EuZ - Zeitschrift für Europarecht

Ausgabe 5 / 2022

Aktuelle Spielräume für ein Institutionelles Rahmenabkommen

Sebastian Heselhaus*

Der Beitrag zeigt die Vorteile der Bilateralen Abkommen im Unterschied zum EWR-Abkommen für die Schweiz auf und entwirft ein modifiziertes Institutionelles Abkommen, das einen echten Rahmen darstellt, der durch sektorielle bilaterale Abkommen ausgefüllt und ergänzt werden kann. Auf diese Weise kann eine Abstimmung über ein Institutionelles Rahmenabkommen von umstrittenen Regelungen entschlackt werden, und politisch brisante Themen können einer Lösung in sektoriellen bilateralen Abkommen zugeführt werden. In den allfälligen Referenden können dann die konkreten Vorteile der vertieften Zusammenarbeit in dem betroffenen Sektor den Zugeständnissen im institutionellen Bereich transparent für das Stimmvolk gegenübergestellt werden.

* Prof. Dr. iur. Sebastian Heselhaus ist Ordinarius für Völkerrecht, Europarecht, Öffentliches Recht und Rechtsvergleichung an der Universität Luzern. Er ist Direktor der Lucerne Academy für Human Rights Implementation und Ko-Direktor des Center for Law and Sustainability.

Inhalt

  1. Entwicklung der bilateralen Zusammenarbeit: le „InstA“ est mort
    1. Ausgangslage
    2. Vorzüge der Bilateralen Abkommen gegenüber dem EWR-Abkommen für die Schweiz
      1. Inhalte
      2. Dynamik
      3. Streitbeilegung
      4. Finanzen
    3. Unzufriedenheit der EU mit den Bilateralen Abkommen
    4. Politische Spielräume
  2. Alternative Lösungsvorschläge
  3. Das Freizügigkeitsabkommen als Blaupause für bilaterale
    Marktzugangsabkommen
  4. Die wichtigsten Regelungen des InstA
    1. Anwendungsbereich und materiell-rechtliche Regelungen
      1. Marktzugangsabkommen
      2. Beihilferegelungen
      3. Weitere Regelungen im InstA mit materiellen Folgen
    2. Dynamische Rechtsentwicklung
      1. Einheitliche Auslegung
      2. Pflicht zur Übernahme neuer Rechtsakte
      3. Ausgleichsmassnahmen und Guillotine-Klausel
    3. Streitbeilegung
  5. Ein möglicher Ausweg aus dem Dilemma: Vive le „InstRA“!

A. Entwicklung der bilateralen Zusammenarbeit: le „InstA“ est mort

I. Ausgangslage

Die Verhandlungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union über ein Institutionelles Abkommen (InstA[1]Im Folgenden wird verkürzt vom InstA als Abkommen gesprochen, obgleich der Text nur als Entwurf vorliegt.) haben mit Unterbrechungen neun Jahre gedauert.[2]Eine Chronologie des Verhandlungsprozesses, abrufbar unter <https://www.eda.​admin.ch/eda/de/home/das-eda/aktuell/news.html/content/eda/de/meta/news/​2021/5/26/83705.html>. Am 26. Mai 2021 hat der Bundesrat beschlossen, das InstA nicht zu unterzeichnen, und hat diesen Entscheid der EU mitgeteilt.[3]Brief des Bundesrates an die Präsidentin der Europäischen Kommission, abrufbar unter <https://www.eda.admin.ch/europa/de/home/europapolitik/ueberblick/​institutionelles-abkommen.html>. Damit scheinen sich die Befürchtungen in der EU, die Schweiz habe nur auf Zeit spielen wollen und kein wirkliches Interesse am Abschluss eines institutionellen Abkommens,[4]Brächer Michael, Frist abgelaufen. Rahmenabkommen mit der EU – Warum die Schweiz auf Zeit spielt, Handelsblatt online vom 7. Dezember 2018, einsehbar unter … Continue reading bestätigt zu haben. Die EU hatte ihr Missfallen bereits im Januar 2019 ausgedrückt, als sie laufende Gespräche in anderen Bereichen mit der Schweiz aussetzte oder verzögerte, bis ein Ergebnis für das institutionelle Abkommen vorliege. Im Juli 2019 wurde die befristet gewährte Anerkennung der Gleichwertigkeit der Schweizer Börsenregulierung nicht verlängert. Insbesondere der Nachgang zu den Verhandlungen scheint die negative Einschätzung in manchen EU-Kreisen zu bestätigen.

Ende 2013 hatte der Bundesrat das Verhandlungsmandat für die institutionellen Fragen verabschiedet.[5]Bundesrat, Medienmitteilung vom 18. Dezember 2013, einsehbar unter <https://www.​admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-51490.html>. Die Verhandlungsphase dauerte mit Unterbrechungen ca. viereinhalb Jahre von Mitte 2014 bis Ende 2018. Für die Unterbrechungen waren schweizinterne Gründe verantwortlich, insbesondere die Abstimmung über die letztlich erfolgreiche Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung“.[6]Unterbrechung der Verhandlungen von November 2014 bis November 2015 wegen der Umsetzung der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung“, s. die Chronologie (Fn. 2). Ende 2017 hatte die EU das Angebot unterbreitet, in einem Streitbeilegungsmechanismus ein Schiedsgericht vorzusehen.[7]Baudenbacher Carl, Rechtsgutachten zur Streitentscheidungsregelung des InstA zu Handen der Kommission des Nationalrates für Wirtschaft und Abgaben WAK, 11. Seit Anfang 2018 wurde vom Bundesrat die genaue Prüfung wichtiger Punkte, wie die Streitbeilegung, die Absicherung der bestehenden flankierenden Massnahmen und mögliche Zugeständnisse der Schweiz im Zusammenhang mit der Unionsbürgerrichtlinie an die zuständigen Ämter delegiert. Ende 2018 ging die EU vom Abschluss der Verhandlungen aus.[8]Ministertreffen zwischen Bundesrat Cassis und Kommissar Hahn in Zürich am 23. November 2018, s. Chronologie (Fn. 2). Der Bundesrat eröffnete in der Schweiz eine Konsultation über den Abkommensentwurf.[9]Entscheid des Bundesrates vom 7. Dezember 2018, s. Chronologie (Fn. 2). Die dabei zentral diskutierten drei Fragen, die Unionsbürgerrichtlinie, der Lohn- und Arbeitnehmerschutz sowie die staatlichen Beihilfen, waren schon seit Ende 2017 beiden Vertragsseiten bekannt gewesen. Anfang 2021 wurden die Gespräche wieder aufgenommen, aber von der EU nicht mit dem Ziel, einen neuen Text zu verhandeln, sondern eher um verbleibende Unklarheiten auszuräumen. Dann kam der Abbruch durch den Bundesrat. Ein vom EDA in Auftrag gegebenes Gutachten zu „Alternativen im Verhandlungsprozess“ untersucht ein sog. Interimsabkommen. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Verhandlungen „für eine angemessene Dauer“ ruhen gelassen werden: konkret werden sieben Jahre genannt.[10]Ambühl Michael/Scherer Daniela S., Alternativen im Verhandlungsprozess, Gutachten 2021, ii. Das wäre länger als die Kernverhandlungsphase für das InstA und würde über eine Amtszeit der Europäischen Kommission hinausreichen. Das könnte aus EU-Sicht als Wunsch nach Neuverhandlungen statt nach einer Wiederaufnahme der Verhandlungen interpretiert werden. Insofern könnte man – vereinfachend gesagt – annehmen, dass das InstA in seiner derzeitigen Fassung politisch gestorben ist: „le InstA est mort“.

In der innenpolitischen Diskussion in der Schweiz war zu beobachten, dass sich im Grunde nie eine politische Mehrheit von Parteien zusammengefunden hat, die den Abkommensentwurf umfänglich gebilligt hätte.[11]Vgl. die Analyse von Tobler Christa, Wie weiter mit dem Institutionellen Abkommen?, Jusletter, 20. Januar 2020, 6 f. Auch sind die Parteien bei einzelnen Streitfragen relativ moderat miteinander umgegangen. Ein Beispiel sind die sog. flankierenden Massnahmen. Für die Erbringung von Dienstleistungen in der Schweiz müssen sich Unternehmen aus der EU acht Tage zuvor anmelden und eine Kaution stellen.[12]Näher zur Problematik Tobler Christa, (Fn. 11), 17. In der EU verstossen solche Voranmeldepflichten gegen die Grundfreiheiten, insbesondere die Dienstleistungsfreiheit. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind zeitliche Verzögerungen soweit wie möglich zu vermeiden. Vereinfacht gilt, dass alle Überprüfungen auch im Nachhinein durchgeführt werden können.[13]Grundsätzlich zum Verbot jeder Behinderung EuGH, Rs. C-55/94, Slg. 1995, I-4165 Rz 37 – Gebhard. Nach Art. 9 Abs. 1 lit. a) Richtlinie (EU) 2014/67 des Europäischen Parlaments und des Rates vom … Continue reading Es ist möglich, dass dabei Interessen des Lohnschutzes in der EU tendenziell hinter Interessen des freien Dienstleistungsverkehrs im Binnenmarkt zurücktreten. Ob auch das in Bezug auf die Schweiz einschlägige Freizügigkeitsabkommen[14]Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA, SR 0.142.112.681). (FZA) eine solche Zurückdrängung des Lohnschutzes verlangt, ist umstritten. Aus Sicht der EU ist diese der Schweiz im Entwurf des InstA soweit entgegengekommen, dass sie eine Anmeldefrist von vier Tage akzeptieren würde.[15]Ziff. 2 Protokoll 1 zum InstA. Damit liegt in der Schweiz die Frage an die Befürworter der langen Anmeldefrist nahe, was sie in den Tagen 5 bis 8 an zusätzlichem Schutz erreichen können, den sie nicht schon in den Tagen 1 bis 4 realisieren könnten.

Angesichts des Abbruchs der Verhandlungen seitens des Bundesrates drängt sich die Frage auf, warum man sich noch Gedanken über Optionen für ein institutionelles Abkommen machen sollte. Trotz aller Skepsis in der Schweiz gegenüber der EU unterstützt eine politische Mehrheit die Bilateralen Abkommen, wie sie bisher gehandhabt werden. Das ist verständlich, bietet doch der Ansatz der Bilateralen Abkommen der Schweiz viele Vorteile. Diese werden nachfolgend im Vergleich mit dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum[16]Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, ABl L 1 vom 3. Januar 1994, 3 ff. vorgestellt (siehe unten, II.). Im Anschluss wird aufgezeigt, ob die EU den derzeitigen status quo in einem Interimsabkommen akzeptieren würde und ob die Schweiz nicht gut beraten wäre, zusätzlich eine Verhandlungsoption für ein modifiziertes institutionelles Abkommen[17]Vgl. den Vorschlag für ein neues institutionelles Abkommen von Levrat Nicolas, Profiter d’un contexte favorable pour renégocier un novel accord-cadre avec l ? UE, 2021. zu entwickeln (siehe unten, III.).

II. Vorzüge der Bilateralen Abkommen gegenüber dem EWR-Abkommen für die Schweiz

Nachfolgend werden in vier Bereichen – Inhalt, Dynamik, Streitbeilegung und Finanzen – die Ansätze der Bilateralen Abkommen und des EWR-Abkommens miteinander verglichen und die Vorzüge für die Schweiz in allen vier Bereichen aufgezeigt.

1. Inhalte

Das EWR-Abkommen dient vor allem dazu, zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten einerseits und den EWR‑/EFTA-Staaten anderseits einen gemeinsamen Binnenmarkt zu etablieren. In diesem sind die Hindernisse an den Grenzen für den wirtschaftlichen Austausch weitgehend beseitigt. Daher müssen sich alle betroffenen Staaten und Unternehmen einem starken wirtschaftlichen Wettbewerb stellen. Ziel ist es, im gesamten EWR vergleichbare wettbewerbsrechtliche Voraussetzungen dafür zu schaffen und die Regelungen möglichst synchron weiterzuentwickeln. Grob vereinfacht kann man im EWR-Abkommen drei Teile strukturell unterscheiden: Erstens unmittelbar anwendbare Regelungen im Abkommen selbst, zweitens die Weiterentwicklung wirtschaftspolitischer Ansätze durch Aufnahme von EU-Sekundärrecht in die Anhänge des Abkommens und drittens eine Zusammenarbeit in weiteren Bereichen. In der Praxis gelten die Regelungen in allen drei Bereichen bereits in der EU – über die Verträge oder darauf basierendem Sekundärrecht – und es geht darum, dass die Inhalte auch in den EWR‑/EFTA-Staaten verpflichtend vorgesehen werden.

