EuZ - Zeitschrift für Europarecht

Ausgabe 10 / 2023

Die Weiterentwicklung der Sozialrechtskoordinierung im FZA

Basile Cardinaux*

Mit dem FZA hat die Schweiz auch das europäische Recht zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit übernommen. Der Autor erörtert, wie sich die Sozialrechtskoordinierung im FZA bisher entwickelt hat und noch weiter entwickeln kann. Er geht dabei auf laufende Revisionsarbeiten der EU an den einschlägigen Koordinierungsverordnungen ein und diskutiert, ob und wie diese Änderungen im europäischen Recht – so sie denn beschlossen werden sollten – ins FZA überführt werden könnten. Dabei ist den laufenden Gesprächen über einen veränderten institutionellen Rahmen für die Marktzugangsabkommen zwischen der EU und der Schweiz Rechnung zu tragen. Schliesslich geht der Beitrag auf multi- und bilaterale Vereinbarungen innerhalb des übernommenen Koordinierungsrechts ein, an denen die Schweiz beteiligt ist.

* Prof. Dr. Basile Cardinaux hat an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg i.Ü. zu den Auswirkungen des Freizügigkeitsabkommens auf die schweizerische berufliche Vorsorge promoviert. Er ist an selbiger Fakultät habilitiert und unterrichtet dort seit 2012 Arbeits- und Sozialversicherungsrecht. Zuvor war als Rechtsanwalt für Hubatka Müller Vetter Rechtsanwälte in Zürich tätig. Dieser Kanzlei ist er als Rechtsanwalt/Konsulent weiter verbunden.

Titelbild EuZ 10 2023

Inhalt

  1. Einleitung
  2. Die bisherige Entwicklung der Sozialrechtskoordinierung
    1. Die unionsrechtliche Sozialrechtskoordinierung
    2. Die Sozialrechtskoordinierung gemäss FZA
      1. Der Grundmechanismus
      2. Aus dem Unionsrecht übernommene Änderungen
      3. Aus dem Unionsrecht (noch) nicht übernommene Änderungen
      4. Die bundesgerichtliche Rezeption der koordinierungsrechtlichen
        EuGH-Rechtsprechung

        1. Die Nichtexportierbarkeit der AHV/IV-Hilflosenentschädigung
        2. Weitere diskussionswürdige Rechtsprechung des
          Bundesgerichts

          1. Doppelte Beitragserhebung
          2. Keine Ergänzungsleistungen für Bezügerin einer
            ausländischen Invalidenrente
          3. Keine Zusammenrechnung der Versicherungszeiten bei
            den Überbrückungsleistungen
        3. Fazit
  3. Mögliche Entwicklungen der Sozialrechtskoordinierung gemäss FZA
    1. Bei unverändertem institutionellem Rahmen
      1. Keine Aktualisierung des Anhangs II mehr?
      2. Die laufende Revision zur Modernisierung der
        Koordinierungsverordnungen
      3. Neue Regeln für die Versicherungsunterstellung bei
        grenzüberschreitender Telearbeit
      4. Fazit
    2. Bei einem neuen institutionellen Rahmen
      1. Die bisher diskutierte Ausgestaltung eines veränderten
        institutionellen Rahmens

        1. Die Rechtsentwicklung
        2. Die Auslegung
        3. Die Überwachung
        4. Die Streitbeilegung
        5. Die Kündigung
      2. Die dynamische Übernahme unionsrechtlicher Änderungen
        der Sozialrechtskoordinierung
      3. Die dynamische Übernahme von EuGH-Rechtsprechung im
        Bereich der Sozialrechtskoordinierung
      4. Fazit
  4. Die multi- und bilateralen Vereinbarungen im Rahmen der
    Sozialrechtskoordinierung gemäss FZA

    1. Die multilaterale Vereinbarung zur grenzüberschreitenden Telearbeit
      1. Die rechtliche Verankerung und die Vertragsstaaten
      2. Der Geltungsbereich
      3. Der Regelungsinhalt
      4. Die Entsendung als Alternative
    2. Die bilaterale Vereinbarung zwischen Frankreich und der
      Schweiz betreffend die Krankenversicherungsunterstellung von
      Grenzgängern
  5. Schlussbemerkungen

A. Einleitung

Arbeitnehmer und Selbständige würden deutlich weniger von der Personenfreizügigkeit innerhalb der europäischen Union Gebrauch machen, wenn sie dadurch sozialversicherungsrechtliche Nachteile erlitten. Auf dieser Erkenntnis fusst die europäische Sozialrechtskoordinierung. Wohl gestaltet jeder Mitgliedstaat seine sozialen Absicherungssysteme so, wie er es für richtig hält und es sich leisten kann: Die luxemburgische Alterspension fällt üppiger aus als die bulgarische. Daran rüttelt der europäische Gesetzgeber nicht. Die bulgarische Arbeitnehmerin, die in Luxemburg erwerbstätig und sozialversichert ist, soll aber die luxemburgische Alterspension dereinst auch dann ausbezahlt erhalten, wenn sie ihren Ruhestand in ihrem Heimatstaat geniessen will. Dieser sog. Leistungsexport (s. Art. 48 Abs. 1 lit. b AEUV[1]Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Fassung gemäss Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007, ABl. Nr. C 202 vom 7. Juni 2016, S. 47 ff. (konsolidierte Fassung). und Art. 7 Verordnung Nr. 883/2004[2]Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. Nr. L 166 vom 30. April 2004, S. 1 ff.; … Continue reading) ist eines der unionsrechtlichen Koordinierungsinstrumente, um die freizügigkeitsbedingten Nachteile im Bereich der sozialen Sicherheit zu beseitigen. Andere sind: die Gleichbehandlung (s. insb. Art. 45 AEUV und Art. 4 Verordnung Nr. 883/2004), die Zusammenrechnung von Versicherungszeiten (s. insb. Art. 48 Abs. 1 lit. a AEUV sowie Art. 6 und Art. 51 ff. Verordnung Nr. 883/2004), die Bestimmung der anwendbaren Rechtsvorschriften (s. insb. Art. 11 ff. Verordnung Nr. 883/2004) und die Zusammenarbeit der mitgliedstaatlichen Sozialversicherungsträger (s. insb. Art. 4 Abs. 3 EUV[3]Vertrag über die Europäische Union, Fassung gemäss Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007, ABl. Nr. C 202 vom 7. Juni 2016, S. 13 ff. (konsolidierte Fassung). und Art. 76 Verordnung Nr. 883/2004). Die europäischen Koordinierungsverordnungen konkretisieren diese Grundsätze bis auf eine sehr technische Ebene hinunter. In über sechs Dekaden ist das europäische Koordinierungsrecht gewachsen und weist heute einen entsprechend hohen Reifegrad auf. Dennoch muss es stets wieder an sich verändernde Gegebenheiten und Bedürfnisse angepasst werden.

Kraft Anhang II des FZA[4]Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit … Continue reading gilt das europäische Koordinierungsrecht auch im Verhältnis zwischen der EU und der Schweiz. Ändert der europäische Gesetzgeber die Koordinierungsverordnungen, dann obliegt es dem Gemischten Ausschuss, darüber zu befinden, ob das neue Recht auch im Rahmen des FZA gelten soll (Art. 18 FZA). Da der Gemischte Ausschuss nur einvernehmlich beschliessen kann (Art. 14 Abs. 1 FZA), muss eine Vertragspartei nichts übernehmen, das sie nicht will. Bis anhin sind die meisten, aber nicht alle Änderungen, die die Union in ihrem Koordinierungsrecht vorgenommen hat, in das FZA überführt worden. Das zeichne ich in diesem Beitrag als erstes nach (B). Anschliessend will ich das bereits bestehende oder noch im Entstehen begriffene Unionsrecht erörtern, bei dem sich fragt oder sich künftig fragen wird, ob es ins FZA einfliesst (C). In einigen Regelungsbereichen des Koordinierungsrechts können einzelne Vertragsstaaten untereinander besondere Vereinbarungen treffen. Ich will auf zwei solche Vereinbarungen näher eingehen, die die Schweiz (mit‑)abgeschlossen hat (D).

B. Die bisherige Entwicklung der Sozialrechtskoordinierung

I. Die unionsrechtliche Sozialrechtskoordinierung

Um die Personenfreizügigkeit zu verwirklichen, sollen Erwerbstätige, die in einen anderen Mitgliedstaat ziehen, die sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche behalten, die sie im bisherigen Erwerbsstaat erworben haben. Es darf ihnen zudem nicht schwerer als den Inländern fallen, solche Ansprüche im neuen Erwerbsstaat zu erwerben. Schliesslich sollen sie die erworbenen Sozialversicherungsleistungen auch in gleicher Weise beziehen können wie die Inländer, und dies ungeachtet ihres Wohnsitzes. Zur Umsetzung dieser Maximen erliess die damalige EWG schon relativ bald nach ihrer Gründung (Ende 1958) die ersten Koordinierungsverordnungen im Bereich der sozialen Sicherheit.[5]Verordnung Nr. 3 über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer, ABl. Nr. 30 vom 16. Dezember 1958, S. 561/58 ff.; Verordnung Nr. 4 zur Durchführung und Ergänzung der Verordnung Nr. 3 … Continue reading

Zu Beginn der 1970er-Jahre ersetzte der europäische Gesetzgeber sie durch neue. Unter den Verordnungen Nrn. 1408/71[6]Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der … Continue reading und 574/72[7]Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und … Continue reading lief für die folgenden Jahrzehnte die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Diese generierte eine Vielzahl von EuGH-Urteilen. Die Erkenntnisse aus dieser Rechtsprechung flossen in der Folge in die Koordinierungsverordnungen ein, die regelmässig angepasst wurden.

Die Verordnungen Nrn. 1408/71 und 574/72 erfuhren in der ersten Dekade dieses Jahrtausends eine Generalüberholung. Nach längeren Vorarbeiten wurden sie per 1. Mai 2010 durch die aktuell in Kraft stehenden Verordnungen Nrn. 883/2004 und 987/2009[8]Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die … Continue reading abgelöst.

II. Die Sozialrechtskoordinierung gemäss FZA

1. Der Grundmechanismus

Das FZA besteht aus dem eigentlichen Abkommenstext und drei Anhängen. Während die Vertragsparteien die ausländerrechtlichen Aspekte der Personenfreizügigkeit im Anhang I eigens geregelt haben, verweisen die Anhänge II (Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit) und III (Gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen) auf die europäischen Rechtsakte, die im jeweiligen Bereich einschlägig sind. Im Anhang II sind das die bereits erwähnten Verordnungen Nrn. 883/2004 und 987/2009 sowie die Richtlinie 98/49[9]Richtlinie 98/49 des Rates vom 29. Juni 1998 zur Wahrung ergänzender Rentenansprüche von Arbeitnehmern und Selbständigen, die innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu- und abwandern, … Continue reading zur Wahrung ergänzender Rentenansprüche der Wanderarbeitnehmerinnen (Art. 1 i.V.m. Abschnitt A Anhang II FZA). Die Verordnungen Nrn. 883/2004 und 987/2009 enthalten ihrerseits mehrere Anhänge, in denen die Mitgliedstaaten Einträge zur Umsetzung des europäischen Koordinierungsrechts vorgenommen haben. Die Einträge, die die Schweiz betreffen, figurieren im Anhang II des FZA (s. Abschnitt A). Die Vertragsparteien berücksichtigen sodann die Beschlüsse und Empfehlungen, die die Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit gefasst bzw. abgegeben hat (Art. 2 Abschnitte B und C). Den Anhang II beschliesst ein Protokoll, das für übergangsrechtliche Sonderregelungen der Schweiz bestimmt ist und einen integrierenden Bestandteil des FZA bildet (Art. 3 Anhang II FZA). Allerdings sind nur die Bestimmungen des Protokolls zur Arbeitslosenversicherung und zur beruflichen Vorsorge transitorischer Natur. Die Schweiz hat sich im Protokoll indessen auch vorbehalten, die Hilflosenentschädigungen der AHV/IV – dauerhaft – nicht in die anderen Vertragsstaaten ausbezahlen zu müssen.[10]Siehe dazu unten B.II.2.

Das FZA ist statisch konzipiert. Aktualisiert die Union die Koordinierungsverordnungen, so müssen die Vertragsparteien im Gemischten Ausschuss einvernehmlich (Art. 14 Abs. 1 FZA) beschliessen, die Anpassungen ins FZA zu überführen (Art. 18 FZA). Neue Rechtsakte im Bereich der sozialen Sicherheit, die ausserhalb der Koordinierungsverordnungen ergehen, bedürfen einer Revision des FZA (Art. 18 Satz 2 Teilsatz 2 FZA e contrario).

Zum acquis communautaire, der mit dem FZA übernommen wurde, zählt auch die umfangreiche Rechtsprechung des EuGH, die zu den Koordinierungsverordnungen ergangen ist. Der statischen Konzeption des FZA folgend, sind im Rahmen des FZA nur die Urteile des EuGH bindend, die der EuGH bis zum 21. Juni 1999 gefällt hat (Art. 16 Abs. 2 Satz 1 FZA). An die danach ergangene EuGH-Rechtsprechung haben sich die EU-Mitgliedstaaten ebenfalls zu halten. Für die Schweiz gilt dies zumindest formell nicht. Im FZA ist jedoch vorgesehen, dass die Schweiz über diese Rechtsprechung unterrichtet wird (Art. 16 Abs. 2 Satz 2 FZA). Das dürfte überflüssig sein, da die Urteile des EuGH zeitnah online abrufbar sind. Wichtiger ist die Option, dass „der Gemischte Ausschuss auf Antrag einer Vertragspartei die Auswirkungen dieser Rechtsprechung [feststellt,]“ „[um] das ordnungsgemässe Funktionieren [des FZA] sicherzustellen“ (Art. 16 Abs. 2 Satz 3 FZA). Hinter dieser kryptischen Klausel verbirgt sich die indirekte Aufforderung ans Schweizer Bundesgericht, auch die nach dem 21. Juni 1999 gefällten EuGH-Urteile zu berücksichtigen, um eine einheitliche Rechtsanwendung im FZA-Vertragsraum zu garantieren.

In der EU wacht die Kommission darüber, dass die Mitgliedstaaten das Unionsrecht einhalten (Art. 17 Abs. 1 Satz 3 EUV). Sie kann gegen Mitgliedstaaten, die in ihren Augen gegen das Unionsrecht verstossen, ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH anstrengen (Art. 258 AEUV). Dasselbe steht auch den Mitgliedstaaten zu, die finden, ein anderer Mitgliedstaat verletze seine unionsrechtlichen Pflichten (Art. 259 AEUV). Zudem können die nationalen Gerichte den EuGH um Vorabentscheidung ersuchen, damit dieser verbindlich festlegt, wie das Unionsrecht auszulegen ist (Art. 267 AEUV). Vergleichbare Instrumente sieht das FZA nicht vor. Es besteht weder eine gemeinsame Überwachungsbehörde noch ein übergeordnetes (Schieds‑)Gericht. Sind die Vertragsparteien uneins, wie das FZA auszulegen oder anzuwenden ist, so kann alleine der Gemischte Ausschuss die Streitigkeit beilegen (Art. 19 FZA). Hierzu müssen die Vertragsparteien Einigkeit erzielen (Art. 14 Abs. 1 Satz 3 FZA). Keine der Vertragsparteien kann der anderen folglich ihre Auslegung oder Anwendungsweise des FZA aufzwingen. Das gilt natürlich auch für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, wie sie im FZA geregelt ist.

