise stark beschränkt werden, ohne dass der Staat offene Gewalt ausüben müsste.
IV. Ökonomisches Leben
Der wesentliche Beweggrund für die Einführung der CBDC ist ihr Nutzen für die Geldpolitik. Notenbanken zielen auf bestimmte Zinsraten, um so das wirtschaftliche Leben zu beeinflussen. Insbesondere sind Zinssenkungen das Mittel, wodurch eine Notenbank versucht, einer Wirtschaftskrise und Rezession gegenzusteuern. Seit den 1990er-Jahren haben die Notenbanken theoretisch – und seit den 2010er-Jahren auch praktisch – mit dem „zero lower bound“ gerungen. Das heisst, dass eine Zinssenkung nicht möglich ist, wenn die Zinsrate bereits ziemlich niedrig ist. Wenn der Zins fast null ist, würden Geldinhaber angesichts einer Zinssenkung ihr Geld aus den Banken nehmen und in den Tresor oder unter die Matratze stecken. Das primäre Mittel der Notenbanken hat so seine Kraft verloren.
Eine CBDC bietet aber die Möglichkeit der Negativzinsen. Grundsätzlich könnten die Notenbanken Zinsen auf das Geld in den Wallets zahlen und die Zinsrate nach Belieben heben oder senken. Das heisst, dass die Zinsrate, wenn notwendig, auch negativ werden könnte, damit die Leute keinen Grund sehen, ihre Bankkonten zu leeren. So könnten die Notenbanken die Zinsen nach Belieben senken, um die Wirtschaft wiederzubeleben. Die makroökonomische Theorie, die dieses Vorgehen für einen guten Weg aus Krisen hält, ist sehr fraglich, aber eine detaillierte Kritik würde den Rahmen dieses Artikels sprengen.
Klar ist, dass für den Einzelnen Negativzinsen ein ökonomisches Defizit bedeuten würden. Seine Geldanlage hätte nicht mehr dieselbe Sicherheit wie sie Bankguthaben und Bargeld heutzutage bieten, da er nie sicher sein könnte, wie viel seines Geldes er in Negativzinsen abgeben müsste. Dies ist noch mehr der Fall bei dem programmierbaren Geld. In beiden Fällen muss man beachten, dass die Geldpolitik nur funktionieren könnte, wenn Bargeld entweder abgeschafft oder dessen Gebrauch stark beschränkt worden wäre.
Mit einer CBDC hätte die Notenbank noch ein Mittel, um den Geldstrom und damit die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Es wäre möglich, die Geldanlage pro Person zu begrenzen. Die Notenbank kann z.B. bestimmen, dass man nur einen Monat lang Geld über ein gewisses Minimum im Wallet sparen darf, oder dass man nur Geld bis zu einem gewissen Maximum sparen darf. Die Geldanleger werden so dazu gezwungen entweder mehr zu konsumieren oder mehr Geld in ihre Bank zu stecken und so durch die Bank mehr zu investieren. Wieder wird die Selbstbestimmung in einem solchen Fall stark beschränkt.
V. Politische Gefahren
Endlich sind einige politischen Gefahren zu beachten. Die politische Macht der Notenbank würde zunehmen, da der Zahlungsverkehr zentralisiert und die Kontrolle des Geldes gestärkt würden. Wie bereits erwähnt ist die Notenbank kein Freund des einzelnen Bürgers. Vielmehr ist sie ein von Beamten kontrollierter Teil des Staates, der meistens der demokratischen Kontrolle der Bürger entzogen ist. Dem Wesen der Notenbanken nach ist es notwendigerweise so; allerdings sollte man dann genau überlegen, wie viel Macht man der Notenbank überlassen will.
Mehr spekulativ ist die Gefahr, die eine autoritäre Machtübernahme und Regierung bietet. Eine CBDC wie hier skizziert, gäbe einer autoritären, undemokratischen Regierung viele Möglichkeiten, um ihre Gegner zu belästigen und verschiedene Gruppen zu diskriminieren. Kontrolle mit der Notenbank wäre de facto Macht über das gesamte wirtschaftliche Leben, und eine autoritäre Regierung könnte nach Belieben den Zugang des Einzelnen dazu ein- und ausschalten.
VI. Konklusion
Wir haben hier kurz die verschiedenen Gefahren der CBDC skizziert. Deren mögliche Vorteile sind dagegen gering: Private Anbieter wie Banken, Visa, Google und ähnliche haben bereits viele technischen Verbesserungen eingeführt, die einen digitalisierten Zahlungsverkehr für Institutionen und Einzelpersonen ermöglichen. Eine CBDC würde hier keine Verbesserung bringen.
Vielmehr bedeutet eine CBDC eine weitere Zentralisierung des Geldsystems und des Zahlungsverkehrs. Die Gefahren dieser Zentralisierung dem jetzigen, eher dezentralen System gegenüber werden meist unterschätzt. Generell gilt, dass ein dezentrales System resilienter ist, weil ein Angriff auf oder das Versagen eines Teils für das System als Ganzes nicht kritisch wäre. Diese Resilienz, die durch Regulierung bereits sehr eingeschränkt ist, würde mit einer CBDC verlorengehen.
Die Schweizer Nationalbank (SNB) bildet eine Ausnahme unter den Notenbanken, indem sie nur eine digitale Notenbankwährung für die Abwicklung des Zahlungsverkehrs zwischen Finanzinstituten für sinnvoll hält, eine sogenannte wholesale CBDC.[2]Siehe Referat „Auf dem Weg zum Geldsystem der Zukunft“, SNB 8. April 2024, abrufbar unter … Continue reading Hier ist nur fraglich, wie die Notenbank rein technisch ihre jetzige Funktion ausführen soll. Allerdings könnte man auch hier neu überlegen, ob die Zentralisierung des Clearingmechanismus in der Notenbank sinnvoll ist. Die grösseren Gefahren bestehen jedoch in den CBDCs, welche die EZB und andere Notenbanken in Betracht ziehen.
Fussnoten[+]
↑1 | Report on a Digital Euro, 2020, abrufbar unter <https://www.ecb.europa.eu/euro/html/digitaleuro-report.en.html>. |
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↑2 | Siehe Referat „Auf dem Weg zum Geldsystem der Zukunft“, SNB 8. April 2024, abrufbar unter <https://www.snb.ch/de/publications/communication/speeches/2024/ref_20240408_tjn>. |