Mit dem Abschluss des EWR-Abkommens übernehmen die EWR‑/EFTA-Staaten in einem Block alle Grundfreiheiten des AEU-Vertrages, insbesondere die Dienstleistungsfreiheit und die Arbeitnehmerfreizügigkeit.[18]Art. 28 ff. EWR-Abkommen (Fn. 16). Eine einseitige Steuerung der Zuwanderung ist unter diesen Vorgaben gegenüber den anderen Vertragsstaaten nicht mehr möglich. Dafür geniessen die eigenen Staatsangehörigen auch die entsprechenden Freizügigkeitsrechte und zwar auch ohne einen wirtschaftlichen Hintergrund.[19]S. das Diskriminierungsverbot nach Art. 4 EWR-Abkommen i.V. mit Art. 4 ff. der im EWR geltenden Unionsbürger-Richtlinie 2004/38, ABl L 158 vom 30. April 2004, 77. Zur Anwendbarkeit der … Continue reading Hintergrund dieses Konzeptes ist der wirtschaftsliberale Ansatz einer freien Allokation aller Marktkräfte, insbesondere von Arbeit und Kapital, im gesamten EWR. Das soll Kosten und damit Preise reduzieren, ist folglich zum Wohle der Konsumenten und stärkt die Unternehmen im EWR im Wettbewerb mit Unternehmen aus Drittstaaten. Ebenso übernehmen die EWR‑/EFTA-Staaten die wettbewerbsrechtlichen Verbote, wie die des Missbrauchs marktbeherrschender Stellungen und von Beihilfen, sofern diese nicht genehmigt worden sind.[20]Art. 54 und 61 EWR-Abkommen (Fn. 16).

Unter den Bilateralen Abkommen konnte die Schweiz hingegen mit der EU für jeden Bereich von Grundfreiheiten, wie Warenverkehr, Dienstleistungsfreiheit und Arbeitnehmerfreizügigkeit, die Regeln im Wesentlichen separat in verschieden Abkommen aushandeln, sozusagen massgeschneidert. Wettbewerbsregeln finden sich nur in wenigen Abkommen und dann auch oft nur ansatzweise.[21]Art. 23 Abs. 1 iii Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (FHA, SR 0.632.401). Das FHA ist formal vor den Bilateralen Abkommen … Continue reading Und es werden auch nicht alle Grundfreiheiten erfasst.[22]Etwa nicht die Kapitalverkehrsfreiheit. Die allgemeine Freizügigkeit, d.h. ohne wirtschaftliche Motivation, ist nur rudimentär im Freizügigkeitsabkommen (FZA) angesprochen. Der bilaterale Ansatz hat der Schweiz einen grösseren Spielraum bei den Verhandlungen eröffnet, so dass sie im Gegensatz zu den EWR‑/EFTA-Staaten die Grundfreiheiten modifiziert – sozusagen massgeschneidert – hat übernehmen können.

Die grundlegenden Verbote in den Grundfreiheiten werden in der EU durch Sekundärrecht um harmonisierte Regeln ergänzt, die ebenfalls die Anwendbarkeit entgegenstehenden nationalen Rechts ausschliessen. Diese Ergänzungsmöglichkeit ist auch im EWR vorgesehen und zwar durch Aufnahme der betreffenden Rechtsakte in die Anhänge des EWR-Abkommens.[23]Art. 102 Abs. 1 EWR-Abkommen (Fn. 16). Einen vergleichbaren Mechanismus kennen auch die marktbezogenen Bilateralen Abkommen. Aber der Umfang ist in der Gesamtsicht deutlich geringer als unter dem EWR-Abkommen. Schliesslich wird die Zusammenarbeit in weiteren Bereichen im EWR-Abkommen vorgespurt,[24]Art. 78 ff. EWR-Abkommen (Fn. 16). im bilateralen Ansatz hängt die Fortentwicklung von den gemeinsamen Interessen von Schweiz und EU ab.

2. Dynamik

Ziel eines gemeinsamen Binnenmarktes wie der EU oder des EWR ist es, dass die gemeinsamen Regeln überall zu jederzeit möglichst gleich sind. Das verhindert Diskriminierungen, schafft Rechtssicherheit für die Unternehmen und sorgt für gleiche Wettbewerbsbedingungen („gleiche Spiesse“). Da die EU ihr internes Recht ständig fortentwickelt, ist auch der EWR auf Abbildung dieser dynamischen Entwicklung angelegt. Es wird von einer Pflicht zur Weiterentwicklung des Abkommens ausgegangen.[25]Art. 102 Abs. 1 EWR-Abkommen (Fn. 16). Wenden wir uns zunächst der Dynamik bei der Rechtsetzung zu.

Grob vereinfacht, informiert die EU die EWR‑/EFTA-Staaten im Gemeinsamen EWR-Ausschuss über neues Sekundärrecht. Dieses wird nur einstimmig in das EWR-Abkommen aufgenommen. Dabei haben die EWR‑/EFTA-Staaten zusammen eine Stimme und die EU und ihre Mitgliedstaaten auch eine Stimme. Jeder einzelne EWR‑/EFTA-Staat könnte also die Annahme rechtlich gesehen verweigern, weil sich die EWR‑/EFTA-Staaten über die Abgabe ihrer einen Stimme im Konsens einigen müssen. Praktisch steht jeder EWR‑/EFTA-Staat aber unter dem politischen Druck seiner eigenen Wirtschaftskreise, der EU und zusätzlich regelmässig auch der anderen beiden EWR‑/EFTA-Staaten. Damit wird eine Ablehnung in der Praxis wenig wahrscheinlich. Zudem wird der Druck dadurch erhöht, dass bei Ablehnung der Übernahme die Zusammenarbeit in den betroffenen Teilen des Abkommens sistiert werden kann.[26]Art. 102 Abs. 5 EWR-Abkommen (Fn. 16). Das entspricht dem Ansatz der gleichen Spiesse: Gelten nicht mehr die gleichen Regeln, fehlt es am Fundament für eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit möglichst ohne jedes Hindernis. Juristisch handelt es sich nicht um eine Sanktion, weil die Folgen auch die EU in dem betreffenden Bereich negativ treffen würden. In der Gesamtsicht kann man rechtlich von einer stufenweisen Dynamik ohne Automatismus, aber mit Aktualisierungspflicht sprechen.

Unter den Bilateralen Abkommen ist ebenfalls die Weiterentwicklung der Marktzugangsabkommen in Anhängen vorgesehen.[27]Z. B. in Art. 18 FZA (Fn. 14). Auch hier braucht es die Zustimmung der Vertragsparteien, d.h. eine stufenweise Dynamik ohne Automatismus. Auch hier kann nur einstimmig, d.h. nicht gegen die Stimme der Schweiz entschieden werden.[28]Vgl. Art. 14 Abs. 1 FZA (Fn. 14). Doch es gibt Besonderheiten: Es gilt keine Rechtspflicht zur Fortentwicklung der Abkommen. Die Schweiz sieht sich bei ihrer Entscheidung zwar dem Druck der Unternehmen, die von der Zusammenarbeit profitieren, und der EU ausgesetzt, nicht aber von anderen EWR‑/​EFTA-Staaten. Allerdings hat die EU für die sog. Bilateralen Abkommen I eine sog. Guillotine-Klausel mit in die Abkommen eingebracht.[29]S. Art. 25 Abs. 3 und 4 FZA (Fn. 14). Danach kann jede Seite ohne besondere Voraussetzungen, d.h. nicht nur bei Verweigerung der Fortentwicklung oder bei einem Verstoss gegen ein Abkommen, das Abkommen kündigen. Dann werden automatisch alle anderen sechs Abkommen der Bilateralen I beendet. Die Klausel ist dem Mechanismus der Sistierung der Zusammenarbeit im EWR-Abkommen vergleichbar, geht aber darüber hinaus, weil alle Bereiche der Bilateralen Abkommen I erfasst werden. Rechtlich gesehen ist es keine Sanktion im eigentlichen Sinn, weil die EU dann ebenfalls nicht mehr von dem erweiterten Wirtschaftsraum profitieren würde. Zudem ist die Wirkung der Guillotine-Klausel ambivalent. Da alle Bilateralen I fortfallen würden, wäre der Schaden für beide Vertragsseiten grösser als bei der auf Bereiche begrenzten Sistierung im EWR-Abkommen. Damit erhöht sich aber auch in der EU der politische Widerstand, eines der Bilateralen I Abkommen zu kündigen. Dennoch setzt die EU die Guillotine-Klausel als ein Druckmittel gegenüber der Schweiz ein. Doch zeigt die Geschichte der EU, dass sie langfristig auf eine gemeinsame Zusammenarbeit mit Vorteilen für alle Beteiligten baut. Politisch sind Kündigungen für sie die zweite Wahl. Erste Wahl ist es zu warten, bis die andere Vertragspartei grösseres Interesse an einer engeren Zusammenarbeit hat. Dann stellt die EU ihre weitergehenden Forderungen. Genau das ist beim InstA geschehen: Statt Kündigung wartet die EU ab und bietet, wenn die Zeit gekommen ist, eine engere Zusammenarbeit an. Trotz Guillotine-Klausel hat die Schweiz unter dem bilateralen Ansatz im Vergleich mit dem EWR-Abkommen mehr Spielraum zur Sicherung ihrer Interessen.

3. Streitbeilegung

Auch in der Rechtsanwendung muss Dynamik im EWR gesichert werden, um das Ziel eines homogenen Wirtschaftsraumes zu gewährleisten. Der Europäische Gerichtshof legt in der EU das EU-Recht aus und entwickelt es oftmals fort. Eine solche Rechtsfortbildung zur Förderung der Integration ist ihm im Primärrecht aufgegeben.[30]Art. 19 Abs. 1 EUV und insbesondere die Auslegung nach dem effet utile. Wenn also im EWR-Abkommen Unionsrecht übernommen wird, gilt es mit dem vom EuGH bis dahin festgestellten Inhalt, den die EWR‑/EFTA-Staaten kennen und akzeptieren. Was ist aber mit der Fortbildung nach der Aufnahme in das EWR-Abkommen? Hier greift im EWR-Abkommen das sog. Zwei-Säulen-System: In der EU-Säule entscheidet der EuGH über die Auslegung, in der EWR‑/EFTA-Säule hingegen der EFTA-Gerichtshof. Damit stellt sich aber für den gemeinsamen Wirtschaftsraum eine Kardinalfrage: Wie kann mit zwei verschiedenen Höchst-Gerichten eine möglichst einheitliche Auslegung im EWR gesichert werden? Rechtlich hat man vorgesehen, dass der EFTA-Gerichtshof auf eine homogene Auslegung mit dem EU-Recht zielt.[31]Vgl. Art. 105 EWR-Abkommen (Fn. 16). Homogen heisst nicht identisch, aber sehr ähnlich. Es ist das grosse Verdienst des EFTA-Gerichtshofes, dass er diese Aufgabe in der Vergangenheit beeindruckend gemeistert hat, insbesondere auch in Fällen, in denen die Rechtsfragen zuvor noch nicht in der EU vom EuGH behandelt worden waren.[32]Es gibt allerdings auch Abweichungen, wie im Hinblick auf die Anwendbarkeit der Unionsbürger-Richtlinie in den ERW‑/EFTA-Staaten, Zur Anwendbarkeit der Unionsbürger-Richtlinie in den … Continue reading

Da der EFTA-Gerichtshof mit drei Richtern besetzt ist, die die drei EWR‑/EFTA-Staaten benennen, kann jeder EWR‑/EFTA-Staat bei einem Verstoss gegen das Abkommen im EFTA-Gerichtshof überstimmt werden. Die EWR‑/EFTA-Staaten unterwerfen sich gemeinsamen Richtern und können daher nicht in eigener Sache entscheiden.

Kommt es zu divergierenden Entscheiden von EuGH und EFTA-Gerichtshof, dann sieht der Streitbeilegungsmechanismus des EWR-Abkommens vor, dass sich die Vertragsparteien einvernehmlich im Gemeinsamen EWR-Ausschuss einigen. Kommt eine Einigung nicht zustande, kann die Zusammenarbeit in dem betreffenden Bereich, wie gezeigt, sistiert werden.