2. Aus dem Unionsrecht übernommene Änderungen

Die meisten Änderungen der Koordinierungsverordnungen hat die Schweiz übernommen. Insgesamt fünfmal hat der Gemischte Ausschuss Beschlüsse gefasst, um den Anhang II des FZA entsprechend anzupassen.[11]Beschluss Nr. 2/2003 des Gemischten Ausschusses EU-Schweiz vom 15. Juli 2003 zur Änderung des Anhangs II (Soziale Sicherheit) des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren … Continue reading Der wichtigste davon war zweifellos jener, mit dem die Verordnungen Nrn. 1408/71 und 574/72 per 1. April 2012 durch die Verordnungen Nrn. 883/2004 und 987/2009 abgelöst wurden.[12]Beschluss Nr. 1/2012 (Fn. 11). Der letzte Beschluss zur Änderung des Anhangs II erfolgte am 15. Dezember 2020, um den Austritt Grossbritanniens aus der EU auch im Rahmen der FZA-Sozialrechtskoordinierung zu vollziehen.[13]Beschluss Nr. 1/2020 (Fn. 11).

3. Aus dem Unionsrecht (noch) nicht übernommene Änderungen

Mit der Verordnung Nr. 859/2003[14]Verordnung (EG) Nr. 859/2003 des Rates vom 14. Mai 2003 zur Ausdehnung der Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 und der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 auf Drittstaatsangehörige, die … Continue reading hat der europäische Gesetzgeber den persönlichen Geltungsbereich der Koordinierungsverordnungen ausgedehnt. Danach ist das europäische Koordinierungsrecht (früher Verordnungen Nrn. 1408/71 und 574/72, heute Verordnungen Nrn. 883/2004 und 987/2009) auch auf Drittstaatsangehörige anwendbar, sofern diese ihren rechtmässigen Wohnsitz in einem EU-Mitgliedstaat haben und ihre Situation ein grenzüberschreitendes Element aufweist (Art. 1 Verordnung Nr. 859/2003). Die Verordnung Nr. 859/2003 gilt nicht für Dänemark (Erwägungsgrund Nr. 19).[15]Siehe dazu im Einzelnen Basile Cardinaux, Das Personenfreizügigkeitsabkommen und die schweizerische berufliche Vorsorge, Diss. Freiburg, Zürich/Basel/Genf 2008, Fn. 402. Sie hat die Koordinierungsverordnungen nicht abgeändert und wurde folglich nicht in diese integriert. Bis heute wurde sie auch nicht ins FZA überführt.[16]Siehe auch BGE 145 V 231, 238 E. 6.3.3.

Bisher nicht ins FZA übernommen worden sind ausserdem drei Änderungsverordnungen, mit denen verschiedene mitgliedstaatliche Einträge in den Anhängen der Verordnung Nr. 883/2004 angepasst wurden.[17]Verordnung (EU) Nr. 1372/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Koordinierung der Systeme der … Continue reading Es handelt sich um rein technische Änderungen, die sich materiell praktisch nicht auf die Schweiz auswirken. Eine dieser Änderungsverordnungen wurde denn auch als nicht bedeutungsvoll für die Schweiz deklariert,[18]Verordnung Nr. 1368/2014 (Fn. 17). die anderen beiden hingegen schon.[19]Verordnung Nr. 1372/2013 (Fn. 17) und Verordnung Nr. 2017/492 (Fn. 17). Sachliche Gründe, weshalb der Gemischte Ausschuss diese beiden letztgenannten Verordnungen nicht ins FZA übertragen hat, sind nicht ersichtlich. Möglicherweise fielen sie dem Entschluss der EU von Ende 2018 zum Opfer, die bestehenden bilateralen Abkommen nicht weiter aktualisieren zu wollen, bis ein neuer institutioneller Rahmen für diese Abkommen gefunden ist.[20]Bundesrat, Bericht vom 26. Mai 2021 betreffend die Verhandlungen über ein institutionelles Abkommen zwischen der Schweiz und der EU … Continue reading

Zu erwähnen bleibt die Europäische Arbeitsbehörde, die die EU im Jahr 2019 errichtet hat. Deren Aufgabe ist es, „die Mitgliedstaaten und die Kommission bei der wirksamen Anwendung und Durchsetzung des Unionsrechts im Bereich der unionsweiten Arbeitskräftemobilität und der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in der Union“ zu unterstützen (Art. 1 Abs. 2 Verordnung 2019/1149[21]Verordnung (EU) 2019/1149 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Errichtung einer Europäischen Arbeitsbehörde und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 883/2004, (EU) … Continue reading). In der Verordnung Nr. 883/2004 wurden für die Europäische Arbeitsbehörde zwei neue Bestimmungen eingefügt (Art. 1 lit. na und Art. 74a). Den Text der Verordnung 2019/1149, mit welcher die Europäische Arbeitsbehörde errichtet wurde, erachtete die Union als von Bedeutung für den EWR und die Schweiz. Die Verordnung 2019/1149 und mit ihr die beiden neuen Bestimmungen in der Verordnung Nr. 883/2004 fanden jedoch keinen Eingang ins FZA. In der Fassung der Verordnung Nr. 883/2004, wie sie im Rahmen des FZA gilt, bleibt die Europäische Arbeitsbehörde bis heute unerwähnt. Auch dies dürfte wohl dem Umstand geschuldet sein, dass die EU die bestehenden bilateralen Abkommen vorderhand nicht mehr aufdatieren will.[22]Siehe oben bei Fn. 20.

Die vorstehend aufgeführten Änderungen im Koordinierungsrecht, die nicht ins FZA eingeflossen sind, sind von geringer Bedeutung. Es wäre zwar übersichtlicher, befänden sich die Koordinierungsverordnungen, wie sie im Rahmen des FZA gelten, auf demselben Stand wie auf der EU-Ebene. Für die Personen, die innerhalb des FZA-Raums von der Personenfreizügigkeit Gebrauch machen, wirkt sich die (geringfügige) Diskrepanz jedoch nicht negativ aus.

Eine Ausnahme bildet die eingangs erwähnte Verordnung Nr. 859/2003, auf die sich die Drittstaatsangehörigen im Geltungsbereich des FZA nicht berufen können.[23]Siehe oben bei Fn. 16. Sie würde für die Drittstaatsangehörigen spürbare Verbesserungen im sozialen Schutz bringen, wenn diese bspw. von einem EU-Mitgliedstaat in die Schweiz ziehen. Da jedoch das FZA ganz allgemein nur für die Staatsangehörigen eines Vertragsstaates gilt (s. Art. 1 FZA), liegt es auf der Hand, dass sich auch die Sozialrechtskoordinierung, wie sie das FZA vorsieht, auf diesen Personenkreis beschränkt.[24]Immerhin gilt es darauf hinzuweisen, dass anerkannte Flüchtlinge und Staatenlose im Rahmen der Verordnung Nr. 883/2004 den Vertragsstaatsangehörigen gleichgestellt sind (Art. 2 Abs. 1 Verordnung … Continue reading Insofern ist es nachvollziehbar, dass die Verordnung Nr. 859/2003 – die zudem nicht in der gesamten EU anwendbar ist[25]Siehe oben bei Fn. 16. – nicht ins FZA eingeflossen ist.

4. Die bundesgerichtliche Rezeption der koordinierungsrechtlichen EuGH-Rechtsprechung

Wie ausgeführt, zählt auch die EuGH-Rechtsprechung, die zu den Koordinierungsverordnungen ergangen ist, zum acquis communautaire.[26]Siehe oben B.II.1. Wohl ist das Bundesgericht nicht an diese Rechtsprechung gebunden, soweit sie durch Urteile begründet ist, die nach der Unterzeichnung des FZA (21. Juni 1999) gefällt wurden.[27]Siehe oben B.II.1. Indessen ist mir kein Urteil des Bundesgerichts bekannt, in dem sich das Bundesgericht offen geweigert hätte, neuere EuGH-Rechtsprechung zu übernehmen, weil es ein besseres Verständnis des europäischen Koordinierungsrechts für sich in Anspruch genommen hätte. Wohl übersteuerte es bei der AHV/IV-Hilflosenentschädigung die EuGH-Rechtsprechung, jedoch aus anderen Gründen. Darauf gehe ich nachstehend ein (a). Anschliessend erläutere ich drei ausgewählte koordinierungsrechtliche Urteile des Bundesgerichts, bei denen der EuGH möglicherweise anders entschieden hätte (b), und ziehe ein kurzes Fazit (c).

a) Die Nichtexportierbarkeit der AHV/IV-Hilflosenentschädigung

Unser höchstes Gericht hat erkannt, dass die AHV/IV-Hilflosenentschädiguneng als rein steuerfinanzierte Leistungen (Art. 102 Abs. 2 AHVG, Art. 77 Abs. 2 IVG) nicht an Personen auszubezahlen sind, die in einem EU-Mitgliedstaat wohnen.[28]BGE 132 V 423 = Pra 96 (2007) Nr. 146; BGE 142 V 2; BGer 9C_768/2015 vom 11. Mai 2016, E. 5.

Unter der Herrschaft der Verordnung Nr. 1408/71 hatte die Schweiz am 15. Juli 2003 – also rund ein Jahr nach Inkrafttreten des FZA – noch einen entsprechenden Eintrag im Anhang IIa in der betreffenden Verordnung gemacht, was der Gemischte Ausschuss absegnete (Art. 10a Abs. 1 i.V.m. lit. a1 des Schweizer Eintrags in Anhang IIa Verordnung Nr. 1408/71).[29]Beschluss Nr. 2/2003 des Gemischten Ausschusses EU-Schweiz vom 15. Juli 2003 zur Änderung des Anhangs II (Soziale Sicherheit) des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren … Continue reading In der geltenden Verordnung Nr. 883/2004 fehlt ein solcher Eintrag (Art. 70 Abs. 2 und 3 i.V.m. Anhang X Verordnung Nr. 883/2004 e contrario).

Der Grund hierfür liegt in der EuGH-Rechtsprechung. Im Urteil Jauch vom 8. März 2001 hatte der EuGH das österreichische Pflegegeld zu qualifizieren.[30]Urteil des EuGH vom 8. März 2001, Rs. C-215/99, Friedrich Jauch gegen Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, ECLI:EU:C:2001:139. Österreich hatte diese Leistung als beitragsunabhängige Sonderleistung betrachtet und sie für nichtexportierbar erklärt (Art. 4 Abs. 2a i.V.m. Art. 10a und Anhang IIa Verordnung Nr. 1408/71; heute: Art. 70 Abs. 1 i.V.m. Anhang X Verordnung Nr. 883/2004). Dem widersprach der EuGH. An sein Urteil Molenaar aus dem Jahre 1998 erinnernd,[31]Urteil des EuGH vom 5. März 1998, Rs. C-160/96, Manfred Molenaar und Barbara Fath-Molenaar gegen Allgemeine Ortskrankenkasse Baden-Württemberg, ECLI:EU:C:1998:84, insb. N 19 ff. in dem es um wesensgleiche Leistungen der deutschen Pflegeversicherung ging, ordnete der EuGH das österreichische Pflegegeld als Leistung bei Krankheit ein (Art. 4 Abs. 1 lit. a Verordnung Nr. 1408/71, heute: Art. 3 Abs. 1 lit. a Verordnung Nr. 883/2004). Entscheidend war, dass die Leistung an das Risiko „Krankheit“ geknüpft war und für die betroffenen Personen ein Rechtsanspruch darauf bestand, wenn sie den gesetzlichen Tatbestand erfüllten. Als Leistung bei Krankheit war das österreichische Pflegegeld zwingend auch in andere Mitgliedstaaten auszubezahlen.[32]EuGH Rs. Jauch (Fn. 30), N 17 ff. Auf diese Rechtsprechung berief sich auch der EFTA-Gerichtshof, als er 2007 urteilte, die liechtensteinische Hilflosenentschädigung, die der schweizerischen nachgebildet ist, sei ebenfalls in andere EU-Mitgliedstaaten zu exportieren.[33]Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 14. Dezember 2007, Rs. E-5/06, EFTA-Überwachungsbehörde gegen Fürstentum Liechtenstein (abrufbar unter: <https://eftacourt.int/cases> [zuletzt besucht am … Continue reading

In seinem ersten Urteil zur Nichtexportierbarkeit der AHV/IV-Hilflosenentschädigungen setzte sich das Bundesgericht ausführlich mit der zitierten EuGH-Rechtsprechung auseinander.[34]BGE 132 V 423 = Pra 96 (2007) Nr. 146, E. 6 ff. Es berücksichtigte jedoch, dass die Schweiz im Protokoll zum FZA (in der bei Inkrafttreten am 1. Juni 2002 gültigen Fassung) bereits vermerkt hatte, die AHV/IV-Hilflosenentschädigungen würden als nichtexportierbare Leistungen in Anhang IIa der Verordnung Nr. 1408/71 aufgenommen, sobald diese Leistungen ausschliesslich durch die öffentliche Hand finanziert sind.[35]Siehe AS 2002 1582 für den ursprünglichen Protokolleintrag betreffend die AHV/IV-Hilflosenentschädigung; BGE 132 V 423 = Pra 96 (2007) Nr. 146, E. 9.5.3. Nachdem diese Voraussetzung bald nach Inkrafttreten des FZA erfüllt war (s. Art. 102 Abs. 2 AHVG und Art. 77 Abs. 2 IVG), erfolgte dann der entsprechende Eintrag der Schweiz in den Anhang IIa, worin die EU im Gemischten Ausschuss einwilligte.[36]Siehe oben Fn. 29. Unter Berufung auf das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge[37]Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (SR 0.111). (Art. 26 [pacta sunt servanda] und Art. 28 [ausnahmsweise Rückwirkung bei im Abkommen angekündigter Rechtsänderung]) erachtete das Bundesgericht diese völkerrechtlichen Rechtsakte als vorrangig gegenüber der EuGH-Rechtsprechung, die nach Inkrafttreten des FZA ergangen und damit formell nicht bindend war (Art. 16 Abs. 2 FZA).[38]BGE 132 V 423 = Pra 96 (2007) Nr. 146, E. 9; s.a. oben B.II.1.

Als die Verordnungen Nrn. 1408/71 und 574/72 per 1. April 2012 durch die Verordnungen Nrn. 883/2004 und 987/2009 abgelöst wurden,[39]Siehe oben B.II.2. verzichtete die Schweiz angesichts der dargestellten EuGH-Rechtsprechung darauf, in der Verordnung Nr. 883/2004 im einschlägigen Anhang[40]Siehe dazu oben nach Fn. 29. erneut die Nichtexportierbarkeit der AHV/IV-Hilflosenentschädigung zu vermerken. Stattdessen wurde der Protokolleintrag abgeändert. Dieser hält nun unmissverständlich fest, dass die AHV/IV-Hilflosenentschädigung nur an Personen ausbezahlt wird, die in der Schweiz wohnen. Auch hierin willigte die EU im Gemischten Ausschuss ein.[41]Beschluss Nr. 1/2012 (Fn. 11), S. 58. Dieser Protokolleintrag war wiederum entscheidend dafür, dass das Bundesgericht im Jahre 2015 entschied, die AHV/IV-Hilflosenentschädigung seien auch unter der Herrschaft der neuen Koordinierungsverordnungen (s. für das Exportgebot insb. Art. 7 Verordnung Nr. 883/2004) nicht in den EU-Raum zu exportieren.[42]S. dazu oben nach Fn. 37.

