Im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens eines slowakischen Gerichts befasste sich der EuGH mit der Frage, ob der Grundsatz ne bis in idem dem Erlass eines Europäischen Haftbefehls entgegensteht, wenn vorgängig eine Amnestie gewährt wurde. In dem ihm vorgelegten Fall wurde dem Angeklagten vorgeworfen, im Jahr 1995 den Sohn des damaligen slowakischen Präsidenten entführt und in diesem Zusammenhang weitere Straftaten begangen zu haben. Im Jahr 1998 erliess der damalige slowakische Premierminister eine Amnestie, wodurch das eingeleitete Strafverfahren zunächst eingestellt wurde. Im Jahr 2017 wurde die Amnestie jedoch vom Slowakischen Nationalrat aufgehoben. Anlässlich der Prüfung der Erlassung eines Europäischen Haftbefehls stellte sich die Frage, ob ein solcher Haftbefehl mit dem unionsrechtlichen Verbot der Doppelverfolgung nach Art. 50 GRC (ne bis in idem) vereinbar ist. In seinem Urteil vom 16. Dezember 2021 stellte der EuGH fest, dass der Grundsatz ne bis in idem nur angewandt werden kann, wenn über die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten entschieden worden ist. Denn nur diese Auslegung stehe mit dem legitimen Ziel der Vermeidung der Straflosigkeit von Personen, die eine Straftat begangen haben, in Einklang.