Unter den Bilateralen Abkommen werden die gemeinsamen Regeln, die EU-Recht übernehmen, mit der Auslegung des EuGH zum Zeitpunkt der Unterzeichnung übernommen.[33]Vgl. Art. 16 Abs. 2 FZW (Fn. 14). Zu diesem Zeitpunkt ist der entsprechende Inhalt der Schweiz bekannt. Danach gilt wie im EWR-Abkommen das Zwei-Säulen-Prinzip. Der EuGH entscheidet für Streitigkeiten über die Bilateralen in der EU, in der Schweiz entscheidet das Bundesgericht. Wie wird aber eine möglichst gleiche Auslegung nach Unterzeichnung gesichert? Das Bundesgericht hat dazu entschieden, dass es später ergangene Entscheide des EuGH berücksichtigen wird und „nicht ohne Not“ davon abweichen wird.[34]BGE 136 II 5; bestätigt in BGE 136 II 65, das Bundesgericht wird „nicht ohne Not“ von späterem Fallrecht des EuGH abweichen. Nun könnte man aus Sicht der Europäischen Kommission vermuten, dass sie eine möglichst gleiche Auslegung der Bilateralen Abkommen durch den EuGH befürworten würde. Doch hat der EuGH festgestellt, dass die Bilateralen gerade keine Integrationsabkommen seien und daher vom EuGH nicht genauso wie die vergleichbaren Vorschriften im EU-Recht ausgelegt werden müssten.[35]EuGH, Urteil vom 15. Juli 2010 in der Rechtssache C-70/09, ECLI:EU:C:2010:430 – Hengartner, Rz 41 ff.

Für die Säule der Schweiz entscheidet das Bundesgericht. Aus Sicht der EU ist die Schweiz damit sozusagen mit ihren Rechtsprechungsbehörden in eigener Sache zuständig. Das ist rechtlich ein bedeutsamer Unterschied zum EFTA-Gerichtshof. Aus Schweizer Sicht ist dem entgegenzuhalten, dass auch die EU mit dem EuGH in eigener Sache entscheidet, der in der EU einen klaren Auftrag zur Rechtsfortbildung hat.

Aus Sicht der EU-Mitgliedstaaten ist zu beachten, dass der EuGH insbesondere Verstösse durch die EU-Mitgliedstaaten überprüft. Diese benennen zwar jeweils einen Richter am EuGH, doch haben sie erstens keinen Anspruch, dass dieser in Streitigkeiten, die sie betreffen, mitentscheidet. Und selbst wenn er mit in der zuständigen Kammer sässe, könnte er zweitens von den anderen überstimmt werden. Aus Sicht der EU-Mitgliedstaaten entscheidet der EuGH also nicht in eigener Sache. Das ist insofern wichtig, als eine Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten einem Abkommen mit der Schweiz zustimmen muss.

Kommt es zu divergierenden Auslegungen der Bilateralen Abkommen, so kann – insofern vergleichbar mit dem EWR-Abkommen – eine Einigung im Gemischten Ausschuss angestrebt werden. Dazu ist aber Einstimmigkeit erforderlich. Mithin ist keine Lösung ohne Zustimmung der Schweiz möglich. Ohne eine Einigung könnte eine Vertragspartei das betreffende Abkommen kündigen, allerdings mit der Folge der Guillotine-Klausel, dass dann alle Abkommen der Bilateralen I beendet würden. In der Gesamtsicht gewährt der Streitbeilegungsmechanismus der Schweiz einen grösseren Spielraum als unter dem EWR-Abkommen. Deshalb konnte sich die Schweiz bisher bei divergierenden Rechtsauffassungen, wie etwa zu den flankierenden Massnahmen, gegenüber der EU behaupten.

4. Finanzen

In der EU besteht ein gemeinsames Budget. Dies war zwingend erforderlich, als man einen gemeinsamen Aussenzoll einführte. Denn die entsprechenden Zolleinnahmen können nicht den Mitgliedstaaten allein zugewiesen werden, die über die attraktivsten Häfen und Flughäfen oder Landverbindungen verfügen. Aus diesen gemeinsamen Einnahmen werden insbesondere auch Mitgliedstaaten bei Projekten unterstützt, die wirtschaftlich nicht in besonderer Weise vom gemeinsamen Binnenmarkt profitieren. So kann die EU auch in Bereichen Win-Win-Situationen kreieren, in denen die Wirtschaft eines Mitgliedstaates nicht ausreichend vom wettbewerblichen Konzept der möglichst freien Allokation der Produktivkräfte unter den Grundfreiheiten profitieren kann. Gemeinsame Zahlungen sind Teil des Fundamentes für den wettbewerblich intern extrem offenen Binnenmarkt der EU. Dieses Konzept ist im EWR-Abkommen übernommen worden. Die EWR‑/EFTA-Staaten partizipieren am Binnenmarkt der EU und zahlen (dafür) einen Beitrag an einen gemeinsamen Finanzierungsmechanismus.[36]Art. 115 ff. EWR-Abkommen (Fn. 16).

Die Schweiz partizipiert über die bilateralen Marktzugangsabkommen am Binnenmarkt der EU und dem gesamten EWR. Jedoch sind in den Bilateralen Abkommen anders als im EWR-Abkommen keine kontinuierlichen Zahlungen an einen gemeinsamen Finanzierungsmechanismus vorgesehen. Wenn die EU nun von der Schweiz in zeitlichen Abständen die sog. Kohäsionsmilliarde fordert, entspricht dies der inneren Logik ihres Binnenmarktes und des EWR-Abkommens. Sie hat diese Forderungen aber nicht in den Bilateralen Abkommen festgeschrieben. Völkerrechtlich ist die Schweiz also nicht zu ständigen Zahlungen verpflichtet. Das eröffnet der Schweiz jedes Mal die Möglichkeit, die Zahlungen mit politischen Forderungen zu verknüpfen. Darin liegt wiederum ein politischer Vorteil für die Schweiz gegenüber dem EWR-Abkommen. Aus Sicht der Schweiz ist es konsequent, wenn zur Besänftigung der EU nach der Ablehnung des InstA angeboten wird, die Kohäsionszahlungen ohne weitere politische Forderungen zu leisten.[37]Ambühl Michael/Scherer Daniela S., Gutachten 2021 (Fn. 10), ii. Aus Sicht der EU ist das aber kein grosses Entgegenkommen, weil die EU davon ausgeht, dass diese Zahlungen politisch der Preis für die laufende Teilnahme am EWR bzw. EU-Binnenmarkt ist. Dies ist ein interessantes Beispiel dafür, dass das gegenseitige Verständnis der beiden Vertragsparteien noch ausbaufähig ist.

In der Gesamtsicht hat das Konzept der Bilateralen Abkommen für die Schweiz eine Reihe von Vorteilen, die sie bei einem Beitritt zum EWR-Abkommen nicht hätte. Das erklärt, warum eine – wenn auch wenig homogene – politische Mehrheit in der Schweiz wenig Interesse hat, das Konzept der Bilateralen Abkommen, inklusive des wenig effizienten Streitbeilegungsmechanismus, zu ändern.

III. Unzufriedenheit der EU mit den Bilateralen Abkommen

Vereinfacht kann man sagen, dass die EU heute spiegelbildlich zur Schweiz mit den Vorteilen der Bilateralen Abkommen I für die Schweiz im Vergleich zum EWR-Abkommen gerade nicht zufrieden ist. Wie hat es aber dazu kommen können? Ursächlich ist eine gravierende Fehleinschätzung der EU nach dem gescheiterten Beitritt zum EWR. Man ging damals in Brüssel davon aus, dass die Abstimmungsniederlage ein „Betriebsunfall“ gewesen sei. Aus EU-Sicht war das insofern verständlich, als die EU auf alle anderen europäischen Staaten eine grosse politische Sogwirkung ausgeübt hat.[38]Das zeigte sich insbesondere in den Erweiterungsrunden und neuen Assoziierungsabkommen seit 1992. Insofern war man bereit, der Schweiz nach dem negativen Referendum zum EWR-Beitritt von 1992 eine relativ grosszügige Übergangsregelung anzubieten. Diese führte aber dazu, dass die Schweizer Wirtschaft nach einer kurzen wirtschaftlichen „Delle“ am Wirtschaftswachstum in Europa partizipieren konnte. Zudem wurde weltweit die wirtschaftliche Zusammenarbeit intensiviert, Handelsbeschränkungen wurden reduziert. Zwar konnte die EU über eine erfolgreiche Wirtschaft ihre Output-Legitimation aufrechterhalten, doch wurde der Beitritt für wohlhabende Staaten nicht mehr so interessant, weil sie von der weltweiten wirtschaftlichen Kooperation profitieren konnten, ohne den Preis geringerer Souveränität für einen Beitritt zur EU zahlen zu müssen. So hatte Island einen EU-Beitritt erwogen, als es zur Bankenkrise kam, diesen Gedanken aber wieder aufgegeben, sobald es sich von der Krise erholt hatte.[39]Island hatte seinen EU-Beitrittsantrag am 17. Juli 2009 eingereicht, die Verhandlungen dann aber 2013 ausgesetzt. Dann kam mit der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht nur ein Einbruch bei der wirtschaftlichen Output-Legitimation der EU, sondern zudem wurde deutlich, dass EU-Mitgliedstaaten kaum mehr zu unilateralen Schutzmassnahmen greifen konnten.

Vorläufiger Höhepunkt dieser Entwicklung ist der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU, der sog. Brexit. Ein britisches Ziel dabei war eine Rückgewinnung an Souveränität für unilaterale Massnahmen bei gleichzeitiger Partizipation an der weltweiten wirtschaftlichen Kooperation. Jedoch ist der Brexit für das Vereinigte Königreich eine besondere Herausforderung geworden. Zum einen ist der Bevölkerung erst nach erfolgtem Austritt klarer geworden, wie viele Vorteile die Mitgliedschaft in der EU gebracht hatte. Zum anderen hatte man nicht ausreichend die Veränderungen im weltweiten Massstab realisiert. So haben die USA bereits unter der Trump-Administration die multilaterale wirtschaftliche Zusammenarbeit auf den Prüfstein gestellt und eher eine bilaterale Kooperation präferiert, in der die USA ihre wirtschaftliche Überlegenheit stärker ausspielen kann. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet die konfrontative Haltung der Trump-Administration den EU-Mitgliedstaaten die Vorteile ihrer Mitgliedschaft vor Augen geführt hat.

Für die EU ist der Brexit ein nicht zu überschätzender Wendepunkt gewesen. Der Glaube an die eigene (wirtschaftliche) Attraktivität ist tief erschüttert worden. Damit ist aber der EU klar geworden, dass die Mitgliedschaft in der EU deutlich messbare Vorteile bringen muss, welche Drittstaaten, auch wenn sie sich mit der EU assoziieren, nicht gewährt werden. Daher muss die EU im Grunde aus zwei Fehleinschätzungen lernen, dass sie Drittstaaten nicht zu weit entgegenkommen kann. Das fördert nicht gerade die derzeitige Verhandlungsposition der Schweiz.

Hinzutritt jüngst die durch den russischen Angriff auf die Ukraine ausgelöste Krise. Sie lässt zum einen den Ruf nach stärkerer militärischer Kooperation in Europa lauter werden. Zum anderen fördert sie den Zusammenhalt der EU-Mitgliedstaaten und fordert sie heraus, die Abhängigkeit von russischen Gas- und Erdöllieferungen zu beenden. Welche Lösung auch immer die EU finden wird, sie wird Auswirkungen auf die Gasversorgung der Schweiz haben. Damit wird der Abschluss eines bilateralen Energieabkommens für die Schweiz (noch) interessanter. Je grösser aber ein politisches Interesse der Schweiz in einem Politikbereich wird, desto stärker wird die Verhandlungsposition der EU bei Forderungen nach einem institutionellen Abkommen als politische Voraussetzung.