Betrachtet man die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Export der AHV/IV-Hilflosenentschädigung oberflächlich, so mag erscheinen, dass sich das Bundesgericht weigert, die nach der Unterzeichnung des FZA ergangene EuGH-Rechtsprechung zu übernehmen. Tatsächlich aber hat es diese Rechtsprechung nicht in Frage gestellt, sondern anhand der völkerrechtlichen Auslegungsgrundsätze[43]BGE 142 V 2, 6 ff. E. 6. einzig erkannt, dass sie nach der geltenden statischen Konzeption des FZA nicht vorrangig ist, wenn die Parteien des FZA ausdrücklich eine davon abweichende Vereinbarung getroffen haben.

b) Weitere diskussionswürdige Rechtsprechung des Bundesgerichts

aa) Doppelte Beitragserhebung

Nicht nur zweifelhaft, sondern m.E. klar FZA-widrig ist die bundesgerichtliche Rechtsprechung, die dazu erging, wie die AHV/IV-Beiträge bei nichterwerbstätigen Versicherten zu erheben sind, die in der Schweiz wohnen, deren Ehegatte aber in einem EU-Mitgliedstaat erwerbstätig ist. Das Bundesgericht deckt nämlich die Praxis der AHV-Ausgleichskassen, in diesen Fällen auch die Hälfte des Erwerbseinkommens des erwerbstätigen Ehegatten zur Beitragsbemessung herbeizuziehen (s. Art. 10 AHVG; Art. 28 Abs. 4 AHVV), obwohl auf diesem Einkommen im (ausländischen) Erwerbsstaat bereits Sozialversicherungsbeiträge bezahlt wurden.[44]BGE 140 V 98, 101 ff. E. 6 ff.; BGer H 114/05 vom 9.5.2007, E. 4.3.2. Wäre der Ehegatte der nichterwerbstätigen versicherten Person in der Schweiz erwerbstätig, träte eine solche doppelte Beitragserhebung praktisch nie ein, weil die nichterwerbstätige Versicherte in dieser Situation in aller Regel beitragsbefreit ist (Art. 3 Abs. 3 AHVG). Die doppelte Beitragserhebung in der eingangs beschriebenen Situation verstösst nach hier vertretener Ansicht insbesondere gegen das Ausschliesslichkeitsprinzip (Art. 11 Abs. 1 Verordnung Nr. 883/2004), wonach Versicherte grundsätzlich den Sozialversicherungen eines einzigen Staates unterstellt und auch nur dort beitragspflichtig sind.[45]In diesem Sinne: Urteil des EuGH vom 9. März 2006, Rs. C-493/04, L. H. Piatkowski gegen Inspecteur van de Belastingdienst grote ondernemingen Eindhoven, ECLI:EU:C:2006:167; s. eingehender Basile … Continue reading

bb) Keine Ergänzungsleistungen für Bezügerin einer ausländischen Invalidenrente

Ebenfalls diskutabel erscheint unsere höchstrichterliche Praxis, wonach Bezüger einer ausländischen Invalidenrente keine Ergänzungsleistungen zustehen.[46]BGE 141 V 396, 400 ff. E. 5 ff. Ich habe das entsprechende Urteil bereits an anderer Stelle kritisch besprochen, worauf verwiesen sei.[47]Basile Cardinaux, Die aktuelle sozialrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts zum FZA, in: Epiney/Kern/Hehemann (Hrsg.), Schweizerisches Jahrbuch für Europarecht 2015/2016, … Continue reading

cc) Keine Zusammenrechnung der Versicherungszeiten bei den Überbrückungsleistungen

Die am 1. Juli 2021 eingeführten Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose qualifizierte das Bundesgericht europarechtlich als Vorruhestandsleistungen (Art. 1 lit. x, Art. 3 Abs. 1 lit. i Verordnung Nr. 883/2004) und nicht als Leistungen bei Arbeitslosigkeit (Art. 3 Abs. 1 lit. h Verordnung Nr. 883/2004).[48]BGE 149 V 136, 137 ff. E. 3 ff. Der Unterschied ist bedeutsam: Wären die Übergangsleistungen Leistungen bei Arbeitlosigkeit, müssten die in einem anderen FZA-Vertragsstaat zurückgelegten Versicherungszeiten an die 20-jährige AHV-Mindestversicherungszeit (Art. 5 Abs. 1 lit. b ÜLG[49]Bundesgesetz über Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose vom 19. Juni 2020 (SR 837.2).) angerechnet werden (Art. 6 Verordnung Nr. 883/2004). Sind sie jedoch als Vorruhestandsleistungen einzustufen, ist das entsprechende Zusammenrechnungsprinzip nicht anzuwenden (Art. 66 Verordnung Nr. 883/2004).

Das Bundesgericht erwog die Argumente, die für eine Qualifikation als Leistungen bei Arbeitslosigkeit sprachen, durchaus. So fussen die Überbrückungsleistungen verfassungsrechtlich auf Art. 114 Abs. 5 BV, der den Bund ermächtigt, Vorschriften zur Arbeitlosenfürsorge zu erlassen. Sie sind folglich für Menschen gedacht ist, bei denen sich das Risiko „Arbeitslosigkeit“ verwirklicht hat. Zudem haben die Bezügerinnen von Überbrückungsleistungen jährlich nachzuweisen, dass sie sich um die Integration in den Arbeitsmarkt bemühen (Art. 5 Abs. 5 ÜLG; Art. 5 ÜLV[50]Verordnung über Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose vom 11. Juni 2021 (SR 837.21).). Das Bundesgericht mass diesem Umstand jedoch eine geringe Bedeutung zu, da das Gesetz keine Sanktionsmöglichkeit bei einem fehlenden Nachweis von Integrationsbemühungen vorsehe. Als entscheidend erachteten unsere höchsten Richter vielmehr, dass die Personen, die Überbrückungsleistungen beziehen, der Arbeitsverwaltung nicht zur Verfügung stehen müssten. Vielmehr würden sie aus dem System der Arbeitslosenversicherung herausgehalten. So müssen sie ausgesteuert sein, um Überbrückungsleistungen beanspruchen zu können (Art. 5 Abs. 1 lit. a ÜLG).[51]BGE 149 V 136, 148 ff. E. 9.

Diese Argumente überzeugen m.E. nur bedingt. Auch wenn die betroffenen Personen ausgesteuert sein müssen, so handelt es sich eben doch um Leistungen, die eine vorangehende versicherte Arbeitslosigkeit voraussetzen und somit untrennbar mit dieser verknüpft sind. Die Personen, die Überbrückungsleistungen beziehen, können auch nicht bedingungslos den (Vor‑)Ruhestand geniessen. Vielmehr wird von ihnen erwartet, dass sie sich möglichst wieder in den Arbeitsmarkt eingliedern. Selbst wenn die entsprechenden Bemühungen behördlicherseits nur jährlich geprüft werden, so fordert sie der Gesetzgeber dennoch ein. Was schliesslich die fehlende Sanktionsmöglichkeit angeht, so ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber die Integrationsbemühungen, die er von den betroffenen Personen erwartet, unter den Anspruchsvoraussetzungen aufführt.[52]Siehe die systematische Einordnung von Art. 5 Abs. 5 ÜLG in der Bestimmung zum „Anspruch auf Überbrückungsleistungen“ und von Art. 5 ÜLV im „1. Kapitel: Anspruch auf … Continue reading Mithin handelt sich nicht nur um eine lockere Kontrollvorschrift, wie es das Bundesgericht darstellt. Vielmehr drängt sich der Schluss auf, dass die Überbrückungsleistungen bei fehlenden Integrationsbemühungen zurückzufordern sind, da sie diesfalls zu Unrecht ausgerichtet wurden (s. Art. 25 ATSG). So ist daran zu erinnern, dass auch Leistungen der Rückerstattungspflicht unterliegen, die aus einem nachträglich weggefallenen Grund ausgerichtet wurden.[53]BGE 142 V 358, 365 E. 6.1. Zählen nun die Integrationsbemühungen zu den Anspruchsvoraussetzungen, so finden wir uns genau in einer solchen Konstellation wieder: Stellt das für die Überbrückungsleistungen zuständige Organ fest, dass die Person, die Überbrückungsleistungen bezogen hat, sich im vorangehenden Kalenderjahr nicht um die Integration in den Arbeitsmarkt bemüht hat, so ist eine der erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen nachträglich weggefallen. Die Überbrückungsleistungen wurden folglich zu Unrecht erbracht und sind zurückzuerstatten. So betrachtet präsentiert sich die gesetzliche Pflicht zu Integrationsbemühungen in einem weit weniger „harmlosen“ Licht als vom Bundesgericht erwogen.

Nach dem Gesagten wäre es auf jeden Fall auch vertretbar gewesen, die Überbrückungsleistungen europarechtlich als Leistungen bei Arbeitslosigkeit zu qualifizieren.[54]Siehe auch Basile Cardinaux, in: Vincent Martenet/Jacques Dubey (Hrsg.), Commentaire romand, Constitution fédérale, Basel 2021, Art. 114 BV N 43. Insgesamt ist dem Bundesgericht jedoch zugute zu halten, dass es seinen Entscheid – trotz obigen Einwänden – sorgfältig begründet hat. Dieser hätte anders ausfallen können, aber nicht müssen.

c) Fazit

Um den Rahmen dieses Beitrags nicht zu sprengen, habe ich vorstehend nur drei diskussionswürdige Urteile aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Sozialrechtskoordinierung herausgegriffen. Sie mögen daran erinnern, dass das Bundesgericht in der Schweiz als höchste Instanz für das europäische Koordinierungsrecht fungiert, wie es im Rahmen des FZA gilt. Es übt diese Aufgabe nach meiner Einschätzung gewissenhaft und qualitativ überzeugend aus. Zweifellos aber verfolgt das Bundesgericht nicht mit demselben Eifer wie der EuGH das Ziel, in allen Belangen eine möglichst hindernisfreie Personenfreizügigkeit herbeizuführen. Bei manchen Urteilen denkt sich der aufmerksame Beobachter deshalb, der EuGH hätte freizügigkeitsfreundlicher entschieden (so etwa beim oben geschilderten Entscheid zu den Überbrückungsleistungen). Schliesslich verbleiben auch ein paar Urteile, die als mangelhaft oder zumindest diskutabel erscheinen (so bspw. die beiden ersten Entscheide, die oben dargestellt sind).

C. Mögliche Entwicklungen der Sozialrechtskoordinierung gemäss FZA

I. Bei unverändertem institutionellem Rahmen

1. Keine Aktualisierung des Anhangs II mehr?

Wie bereits oben ausgeführt: Ende 2018 entschied die EU, die bestehenden bilateralen Abkommen nicht weiter zu aktualisieren, bis die Union und die Schweiz einen anderen institutionellen Rahmen vereinbart haben.[55]Siehe oben B.II.3. bei Fn. 20. Tatsächlich wurde der Anhang II des FZA zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit seither nur noch einmal angepasst.[56]Siehe oben B.II.3. Den Anlass gab der Brexit, der 2020 auch bei der Sozialrechtskoordinierung, wie sie das FZA regelt, vollzogen wurde; hierzu war der Anhang II abzuändern.[57]Siehe oben B.II.2. Das deutet darauf hin, dass die Union wohl auch künftig bereit ist, den Anhang II anzupassen, wenn ihre Interessen gewichtig genug sind. In näherer Zukunft dürften dabei die beiden nachfolgend dargestellten Revisionsvorhaben im Fokus stehen.

2. Die laufende Revision zur Modernisierung der Koordinierungsverordnungen

Die EU möchte die Koordinierungsverordnungen „modernisieren“. Die entsprechenden Revisionsarbeiten sind schon seit Jahren im Gange.[58]Siehe für eine grobe Übersicht über die bisherigen Gesetzgebungsarbeiten <https://eur-lex.europa.eu/procedure/DE/2016_397?rid=1&qid=1696231246419> und … Continue reading Das Vorhaben stiess bisher aber auf (zu) grossen Widerstand.[59]Ein Vorschlag der schwedischen Präsidentschaft des Rates der EU vom 21. April 2023 für ein neues Verhandlungsmandat (s. Fn. 60) sollte neuen Schwung in die Suche nach einem mehrheitsfähigen … Continue reading Um was geht es bei dieser Reform? Dem letzten bekannten Stand folgend,[60]Präsidentschaft des Rates der Europäischen Union, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der … Continue reading würde die Vorlage nebst diversen kleineren Modifikationen vor allem spezifische Regeln zur Koordinierung der Leistungen bei Pflegebedürftigkeit einführen und die Koordinierung der Leistungen bei Arbeitslosigkeit neu ordnen. Letztere Vorschläge sind besonders umstritten und auch für die Schweiz in hohem Masse relevant.

Vorgesehen ist u.a., dass Versicherungszeiten, die in verschiedenen Mitgliedstaaten zurückgelegt wurden, nur dann zusammenzurechnen sind, wenn die antragstellende Person im Staat, in dem sie um Leistungen bei Arbeitslosigkeit ersucht, zuvor mindestens einen Monat versichert war (E-Art. 61 Verordnung Nr. 883/2004). Eine Beschäftigung von wenigen Tagen soll nicht mehr genügen, um in einem Staat Leistungen bei Arbeitslosigkeit beziehen zu können. Des Weiteren ist geplant, die Dauer, während welcher Leistungen bei Arbeitslosigkeit in einen anderen Mitgliedstaat zu exportieren sind, von drei (Art. 64 Abs. 1 lit. c Verordnung Nr. 883/2004) auf sechs Monate zu verlängern (E-Art. 64 Abs. 1 lit. c Verordnung Nr. 883/2004). Die wohl wichtigste Änderung bestünde indessen darin, dass Personen, die zuletzt in einem anderen als dem Wohnmitgliedstaat gearbeitet haben (insb. Grenzgänger), nicht mehr im Wohnmitgliedstaat (Art. 65 Abs. 2 und Abs. 5 lit. a Verordnung Nr. 883/2004), sondern im letzten Beschäftigungsstaat die Leistungen bei Arbeitslosigkeit beanspruchen können und sich auch dort der Arbeitsverwaltung zur Verfügung stellen müssen (E-Art. 65 Abs. 1 Verordnung Nr. 883/2004). Ausgenommen wären die Personen, die im letzten Beschäftigungsstaat weniger als sechs Monate versichert waren, bevor sie arbeitslos wurden. Der Wohnmitgliedstaat wäre weiterhin zuständig, an diese Personen die Leistungen bei Arbeitslosigkeit zu erbringen (E-Art. 65 Abs. 2 Verordnung Nr. 883/2004). Zugunsten dieser Lösung wird insbesondere vorgebracht, dass sie das Prinzip der lex loci laboris stärke und die finanziellen Lasten zwischen den Mitgliedstaaten fairer verteile.[61]Europäische Kommission, Impact assessement, Initiative to partially revise Regulation (EC) No 883/2004 of the European Parliament and of the Council on the coordination of social security systems … Continue reading