Vor diesem Hintergrund ist die EU bestrebt, im institutionellen Abkommen eine Lösung für die Streitbeilegung zu finden und zugleich einen Rahmen für zukünftige Marktzugangsabkommen aufzustellen. Gleichzeitig verfolgt sie aber auch materielle Ziele, wie die Einführung eines grundsätzlichen Beihilfenverbotes und einer Beihilfenkontrolle wie in der EU, insbesondere weil die Energieversorgungsunternehmen in der EU bei einer Marktöffnung „gleiche Spiesse“ wie für jene Unternehmen in der Schweiz fordern. Ferner steht seit Jahren die Forderung der Europäischen Kommission nach Annahme der Unionsbürgerrichtlinie[40]S. dazu Bundesrat, Erläuterungen zum institutionellen Abkommen Schweiz-EU, 2019, 13 f. durch die Schweiz im Raum. Diese enthält Rechte von Unionsbürgerinnen und -bürgern im EU-Ausland gerade auch jenseits einer wirtschaftlichen Betätigung. Damit ist sie nicht unmittelbar Teil der Regelungen von Marktzugangsabkommen. Das kann die Schweiz für eine Ablehnung der Übernahme anführen. Doch betreffen andere Vorschriften der Richtlinie Vorteile bei Verlust der Erwerbstätigkeit und stärken auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten die Attraktivität des Aufenthalts im EU-Ausland für Unionsbürgerinnen und -bürger. Auf diesen Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Freizügigkeit beruft sich die Europäische Kommission zur Begründung ihrer Forderung.

IV. Politische Spielräume

Die aktuellen sicherheitspolitischen und energiepolitischen Herausforderungen in Europa sind in Bezug auf die zukünftige Verhandlungsposition mit der EU ambivalent zu beurteilen. Zum einen zeigen sie der Schweiz wie anderen Staaten Vorteile einer stärkeren Zusammenarbeit auf. Das gilt aber auch für die EU in ihrem Verhältnis zur Schweiz. Zudem kann der Gesamtdruck dazu führen, dass Verhandlungspositionen nicht einseitig ausgereizt werden, sondern dass das gemeinsame Ziel Zugeständnisse auf beiden Seiten ermöglicht. So kann die derzeitige Situation auch positiv für eine Verhandlungslösung gesehen werden. Allerdings gibt es wenig Anzeichen dafür, dass der politische Druck auf die EU ausreicht, der Schweiz auch ohne einen institutionellen Rahmen entgegenzukommen.

Lässt man die Geschichte der Bilateralen Abkommen Revue passieren, so fallen Umstände auf, die Anhaltspunkte für ein erfolgreiches Vorgehen bieten können. Die Referenden über die Kohäsionsmilliarde von 2006 und über die Abkommen zur Ausweitung des Anwendungsbereichs des Freizügigkeitsabkommens sind an der Urne nicht erfolgreich gewesen. Ebenfalls hatte die Umsetzung der EU-Waffenrichtlinie im Schweizer Waffenrecht in der Abstimmung vor dem Stimmvolk 2019 Bestand.

Demgegenüber ist der EWR-Beitritt vom Stimmvolk 1992 abgelehnt worden. Auch die Ausschaffungs-Initiative hatte 2010 Erfolg, obwohl sie der EMRK und dem Freizügigkeitsabkommen widerspricht, wenn sie auch wegen geringfügiger Delikte eine Ausschaffung vorsieht, die zur Trennung von Familien führen kann. Die Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung“, die nicht den Vorgaben des Freizügigkeitsabkommens entspricht, hatte 2014 ebenfalls Erfolg. Demgegenüber wurde die sog. Fremdbestimmungsinitiative 2018 vom Stimmvolk abgelehnt. Sie hatte inhaltlich keinen direkten materiellen Bezug zu konkreten Sektoren.

Ein Erklärungsgrund für das Stimmverhalten in diesen Fällen ist sicher situationsgebunden: Wie gross war die Zuwanderung und wie spürbar wurden ihre Folgen wahrgenommen, wie waren die politischen Gesamtsituationen in Bezug auf die Erforderlichkeit einer Zusammenarbeit in Europa? Insofern wäre es förderlich, nicht eine bestimmte Zahl von Jahren zu warten, sondern auf einen Moment zu warten, in dem die Vorteile einer engeren Zusammenarbeit für mehr Teile der Bevölkerung sichtbar werden. Hinzu tritt eine Erkenntnis aus dem Schicksal kantonaler Energiegesetze sowie der Initiativen in der Schweiz für mehr Umweltschutz in den letzten Jahren. Immer wenn der Vorlagetext Bestimmungen enthält, deren Weite vom Stimmvolk nicht absehbar ist und die durchaus zu gravierenden, kostenträchtigen Eingriffen führen könnten, steigt die Wahrscheinlichkeit einer Ablehnung. Sind die Nachteile aber überschaubar und begrenzt, dann können sie von den Vorteilen auch an der Urne überwogen werden. Der Bundesrat und die Europäische Kommission können noch so erfolgreich miteinander verhandeln, am Ende kann das Ergebnis einem politischen Test durch ein fakultatives Referendum unterzogen werden.[41]Art. 141 der Bundesverfassung der schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101). Daher lohnt es sich zu untersuchen, wie voraussehbar die möglichen Konsequenzen des InstA gewesen sind. Für einen alternativen Vorschlag zur Neuausrichtung folgt daraus, das InstA möglichst von unübersichtlichen Folgen zu bereinigen, es auf ein Rahmenabkommen zu begrenzen, dass es ermöglicht, politisch umstrittene Fragen in materielle Abkommen, die Marktzugangsabkommen, zu verlagern. Das würde es dem Stimmvolk erleichtern, in den möglichen Referenden die wahrgenommenen Nachteile mit den materiellen Vorteilen der konkreten materiellen Abkommen abzuwägen.

B. Alternative Lösungsvorschläge

In der politischen Diskussion sind verschiedene Alternativen zur Sprache gekommen. Ganz Verwegene bringen einen Beitritt zur EU ins Spiel.[42]SP Schweiz, Medienmitteilung vom 26. Mai 2021, Für eine Europapolitik mit Perspektive, abrufbar unter … Continue reading Andere sehen die Schweiz besser im EWR aufgehoben und plädieren für einen Beitritt.[43]„Nach Ende des Rahmenabkommens: Bundesrat muss EWR-Beitritt prüfen“, Tagblatt online vom 8.März 2022. Die Chancen dieser Alternativen, ein Referendum zu überstehen, dürften gering sein. Denn im gegnerischen Lager würden sich die Gegner jeder stärkeren internationalen Zusammenarbeit mit jenen vereinen, deren Interessen unter den bestehenden Bilateralen Abkommen mit ihren „massgeschneiderten“ Inhalten besser vertreten worden sind.

Begrenzt auf die Streitbeilegung wurde auch eine Teilnahme der Schweiz am EFTA-Gerichtshof und an der EFTA-Überwachungsbehörde vorgeschlagen.[44]Baudenbacher Carl, Zur Europapolitik der Schweiz: Die EFTA könnte ein Ausweg sein, Tagblatt online vom 29.März 2021. Die Vorteile dieses Vorschlags liegen darin, dass die Schweiz so politisch die Zuständigkeit des integrationsfreundlichen EuGHs abwehren könnte. Allerdings ist der EFTA-Gerichtshof mit seinem Ziel einer homogenen Auslegung des EWR-Rechts nicht gerade integrationsskeptisch aufgetreten.[45]S. etwa EFTA-Gerichtshof, Urteil vom 13. Mai 2020 in der Rechtssache E-4/19 – Campbell. Zudem stellt sich die Frage, warum die Schweiz die Zuständigkeit von Richtern für ein Abkommen mit der EU anerkennen sollte, die weder von der Schweiz noch von der EU nominiert worden sind. Das wären dann in der Tat „fremde“ Richter. Demgegenüber ist der Regelfall im Völkerrecht, dass man Richter aus anderen Staaten nur auf Basis der Gegenseitigkeit anerkennt, d.h. dass die anderen Staaten auch den vom eigenen Staat ernannten Richtern Entscheidungsbefugnisse mit Auswirkungen auf ihr Hoheitsgebiet einräumen. Grösseren Sinn macht dieser Ansatz nur, wenn dieses Spannungsverhältnis in einem späteren Beitritt zum EWR aufgelöst würde.

Angesichts politisch wenig überzeugender Alternativen soll der Entwurf des InstA nachfolgend kritisch untersucht werden, um einen weiteren Lösungsvorschlag zu erarbeiten. Als Massstab für Auswirkungen dient dabei das Freizügigkeitsabkommen mit der EU.

C. Das Freizügigkeitsabkommen als Blaupause für bilaterale Marktzugangsabkommen

Das Freizügigkeitsabkommen von 1999 enthält insbesondere Rechte für Arbeitnehmer, Selbständige im Hinblick auf Dienstleistungen und Niederlassung, sowie auch für Personen, die keine Erwerbstätigkeit ausüben. Das Abkommen soll in seinen strukturellen Unterschieden kurz erläutert werden, damit an ihm anschliessend die Bedeutung des InstA dargelegt werden kann. Strukturell gliedert sich das Abkommen in den eigentlichen Abkommenstext, der Grundbestimmungen sowie allgemeine Bestimmungen und Schlussbestimmungen enthält. Hinzutreten die Anhänge I-III. Hintergrund dieser Differenzierung ist der Umstand, dass die Anhänge II und III vereinfacht geändert werden können.[46]Vgl. Art. 18 FZA (Fn. 14).

Die Grundbestimmungen listen alle im Abkommen und den Anhängen gewährten Rechte auf. Dabei besteht die Besonderheit, dass diese jeweils nur in dem Rahmen gewährt werden, wie es in den Anhängen I-III vorgesehen ist.[47]Vgl. Art. 3 ff. FZA (Fn. 14). Folglich enthält das eigentliche Abkommen keine unmittelbar anwendbaren Rechte des Einzelnen. Der zweite Teil des eigentlichen Abkommens enthält insbesondere Regelungen für Übergangszeiten, wie die sog. Ventilklausel, und die Vorschriften für eine Änderung des Abkommens und die Streitbeilegung. Für die Streitbeilegung gelten die oben beschriebenen (siehe oben, A.II.3.) Grundzüge in den Bilateralen Abkommen.

Materiell sind die Anhänge I-III von besonderem Interesse. Die Anhänge II und III enthalten zu verschiedenen Themenbereichen diejenigen EU-Sekundärrechtsakte, die die Schweiz übernimmt, d.h. deren Inhalt sie durch parallele Rechtsetzung in der Schweiz mit dem Ziel einer Gleichheit im Ergebnis nachvollzieht. Demgegenüber sind in Anhang I die konkreten Freizügigkeitsrechte der Einzelnen aufgeführt. Diese Vorschriften sind genau, unbedingt und daher unmittelbar anwendbar.[48]EuGH, Urteil vom 15. Juli 2010 in der Rechtssache C-70/09, ECLI:EU:C:2010:430 – Hengartner, Rz 30 ff. Dabei werden aber die EU-Vorschriften nicht eins zu eins übernommen. Teilweise unterscheiden sich der Wortlaut, der Umfang oder die möglichen Ausnahmen. Im InstA wird in der Präambel ausdrücklich festgestellt, dass die Rechte und Pflichten nach den Bilateralen Abkommen nur in „mancher Hinsicht jenen innerhalb der Europäischen Union entsprechen“.[49]2. Begründungserwägung InstA.

Der Überblick über das FZA zeigt, dass sich sogar innerhalb eines bilateralen Marktzugangsabkommens die Bandbreite der Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der EU widerspiegeln kann. Selbst in einem sektoriell begrenzten Themengebiet gibt es zum einen Bereiche, in denen dieselben Vorschriften – im Ergebnis – für anwendbar erklärt werden, und zum anderen solche, in denen nur eine Gleichheit angestrebt wird, die sich in Bezug auf den Abweichungsgrad vom EU-Recht inhaltlich von der im EWR-Abkommen angestrebten Homogenität unterscheiden kann.[50]EuGH, Urteil vom 15. Juli 2010 in der Rechtssache C-70/09, ECLI:EU:C:2010:430 – Hengartner, Rz 41 ff.

D. Die wichtigsten Regelungen des InstA

I. Anwendungsbereich und materiell-rechtliche Regelungen

1. Marktzugangsabkommen

Der Anwendungsbereich des InstA ist auf Marktzugangsabkommen beschränkt. Es geht also um solche Abkommen, die die Partizipation der Schweiz am Binnenmarkt in der EU und des EWR betreffen. Art. 2 Abs. 1 InstA differenziert zwischen den bestehenden und den künftigen Marktzugangsabkommen. Die Bestehenden werden dann in Art. 2 Abs. 2 InstA aufgeführt. Hier ist zweierlei bedeutsam. Erstens zählt auch das FZA ausdrücklich zu den Marktzugangsabkommen, obwohl es auch (wenige) Vorschriften für die Freizügigkeit von Nichterwerbstätigen enthält, d.h. ohne einen unmittelbaren Bezug zum Binnenmarkt. Zweitens fragt sich, warum das FHA nicht aufgeführt worden ist. Thematisch betrifft es den freien Warenverkehr und damit den Marktzugang. Ferner zeigt der Entwurf für einen Beschluss des Gemeinsamen Ausschusses nach Art. 29 FHA im Rahmen des InstA zur Anwendung der Beihilfenvorschriften, dass das FHA verfahrensrechtlich miteinbezogen wird. Auch ist eine Modernisierung des FHA im InstA in Bezug auf den Marktzugang thematisiert worden.[51]Gemeinsame Erklärung EU-Schweiz zu den Handelsabkommen im InstA. Die Lösung ist demnach, dass das FHA derzeit noch kein Marktzugangsabkommen im Sinne von Art. 2 Abs. 2 InstA-E ist, es aber nach einer Modernisierung als „künftiges“ Marktzugangsabkommen in den Anwendungsbereich fallen könnte. Das hätte Folgen für die Anwendung der Beihilferegelungen.

2. Beihilferegelungen

Im Kapitel 2 übernimmt das InstA im Wesentlichen die primärrechtlichen Beihilferegelungen der EU. Art. 8A Abs. 2 lit a) InstA enthält das grundsätzliche Verbot von Beihilfen, während in Art. 8A Abs. 2 lit. b) und c) InstA Beihilfen aufgeführt werden, die mit dem Funktionieren des Binnenmarktes vereinbar sind, bzw. für vereinbar erklärt werden können. Der Umfang entspricht demjenigen unter Art. 107 AEUV. In der Schweizer Literatur wird den Beihilferegelungen des InstA nur wenig Sprengkraft attestiert,[52]Tobler Christa (Fn. 11), 12. obgleich das EU-Beihilfenrecht insgesamt gesehen deutlich strenger ist als jenes der Schweiz.[53]Seitz, Claudia/Berné, André S., Das Beihilferecht und die Schweiz. Neuere Entwicklungen unter Berücksichtigung des Entwurfs des institutionellen Abkommens zwischen der Schweiz und der EU, in: … Continue reading

Es ist darauf hinzuweisen, dass das grundsätzliche Beihilfenverbot in der EU einen sehr weiten Anwendungsbereich hat, der den Mitgliedstaaten keineswegs von Anfang an klar gewesen ist. Zum Beispiel hat sich Deutschland letztlich erfolglos jahrelang dagegen gewehrt, dass die Gewährträgerhaftung der Kommunen für „ihre“ Sparkassen den Tatbestand der Beihilfe erfüllt.[54]Schreiben der Europäischen Kommission vom 8. Mai 2001 an die Bundesrepublik Deutschland, Staatliche Beihilfe Nr. E 10/2000 – Deutschland, Anstaltslast und Gewährträgerhaftung. Ferner werden staatliche Eigenkapitalbeteiligungen an privaten Unternehmen erfasst[55]Kühling, Jürgen, in: Streinz, Rudolf (Hrsg.), EUV/AEUV Kommentar, 3. Aufl. 2018, Art. 107 Rz 33. sowie auch Kapitalzuführungen an öffentliche Unternehmen oder das Verhalten des Staates im Insolvenzverfahren. Es liegt nahe, dass bei Übernahme der Vorschriften auch der Schweiz ein entsprechender Erkenntnisprozess wie in den EU-Mitgliedstaaten bevorstehen wird.

Nun wird in den Erläuterungen zum InstA zu Recht darauf hingewiesen, dass die materiellen Beihilferegelungen in der EU nach der Rechtsprechung des EuGHs wegen der Ausnahmemöglichkeiten nicht unmittelbar anwendbar sind.[56]Bundesrat, Erläuterungen (Fn. 40), 10. Damit wird aber mitnichten die Problematik für die Bilateralen Abkommen reduziert. Erstens sollte beim Abschluss eines völkerrechtlichen Abkommens, auf das das InstA zielt, zentral sein, ob man die vereinbarten Regeln einhalten kann und will. Ob man bei einer Nichteinhaltung vor Gericht verklagt werden kann, ist zwar bedeutsam für die Frage, wie effektiv Rechtsschutz gewährt werden kann, nicht aber für die grundsätzliche Einhaltung des Grundsatzes pacta sunt servanda. Zweitens stellt das InstA einen Streitbeilegungsmechanismus zur Verfügung. Danach können beide Vertragsparteien bei Streitigkeiten über die Anwendung des Abkommens jede für sich das Schiedsgericht anrufen.[57]Art. 10 Abs. 3 InstA. Es ist nicht ersichtlich, dass Streitigkeiten über die Reichweite des Beihilfeverbotes davon ausgenommen wären.

Drittens ist es von erheblicher Bedeutung, dass das InstA auch die verfahrensrechtlichen Vorschriften des AEU-Vertrages zur Kontrolle von Beihilfen übernimmt.[58]Art. 8B InstA. Danach dürfen neue Beihilfen nur ausgezahlt werden, wenn sie vorher einer zuständigen unabhängigen Behörde – in der EU die Europäische Kommission, in der Schweiz ist die Behörde noch zu bestimmen – notifiziert und von dieser genehmigt worden sind. Diese Verfahrensregelung hat gravierende Folgen, die einer materiellen Regelung gleichkommen. Die nicht notifizierten Beihilfen sind zurückzufordern und zwar inklusive Zinsen.[59]Art. 16 Abs. 2 Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl L … Continue reading Das hat in der EU für manchen Mitgliedstaat zu ungeahnten Überraschungen geführt, wenn er nach dem EU-Beitritt weiterhin Zuschüsse gewährt hatte, deren Beihilfenqualität ihm nicht bewusst gewesen war. Dann standen Rück- und mitunter hohe Zinsforderungen an. Im InstA gilt das Beihilfeverbot für alle Beihilfen, die Notifizierungspflicht hingegen für „geplante Beihilfen“ und „einzelne Beihilfenvorhaben“.[60]Art. 8B Abs. 3 InstA. Das dürfte im Wesentlichen den „neuen“ Beihilfen im AEU-Vertrag entsprechen. Und diesbezüglich hat der EuGH entschieden, dass die Notifizierungspflicht und ihre Rechtsfolgen unmittelbar anwendbar sind, also vor Gericht eingeklagt werden können.[61]EuGH, Rs. 120/73, Slg. 1973, 1471, Rn. 8 – Lorenz. Zusätzlich hat der EuGH festgestellt, dass das betroffene Unternehmen keinen Vertrauensschutz gegenüber späten Rückforderungen geltend machen kann, wenn es sich nicht selbst vergewissert hat, dass der betreffende Mitgliedstaat die Beihilfe notifiziert hat.[62]EuGH, Urteil vom 20. März 1997 in der Rechtssache C-24/95, ECLI:EU:C:1997:163 – Land Rheinland-Pfalz/Alcan Deutschland GmbH, Rz 25 ff. Diese Einführung in die Beihilfeproblematik zeigt zum einen, dass die damit eingegangenen Verpflichtungen nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollten. Ferner ist die Schweiz der EU in diesem Bereich im InstA beträchtlich entgegengekommen. Damit wäre dieser Bereich in weiteren Verhandlungen ein Argument, das die EU zu Nachverhandlungen bewegen könnte.

Angesichts dieser möglichen zukünftigen Rechtslage ist der sektorielle Anwendungsbereich der Beihilferegelungen im InstA von besonderem Interesse. Im InstA ist die Anwendung des Kapitels über die Beihilferegelungen als Default-Einstellung vorgesehen. Denn nach Art. 8A Abs. 2 lit. a) InstA greift das dort enthaltene Verbot der Beihilfen, „soweit in den Abkommen nach Absatz 1 nicht etwas anderes bestimmt ist“. Werden also in künftigen Marktzugangsbestimmungen die Beihilferegelungen nicht ausdrücklich thematisiert, würden sie über das InstA dennoch gelten.

Nun werden in jenem Absatz 1 neben dem Luftverkehrsabkommen, das bereits eine eigenständige Regelung über Beilhilfen in diesem Sektor aufweist, nur die „künftigen“ Marktzugangsabkommen nach Art. 2 Abs. 1 InstA erwähnt,[63]Art. 8A 1. Spiegelstrich InstA-E. denen die Beihilfenvorschriften als „Rahmen“ dienen sollen.[64]Art. 8A 2. Spiegelstrich InstA-E. Damit stellt sich die Frage, ob die bestehenden Marktzugangsabkommen nach Art. 2 Abs. 2 InstA auch zu künftigen Marktzugangsabkommen werden können. Dass die Beihilferegelungen ausdrücklich in Art. 8A Abs. 1 InstA auf das Luftverkehrsabkommen bezogen werden, könnte dafür sprechen, dass bestehende Marktzugangsabkommen nicht völlig von deren Anwendungsbereich ausgeschlossen sein sollen. Ferner legt der Vergleich mit dem FHA nahe, dass ein bestehendes bilaterales Abkommen nach erfolgter Modernisierung zu einem „künftigen“ Marktzugangsabkommen werden kann. Dann würde auch für andere bestehende Marktzugangsabkommen nach einer erfolgten Modernisierung das Beihilfenregime des InstA selbst ohne ausdrücklichen Verweis gelten. Das kann zwar in etwaigen Modernisierungsverhandlungen berücksichtigt werden, doch wäre verhandlungstechnisch die Ausklammerung der Beihilfefragen bereits ein Anliegen, das die Schweiz dann einbringen müsste.

3. Weitere Regelungen im InstA mit materiellen Folgen

Das InstA enthält mit der Akzeptanz einer viertägigen Voranmeldefrist bei Dienstleistungen in der Schweiz eine Regelung, die sektoriell das FZA betrifft. Es handelt sich formal um eine verfahrensrechtliche Bestimmung, die aber wirtschaftlich von erheblicher Bedeutung ist. Denn die Erbringung einer Dienstleistung eines EU-Unternehmens in der Schweiz geht immer mit dieser Einschränkung einher, gegebenenfalls auch bei laufenden Serviceleistungen. Die Einigung auf eine Vier-Tages-Frist wird als Zugeständnis der EU in Bezug auf die sog. flankierenden Massnahmen in der Schweiz angesehen. Aus Schweizer Sicht wird damit zwar nicht der Schutz vor Lohndumping im gleichen zeitlichen Umfang wie bisher gewährleistet, doch dürfte in dieser Frist ein im Wesentlichen vergleichbarer Schutzstandard realisierbar erscheinen.

Eine umstrittene materielle Frage war die mögliche Einbeziehung der sog. Unionsbürger-Richtlinie (UBRL) über das InstA. Seit Jahren verlangt die Europäische Kommission von der Schweiz, die UBRL in das FZA einzubeziehen. Materiell ist in Fachkreisen unbestritten, dass die UBRL Vorschriften sowohl mit Bezug zur Freizügigkeit aus wirtschaftlichen Gründen als auch ohne solche enthält. Daher ist ihre Einbeziehung rechtlich umstritten zwischen den Vertragsparteien.[65]S. dazu den Überblick bei Tobler Christa (Fn. 11), 19 ff. Politisch ist ihre Einbeziehung heikel, weil der historische Überblick gezeigt hat, dass sich in Fragen der Zuwanderung eher Mehrheiten in Referenden gegen eine verstärkte Zusammenarbeit mit der EU bilden als in anderen Bereichen. Das Fortbestehen solcher Vorbehalte im Schweizer Stimmvolk scheint der Europäischen Kommission in seinen Konsequenzen nicht immer klar zu sein. Da die UBRL im InstA nicht ausdrücklich angesprochen wird, ist entscheidend, ob das InstA implizit eine Pflicht zur Übernahme enthält. Diese Frage wird nachfolgend im Rahmen der Modifizierung der dynamischen Weiterentwicklung durch das InstA thematisiert.