Der Vorschlag, auch für die Grenzgänger im Regelfall den letzten Beschäftigungsstaat für zuständig zu erklären, die Arbeitslosenleistungen zu erbringen, ist umstritten. In den Mitgliedstaaten, in denen viele Grenzgänger beschäftigt sind, würde diese Lösung zu einer spürbaren finanziellen Mehrbelastung führen. Demgegenüber würden die Mitgliedstaaten, in denen viele Grenzgänger wohnen, entsprechend entlastet. Zur Gruppe der ersten Staaten zählen insbesondere die Schweiz und Luxemburg, aber auch Deutschland. In der Gruppe der zweiten Staaten sind Frankreich und Italien die gewichtigsten. Nach dem geltenden Recht haben die Mitgliedstaaten der ersten Gruppe jene der zweiten Gruppe dafür zu entschädigen, dass diese die Leistungen bei Arbeitslosigkeit erbringen. Je nach dem, wie lange die leistungsbeziehenden Personen im Beschäftigungsstaat versichert waren (und dort i.d.R. auch entsprechende Beiträge bezahlt haben), entspricht diese Entschädigung drei oder fünf Monatsleistungen (Art. 65 Abs. 6 und 7 Verordnung Nr. 883/2004; Art. 70 Verordnung Nr. 987/2009). Zwei oder mehr Mitgliedstaaten können untereinander auch andere Erstattungsverfahren vereinbaren (Art. 65 Abs. 8 Verordnung Nr. 883/2004). Indessen hat sich gezeigt, dass die Kosten, die den Mitgliedstaaten der zweiten Gruppe entstehen, höher sind als die Entschädigungen, die sie von den Mitgliedstaaten der ersten Gruppe erhalten.[62]Siehe im Einzelnen NZZ vom 7.2.2019, Paris will Schweiz zur Kasse bitten, S. 13. Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass sich die Leistungen bei Arbeitslosigkeit anhand der Löhne bemessen, die die betroffenen Personen im letzten Beschäftigungsstaat bezogen haben. Da das Lohnniveau in den Mitgliedstaaten der ersten Gruppe typischerweise deutlich höher ist als in den Mitgliedstaaten der zweiten Gruppe, müssen zweitere gemessen am eigenen Lohnniveau sehr hohe Leistungen an die betreffenden Arbeitslosen erbringen. Diese Leistungen sind dann meistens höher als das Gehalt, das sie mit einer Beschäftigung im Wohnsitzstaat zu erzielen vermöchten. Entsprechend gering ist der Anreiz für sie, dort eine Stelle anzunehmen. Sodann sind die Beschäftigungsaussichten im Wohnsitzstaat aufgrund des dortigen Arbeitsmarktes meistens schlechter als in den Mitgliedstaaten der ersten Gruppe. Aus diesen Gründen sind die betroffenen Personen durchschnittlich länger als die drei oder fünf Monate arbeitslos, für welche der Wohnsitzstaat vom letzten Beschäftigungsstaat entschädigt wird.

Von den EU-Mitgliedstaaten sähe sich bei einer Regeländerung, wie sie vorgeschlagen ist, insbesondere Luxemburg mit deutlich höheren Kosten konfrontiert, da dort viele Grenzgänger beschäftigt sind.[63]Ende 2021 waren 212’000 Grenzgänger in Luxemburg beschäftigt (Statec, Panorama sur le monde du travail luxembourgeois à l’occasion du 1er Mai … Continue reading Für Luxemburg ist deshalb eine dreijährige Übergangsfrist vorgesehen, die noch um zwei weitere Jahre verlängert werden könnte (E-Art. 87b Abs. 8 Verordnung Nr. 883/2004).

In absoluten Zahlen am meisten Grenzgänger absorbiert in Europa indessen die Schweiz.[64]Ende 2022 lag der Bestand an gültigen Grenzgängerbewilligungen bei 442’869 (Bundesamt für Statistik, Gültige Grenzgängerbewilligungen nach Bewilligungsdauer und Bewilligungsart, … Continue reading Bei ihr würde der Regimewechsel voraussichtlich Mehrkosten von mehreren hundert Millionen Franken im Jahr verursachen.[65]Boris Zürcher vom Seco in der NZZ vom 7.2.2019, „Das aktuelle System ist fair und ausgewogen“, S. 13. Aus ihrer Sicht ist das gegenwärtige System ausgewogen. Die Ausgleichszahlungen, die die Schweiz an die Wohnsitzstaaten der Grenzgänger leistet, gelten Arbeitslosenleistungen für die Dauer ab, während welcher Arbeitslose in der Schweiz durchschnittlich Leistungen beziehen.[66]Ibidem. Die höheren Kosten in den Wohnsitzstaaten der Grenzgänger entstehen aufgrund der dortigen Arbeitsmarktsituation und des tieferen Lohnniveaus. Für beides ist die Schweiz nicht verantwortlich. Den Wohnsitzstaaten der Grenzgänger bleibt es überdies unbenommen, Massnahmen zu ergreifen, um die arbeitslosen Grenzgänger rascher in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Teilweise haben sie das schon getan,[67]Frankreich entrichtet ehemals arbeitslosen Grenzgängern, die eine Stelle in Frankreich gefunden haben, temporär eine Zulage, die der Differenz zwischen dem Lohn und dem zuvor ausbezahlten … Continue reading aber den genannten Fehlanreizen liesse sich mit zusätzlichen Instrumenten begegnen. Die Arbeitslosenleistungen liessen sich etwa deckeln, und zwar gemessen am eigenen Lohnniveau, so wie es die Schweiz auch tut (s. Art. 22 i.V.m. Art. 23 AVIG[68]Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung vom 25. Juni 1982 (SR 837.0). und Art. 22 Abs. 1 UVV[69]Verordnung über die Unfallversicherung vom 20. Dezember 1982 (SR 832.202).).[70]Gegenwärtig sind in der Arbeitslosenversicherung maximal CHF 148’200.– p.a. bzw. CHF 12’350.– im Monat versichert (Art. 23 Abs. 1 AVIG i.V.m. Art. 22 Abs. 1 UVV). Das Taggeld beträgt … Continue reading Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass die Wohnsitzstaaten der Grenzgänger wirtschaftlich stark von den hohen Schweizer Löhnen profitieren, sei es beim Konsum oder über die Besteuerung.[71]Boris Zürcher vom Seco in der NZZ vom 7.2.2019, „Das aktuelle System ist fair und ausgewogen“, S. 13. Beklagen sie sich nun im Kontext der Arbeitslosenversicherung über die hohen Schweizer Löhne, um den dargestellten Regimewechsel herbeizuführen,[72]Siehe Tages-Anzeiger vom 8.5.2017, Die Baustellen zwischen Bern und Paris, <http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/die­baustellen­zwischen­bern­und­paris/story/10261165> (besucht am … Continue reading so gleicht dies einer „Rosinenpickerei“, die gerne der Schweiz vorgeworfen wird.

Nach dem Gesagten würde sich diese Revision der Koordinierungsverordnungen massiv zulasten der Schweiz und stark zugunsten einflussreicher EU-Mitgliedstaaten wie Frankreich auswirken. Angesichts dieser Interessenslage ist davon auszugehen, dass die EU bei dieser Vorlage – so sie denn verabschiedet werden sollte – von ihrem Grundsatz abweichen würde, die bestehenden bilateralen Abkommen nicht mehr zu aktualisieren, bis eine neue institutionelle Lösung gefunden ist. Vielmehr dürfte sie darauf bestehen, dass die Schweiz im Rahmen des FZA die entsprechende Änderung der Verordnung Nr. 883/2004 übernimmt.[73]So auch NZZ vom 20.3.2019, Seilziehen um arbeitslose Grenzgänger, S. 26. Die Schweiz ihrerseits ist hierzu solange nicht verpflichtet, als der Gemischte Ausschuss einvernehmlich entscheiden muss, den Anhang II des FZA anzupassen.[74]Siehe oben A. und B.II.1.

Die Schweizerische Volkspartei reichte im Nationalrat eine Motion ein, die den Bundesrat verpflichten wollte, der EU mitzuteilen, dass die Schweiz diese Revision der Koordinierungsverordnungen nicht übernehmen wird.[75]Fraktion der Schweizerischen Volkspartei, Motion 21.3522 „Keine Bezahlung der Arbeitslosengelder für EU-Grenzgänger durch die Schweiz“ … Continue reading Der Bundesrat beantragte, diese Motion abzulehnen, da das EU-interne Gesetzgebungsverfahren noch nicht abgeschlossen sei. Die Diskussion im Gemischten Ausschuss (zur Übernahme der Revision ins FZA) lasse sich deshalb nicht antizipieren. Für die Genehmigung der Übernahme werde, je nach Tragweite und Auswirkungen derselben, voraussichtlich die Bundesversammlung zuständig sein, was auch die Möglichkeit eines Referendums beinhalte.[76]Stellungnahme des Bundesrates vom 18.8.2023 zur Motion 21.3522 (Fn. 75). Der Nationalrat lehnte die Motion ab.[77]Amtl.Bull. NR 2023 758.

3. Neue Regeln für die Versicherungsunterstellung bei grenzüberschreitender Telearbeit

Im vorstehend erörterten Vorschlag zur Modernisierung der Koordinierungsverordnungen ist zu einem anderen aktuellen Thema nichts zu finden: Welchem mitgliedstaatlichen Sozialversicherungsrecht unterstehen Personen, die grenzüberschreitend Telearbeit verrichten? Der Europäische Rat führt dazu aus, dieses Thema müsse zuerst vertieft analysiert und ggf. in einer künftigen Revision adressiert werden. Ausserdem könnten die Mitgliedstaaten basierend auf das geltende Koordinierungsrecht bereits spezifische Lösungen für die grenzüberschreitende Telearbeit vereinbaren.[78]Europäischer Rat, Proposal for a Regulation oft he European Parliament and the Council amending Regulation (EC) No 883/2004 on the coordination of social security systems and regulation (EC) … Continue reading Tatsächlich hat eine grosse Mehrzahl der Mitgliedstaaten im Sommer 2023 eine multilaterale Vereinbarung abgeschlossen, die definiert, welchem Sozialversicherungsrecht Beschäftigte unterstehen, die ihre Arbeit (oder einen Teil davon) von zuhause aus verrichten für ein Unternehmen, das in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist. Ich werde weiter unten noch darauf eingehen.[79]Siehe unten D.I.

Auch die Schweiz nimmt an dieser multilateralen Vereinbarung teil. Das bereitete keine Schwierigkeiten, weil der Anhang II des FZA dafür nicht angepasst werden musste. Wie der Europäische Rat aber hat anklingen lassen, könnten die in der multilateralen Vereinbarung enthaltenen Regeln eines Tages durchaus in die Verordnung Nr. 883/2004 – allenfalls auch in modifizierter Form – integriert werden. Diesfalls fiele die multilaterale Vereinbarung dahin. Wären die FZA-Vertragsstaaten dann bereit, den Anhang II anzupassen und die Neuregelung ins FZA zu überführen? Die Interessenslage wäre hier weniger eindeutig als bei der gegenwärtig debattierten Modernisierung der Koordinierungsverordnungen. Die Schweiz würde sich auf jeden Fall darum bemühen, eine solche Neuregelung ins FZA aufzunehmen, da sie die grenzüberschreitende Telearbeit erleichtert und damit einem Anliegen der Unternehmen und ihrer Beschäftigten entspricht.[80]Siehe unten D.I. Auch seitens der EU besteht ein Interesse daran, dass ihren Staatsangehörigen, die für ein Unternehmen in der Schweiz arbeiten, die grenzüberschreitende Telearbeit nicht aus regulatorischen Gründen (durch das Unternehmen) untersagt wird. Den Mitgliedstaaten, in denen diese Beschäftigten wohnen, entgehen aber auch Sozialversicherungsbeiträge, die ihnen sonst möglicherweise zustünden. Auf Seiten der EU ergibt sich somit ein gemischtes Bild. Daher ist keineswegs sicher, dass die EU bei einer solchen Neuregelung der Unterstellungsregeln bereit wäre, von ihrer Maxime abzuweichen, die bestehenden Abkommen nicht mehr zu aktualisieren, solange sie statisch konzipiert bleiben.

4. Fazit

Sollte die Revision zur Modernisierung der Koordinierungsverordnungen dereinst zustande kommen, dann ist eine Divergenz zwischen den FZA-Vertragspartnern abzusehen. Die EU wird fordern, die Änderungen ins FZA zu überführen, während die Schweiz dies ablehnen wird. Das könnte dazu führen, dass die EU die Schweiz in anderen Sachbereichen benachteiligt, um sie zu bewegen, die Änderungen der Koordinierungsverordnungen zu übernehmen. In die Verhandlungsmasse könnte jedoch auch die Versicherungsunterstellung bei grenzüberschreitender Telearbeit gelangen, falls die dazu geltende multilaterale Vereinbarung in die Koordinierungsverordnungen integriert werden sollten. An der Übernahme einer solchen Änderung wäre die Schweiz wohl stärker interessiert als die EU. Der Nutzen einer Neuregelung der Versicherungsunterstellung bei grenzüberschreitender Telearbeit wöge die Mehrkosten allerdings nicht auf, die der Schweiz in der Arbeitslosenversicherung entstünden, wenn sie für die arbeitslosen Grenzgänger, die zuletzt in der Schweiz beschäftigt waren, zuständig würde.

Eine andere Variante bestünde darin, dass die EU ihre Politik aufgibt, die bestehenden Marktzugangsabkommen mit der Schweiz erodieren zu lassen. Das käme der Schweiz stark entgegen. Diesfalls könnte sie sich einer Übernahme neuer koordinierungsrechtlicher Regeln für die arbeitslosen Grenzgänger kaum verweigern. Diese Variante erscheint indessen kaum realistisch. Insbesondere die Nichtaktualisierung des Abkommens über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen[81]Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen vom 21. Juni 1999 (SR 0.946.526.81). schmerzt die Schweiz am meisten und stellt seitens der EU das grösste Druckmittel dar, um der Schweiz einen neuen institutionellen Rahmen aufzuzwingen. Dieses Druckmittel wird die EU kaum aus der Hand geben.

Aus dem Gesagten erhellt, dass bei einer unverändert statischen Konzeption des FZA auch die Sozialrechtskoordinierung zum Konfliktfeld zwischen der EU und der Schweiz werden könnte. Das wäre neu. Bisher verursachte die Sozialrechtskoordinierung zwischen den FZA-Vertragsparteien nämlich kaum Reibungen.