Im Hinblick auf wiederkehrende Finanzbeiträge der Schweiz enthält das InstA eine Gemeinsame Erklärung EU-Schweiz zur Kohäsion, in der die Schweiz die Finanzierung von Projekten und Programmen zusagt. Damit würde die Schweiz einen den EWR‑/EFTA-Staaten vergleichbaren Beitrag für die Partizipation am gemeinsamen Binnenmarkt mit dem EWR verbindlich leisten.

II. Dynamische Rechtsentwicklung

1. Einheitliche Auslegung

Bei der dynamischen Rechtsentwicklung ist wiederum zu differenzieren zwischen der Aktualisierung durch Auslegung oder durch rechtsetzende Ergänzungen der Abkommen. Die Auslegung im Rahmen der Rechtsanwendung erfolgt grundsätzlich weiterhin nach dem Zwei-Säulen-Prinzip in der Schweiz durch Schweizer Behörden, insbesondere durch das Bundesgericht. Gemäss Art. 1 Abs. 1 InstA ist ein Hauptziel des Abkommens die Gewährleistung grösserer Rechtssicherheit. Zu diesem Zweck sollen nach Art. 1 Abs. 3 InstA insbesondere das InstA selbst, die betroffenen Marktzugangsabkommen sowie die Rechtsakte der EU, die darin erwähnt werden, einheitlich ausgelegt werden. Art. 5 Abs. 1 InstA stellt dementsprechend die Gewährleistung von Rechtssicherheit und Homogenität besonders heraus. Letzterer Begriff der Homogenität knüpft an den Massstab des EWR-Abkommens für den Grad der Einheitlichkeit der Auslegung an.[66]Art. 105 EWR-Abkommen (Fn. 16). Damit enthält das InstA im Hinblick auf die Auslegung – und damit auch auf die materiellen Inhalte der betroffenen Marktzugangsabkommen – eine Weiterentwicklung in Richtung stärkere Vereinheitlichung des Rechts im Binnenmarkt der Bilateralen Abkommen, des Unionsrechts und des EWR-Rechts.

Zu diesem Zweck wird auch die bisherige zeitliche Begrenzung der Auslegungsregel in den bilateralen Marktzugangsabkommen geändert. Bisher gilt eine Bindung bei der Verwendung von Begriffen des Unionsrechts in den Abkommen an die bis zur Unterzeichnung der Abkommen vorliegende Rechtsprechung des EuGH.[67]Art. 16 Abs. 2 FZA (Fn. 14). Nunmehr soll die Rechtsprechung des EuGH auch nach der Unterzeichnung der betroffenen Abkommen massgeblich sein.[68]Art. 4 Abs. 2 InstA. Zu den „betroffenen“ Abkommen zählt Art. 2 Abs. 2 InstA auch die bereits bestehenden Marktzugangsabkommen. Grundsätzlich ist diese Regelung vor dem Hintergrund des Zieles einer stärkeren Zusammenarbeit in einem gemeinsamen Binnenmarkt sinnvoll. Sie erscheint sinnvoll, wenn man in den betroffenen Abkommen Rechtsakte der Union als im Ergebnis zu erreichendes massgebliches Ziel für beide Vertragsparteien vorgibt. Denn das würde durch eine einheitliche Auslegung stark gefördert werden. Es ist festzuhalten, dass die Schweiz mit dieser Regelung der EU deutlich entgegengekommen ist. Denn selbst im EWR-Abkommen besteht keine Bindung an die Auslegung des EuGH nach Unterzeichnung des Abkommens bzw. Übernahme einzelner Rechtsakte der Union. Vielmehr hat dort der EFTA-Gerichtshof – und formal auch der EuGH – die Aufgabe, die Homogenität des gemeinsamen EWR-Binnenmarktes durch eine Rechtsprechung zu gewährleisten, die nicht in jedem Fall identische Rechtsauslegungen verlangt, aber doch eine möglichst gleiche. Zwar weist der Bundesrat in den Erläuterungen zutreffend darauf hin, dass nach dem EuGH bei der Auslegung des FZA und des Luftverkehrsabkommens bei der Auslegung „ein besonderer Zweck des fraglichen Abkommens“ zu berücksichtigen ist. Allerdings galt das zur bisherigen Rechtslage, die gerade noch keine Bindung an die Auslegung des EuGH nach der Unterzeichnung und auch nicht die Vorgabe eines homogenen Wirtschaftsraumes vorsieht.

Darüber hinaus wird aber der Grundsatz der Auslegung gemäss der Rechtsprechung des EuGH nicht nur auf Begriffe des Unionsrechts angewendet, sondern auch auf Situationen, in denen die Anwendung der Rechtsregeln unionsrechtliche Begriffe „impliziert“.[69]Art. 4 Abs. 2 InstA. Die Bedeutung dieses Begriffes wird nicht näher erläutert. In den Erläuterungen des Bundesrates zum InstA wird von „tangiert“ gesprochen. Dieser Begriff ist in den Bilateralen Abkommen und im Unionsrecht bislang nicht verwendet worden. In der EMRK bedeutet er bei Art. 14 EMRK, dass für die Anwendung des Gleichheitssatzes der Schutzbereich eines Freiheitsrechts der EMRK nicht betroffen sein muss, sondern nur „berührt“. Danach wäre eine sehr grosse inhaltliche Nähe ausreichend. Auch hier ist die Schweiz der EU entgegengekommen. Das erscheint umso gravierender, als dies auch Vorschriften umfasst, bei denen die Vertragsparteien gerade keinen gleichen Wortlaut verwendet haben und wohl (bislang) keine gleiche Auslegung in der Sache wollten.

2. Pflicht zur Übernahme neuer Rechtsakte

Wie gezeigt kennt das EWR-Abkommen eine Pflicht zur Übernahme neuer Rechtsakte, deren Nichtbefolgung dazu führen kann, dass die Zusammenarbeit in dem betroffenen Bereich sistiert wird. Solche Pflichten kennen die Bilateralen Abkommen bislang nicht. Wegen ihres Fehlens konnte die Europäische Kommission die Weigerung der Schweiz, die UBRL im Rahmen des FZA zu übernehmen, nicht als Verstoss gegen das Abkommen werten. Das würde sich aber nach Art. 5 Abs. 1 InstA in Zukunft ändern. Denn danach sollen die Rechtsakte der EU, die im Bereich eines betroffenen Abkommens erlassen werden, „so rasch wie möglich“ in dieses Abkommen integriert, d.h. aufgenommen werden. Der Wortlaut entspricht jenem im EWR-Abkommen. Auch die Erläuterungen des Bundesrates erkennen an, dass mit dieser Vorschrift eine grundsätzliche Pflicht zur Rechtsübernahme eingeführt würde.[70]Bundesrat, Erläuterungen (Fn. 40), 6. Zwar hängt die endgültige Übernahme immer noch davon ab, dass die innerstaatlichen Zustimmungserfordernisse eingehalten werden. Doch könnte nun die Weigerung der Schweiz, die UBRL zu übernehmen, als ein Verstoss gegen das Abkommen gewertet werden, der den Streitbeilegungsmechanismus des InstA auslösen und die EU zu Ausgleichsmassnahmen ermächtigen könnte. Aus diesem Grund ist die Abklärung der Einordnung der UBRL aus Schweizer Sicht wichtig.

3. Ausgleichsmassnahmen und Guillotine-Klausel

Die bisher geltende Guillotine-Klausel zwischen den Bilateralen Abkommen I wird durch das InstA nicht abgeschafft, aber nicht unbedeutend ergänzt. Neu werden sog. Ausgleichsmassnahmen vorgesehen, „bis hin zur teilweisen oder vollständigen Suspendierung des betroffenen Abkommens“.[71]Art. 10 Abs. 6 InstA. In der Sache wird damit der flexible Mechanismus des ERW-Abkommens übernommen, der bei Ausbleiben einer Aktualisierung eine Sistierung der Zusammenarbeit in dem betroffenen Bereich des Abkommens vorsieht. Damit ändert sich das System der Reaktionsmassnahmen in den Bilateralen Abkommen I gravierend.

So sind unter dem InstA alle Streitigkeiten vor den jeweiligen sektoriellen Ausschuss zu bringen und jede Vertragspartei kann bei fehlender Lösung des Konflikts durch den Ausschuss das Schiedsgericht anrufen. Nach dem Schiedsspruch kann die obsiegende Vertragspartei zwar bei fehlender Umsetzung Ausgleichsmassnahmen bis zur Suspendierung ergreifen. Doch wird hier bewusst nicht der Begriff der Kündigung verwendet, sodass formal die Guillotine-Klausel nicht ausgelöst würde. Aber auch materiell geht es um die Suspendierung „des betroffenen Abkommens“ und nicht weiterer Abkommen. Dies entspricht der Regelung im Rahmen des EWR. Fraglich ist, ob damit die Guillotine-Klausel in den Bilateralen Abkommen I damit hinfällig würde. Dafür könnte sprechen, dass im InstA ein weit ausdifferenzierteres Verfahren zur Streitbeilegung bereitgestellt wird, als zuvor. Jedoch setzt die bisherige Guillotine-Klausel für eine Kündigung kein Fehlverhalten der anderen Vertragsseite voraus. Sie behält also jenseits eines konkreten Streitbeilegungsverfahrens eine Bedeutung. Dafür spricht, dass das InstA selbst in Art. 22 eine neue Guillotine-Klausel enthält: Wird das InstA gekündigt, fallen nach sechs Monaten auch alle Abkommen, auf die sich das InstA bezieht, weg.

Im Ansatz verwirklichen solche Guillotine-Klauseln ein Anliegen der EU, nämlich eine zwingende Verbindung zwischen den Abkommen, die Grundfreiheiten des EU-Vertrages betreffen, herzustellen, die im Primärrecht der EU und des EWR ohne Auswahlmöglichkeit vorgegeben wird. Ob die Klausel in der politischen Praxis aber der EU zu einem bedeutenden Vorteil gereicht, ist indes fraglich. Zwar wird in der schweizerischen Literatur ein Verzicht auf die Guillotine-Klausel als Vorteil gewertet.[72]Ambühl Michael/Scherer Daniela S., Zum Entwurf des institutionellen Abkommens. Auf der Suche nach einem Interessenausgleich, Jusletter, 4. Februar 2019, 12 f. Doch ist die Guillotine-Klausel quasi die „nukleare Option“, deren Konsequenzen von beiden Seiten zu fürchten sind. Denn es darf nicht übersehen werden, dass sie auch der EU schaden würde und sie daher EU-intern Argumente gerade gegen die Kündigung eines Abkommens der Bilateralen I im Konfliktfall stärken würde.

III. Streitbeilegung

Ist in einem Streitfall das Schiedsgericht angerufen worden, so entscheidet dieses in der Sache durch einen Schiedsspruch.[73]Art. 10 Abs. 2 InstA. Kommt es aber für die Entscheidung auf die Auslegung oder Anwendung einer Bestimmung nach Art. 4 Abs. 2 InstA an, so muss das Schiedsgericht den EuGH anrufen.[74]Art. 10 Abs. 3 InstA. Dessen Urteil ist für das Schiedsgericht verbindlich. Dieses Verfahren ähnelt dem Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV im EU-Recht. Der EuGH entscheidet über die Auslegung der betreffenden Norm, formal bleibt das Schiedsgericht für die Klärung des Streitfalles durch Schiedsspruch zuständig. In den Stellungnahmen zum InstA ist umstritten, ob dem Schiedsgericht ein Ermessen in Bezug auf eine Vorlage zum EuGH zukäme. Baudenbacher weist zutreffend darauf hin, dass im EU-Recht den nationalen Gerichten nahezu kein Ermessen gewährt wird.[75]Baudenbacher Carl, Rechtsgutachten (Fn. 7), 31 ff. Zu gross ist das Interesse der EU und ihrer Mitgliedstaaten, dass in jedem Mitgliedstaat das EU-Recht mit Anwendungsvorrang gewährleistet wird. Jedoch besteht ein Unterschied zum InstA: Im EU-Recht ist Ausgangspunkt eines Vorabentscheidungsverfahrens ein Streit zwischen Einzelnen bzw. Einzelnen und den Mitgliedstaaten. Dagegen geht es in Art. 10 InstA um einen Antrag einer der Vertragsparteien. Dieses Vorgehen enthält deutliche Ansätze eines Vertragsverletzungsverfahrens. Insbesondere fällt das Schiedsgericht keinen Entscheid in Bezug auf einen möglichen Ausgangsfall. Damit enthält das Schiedsgerichtsverfahren im InstA auch Elemente eines Vertragsverletzungsverfahrens. Im EU-Recht hat die Europäische Kommission aber bei entsprechenden Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV gegen Mitgliedstaaten ein Ermessen in Bezug auf die Einleitung des Verfahrens.[76]EuGH, Rs. 416/85, Slg. 1988, 3127 Rz. 9 – Kommission/Vereinigtes Königreich. Über diesen Vergleich liesse sich ein vergleichbares Ermessen des Schiedsgerichts begründen.