II. Bei einem neuen institutionellen Rahmen

1. Die bisher diskutierte Ausgestaltung eines veränderten institutionellen Rahmens

Nachdem die EU und die Schweiz jahrelang über ein sog. institutionelles Abkommen (InstA) verhandelt hatten, erklärte der Bundesrat am 26. Mai 2021, er werde das InstA, so wie es die Parteien bis dahin ausgehandelt hatten, nicht unterzeichnen.[82]Siehe die Medienmitteilung des Bundesrats vom 26. Mai 2021 „Das Institutionelle Abkommen Schweiz-EU wird nicht abgeschlossen“ … Continue reading Inzwischen haben die Schweiz und die EU wieder Sondierungsgespräche aufgenommen, die in neuen Verhandlungen münden könnten.[83]Siehe etwa: NZZ vom 2.10.2023, Brüssel erachtet den Bundesrat als mutlos, S. 22; NZZ vom 7.3.2023, In der Europapolitik schlägt wieder einmal die Stunde der Wahrheit, S. 7. Ausgangspunkt dieser Gespräche bilden offenbar in zentralen Punkten die früheren Verhandlungsergebnisse, die im gescheiterten InstA niedergelegt wurden.[84]Ibdidem. Vor allem der EU liegt viel daran, die Marktzugangsabkommen mit der Schweiz zu dynamisieren, um sicherzustellen, dass im EU-Binnenmarkt für alle Akteure dieselben Regeln gelten (sog. level playing field).[85]Bundesrat, Fn. 20, S. 26. Zu den Marktzugangsabkommen zählt zuvorderst das FZA. An diesem Abkommen hat die EU ein ganz besonderes Interesse. Es war die EU, die anlässlich der Bilateralen I auf dieses Abkommen gedrängt hatte.[86]Siehe Cardinaux, Fn. 15, N 14 m.w.H. Und seit es am 1. Juni 2002 in Kraft getreten ist, hat es auch volle Wirkung entfaltet. 2021 wohnten 1.4 Millionen EU/EFTA-Bürger in der Schweiz. Die Schweiz war damit Zieldestination für 7.2% aller EU/EFTA-Bürger, die von der Personenfreizügigkeit im EU/EFTA-Raum Gebrauch gemacht hatten. Dazu kamen noch rund 340 000 Grenzgänger und über 200 000 kurzzeitig anwesende (meldepflichtige) Personen aus dem EU/EFTA-Raum.[87]Bundesrat, Fn. 20, S. 32. Diese Zahlen haben sich seither weiter akzentuiert.[88]Siehe zuletzt Staatssekretariat für Migration, Halbjahresstatistik Zuwanderung Januar–Juni 2023 (<https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/81969.pdf> [zuletzt besucht am … Continue reading Es vermag daher nicht zu erstaunen, dass die EU insbesondere in Hinblick auf dieses Abkommen einen institutionellen Rahmen wünscht, der sicherstellt, dass die Personenfreizügigkeit mit der Schweiz nicht nur bestehen bleibt, sondern sich parallel zur Rechtslage in der Union – also letztlich nach den eigenen Vorstellungen – weiterentwickelt.

Nach dem soeben Dargelegten bietet das gescheiterte InstA Anhaltspunkte, wie der institutionnelle Rahmen für die Marktzugangsabkommen und damit insbesondere das FZA angepasst werden könnte. Es lohnt sich deshalb, kurz an die entsprechenden Eckwerte zu erinnern.

a) Die Rechtsentwicklung

Gemäss der Fassung des InstA vom 23. November 2018[89]Siehe <https://www.eda.admin.ch/content/dam/europa/de/documents/abkommen/Acccord-inst-Projet-de-texte_de.pdf> (zuletzt besucht am 27.10.2023). sollten neue EU-Rechtsakte möglichst rasch in die Marktzugangsabkommen integriert werden (Art. 5 InstA). Die Schweiz darf ihre Meinung in den europäischen Gesetzgebungsprozess einbringen, aber nicht mitentscheiden (Art. 12 InstA). Sind die betreffenden EU-Rechtsakte erlassen, informiert der Gemischte Ausschuss die Schweiz (Art. 13 InstA). Diese hat binnen der gegebenen Fristen (i.d.R. zwei Jahre) zu entscheiden, ob sie die europäischen Rechtsakte übernimmt (Art. 14 InstA). Weigert sie sich, greifen die Streitbeilegungsmechanismen (Art. 10 InstA).[90]Bundesrat, Fn. 20, S. 20 f.

b) Die Auslegung

Die Marktzugangsabkommen sind einheitlich anzuwenden und auszulegen (Art. 4 Abs. 1 InstA). Die EuGH-Rechtsprechung zum Unionsrecht, das mit den Marktzugangsabkommen übernommen wird, soll bindend sein, unabhängig davon, ob sie vor oder nach der Unterzeichnung dieser Abkommen ergangen ist (Art. 4 Abs. 2 InstA). Ein Dialog zwischen dem Bundesgericht und dem EuGH soll zu einer möglichst einheitlichen Auslegung beitragen (Art. 11 InstA).

c) Die Überwachung

Die Vertragsparteien überwachen weiterhin selbst, wie die Marktzugangsabkommen angewandt werden. Sie arbeiten dabei zusammen und informieren sich gegenseitig (Art. 6 InstA). Es obliegt aber den Vertragsparteien, dafür zu sorgen, dass die Marktzugangsabkommen in ihrem Hoheitsgebiet wirksam und vertragskonform angewandt werden (Art. 7 Abs. 1 InstA). Eine supranationale Überwachungsbehörde ist nicht vorgesehen.[91]Bundesrat, Fn. 20, S. 21. Jede Vertragspartei kann den Gemischten Ausschuss anrufen, wenn sie meint, das Abkommensrecht werde mangelhaft angewandt (Art. 7 Abs. 2 InstA). Stimmen die Vertragsparteien im Gemischten Ausschuss nicht überein, lässt sich das Streitbeilegungsverfahren aktivieren (Art. 7 Abs. 3 i.V.m. Art. 10 InstA).

Dieser Überwachungsmechanismus beschlägt sowohl die Anwendung als auch die Auslegung der Marktzugangsabkommen (Art. 7 Abs. 3 InstA). Adressiert wird hiermit primär die Schweiz, auch wenn es formal jeder Vertragspartei zusteht, die Streitbeilegung zu bemühen, falls sie denkt, die andere Vertragspartei wende ein Marktzugangsabkommen mangelhaft an oder lege es falsch aus.

Was den Aspekt der Rechtsanwendung betrifft, so zielt dieser in erster Linie auf die Gesetzgebung und Verwaltungspraxis der Vertragsparteien. Diesbezüglich ist daran zu erinnern, dass die Union das Recht, das innerhalb der Marktzugangsabkommen gilt, im Wesentlichen selbst setzt und die Verwaltungspraxis dazu prägt. Deshalb wird sich die Schweiz praktisch nur dort, wo das Abkommen materiell selbständiges Recht schafft, allenfalls darüber beschweren können, wie die Union das Abkommen anwendet. Im Übrigen ist denkbar, dass die Schweiz um Streitbeiligung ersucht, weil ein EU-Mitgliedstaat das Abkommen für sie nachteilig umsetzt. Es dürfte dies der wahrscheinlichere Anwendungsfall sein, in dem die Schweiz Interesse an einer Streitbeilegung hat. Im Vordergrund steht jedoch eindeutig die Konstellation, in welcher die Union findet, die Schweiz wende die Marktzugangsabkommen zulasten europäischer Bürger und Unternehmen falsch an.

Die Auslegung des Rechts, das innerhalb der Marktzugangsabkommen gilt, erfolgt auf Seiten der Union durch den EuGH. Da dessen Auslegung auch für die Schweiz verbindlich sein soll (Art. 4 Abs. 2 InstA), bleibt es dieser verwehrt, die Streitbeilegung wegen einer unliebsamen EuGH-Rechtsprechung zu bemühen. Umgekehrt kann die Union dagegen die Streitbeilegung aktivieren, wenn ihr nicht gefällt, wie das Bundesgericht das mit den Marktzugangsabkommen übernommene Recht auslegt. Seitens der Schweiz ist unter dem Titel der Auslegung einzig der Streitfall denkbar, in dem das Gericht eines EU-Mitgliedstaat ein Marktzugangsabkommen mangelhaft auslegt, ohne den EuGH um Vorabentscheidung (Art. 267 AEUV) zu bitten.

d) Die Streitbeilegung

Wie aus den vorstehenden Ausführungen ersichtlich ist, ist dem neu zu schaffende Streitbeilegungsmechanismus eine zentrale Rolle zugedacht. Das InstA sah vor, dass ihn die Union aktivieren kann, wenn die Schweiz sich weigert, neues Unionsrecht zu übernehmen, das innerhalb eines Marktzugangsabkommens erlassen wurde.[92]S. oben C.II.1.a). Zudem hätten die Vertragsparteien darauf zurückgreifen können, wenn die andere Vertragspartei das Abkommen in ihren Augen falsch anwendet oder auslegt.[93]S. oben C.II.1.c).

Die Streitbeilegung, wie sie im InstA konzipiert war, erfolgt in mehreren Schritten:

  • In einem ersten Schritt soll die Vertragspartei, die eine Streitbeilegung wünscht, wie bisher (s. Art. 19 FZA) den Gemischten Ausschuss anrufen (Art. 10 Abs. 1 InstA).
  • Findet dieser keine einvernehmliche Lösung, so kann im zweiten Schritt jede der Vertragsparteien darum ersuchen, dass ein paritätisch zusammengesetztes Schiedsgericht über die Streitigkeit erkennt (Art. 10 Abs. 2 InstA). In den allermeisten Fällen wird das Schiedsgericht indessen den EuGH um verbindliche Auslegung ersuchen müssen (Art. 10 Abs. 3 InstA). Dies ist zum einen dann der Fall, falls eine Frage im Streit steht, die die Auslegung oder Anwendung des mit dem jeweiligen Marktzugangsabkommen übernommenen Unionsrecht betrifft. Konkret ist hier an Schweizer Gesetzgebung oder ein Urteil des Bundesgerichts zu denken, die oder das in den Augen der EU dem einschlägigen europäischen Recht oder dessen Auslegung durch den EuGH widerspricht. Zum andern ist der EuGH wohl auch dann anzurufen, wenn das Schiedsgericht darüber zu befinden hat, ob ein von der Schweiz nicht übernommener europäischer Rechtsakt in den Geltungsbereich eines Marktzugangsabkommens fällt. Aus dem InstA ergeht letzteres allerdings nicht eindeutig.
  • Ergreift die Vertragspartei, die gemäss Schiedsspruch gegen das betreffende Marktzugangsabkommen verstossen hat, keine oder ungenügende Massnahmen, um den Schiedsspruch binnen angemessener Frist umzusetzen, kann die andere Vertragspartei in einem dritten Schritt Ausgleichsmassnahmen ergreifen bis hin zu einer teilweisen oder vollständigen Suspendierung des jeweiligen Abkommens (Art. 10 Abs. 6 InstA).
  • Erachtet die abkommensverletzende Vertragspartei diese Ausgleichsmassnahmen als unverhältnismässig, so kann sie in einem vierten Schritt wiederum das Schiedsgericht über diese Frage entscheiden lassen (Art. 10 Abs. 7 InstA).[94]Siehe auch Bundesrat, Fn. 20, S. 22.

e) Die Kündigung

Wäre es nach dem gescheiterten Rahmenabkommen gegangen, hätte dessen Kündigung dazu geführt, dass auch alle neu geschlossenen Marktzugangsabkommen binnen sechs Monaten weggefallen wären (Art. 22 Abs. 2 UAbs. 1 InstA). Für die bereits bestehenden Marktzugangsabkommen wie dem FZA hätten die Parteien im Gemischten Ausschuss des InstA innerhalb von drei Monaten eine einvernehmliche Lösung zu deren Weiterführung finden müssen, andernfalls sie ebenfalls ausser Kraft gesetzt worden wären (Art. 22 Abs. 2 UAbs. 2 InstA).

Diese „Super-Guillotine“[95]So etwa NZZ vom 7.3.2023, In der Europapolitik schlägt wieder einmal die Stunde der Wahrheit, S. 7. erachtete der Bundesrat für problematisch, da sie „den Preis eines Ausstiegs aus dem InstA nach oben treibt und dieses faktisch unkündbar machen würde“.[96]Bundesrat, Fn. 20, S. 28 und 33. Einer umfassenden Kündigungsklausel liesse sich entgehen, würden die institutionellen Aspekte jeweils in den einzelnen Abkommen geregelt, letztere aber im Paket verhandelt (sog. Bilaterale III). Diesen Paketansatz scheinen die EU und die Schweiz in ihren Sondierungsgesprächen nun offenbar zu verfolgen.[97]Bundesrat, Infoblatt –Paketansatz, Juni 2023 (<https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/80058.pdf>); NZZ vom 7.3.2023, In der Europapolitik schlägt wieder einmal die Stunde der … Continue reading

2. Die dynamische Übernahme unionsrechtlicher Änderungen der Sozialrechtskoordinierung

Das gescheiterte Rahmenabkommen sah vor, dass (auch) die zur Sozialrechtskoordinierung ergangenen neuen Rechtsakte der EU ins FZA zu übertragen gewesen wären. In fünf Punkten wäre die Schweiz jedoch vor Änderungen aufgrund neuen EU-Rechts immunisiert gewesen (Protokoll 2 InstA): Ausschluss der kantonalen Rechtsvorschriften über Unterhaltsvorschüsse (Abschnitt A Ziff. 1 lit. a Anhang II FZA); Nicht-Exportierbarkeit von Ergänzungsleistungen und gleichartigen in kantonalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Leistungen (Abschnitt A Ziff. 1 lit. h/1 Anhang II FZA); Nicht-Exportierbarkeit beitragsunabhängiger Mischleistungen bei Arbeitslosigkeit nach kantonalen Rechtsvorschriften (Abschnitt A Ziff. 1 lit. h/3 Anhang II FZA); Beitritt zur freiwilligen Alters‑, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung sowie freiwillige Weiterführung der Alters‑, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (Abschnitt A Ziff. 1 lit. i/1 und i/2 Anhang II FZA); Nicht-Exportierbarkeit der Hilflosenentschädigung[98]Siehe dazu oben B.II.4.a). (Ziff. II des Protokolls zu Anhang II). Es ist davon auszugehen, dass die Immunisierung in diesen Punkten auch in ein neu aufgelegtes Abkommen einflösse, das die dynamische Rechtsübernahme von EU-Recht vorsieht.

Die vorgenannten Ausnahmen ändern nichts daran, dass die dynamische Rechtsübernahme auch in der Sozialrechtskoordinierung einiges an Sprengpotenzial in sich birgt. Das weiter oben erörterte legislative Vorhaben der EU, wonach arbeitslose Grenzgänger fortan im letzten Beschäftigungsstaat Arbeitslosenleistungen beziehen sollen,[99]Siehe oben C.I.2. illustriert dies bestens. Nach den Mechanismen des gescheiterten Rahmenabkommens würde es der Schweiz zwar offenstehen, diese Änderungen im Koordinierungsrecht nicht zu übernehmen. Die EU würde dann aber das Schiedsgericht anrufen können. Dieses würde einen Abkommensverstoss feststellen, worauf die EU Ausgleichsmassnahmen ergreifen könnte. Zweifelte die Schweiz an deren Verhältnismässigkeit, stünde es ihr offen, das Schiedsgericht mit dieser Frage zu befassen.[100]Siehe oben C.II.1.a) und C.II.1.d). Als verhältnismässig müssten alle Ausgleichsmassnahmen gelten, deren „Wert“ den Kosten entspräche, die die Schweiz mit einer Nichtübernahme des EU-Rechts einspart. Im Beispiel der arbeitslosen Grenzgänger wären das die mehreren hundert Millionen Franken, die die Schweiz jährlich mehr aufzuwenden hätte.[101]Siehe oben C.I.2. Damit wird deutlich, dass es für die Schweiz i.d.R. wohl vernünftiger wäre, das neue EU-Recht direkt zu akzeptieren. Die vermeintliche Freiheit, einen neuen EU-Rechtsakt zu übernehmen oder nicht, entpuppt sich als hohl.

3. Die dynamische Übernahme von EuGH-Rechtsprechung im Bereich der Sozialrechtskoordinierung

Wird das FZA dynamisiert, so wirkt sich dies auch auf dessen Auslegung aus. Die nach der Unterzeichnung des FZA (21. Juni 1999) ergangene EuGH-Rechtsprechung wäre durch die Schweizer Gerichte fortan verbindlich zu berücksichtigen. Gleiches gälte für die Urteile des EuGH, die dieser nach Inkrafttreten des veränderten institutionellen Rahmens fällen wird. Im Bereich der Sozialrechtskoordinierung urteilt der EuGH jedes Jahr zehn bis zwanzig Rechtssachen ab. Diese Entscheide wären durch die Schweizer Gerichte routinemässig zu verfolgen und in der eigenen Praxis zu verarbeiten.

Das FZA sieht nicht vor, dass Schweizer Gerichte den EuGH um Vorabentscheidung (Art. 267 AEUV) anrufen können.[102]BGE 147 V 402, 411, E. 9.2; BGE 132 V 423 = Pra 98 (2007) Nr. 146, E. 9.1; BGer 8C_670/2022 vom 23.5.2023, E. 2 (als BGE 149 V 136 publiziert, aber ohne E. 2); s.a. oben B.II.1. Auch mit dem gescheiterten Rahmenabkommen wäre dies nicht möglich geworden. Die EU hätte jedoch Urteile des Bundesgerichts, in denen das FZA und das damit übernommene europäische Recht ausgelegt wird, in den Gemischten Ausschuss und anschliessend vor das Schiedsgericht bringen können. Für die Auslegung des europäischen Rechts hätte das Schiedsgericht den EuGH anrufen müssen.[103]Siehe oben C.II.1.d). Über dieses Verfahren hätte der EuGH die bundesgerichtliche Rechtsprechung folglich überprüfen können. Wir haben gesehen, dass es im Bereich der Sozialrechtskoordinierung durchaus kontroverse Urteile des Bundesgerichts gibt. Ihnen liegt eine Auslegung des europäischen Rechts zugrunde, bei welcher gut vorstellbar ist, dass sie der EuGH nicht teilen würde.[104]Siehe oben B.II.4. Dieser sieht sich bekanntlich als Motor der Integration und ist stets darauf bedacht, die Hindernisse, die der Freizügigkeit im Wege stehen, möglichst umfassend zu beseitigen. Das Bundesgericht zeigt sich hier zurückhaltender.[105]Siehe oben B.II.4.c). Mit einem Streitbeilegungskonzept, wie sie das gescheiterte Rahmenabkommen vorsah, könnte sich eine entsprechende Bruchlinie offenbaren.[106]Siehe oben B.II.4.c).

4. Fazit

Bei einer dynamischen Rechtsübernahme setzt sich die Schweiz der Gefahr aus, dass die EU zu ihren Lasten legiferiert. Folgte man der Lösung, wie sie im gescheiterten Rahmenabkommen vorgesehen war, könnte die Schweiz die Rechtsübernahme zwar ablehnen, hätte aber schon eingewilligt, dafür bestraft zu werden, und könnte dann vor dem Schiedsgericht nur noch um die Höhe der Strafe kämpfen. Dieser Befund gilt für alle Marktzugangsabkommen, in deren Rahmen sich die Schweiz verpflichtete, neues EU-Recht zu übernehmen. Bei der Personenfreizügigkeit, die auch die Sozialrechtskoordinierung umfasst, erweist sich der geschilderte Mechanismus als besonders explosiv. Das zeigt das Beispiel der arbeitslosen Grenzgänger auf.

Die dynamische Übernahme der EuGH-Rechtsprechung kombiniert mit einem Streitbeilegungskonzept, wie sie im gescheiterten Rahmenabkommen verankert war, birgt ebenfalls das Potenzial für (aus Sicht der Schweiz) unliebsame Überraschungen. Würde etwa der EuGH mit der Frage befasst, ob die schweizerischen Überbrückungsleistungen als Vorruhestandsleistungen i.S.v. Art. 1 lit. x und Art. 3 Abs. 1 lit. i Verordnung Nr. 883/2004 zu qualifizieren und deshalb die in den EU-Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten nicht mit solchen in der AHV zusammenzurechnen sind, wäre ich nicht überrascht, wenn er darauf anders als das Bundesgericht antwortete.[107]Siehe oben B.II.4.b)cc).

D. Die multi- und bilateralen Vereinbarungen im Rahmen der Sozialrechtskoordinierung gemäss FZA

In einigen Sachbereichen, die durch das Koordinierungsrecht geregelt sind, können die Mitgliedstaaten untereinander multi- oder bilaterale Vereinbarungen treffen, die von den ordentlichen Koordinerungsregeln abweichen oder eine gemeinsame Anwendungspraxis kodifizieren. Im Folgenden erläutere ich zwei Vereinbarungen, die die Schweiz unterzeichnet hat.

I. Die multilaterale Vereinbarung zur grenzüberschreitenden Telearbeit

Während der Corona-Pandemie hatten sich die EU/EFTA-Mitgliedstaaten darauf verständigt, die Kollisionsnormen des europäischen Koordinierungsrechts auszusetzen, soweit sie dazu geführt hätten, dass die grenzüberschreitend tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgrund der pandemiebedingten Telearbeit nicht mehr dem Sozialversicherungsrecht des Erwerbs‑, sondern des Wohnsitzstaates unterstellt gewesen wären.[108]Die Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme sozialer Sicherheit (Art. 71 Verordnung Nr. 883/2004) hatte dazu einen entsprechenden Beschluss gefasst, wobei unklar ist, ob dieser … Continue reading,[109]Siehe dazu im Einzelnen: Basile Cardinaux, Aktuelle Entwicklungen im europäischen Recht der sozialen Sicherheit, in: Epiney/Zlatescu (Hrsg.), Schweizerisches Jahrbuch für Europarecht 2020/2021, … Continue reading So sieht das Koordinierungsrecht vor, dass die Person, die ihre Beschäftigung über ein Kalenderjahr betrachtet in zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausübt, den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaates untersteht, wenn sie dort zu 25% oder mehr ihrer Arbeitszeit tätig ist (Art. 13 Abs. 1 lit. a Verordnung und Abs. 5 Nr. 883/2004; Art. 14 Abs. 8 und Abs. 10 Verordnung Nr. 987/2009). Die deutsche Grenzgängerin, die aufgrund der Pandemie für ihre Arbeitgeberin in der Schweiz nur noch Telearbeit verrichtete und nicht mehr aus Deutschland in die Schweiz pendelte, wäre nach dieser Regelung plötzlich der deutschen Sozialversicherungsgesetzgebung unterstellt gewesen.[110]Kritisch dazu Eichenhofer (Fn. 108), S. 357 ff. Ihre Schweizer Arbeitgeberin hätte sich nunmehr bei den deutschen Sozialversicherungsträgern anmelden und die Beiträge an diese überweisen müssen. Davor scheuen die Unternehmen aufgrund des administrativen Aufwands jedoch zurück. Sie ziehen es vor, keine Personen zu beschäftigen, für die sie im Ausland Sozialversicherungsbeiträge entrichten müssen.

Die während der Pandemie geltende Ausnahmeregelung verschonte die Unternehmen und ihre grenzüberschreitend Beschäftigten vor diesem Problem. Am 30. Juni 2023 lief sie nach mehrmaliger Verlängerung jedoch aus. Nun blieb den Staaten nicht verborgen, dass es viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch nach der Pandemie bevorzugen, einen Teil ihrer Arbeit von zuhause aus zu erledigen. Die neuen Arbeitsgewohnheiten rufen danach, die Regeln zur internationalen Versicherungsunterstellung bei grenzüberschreitender Telearbeit anzupassen.[111]Dahingehend auch Eichenhofer (Fn. 108), der allerdings überzeugend dafür plädiert, als Beschäftigungsort jenen Ort anzusehen, wo die zu erbringende Arbeitsleistung ihre Wirkung entfaltet. Damit … Continue reading Den Unternehmen und ihren Beschäftigten sollte ein grösserer Spielraum zugebilligt werden. Bisher gelang es jedoch nicht, auf Unionsebene einen entsprechenden Konsens zu finden und das europäische Koordinierungsrecht zu modifizieren. Stattdessen taten sich die „willigen“ EU/EFTA-Mitgliedstaaten zusammen und trafen eine neue multilaterale Vereinbarung, die ich im Folgenden kurz erläutere.

1. Die rechtliche Verankerung und die Vertragsstaaten

Das europäische Koordinierungsrecht gestattet es den Mitgliedstaaten, im gemeinsamen Einvernehmen Ausnahmen von den allgemeinen Koordinierungsregeln zur Versicherungsunterstellung vorzusehen, falls dies im Interesse bestimmter Personen oder Personengruppen liegt (Art. 16 Abs. 1 Verordnung Nr. 883/2004).[112]Eingehender zu den Vereinbarungen nach Art. 16 Abs. 1 Verordnung Nr. 883/2004: Heinz-Dietrich Steinmeyer, Kommentar zu Art. 16 Verordnung Nr. 883/2004, in: Fuchs/Janda (Hrsg.), Europäisches … Continue reading Gestützt auf diese Bestimmung[113]Kritisch dazu Eichenhofer (Fn. 108), S. 361 f. haben alle EU/EFTA-Mitgliedstaaten ausser Bulgarien, Dänemark, Estland, Griechenland, Island, Italien, Lettland, Litauen, Rumänien und Zypern eine Rahmenvereinbarung zur grenzüberschreitenden Telearbeit (nachfolgend: die Vereinbarung) getroffen.[114]Framework Agreement [vom 1. Juli 2023] on the application of Article 16 (1) of Regulation (EC) No. 883/2004 in cases of habitual cross-border telework (eigene Übersetzung: Rahmenvereinbarung [vom … Continue reading Im Verhältnis zu den Staaten, die die Vereinbarung nicht unterzeichnet haben, unterliegt die grenzüberschreitende Telearbeit den ordentlichen Unterstellungsregeln.[115]Siehe oben D.I. nach Fn. 108. Die Vereinbarung ist nur dann anwendbar, wenn die betroffene erwerbstätige Person in einem Unterzeichnerstaat wohnt und auch die Arbeitgeberin in einem solchen ansässig ist (Art. 2 Abs. 1 der Vereinbarung).

2. Der Geltungsbereich

Die Vereinbarung definiert die grenzüberschreitende Telearbeit als eine Tätigkeit, die sich von jedem beliebigen Ort aus ausüben lässt und in den Räumlichkeiten der Arbeitgeberin stattfinden könnte. Die erwerbstätige Person muss sie in einem anderen Staat als jenem ausüben, in dem sich die Betriebsstätte oder der Sitz der Arbeitgeberin befindet, und elektronisch mit dem Arbeitsumfeld der Arbeitgeberin und allenfalls den Kunden verbunden sein (Art. 1 lit. c der Vereinbarung). Die Vereinbarung erfasst die Personen, auf die wegen der 25%-Regel an sich das Sozialversicherungsrecht ihres Wohnsitzstaates anwendbar wäre (Art. 2 Abs. 2 der Vereinbarung i.V.m. Art. 13 Abs. 1 lit. a Verordnung und Abs. 5 Nr. 883/2004 sowie Art. 14 Abs. 8 und Abs. 10 Verordnung Nr. 987/2009). Sofern aber die betreffenden Personen in ihrem Wohnmitgliedstaat oder einem dritten Mitgliedstaat gewöhnlich eine andere Arbeit als die grenzüberschreitende Telearbeit verrichten und/oder selbständig sind, fallen sie nicht in den Geltungsbereich der Vereinbarung (Art. 2 Abs. 3 der Vereinbarung).

3. Der Regelungsinhalt

Die von der Vereinbarung erfasste Person bleibt solange dem Sozialversicherungsrecht des Staates unterstellt, in dem die Arbeitgeberin ihren Sitz oder ihre Niederlassung hat, als die grenzüberschreitende Telearbeit im Wohnsitzstaat über einen Zeitraum von zwölf Kalendermonaten nicht 50% oder mehr ihrer gesamten Arbeitszeit ausmacht (Art. 3 Vereinbarung).[116]Siehe zu weiteren Einzelheiten: BSV, AHV/EL-Mitteilung Nr. 470 vom 20.6.2023 (<https://sozialversicherungen.admin.ch/de/d/19856/download> [besucht am 3.11.2023]) und Lionel Tauxe, … Continue reading

4. Die Entsendung als Alternative

Sofern die grenzüberschreitende Telearbeit nicht zum üblichen Arbeitsmuster gehört und nur vorübergehend und punktuell verrichtet wird, bietet sich eine Entsendung an (Art. 12 Verordnung Nr. 883/2004). Diesfalls entfällt die Anwendung der multilateralen Vereinbarung. Die Entsendung bietet den Vorteil, dass die betroffene Person auch vollzeitlich Telearbeit verrichtet kann. Zudem ist sie ebenso in EU-/EFTA-Mitgliedstaaten möglich, die die multilaterale Vereinbarung nicht unterzeichnet haben. Zeitlich ist sie auf maximal 24 Monate befristet.[117]Siehe im Einzelnen BSV, AHV/EL-Mitteilung Nr. 470 (Fn. 116), S. 3 f.

II. Die bilaterale Vereinbarung zwischen Frankreich und der Schweiz betreffend die Krankenversicherungsunterstellung von Grenzgängern

Grenzgänger aus Frankreich können wählen, ob sie in der Schweiz oder in Frankreich krankenversichert sein wollen (Schweizer Eintrag in Anhang XI Ziff. 3 lit. b Verordnung Nr. 883/2004). Dieses Optionsrecht gab schon zu einiger Rechtsprechung Anlass.[118]BGE 147 V 402; 142 V 192; BGer 9C_561/2016 vom 27.3.2017; BGer 9C_467/2016 vom 9.8.2016; Entscheid des französischen Conseil d’Etat vom 10.2.2016, Rs. Nr. 383004. Gestützt auf Art. 16 Abs. 1 Verordnung Nr. 883/2004 haben Frankreich und die Schweiz eine bilaterale Vereinbarung getroffen, die die Modalitäten präzisiert, nach denen das Optionsrecht auszuüben ist.[119]Vereinbarung [vom 7. Juli 2016] nach Artikel 16 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004, auf das in Anhang Il des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der … Continue reading Insbesondere legt die Vereinbarung fest, welche Ereignisse den Grenzgänger oder die Grenzgängerin berechtigen, das Optionsrecht erneut auszuüben (Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz, Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz nach einer Periode der Arbeitslosigkeit, Wohnsitznahme in Frankreich, Pensionierung [Art. 3 der Vereinbarung]).[120]Siehe dazu auch BGE 147 V 402, 410 ff. E. 9.

E. Schlussbemerkungen

Die Sozialrechtskoordinierung, wie sie aus dem FZA ergeht, war bisher kein Streitpunkt zwischen der EU und der Schweiz. Soweit bekannt war sie auch nicht der Grund, weshalb die EU für das FZA (und die übrigen Marktzugangsabkommen) einen anderen institutionellen Rahmen wünscht. Von einer Dynamisierung des FZA wäre sie dennoch miterfasst. Ich habe in diesem Beitrag die möglichen Konsequenzen reflektiert. Natürlich haftet diesen Überlegungen etwas Ungefähres an, da sie sich auf noch zu schaffendes Recht beziehen.