Hinsichtlich der Zuständigkeit des EuGH nach dem InstA eröffnet, wie gezeigt, der noch wenig bestimmte Begriff „impliziert“ in Art. 4 Abs. 2 InstA einen weiten Kompetenzbereich, der in Konkurrenz zur Zuständigkeit des Schiedsgerichts zur autoritativen Auslegung steht. Dies sei an zwei Beispielen verdeutlicht. In Bezug auf das FZA wäre die Zuständigkeit des EuGH zur Bestimmung der Auslegung von EU-Rechtsvorschriften, die in den Anhängen II und III genannt werden, zu bejahen, weil diese direkt EU-Vorschriften enthalten. Darüberhinaus wäre der EuGH aber auch für die Auslegung weiterer Teile des Anhangs I FZA zuständig. Denn selbst wenn dort Ausnahmen oder Beschränkungen von Begriffen des EU-Rechts vorgesehen werden, könnte deren Auslegung die Anwendung der Unionsvorschriften „implizieren“. Eine umfassende eigenständige Zuständigkeit des Schiedsgerichts zur Streitentscheidung ist damit nur in wenigen Fällen anzunehmen.[77]Noch enger Baudenbacher Carl, Rechtsgutachten (Fn. 7) 33 f.

Bei der Bewertung ist zu beachten, dass eine Zuständigkeit des EuGH zur Auslegung grundsätzlich mit der Zielsetzung des InstA und der Vertragsparteien für einen zukünftigen Rahmen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit vereinbar ist, wenn dieser rechtlich homogen sein soll. Werden inhaltlich gleiche Regelungen angestrebt, ist es wenig effektiv, wenn die Auslegung zu divergierenden Inhalten führen könnte. Im EWR-Abkommen ist man jedoch dieses Risiko eingegangen. Es ist insbesondere ein Verdienst des EFTA-Gerichtshofes, dass Abweichungen in der Praxis nahezu ausgeschlossen worden sind. Offenbar wollte die EU unter dem InstA ein solches Risiko mit dem Schiedsgericht nicht eingehen. Das überzeugt jedoch nicht, wenn die Zuständigkeit des EuGH auch für Vorschriften greift, die die Vertragsparteien inhaltlich gerade abweichend vom Inhalt der entsprechenden Vorschriften des EU-Rechts formuliert haben.

Mit dem weiten Ansatz des InstA wird damit die Frage der „fremden Richter“ berührt, die in der politischen Abstimmungspraxis in der Schweiz sehr relevant ist. Aus Sicht der EU-Mitgliedstaaten erscheint eine Unterwerfung der Schweiz unter die Auslegungsentscheidung des EuGH im Sinne „gleicher Spiesse“ geboten. Der EuGH ist ihnen gegenüber eine neutrale Instanz und nicht wie unter den bisherigen Bilateralen Abkommen das Bundesgericht in Fällen, die die Schweiz betreffen, quasi ein „Richter in eigener Sache“. Aus Sicht der Schweiz ist der EuGH aber formal ein Gericht der EU. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Schweiz vor dem EuGH nach Art. 10 Abs. 4 InstA dieselben Rechte in den Verfahren wie die EU-Mitgliedstaaten geniesst. Inhaltlich ist der EuGH zudem – in der EU – dem Integrationsauftrag nach Art. 19 EUV verpflichtet. Allerdings ist im InstA gerade vorgesehen, dass die Regelungen in den betroffenen Abkommen möglichst homogen mit dem EU-Recht ausgelegt werden sollen. Unter diesem Ziel erscheint es sinnvoll, wenn die Schweiz die Zuständigkeit des EuGH jedenfalls dann akzeptiert, wenn es um die Ermittlung der Bedeutung der betroffenen Normen des Unionsrechts geht.

Schliesslich fragt sich, ob der EuGH nach Art. 10 InstA auch berufen wäre, über die Aktualisierungspflicht zu entscheiden: ob etwa die UBRL in das FZA aufzunehmen ist. Art. 4 Abs. 2 InstA stellt darauf ab, ob die Anwendung der fraglichen Bestimmungen unionsrechtliche Begriffe „impliziert“. In der Sache geht es um die Pflicht zur Aktualisierung der betroffenen Abkommen gemäss Art. 5 Abs. 1 InstA. Das Ziel der Vorschrift ist die Gewährleistung von Rechtssicherheit und Homogenität. Während ersterer Begriff grosse Bedeutung im Unionsrecht hat, ist der Begriff der Homogenität nicht unionsrechtlichen Ursprungs, sondern stammt aus dem EWR-Abkommen. Das spräche gegen eine Einbeziehung des EuGH bei der Frage der Aktualisierung der Rechtsvorschriften. So ganz eindeutig ist der Befund aber nicht. Denn nach Art. 5 Abs. 1 InstA geht es darum, die „Gleichwertigkeit“ der jeweiligen Rechtsetzung zu bestätigen, um das angestrebte Ergebnis der „Rechtsakte der Europäischen Union“ sicherzustellen. Es erscheint juristisch nicht ausgeschlossen, in einer weiten Auslegung anzunehmen, dass die Frage der Aktualisierung die Anwendung jener EU-Rechtsakte „implizieren“ würde.

In den Bestimmungen über die Streitbeilegung ist die Schweiz also der EU entgegengekommen. Das entspricht durchaus der Logik des InstA auf der Basis der von beiden Seiten vereinbarten Ziele. Es ist Teil dieser Verhandlungslogik, dass der Schweiz auf dieser Basis seitens der EU dafür noch grösserer Marktzugang in künftigen Marktzugangsabkommen gewährt würde. Ob diese Regelung aber in einem allfälligen Referendum vor dem Votum des Schweizer Stimmvolkes Bestand haben würde, ist indes fraglich. Denn bei einer solchen Abstimmung würden die Vorteile für die Schweiz in künftigen Marktzugangsabstimmungen noch nicht greifbar sein. Zugleich berühren die Neuerungen des InstA bezüglich der Auslegung auch das FZA, welches den innenpolitisch neuralgischen Bereich der Zuwanderung regelt. Damit liegen gleich zwei Elemente vor, die in der Vergangenheit als Gründe für ein Scheitern eines Abkommens an der Urne angesehen werden müssen.

E. Ein möglicher Ausweg aus dem Dilemma: Vive le „InstRA“!

Eine Sistierung weiterer Verhandlungen über ein institutionelles Abkommen hat – wenig überraschend – bisher keine positive Reaktion der EU hervorgerufen. Es bleibt abzuwarten, mit welchen Stellschrauben die EU den politischen Druck erhöhen wird. Eingangs wurde dargelegt, dass die EU diesbezüglich wenig Spielraum für Zugeständnisse besitzt, da sie sich um die Attraktivität einer EU-Mitgliedschaft im Vergleich zu alternativen Kooperationsformen sorgen muss.

Zudem lässt die derzeitige politische Spannung in Europa angesichts des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine für die nächste Zeit erwarten, dass eine Kooperation unter den anderen Staaten mit der EU – neben der NATO – an Attraktivität gewinnen wird. Denn neben der sicherheitspolitischen Lage wird es in Kürze um die Sicherung der Versorgung mit Energieträgern, insbesondere Gas, in einem Umfeld gehen, indem man auf Importe aus Russland weitgehend verzichten wird. Aus Sicht der EU spricht aktuell einiges dafür gemäss der bisherigen Strategie abzuwarten, bis die Schweiz ein konkretes sehr wichtiges Anliegen zur Zusammenarbeit hat. Dann wird ihr dafür wahrscheinlich die Quittung in Form von Forderungen nach einer noch stärkeren Zusammenarbeit präsentiert werden. Aus dieser Sicht erscheint es sinnvoll, in der Schweiz auch über Alternativen zu einer Sistierung der Verhandlungen nachzudenken.

Für beide Vertragsparteien hat die gemeinsame Vergangenheit gezeigt, dass Verhandlungen über Abkommen nur sinnvoll sind, wenn das Ergebnis vor dem Schweizer Stimmvolk Bestand haben kann. Zugleich ist es eine gemeinsame Erfahrung, dass dieser Erfolg im Grunde durch den bilateralen Ansatz, d.h. durch einen sektoriellen Ansatz gewährleistet werden kann. Eine Neuverhandlung sollte demnach den sektoriellen Ansatz dort nicht aufgeben, wo ein übergreifender „Homogenitäts“-Ansatz nahezu mit Sicherheit zum politischen Scheitern führen würde. Damit drängt sich folgende Lösungsmöglichkeit auf: Die Idee des institutionellen Abkommens sollte im Sinne der EU nicht aufgegeben werden, aber im Sinne beider Vertragsparteien an einer Annahme in einem Referendum in der Schweiz auf ein institutionelles Rahmenabkommen (InstRA) zurückgeführt werden, das gemäss den Erfahrungen im Prozess der Bilateralen Abkommen erfolgreich in sektoriellen Marktzugangsabkommen konkretisiert werden könnte. Damit könnte dieses InstRA von Regelungen mit politisch wenig übersehbaren Wirkungen bereinigt werden. Es sollte zugleich einen Rahmen mit Optionen vorsehen, der es erlaubt, in einem künftigen Marktzugangsabkommen auch politisch heiklere Optionen für massgeblich zu erklären. Denn in einem solchen sektoriellen Abkommen können die dafür errungenen Vorteile der engeren Zusammenarbeit mit der EU dem Stimmvolk leichter vor Augen geführt werden. Vereinfacht ausgedrückt sollte der institutionelle Rahmen im InstRA vorgegeben, aber in politisch neuralgischen Fragen erst in betreffenden sektoriellen Abkommen konkretisiert werden.

Ausgangspunkt ist das Ziel der Homogenität, das im InstRA – wie im EWR-Abkommen – festzulegen wäre. Während sich aber im EWR-Abkommen Homogenität als Massstab für alle Vorschriften anbietet, setzt sich im InstRA Homogenität aus zwei Elementen zusammen: ein Element sind mit dem EU-Recht identische Regeln – insofern noch strenger als im EWR-Abkommen – und das andere Element sind zu einem gewissen Grad divergierende Regelungen, wie sie den bilateralen Ansatz geprägt haben – insofern lockerer als im EWR-Abkommen. Erstere fänden sich etwa im FZA in den Anhängen II und III; letztere im FZA im Anhang I. Für die Auslegung Ersterer wäre der EuGH im Wege der Vorlagefrage zuständig, für die Auslegung der Letzteren das Schiedsgericht. Das würde nicht die vom EuGH sorgsam gehütete Einheit des EU-Rechts durch die Zuständigkeit eines zweiten Gerichts in Frage stellen. Denn das Schiedsgericht wäre nur dort zuständig, wo die Vertragsparteien gerade keine Begriffe des Unionsrechts verwenden.

Ferner wäre nach dieser Logik eines InstRA im erstgenannten Bereich die Aktualisierungspflicht in der Rechtsetzung sowie die automatische Aktualisierung anhand späterer Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung sinnvoll. Die konkrete Abgrenzung müsste im sektoriellen Abkommen sorgfältig nach Systematik und Wortlaut der Vorschriften erfolgen. Die Abgrenzung zur Zuständigkeit des Schiedsgerichts müsste im Einzelfall klar erkennbar sein. Das könnte soweit gehen, dass im Fall einer Norm, die einen Unionsbegriff enthält und eine neue Ausnahme davon enthält, der EuGH für die Auslegung des Unionsbegriffes, das Schiedsgericht aber für die Auslegung des Umfangs der Ausnahme zuständig wäre. Nicht hilfreich wäre eine zu vage Abgrenzung der Zuständigkeiten über den Begriff „impliziert“, wie derzeit in Art. 4 Abs. 2 InstA. Dagegen ist für die Bereiche, in denen unionsrechtliche Vorgaben modifiziert werden, die Zuständigkeit des Schiedsgerichts zur Auslegung vorzusehen. Selbst dann wäre noch das Grundanliegen der EU nach einem effektiven Streitbeilegungsmechanismus erfüllt. Beide Vertragsparteien erhielten so die Möglichkeit, die konkreten Zuständigkeiten der beiden Gerichte – Schiedsgericht oder EuGH – in den künftigen Marktzugangsabkommen zu steuern, nämlich durch die bewusste Verwendung oder Vermeidung unionsrechtlicher Begriffe. Wenn solche sektoriellen Abkommen sich einem Referendum in der Schweiz stellen müssten, könnte dem Souverän jeweils aufgezeigt werden, welche Vorteile die Schweiz im konkreten Abkommen dafür erhält, dass sie die Auslegungszuständigkeit des EuGH in weitem Umfang anerkannt hat.