Mit der derzeitigen Statik des FZA sind die Vertragsparteien bei der Sozialrechtskoordinierung nicht schlecht gefahren. Änderungen in den Koordinierungsverordnungen liessen sich über den Gemischten Ausschuss recht einfach in den Anhang II integrieren. Nachdem die Union aber beschlossen hat, die Markzugangsabkommen vorderhand nicht mehr zu aktualisieren, könnte sich schleichend ein unterschiedliches Koordinierungsrecht für den EU-Raum einerseits und den FZA-Vertragsraum andererseits ergeben. Vorderhand sind deswegen keine Nachteile für die Schweiz zu erwarten. Das geltende Koordinierungsrecht hat sich aus ihrer Sicht bewährt und benötigt nicht unbedingt Anpassungen. Am ehesten wären solche bei den Regeln zur Versicherungsunterstellung für die grenzüberschreitende Telearbeit vorzunehmen. Dieses Thema liess sich jedoch mit einer multilateralen Vereinbarung zwischen einer grossen Mehrzahl der EU-/EFTA-Staaten und der Schweiz entschärfen.[121]Siehe oben D.I. Wo sie möglich sind, haben sich die bi- und multilateralen Vereinbarungen als taugliches Instrument erwiesen, um das Koordinierungsrecht zu flexibilisieren und binnen vernünftiger Frist zu praktikablen Lösungen zu gelangen.[122]Siehe oben D.I. Allerdings bewirken sie, dass für die verschiedenen FZA-Vertragsstaaten unterschiedliche Koordinierungsregeln regeln. Das ohnehin schon schwer überschaubare Koordinierungsrecht wird so noch unübersichtlicher.[123]Dahingehend auch Eichenhofer (Fn. 108), S. 362.

Im Bereich der sozialen Sicherheit herrscht also Frieden zwischen der EU und der Schweiz. Dieser wird aber leiden, wenn es der EU gelingen sollte, das laufende Revisionsvorhaben zur Modernisierung der Koordinierungsverordnungen über die Ziellinie zu bringen. Diesfalls wird sie die Schweiz mit ins Boot nehmen wollen, damit diese zuständig wird für die arbeitslosen Grenzgänger, die zuletzt in der Schweiz beschäftigt waren. Die Schweiz wird sich dem zu entziehen versuchen. Mehrere Szenarien sind denkbar, wie es dann weitergehen könnte. Ich habe sie im Beitrag erörtert.[124]Siehe oben C.I.2., C.I.4. und C.II.2.

Die EU bevorzugt das Szenario, in dem sich die Schweiz auf einen neuen institutionellen Rahmen einlässt, der die dynamische Übernahme des europäischen Rechts und der EuGH-Rechtsprechung sowie eine Streitbeilegung beinhaltet, in welcher der EuGH das letzte Wort hat, wenn das übernommene EU-Recht auszulegen ist. Die Schweiz ziert sich.

Zum einen zeigt gerade das erwähnte Beispiel mit den arbeitslosen Grenzgängern, was eine dynamische Rechtsübernahme bedeuten kann. Die EU könnte künftig zu Lasten der Schweiz legifierieren. Folgte man der Architektur des gescheiterten Rahmenabkommens, könnte sich die Schweiz der Rechtsübernahme einzelner EU-Rechtsakte zwar verweigern. Sie hätte aber eingewilligt, dafür bestraft zu werden und könnte nur noch darum kämpfen, dass die Strafe („Ausgleichsmassnahmen“) verhältnismässig ausfällt. Am Ende müsste die Schweiz die Kosten der EU-Rechtsakte, die sie nicht übernehmen will, eben doch tragen.[125]Siehe oben C.II.2. und C.II.4.

Zum andern fällt es der Schweiz schwer, dem EuGH, der das Gericht der anderen Vertragspartei ist, bei Streitigkeiten die Auslegungshoheit zu übertragen. Im gescheiterten Rahmenabkommen war vorgesehen, ein Schiedsgericht zwischenzuschalten. Genuine Rechtsprechungskompetenzen wären ihm aber nur dort zugekommen, wo die Marktzugangsabkommen nicht auf EU-Recht fussen. Entsprechende Streitfälle dürften selten sein.[126]Siehe oben C.II.1.d). Bestimmend wäre halt doch der EuGH. Bei dynamischen Abkommen, die die Vertragsparteien verpflichten, sich an die Auslegung des übernommenen EU-Rechts durch den EuGH zu halten, ist es freilich nachvollziehbar, dass dasselbe auch im Streitbeilegungsverfahren gelten soll.

Das Missbehagen, sich im Rahmen der Marktzugangsabkommen – und ganz besonders des FZA – dem EuGH auszuliefern, ist allerdings nicht unbegründet. Ungern denkt die Schweiz etwa an das Urteil zurück, in dem der EuGH sich weigerte, die deutschen Massnahmen betreffend An-/Abflüge zum/vom Flughafen Zürich auf ihre Verhältnismässigkeit zu überprüfen.[127]Urteil des EuGH vom 7. März 2013, Rs. C-547/10, Schweizerische Eidgenossenschaft gegen Europäische Kommission, ECLI:EU:C:2013:139; s. zu dieser Angelegenheit auch Basile Cardinaux, Kommentar zur … Continue reading Im Koordinierungsrecht zeigt sich sodann, dass es den EuGH nur selten interessiert, wie die Sozialversicherungsleistungen, über die er befindet, finanziert sind. Gegenüber der umfassenden Verwirklichung der Personenfreizügigkeit misst er diesem Aspekt nur untergeordnete Bedeutung zu.[128]Siehe dazu etwa Basile Cardinaux, Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichts zum FZA, in: Epiney/Diezig (Hrsg.), Schweizerisches Jahrbuch für Europarecht 2012/2013, … Continue reading Zur Wahrheit gehört indessen ebenso, dass die bundesgerichtliche Abkommensrechtsprechung auch nicht immer vollends überzeugt, wie die in diesem Beitrag diskutierte koordinierungsrechtliche Rechtsprechung zeigt.[129]Siehe oben B.II.4.

Letztlich bleibt die Erkenntnis, dass die Schweiz bei dynamisch gestalteten Abkommen kaum umhin kommt, dem EuGH die Auslegungshoheit über das übernommene europäische Recht zuzuerkennen. Wenn sie dies nicht will, muss sie an der statischen Konzeption fest- und die Druckversuche der EU aushalten.