Für die verbleibenden materiellen Streitfragen kann Folgendes festgehalten werden. Die Regelung zu Finanzbeiträgen der Schweiz im derzeitigen InstA stösst auf keine gravierenden Bedenken. Hinsichtlich der Beihilfen erscheint die Regelung im InstA, dass ohne ausdrückliche Vorgabe die Art. 8A- 8C InstA anwendbar sein sollen, akzeptabel. Immerhin unterwerfen sich alle Staaten im EWR diesen wettbewerbsrechtlichen Vorgaben. Es bliebe Verhandlungssache der Schweiz, dies in einem sektoriellen Abkommen zu modifizieren. Besonderes Augenmerk sollte hier auf Übergangsvorschriften gelegt werden.

Damit bliebe die „ewige“ Frage der UBRL. Will man das InstRA nicht gefährden, sollten die Vertragsparteien klarstellen, dass die Einbeziehung der UBRL als eine politische Frage betrachtet wird, die entweder in einem bestehenden Abkommen im sektoriellen Ausschuss oder in einem künftigen Abkommen geregelt wird und nicht durch einen (schieds‑)gerichtlichen Entscheid.

Fussnoten

Fussnoten
1 Im Folgenden wird verkürzt vom InstA als Abkommen gesprochen, obgleich der Text nur als Entwurf vorliegt.
2 Eine Chronologie des Verhandlungsprozesses, abrufbar unter <https://www.eda.​admin.ch/eda/de/home/das-eda/aktuell/news.html/content/eda/de/meta/news/​2021/5/26/83705.html>.
3 Brief des Bundesrates an die Präsidentin der Europäischen Kommission, abrufbar unter <https://www.eda.admin.ch/europa/de/home/europapolitik/ueberblick/​institutionelles-abkommen.html>.
4 Brächer Michael, Frist abgelaufen. Rahmenabkommen mit der EU – Warum die Schweiz auf Zeit spielt, Handelsblatt online vom 7. Dezember 2018, einsehbar unter <https://www.​handelsblatt.com/politik/international/frist-abgelaufen-rahmenabkommen-mit-der-​eu-​warum-die-schweiz-auf-zeit-spielt/23734656.html>.
5 Bundesrat, Medienmitteilung vom 18. Dezember 2013, einsehbar unter <https://www.​admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-51490.html>.
6 Unterbrechung der Verhandlungen von November 2014 bis November 2015 wegen der Umsetzung der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung“, s. die Chronologie (Fn. 2).
7 Baudenbacher Carl, Rechtsgutachten zur Streitentscheidungsregelung des InstA zu Handen der Kommission des Nationalrates für Wirtschaft und Abgaben WAK, 11.
8 Ministertreffen zwischen Bundesrat Cassis und Kommissar Hahn in Zürich am 23. November 2018, s. Chronologie (Fn. 2).
9 Entscheid des Bundesrates vom 7. Dezember 2018, s. Chronologie (Fn. 2).
10 Ambühl Michael/Scherer Daniela S., Alternativen im Verhandlungsprozess, Gutachten 2021, ii.
11 Vgl. die Analyse von Tobler Christa, Wie weiter mit dem Institutionellen Abkommen?, Jusletter, 20. Januar 2020, 6 f.
12 Näher zur Problematik Tobler Christa, (Fn. 11), 17.
13 Grundsätzlich zum Verbot jeder Behinderung EuGH, Rs. C-55/94, Slg. 1995, I-4165 Rz 37 – Gebhard. Nach Art. 9 Abs. 1 lit. a) Richtlinie (EU) 2014/67 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014, ABl L 159 vom 28. Mai 2014, 11 (sog. Durchsetzungs-Richtlinie zur Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmer) ist als Frist für die Abgabe einer einfachen Bestätigung „spätestens der Beginn der Dienstleistung“ vorgesehen.
14 Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA, SR 0.142.112.681).
15 Ziff. 2 Protokoll 1 zum InstA.
16 Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, ABl L 1 vom 3. Januar 1994, 3 ff.
17 Vgl. den Vorschlag für ein neues institutionelles Abkommen von Levrat Nicolas, Profiter d’un contexte favorable pour renégocier un novel accord-cadre avec l ? UE, 2021.
18 Art. 28 ff. EWR-Abkommen (Fn. 16).
19 S. das Diskriminierungsverbot nach Art. 4 EWR-Abkommen i.V. mit Art. 4 ff. der im EWR geltenden Unionsbürger-Richtlinie 2004/38, ABl L 158 vom 30. April 2004, 77. Zur Anwendbarkeit der Unionsbürger-Richtlinie in den EWR‑/EFTA-Staaten s. EFTA-Gerichtshof, Urteil vom 13. Mai 2020 in der Rechtssache E-4/19 – Campbell. Zur Ableitung des Freizügigkeitsrechts unmittelbar aus dem EWR-Abkommen Publikationen zu diesem Thema Neier Christina, The right to come home – within or outside the scope of the EEA Agreement? Blog. efta-studies.org 2020, abrufbar unter <https://www.liechtenstein-institut.li/news/neue-urteilsbesprechung-auf-efta-studiesorg>.
20 Art. 54 und 61 EWR-Abkommen (Fn. 16).
21 Art. 23 Abs. 1 iii Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (FHA, SR 0.632.401). Das FHA ist formal vor den Bilateralen Abkommen abgeschlossen worden, Die Vorschrift regelt ein Beihilfenverbot nur rudimentär, so dass sie wohl nicht unmittelbar anwendbar ist.
22 Etwa nicht die Kapitalverkehrsfreiheit.
23 Art. 102 Abs. 1 EWR-Abkommen (Fn. 16).
24 Art. 78 ff. EWR-Abkommen (Fn. 16).
25 Art. 102 Abs. 1 EWR-Abkommen (Fn. 16).
26 Art. 102 Abs. 5 EWR-Abkommen (Fn. 16).
27 Z. B. in Art. 18 FZA (Fn. 14).
28 Vgl. Art. 14 Abs. 1 FZA (Fn. 14).
29 S. Art. 25 Abs. 3 und 4 FZA (Fn. 14).
30 Art. 19 Abs. 1 EUV und insbesondere die Auslegung nach dem effet utile.
31 Vgl. Art. 105 EWR-Abkommen (Fn. 16).
32 Es gibt allerdings auch Abweichungen, wie im Hinblick auf die Anwendbarkeit der Unionsbürger-Richtlinie in den ERW‑/EFTA-Staaten, Zur Anwendbarkeit der Unionsbürger-Richtlinie in den EWR‑/EFTA-Staaten in: EFTA-Gerichtshof, Urteil vom 13. Mai 2020 in der Rechtssache. E-4/19 – Campbell.
33 Vgl. Art. 16 Abs. 2 FZW (Fn. 14).
34 BGE 136 II 5; bestätigt in BGE 136 II 65, das Bundesgericht wird „nicht ohne Not“ von späterem Fallrecht des EuGH abweichen.
35 EuGH, Urteil vom 15. Juli 2010 in der Rechtssache C-70/09, ECLI:EU:C:2010:430 – Hengartner, Rz 41 ff.
36 Art. 115 ff. EWR-Abkommen (Fn. 16).
37 Ambühl Michael/Scherer Daniela S., Gutachten 2021 (Fn. 10), ii.
38 Das zeigte sich insbesondere in den Erweiterungsrunden und neuen Assoziierungsabkommen seit 1992.
39 Island hatte seinen EU-Beitrittsantrag am 17. Juli 2009 eingereicht, die Verhandlungen dann aber 2013 ausgesetzt.
40 S. dazu Bundesrat, Erläuterungen zum institutionellen Abkommen Schweiz-EU, 2019, 13 f.
41 Art. 141 der Bundesverfassung der schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101).
42 SP Schweiz, Medienmitteilung vom 26. Mai 2021, Für eine Europapolitik mit Perspektive, abrufbar unter <https://www.sp-ps.ch/de/publikationen/medienmitteilungen/fuer-eine-europapolitik-mit-perspektive>.
43 „Nach Ende des Rahmenabkommens: Bundesrat muss EWR-Beitritt prüfen“, Tagblatt online vom 8.März 2022.
44 Baudenbacher Carl, Zur Europapolitik der Schweiz: Die EFTA könnte ein Ausweg sein, Tagblatt online vom 29.März 2021.
45 S. etwa EFTA-Gerichtshof, Urteil vom 13. Mai 2020 in der Rechtssache E-4/19 – Campbell.
46 Vgl. Art. 18 FZA (Fn. 14).
47 Vgl. Art. 3 ff. FZA (Fn. 14).
48 EuGH, Urteil vom 15. Juli 2010 in der Rechtssache C-70/09, ECLI:EU:C:2010:430 – Hengartner, Rz 30 ff.
49 2. Begründungserwägung InstA.
50 EuGH, Urteil vom 15. Juli 2010 in der Rechtssache C-70/09, ECLI:EU:C:2010:430 – Hengartner, Rz 41 ff.
51 Gemeinsame Erklärung EU-Schweiz zu den Handelsabkommen im InstA.
52 Tobler Christa (Fn. 11), 12.
53 Seitz, Claudia/Berné, André S., Das Beihilferecht und die Schweiz. Neuere Entwicklungen unter Berücksichtigung des Entwurfs des institutionellen Abkommens zwischen der Schweiz und der EU, in: Schweizer Jahrbuch für Europarecht, 2018/2019, 413 (453) weisen darauf hin, dass die Europäische Kommission das Beihilferecht als „Integrationswerkzeug“ nutzen wird.
54 Schreiben der Europäischen Kommission vom 8. Mai 2001 an die Bundesrepublik Deutschland, Staatliche Beihilfe Nr. E 10/2000 – Deutschland, Anstaltslast und Gewährträgerhaftung.
55 Kühling, Jürgen, in: Streinz, Rudolf (Hrsg.), EUV/AEUV Kommentar, 3. Aufl. 2018, Art. 107 Rz 33.
56 Bundesrat, Erläuterungen (Fn. 40), 10.
57 Art. 10 Abs. 3 InstA.
58 Art. 8B InstA.
59 Art. 16 Abs. 2 Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl L 248 vom 24. September 2015, 9.
60 Art. 8B Abs. 3 InstA.
61 EuGH, Rs. 120/73, Slg. 1973, 1471, Rn. 8 – Lorenz.
62 EuGH, Urteil vom 20. März 1997 in der Rechtssache C-24/95, ECLI:EU:C:1997:163 – Land Rheinland-Pfalz/Alcan Deutschland GmbH, Rz 25 ff.
63 Art. 8A 1. Spiegelstrich InstA-E.
64 Art. 8A 2. Spiegelstrich InstA-E.
65 S. dazu den Überblick bei Tobler Christa (Fn. 11), 19 ff.
66 Art. 105 EWR-Abkommen (Fn. 16).
67 Art. 16 Abs. 2 FZA (Fn. 14).
68 Art. 4 Abs. 2 InstA.
69 Art. 4 Abs. 2 InstA.
70 Bundesrat, Erläuterungen (Fn. 40), 6.
71 Art. 10 Abs. 6 InstA.
72 Ambühl Michael/Scherer Daniela S., Zum Entwurf des institutionellen Abkommens. Auf der Suche nach einem Interessenausgleich, Jusletter, 4. Februar 2019, 12 f.
73 Art. 10 Abs. 2 InstA.
74 Art. 10 Abs. 3 InstA.
75 Baudenbacher Carl, Rechtsgutachten (Fn. 7), 31 ff.
76 EuGH, Rs. 416/85, Slg. 1988, 3127 Rz. 9 – Kommission/Vereinigtes Königreich.
77 Noch enger Baudenbacher Carl, Rechtsgutachten (Fn. 7) 33 f.