Fussnoten

Fussnoten
1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Fassung gemäss Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007, ABl. Nr. C 202 vom 7. Juni 2016, S. 47 ff. (konsolidierte Fassung).
2 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. Nr. L 166 vom 30. April 2004, S. 1 ff.; für Liechtenstein aufgrund des EWR-Abkommens anwendbar (ABl. Nr. L 262 vom 6. Oktober 2011, S. 33 ff.); s. SR 0.831.109.268.1 für die kraft Art. 1 Anhang II Abschnitt A Ziff. 1 FZA zwischen den EU-Mitgliedstaaten und der Schweiz geltende Fassung.
3 Vertrag über die Europäische Union, Fassung gemäss Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007, ABl. Nr. C 202 vom 7. Juni 2016, S. 13 ff. (konsolidierte Fassung).
4 Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (SR 0.142.112.681; ABl. Nr. L 114 vom 30. April 2002, S. 6 ff. [konsolidierte Fassung abrufbar unter <http://data.europa.eu/eli/agree_internation/2002/309(1)/2021-01-01> (besucht am 12.10.2023]).
5 Verordnung Nr. 3 über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer, ABl. Nr. 30 vom 16. Dezember 1958, S. 561/58 ff.; Verordnung Nr. 4 zur Durchführung und Ergänzung der Verordnung Nr. 3 über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer, ABl. Nr. 30 vom 16. Dezember 1958, S. 597/58 ff.
6 Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ABl. Nr. L 149 vom 5. Juli 1971, S. 2 ff.; s. AS 2004 121 für die gemäss FZA gültig gewesene Fassung.
7 Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ABl. Nr. L 074 vom 27. März 1972, S. 1 ff.; s. AS 2005 3909 für die gemäss FZA gültig gewesene Fassung.
8 Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. Nr. L 284 vom 30. Oktober 2009, S. 1 ff.; für Liechtenstein aufgrund des EWR-Abkommens anwendbar (ABl. Nr. L 262 vom 6. Oktober 2011, S. 33 ff.); s. SR 0.831.109.268.11 für die kraft Art. 1 Anhang II Abschnitt A Ziff. 2 FZA zwischen den EU-Mitgliedstaaten und der Schweiz geltende Fassung.
9 Richtlinie 98/49 des Rates vom 29. Juni 1998 zur Wahrung ergänzender Rentenansprüche von Arbeitnehmern und Selbständigen, die innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu- und abwandern, ABl. Nr. L 209 vom 25. Juli 1998, S. 46 ff.
10 Siehe dazu unten B.II.2.
11 Beschluss Nr. 2/2003 des Gemischten Ausschusses EU-Schweiz vom 15. Juli 2003 zur Änderung des Anhangs II (Soziale Sicherheit) des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, ABl. Nr. L 187 vom 26. Juli 2003, S. 55 ff.; Beschluss Nr. 1/2006 des Gemischten Ausschusses EU-Schweiz vom 6. Juli 2006 zur Änderung des Anhangs II (Soziale Sicherheit) des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, ABl. Nr. L 270 vom 29. September 2006, S. 67 ff.; Beschluss Nr. 1/2012 des Gemischten Ausschusses eingesetzt im Rahmen des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 31. März 2012 zur Ersetzung des Anhangs II dieses Abkommens über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. Nr. L 103 vom 13. April 2012, S. 51 ff.; Beschluss Nr. 1/2014 des Gemischten Ausschusses, eingesetzt im Rahmen des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 28. November 2014 zur Änderung von Anhang II dieses Abkommens über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. Nr. L 367 vom 23. Dezember 2014, S. 122 ff.; Beschluss Nr. 1/2020 des Gemischten Ausschusses, eingesetzt im Rahmen des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 15. Dezember 2020 zur Änderung von Anhang II dieses Abkommens über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. Nr. L 042 vom 5. Februar 2021, S. 15 ff.
12 Beschluss Nr. 1/2012 (Fn. 11).
13 Beschluss Nr. 1/2020 (Fn. 11).
14 Verordnung (EG) Nr. 859/2003 des Rates vom 14. Mai 2003 zur Ausdehnung der Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 und der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 auf Drittstaatsangehörige, die ausschliesslich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter diese Bestimmungen fallen, ABl. Nr. L 124 vom 20. Mai 2003, S. 124 ff.
15 Siehe dazu im Einzelnen Basile Cardinaux, Das Personenfreizügigkeitsabkommen und die schweizerische berufliche Vorsorge, Diss. Freiburg, Zürich/Basel/Genf 2008, Fn. 402.
16 Siehe auch BGE 145 V 231, 238 E. 6.3.3.
17 Verordnung (EU) Nr. 1372/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004, ABl. Nr. L 346 vom 20. Dezember 2013, S. 27 f.; Verordnung (EU) Nr. 1368/2014 der Kommission vom 17. Dezember 2014 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und der Verordnung (EU) Nr. 1372/2013 der Kommission zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004, ABl. Nr. L 366 vom 20. Dezember 2014, S. 15 f.; Verordnung (EU) Nr. 2017/492 der Kommission vom 21. März 2017 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004, ABl. Nr. L 76 vom 22. März 2017, S. 13 ff.
18 Verordnung Nr. 1368/2014 (Fn. 17).
19 Verordnung Nr. 1372/2013 (Fn. 17) und Verordnung Nr. 2017/492 (Fn. 17).
20 Bundesrat, Bericht vom 26. Mai 2021 betreffend die Verhandlungen über ein institutionelles Abkommen zwischen der Schweiz und der EU (<https://www.eda.admin.ch/content/dam/europa/de/documents/abkommen/20210526-bericht_verhandlungen_institutionelles-Abkommen_ch-eu_DE.pdf> [zuletzt besucht am 27.10.2023]), S. 18. Siehe zum institutionellen Rahmen unten C.
21 Verordnung (EU) 2019/1149 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Errichtung einer Europäischen Arbeitsbehörde und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 883/2004, (EU) Nr. 492/2011 und (EU) 2016/589 sowie zur Aufhebung des Beschlusses (EU) 2016/344, ABl. Nr. L 186 vom 11. Juli 2019, S. 21 ff.
22 Siehe oben bei Fn. 20.
23 Siehe oben bei Fn. 16.
24 Immerhin gilt es darauf hinzuweisen, dass anerkannte Flüchtlinge und Staatenlose im Rahmen der Verordnung Nr. 883/2004 den Vertragsstaatsangehörigen gleichgestellt sind (Art. 2 Abs. 1 Verordnung Nr. 883/2004). Zudem können sich auch Familienangehörige aus Drittstaaten in verschiedenen Konstellationen auf die Verordnung Nr. 883/2004 berufen (s. etwa Art. 2 Abs. 2 Verordnung Nr. 883/2004 sowie BGE 139 V 393).
25 Siehe oben bei Fn. 16.
26 Siehe oben B.II.1.
27 Siehe oben B.II.1.
28 BGE 132 V 423 = Pra 96 (2007) Nr. 146; BGE 142 V 2; BGer 9C_768/2015 vom 11. Mai 2016, E. 5.
29 Beschluss Nr. 2/2003 des Gemischten Ausschusses EU-Schweiz vom 15. Juli 2003 zur Änderung des Anhangs II (Soziale Sicherheit) des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, ABl. Nr. L 187 vom 26.7.2003, S. 55 ff.
30 Urteil des EuGH vom 8. März 2001, Rs. C-215/99, Friedrich Jauch gegen Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, ECLI:EU:C:2001:139.
31 Urteil des EuGH vom 5. März 1998, Rs. C-160/96, Manfred Molenaar und Barbara Fath-Molenaar gegen Allgemeine Ortskrankenkasse Baden-Württemberg, ECLI:EU:C:1998:84, insb. N 19 ff.
32 EuGH Rs. Jauch (Fn. 30), N 17 ff.
33 Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 14. Dezember 2007, Rs. E-5/06, EFTA-Überwachungsbehörde gegen Fürstentum Liechtenstein (abrufbar unter: <https://eftacourt.int/cases> [zuletzt besucht am 28.10.2023]), N 57 ff.
34 BGE 132 V 423 = Pra 96 (2007) Nr. 146, E. 6 ff.
35 Siehe AS 2002 1582 für den ursprünglichen Protokolleintrag betreffend die AHV/IV-Hilflosenentschädigung; BGE 132 V 423 = Pra 96 (2007) Nr. 146, E. 9.5.3.
36 Siehe oben Fn. 29.
37 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (SR 0.111).
38 BGE 132 V 423 = Pra 96 (2007) Nr. 146, E. 9; s.a. oben B.II.1.
39 Siehe oben B.II.2.
40 Siehe dazu oben nach Fn. 29.
41 Beschluss Nr. 1/2012 (Fn. 11), S. 58.
42 S. dazu oben nach Fn. 37.
43 BGE 142 V 2, 6 ff. E. 6.
44 BGE 140 V 98, 101 ff. E. 6 ff.; BGer H 114/05 vom 9.5.2007, E. 4.3.2.
45 In diesem Sinne: Urteil des EuGH vom 9. März 2006, Rs. C-493/04, L. H. Piatkowski gegen Inspecteur van de Belastingdienst grote ondernemingen Eindhoven, ECLI:EU:C:2006:167; s. eingehender Basile Cardinaux, Die aktuelle sozialrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts zum FZA und EFTA-Übereinkommens, in: Epiney/Diezig (Hrsg.), Schweizerisches Jahrbuch für Europarecht 2013/2014, Zürich/Basel/Genf/Bern 2014, S. 483 ff., insb. S. 485 ff.
46 BGE 141 V 396, 400 ff. E. 5 ff.
47 Basile Cardinaux, Die aktuelle sozialrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts zum FZA, in: Epiney/Kern/Hehemann (Hrsg.), Schweizerisches Jahrbuch für Europarecht 2015/2016, Zürich/Basel/Genf/Bern 2016, S. 501 ff., insb. S. 512 ff.
48 BGE 149 V 136, 137 ff. E. 3 ff.
49 Bundesgesetz über Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose vom 19. Juni 2020 (SR 837.2).
50 Verordnung über Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose vom 11. Juni 2021 (SR 837.21).
51 BGE 149 V 136, 148 ff. E. 9.
52 Siehe die systematische Einordnung von Art. 5 Abs. 5 ÜLG in der Bestimmung zum „Anspruch auf Überbrückungsleistungen“ und von Art. 5 ÜLV im „1. Kapitel: Anspruch auf Überbrückungsleistungen“.
53 BGE 142 V 358, 365 E. 6.1.
54 Siehe auch Basile Cardinaux, in: Vincent Martenet/Jacques Dubey (Hrsg.), Commentaire romand, Constitution fédérale, Basel 2021, Art. 114 BV N 43.
55 Siehe oben B.II.3. bei Fn. 20.
56 Siehe oben B.II.3.
57 Siehe oben B.II.2.
58 Siehe für eine grobe Übersicht über die bisherigen Gesetzgebungsarbeiten <https://eur-lex.europa.eu/procedure/DE/2016_397?rid=1&qid=1696231246419> und <https://​www.​consilium.​europa.eu/de/policies/rules-social-security-systems>.
59 Ein Vorschlag der schwedischen Präsidentschaft des Rates der EU vom 21. April 2023 für ein neues Verhandlungsmandat (s. Fn. 60) sollte neuen Schwung in die Suche nach einem mehrheitsfähigen Kompromiss bringen, scheiterte aber an fehlender Unterstützung (Ausschuss der Ständigen Vertreter des Rates der Europäischen Union, Summary Record [=zusammenfassender Datensatz] der Sitzungen vom 26. und 28. April 2023 [<https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-8806-2023-INIT/en/pdf>; besucht am 2.11.2023]).
60 Präsidentschaft des Rates der Europäischen Union, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 [eigene Übersetzung aus dem Englischen], Vorschlag der Präsidentschaft des Rates für ein neues Verhandlungsmandat vom 21.4.2023 (<https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-8394-2023-ADD-1/en/pdf> [zuletzt besucht am 31.10.2023]). Auch wenn dieser Vorschlag keine genügende Unterstützung fand (s. Fn. 59), so dürfte er die Basis für weitere Gespräche bilden. Ich stütze meine Ausführungen deshalb auf diesen Text.
61 Europäische Kommission, Impact assessement, Initiative to partially revise Regulation (EC) No 883/2004 of the European Parliament and of the Council on the coordination of social security systems and its implementing Regulation (EC) No 987/2009, 13.12.2016 (<https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:3aa0bc5e-c1e6-​11e6-​a6db-​01aa​75ed​71a1.​0001.​02/DOC_1&format=PDF> [besucht am 1.11.2023]), S. 93 ff.
62 Siehe im Einzelnen NZZ vom 7.2.2019, Paris will Schweiz zur Kasse bitten, S. 13.
63 Ende 2021 waren 212’000 Grenzgänger in Luxemburg beschäftigt (Statec, Panorama sur le monde du travail luxembourgeois à l’occasion du 1er Mai [<https://statistiques.public.lu/dam-assets/catalogue-publications/regards/2022/regards-03-22.pdf> [besucht am 1.11.2023]]).
64 Ende 2022 lag der Bestand an gültigen Grenzgängerbewilligungen bei 442’869 (Bundesamt für Statistik, Gültige Grenzgängerbewilligungen nach Bewilligungsdauer und Bewilligungsart, <https://www.sem.admin.ch/dam/sem/de/data/publiservice/statistik/auslaenderstatistik/2022/12/5-10-GG-Best-d-2022-12.xlsx.download.xlsx/5-10-GG-Best-d-2022-12.xlsx> [besucht am 1.11.2023]).
65 Boris Zürcher vom Seco in der NZZ vom 7.2.2019, „Das aktuelle System ist fair und ausgewogen“, S. 13.
66 Ibidem.
67 Frankreich entrichtet ehemals arbeitslosen Grenzgängern, die eine Stelle in Frankreich gefunden haben, temporär eine Zulage, die der Differenz zwischen dem Lohn und dem zuvor ausbezahlten Arbeitslosengeld entspricht. Damit soll verhindert werden, dass jemand aus finanzellen Gründen eine angebotene Stelle nicht annimmt (NZZ vom 7.2.2019, Paris will Schweiz zur Kasse bitten, S. 13).
68 Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung vom 25. Juni 1982 (SR 837.0).
69 Verordnung über die Unfallversicherung vom 20. Dezember 1982 (SR 832.202).
70 Gegenwärtig sind in der Arbeitslosenversicherung maximal CHF 148’200.– p.a. bzw. CHF 12’350.– im Monat versichert (Art. 23 Abs. 1 AVIG i.V.m. Art. 22 Abs. 1 UVV). Das Taggeld beträgt höchstens 80% davon, also CHF 9’880.– pro Monat (Art. 22 AVIG).
71 Boris Zürcher vom Seco in der NZZ vom 7.2.2019, „Das aktuelle System ist fair und ausgewogen“, S. 13.
72 Siehe Tages-Anzeiger vom 8.5.2017, Die Baustellen zwischen Bern und Paris, <http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/die­baustellen­zwischen­bern­und­paris/story/10261165> (besucht am 1.11.2023); NZZ vom 20.3.2019, Seilziehen um arbeitslose Grenzgänger, S. 26.
73 So auch NZZ vom 20.3.2019, Seilziehen um arbeitslose Grenzgänger, S. 26.
74 Siehe oben A. und B.II.1.
75 Fraktion der Schweizerischen Volkspartei, Motion 21.3522 „Keine Bezahlung der Arbeitslosengelder für EU-Grenzgänger durch die Schweiz“ (<https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20213522> [besucht am 2.11.2023]).
76 Stellungnahme des Bundesrates vom 18.8.2023 zur Motion 21.3522 (Fn. 75).
77 Amtl.Bull. NR 2023 758.
78 Europäischer Rat, Proposal for a Regulation oft he European Parliament and the Council amending Regulation (EC) No 883/2004 on the coordination of social security systems and regulation (EC) No 987/2009 laying down the procedure for implementing Regulation (EC) No 883/2004, 17.3.2023 (<https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-​7489-​2023-​ADD-​2/en/pdf> [besucht am 1.11.2023]), S. 3.
79 Siehe unten D.I.
80 Siehe unten D.I.
81 Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen vom 21. Juni 1999 (SR 0.946.526.81).
82 Siehe die Medienmitteilung des Bundesrats vom 26. Mai 2021 „Das Institutionelle Abkommen Schweiz-EU wird nicht abgeschlossen“ (<https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/das-eda/aktuell/news.html/content/eda/de/meta/news/2021/5/26/83705.html> [zuletzt besucht am 27.10.2023]).
83 Siehe etwa: NZZ vom 2.10.2023, Brüssel erachtet den Bundesrat als mutlos, S. 22; NZZ vom 7.3.2023, In der Europapolitik schlägt wieder einmal die Stunde der Wahrheit, S. 7.
84 Ibdidem.
85 Bundesrat, Fn. 20, S. 26.
86 Siehe Cardinaux, Fn. 15, N 14 m.w.H.
87 Bundesrat, Fn. 20, S. 32.
88 Siehe zuletzt Staatssekretariat für Migration, Halbjahresstatistik Zuwanderung Januar–Juni 2023 (<https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/81969.pdf> [zuletzt besucht am 27.10.2023]).
89 Siehe <https://www.eda.admin.ch/content/dam/europa/de/documents/abkommen/Acccord-inst-Projet-de-texte_de.pdf> (zuletzt besucht am 27.10.2023).
90 Bundesrat, Fn. 20, S. 20 f.
91 Bundesrat, Fn. 20, S. 21.
92 S. oben C.II.1.a).
93 S. oben C.II.1.c).
94 Siehe auch Bundesrat, Fn. 20, S. 22.
95 So etwa NZZ vom 7.3.2023, In der Europapolitik schlägt wieder einmal die Stunde der Wahrheit, S. 7.
96 Bundesrat, Fn. 20, S. 28 und 33.
97 Bundesrat, Infoblatt –Paketansatz, Juni 2023 (<https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/80058.pdf>); NZZ vom 7.3.2023, In der Europapolitik schlägt wieder einmal die Stunde der Wahrheit, S. 7; NZZ vom 15.5.2023, Der Bundespräsident spielt Livia Leus Abgang herunter, S. 9.
98 Siehe dazu oben B.II.4.a).
99 Siehe oben C.I.2.
100 Siehe oben C.II.1.a) und C.II.1.d).
101 Siehe oben C.I.2.
102 BGE 147 V 402, 411, E. 9.2; BGE 132 V 423 = Pra 98 (2007) Nr. 146, E. 9.1; BGer 8C_670/2022 vom 23.5.2023, E. 2 (als BGE 149 V 136 publiziert, aber ohne E. 2); s.a. oben B.II.1.
103 Siehe oben C.II.1.d).
104 Siehe oben B.II.4.
105 Siehe oben B.II.4.c).
106 Siehe oben B.II.4.c).
107 Siehe oben B.II.4.b)cc).
108 Die Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme sozialer Sicherheit (Art. 71 Verordnung Nr. 883/2004) hatte dazu einen entsprechenden Beschluss gefasst, wobei unklar ist, ob dieser für sich allein genommen (d.h. ohne Vereinbarungen unter den Mitgliedstaaten) bereits eine verbindliche Grundlage für diese Ausnahmeregelung schuf (s. hierzu Eberhard Eichenhofer, Sozialer Schutz bei Arbeit vom Homeoffice im Binnenmarkt, ZESAR 22/2023, Heft 9, S. 355 ff.).
109 Siehe dazu im Einzelnen: Basile Cardinaux, Aktuelle Entwicklungen im europäischen Recht der sozialen Sicherheit, in: Epiney/Zlatescu (Hrsg.), Schweizerisches Jahrbuch für Europarecht 2020/2021, Zürich/Basel/Genf 2021, S. 205 ff., 209 ff. m.w.H.; Eichenhofer (Fn. 108), S. 355 ff.
110 Kritisch dazu Eichenhofer (Fn. 108), S. 357 ff.
111 Dahingehend auch Eichenhofer (Fn. 108), der allerdings überzeugend dafür plädiert, als Beschäftigungsort jenen Ort anzusehen, wo die zu erbringende Arbeitsleistung ihre Wirkung entfaltet. Damit erübrigten sich besondere Kollisionsnormen für die grenzüberschreitende Telearbeit (S. 357 ff. und 363).
112 Eingehender zu den Vereinbarungen nach Art. 16 Abs. 1 Verordnung Nr. 883/2004: Heinz-Dietrich Steinmeyer, Kommentar zu Art. 16 Verordnung Nr. 883/2004, in: Fuchs/Janda (Hrsg.), Europäisches Sozialrecht, 8. Aufl., Baden-Baden 2022, N 1 ff.
113 Kritisch dazu Eichenhofer (Fn. 108), S. 361 f.
114 Framework Agreement [vom 1. Juli 2023] on the application of Article 16 (1) of Regulation (EC) No. 883/2004 in cases of habitual cross-border telework (eigene Übersetzung: Rahmenvereinbarung [vom 1. Juli 2023] über die Anwendung von Artikel 16 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 in Fällen gewöhnlicher grenzüberschreitender Telearbeit; <https://socialsecurity.belgium.be/sites/default/files/content/docs/en/international/framework_agreement_on_cross-border_telework.pdf> [besucht am 3.11.2023]).
115 Siehe oben D.I. nach Fn. 108.
116 Siehe zu weiteren Einzelheiten: BSV, AHV/EL-Mitteilung Nr. 470 vom 20.6.2023 (<https://sozialversicherungen.admin.ch/de/d/19856/download> [besucht am 3.11.2023]) und Lionel Tauxe, Multilaterale Vereinbarung regelt Homeoffice von Grenzgängern, CHSS vom 31.8.2023 (<https://sozialesicherheit.ch/de/multilaterale-vereinbarung-regelt-homeoffice-von-grenzgaengern> [besucht am 3.11.2023]).
117 Siehe im Einzelnen BSV, AHV/EL-Mitteilung Nr. 470 (Fn. 116), S. 3 f.
118 BGE 147 V 402; 142 V 192; BGer 9C_561/2016 vom 27.3.2017; BGer 9C_467/2016 vom 9.8.2016; Entscheid des französischen Conseil d’Etat vom 10.2.2016, Rs. Nr. 383004.
119 Vereinbarung [vom 7. Juli 2016] nach Artikel 16 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004, auf das in Anhang Il des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 zwischen den zuständigen Behörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Französischen Republik über die Möglichkeit der Befreiung von der schweizerischen Krankenversicherung Bezug genommen wird [eigene Übersetzung aus dem Französischen] (<https://www.bag.admin.ch/dam/bag/de/dokumente/kuv-aufsicht/krankenversicherung/im-ausland-wohnhafte-versicherte/accord-juli-2016-mit-frankreich.pdf.download.pdf/accord-juli-2016-mit-frankreich.pdf> [besucht am 2.11.2023]).
120 Siehe dazu auch BGE 147 V 402, 410 ff. E. 9.
121 Siehe oben D.I.
122 Siehe oben D.I.
123 Dahingehend auch Eichenhofer (Fn. 108), S. 362.
124 Siehe oben C.I.2., C.I.4. und C.II.2.
125 Siehe oben C.II.2. und C.II.4.
126 Siehe oben C.II.1.d).
127 Urteil des EuGH vom 7. März 2013, Rs. C-547/10, Schweizerische Eidgenossenschaft gegen Europäische Kommission, ECLI:EU:C:2013:139; s. zu dieser Angelegenheit auch Basile Cardinaux, Kommentar zur Entscheidung der Kommission vom 5. Dezember 2003 – Sache TREN/AMA/11/03 – Deutsche Massnahmen bezüglich An-/Abflüge zum/vom Flughafen Zürich, ABl. Nr. L 4 vom 8. Januar 2004, 13 ff., SZS 48/2004, S. 380 ff.
128 Siehe dazu etwa Basile Cardinaux, Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichts zum FZA, in: Epiney/Diezig (Hrsg.), Schweizerisches Jahrbuch für Europarecht 2012/2013, Zürich/Basel/Genf/Bern 2013, S. 449 ff., 477.
129 Siehe oben B.II.4.