EuZ – Zeitschrift für Europarecht – Ausgabe 07 / 2024

Über die EuZ

Die EuZ – Zeitschrift für Europarecht berichtet über die jüngsten Entwicklungen im Recht der EU sowie über die Beziehungen der Schweiz zur EU. Im Rahmen wissenschaftlicher Beiträge analysieren renommierte Experten aktuelle Rechtsfragen in allen wirtschaftsrelevanten Bereichen des EU-Rechts. Daneben informieren kurze Beiträge über neue Gesetzesvorhaben, sonstige Vorstösse der EU-Institutionen sowie Urteile des EuGH.
Die EuZ erscheint zehnmal jährlich als Open Access-eJournal. Die wissenschaftlichen Beiträge werden zudem am Ende jeden Jahres in Gestalt eines Jahrbuchs zusammengefasst und sind in dieser Form als eBook sowie als Print on demand-Publikation erhältlich. 

Leitartikel

Ralph Weber *

From Strategic Partner to Systemic Rival? EU-China Relations in Recent Times

The author examines the different formulas that have guided the EU’s stated view of the PRC during the last years. He studies the conceptual continuities and discontinuities expressed by these various formulas and particularly whether and to what extent they rely on a logic of “compartmentalization”, a term adopted from psychology referring to the effort of keeping cognitions that seem to conflict with each other apart in one’s mind. As he states, not every new formula that has guided EU-China relations has meant a substantive change, while keeping to one and the same formula may still translate into rather different emphases.

* Prof. Dr. Ralph Weber is Professor for European Global Studies at the University of Basel.

Aktuelle Entwicklungen im Europarecht

Allgemeines und Institutionelles

Jahresbericht 2023 über Anwendung des EU-Rechts

Die Europäische Kommission hat heute ihren Jahresbericht über die Kontrolle der Anwendung des EU-Rechts angenommen. Der Bericht gibt einen Überblick über die Durchsetzungsmaßnahmen, die die Kommission 2023 ergriffen hat, um den Schutz der Rechte und Freiheiten von Menschen und Unternehmen in der EU zu garantieren. Ferner werden die Bereiche benannt, in denen die Mitgliedstaaten für die Einhaltung des EU-Rechts gesorgt haben, und es wird ermittelt, wo zusätzliche Anstrengungen erforderlich sind. Aus dem Bericht geht hervor, dass die Kommission 2023 entschieden auf die korrekte Anwendung der EU-Vorschriften in allen Politikbereichen und in der gesamten EU hingewirkt hat, wodurch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger und der Unternehmen gestärkt und der weitere Aufbau einer kohärenten, fairen und effizienten Union begünstigt wurde. Im vergangenen Jahr leitete die Kommission 529 neue Vertragsverletzungsverfahren ein und schloss mehr als 1’000 Fälle ab, da die betreffenden Mitgliedstaaten für die Einhaltung des EU-Rechts gesorgt haben. 95 % der abgeschlossenen Verfahren wurden auf der ersten Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens beigelegt. Der Bericht zeigt aber auch, dass die Kommission nicht zögert, einen Mitgliedstaat beim Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen, wenn sich dies als notwendig erweisen sollte. Im Jahr 2023 entschied die Kommission, insgesamt 82 Vertragsverletzungsverfahren vor den Gerichtshof zu bringen.

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Eurobarometer zu Stärken der EU

Eine am 26. Juli 2024 veröffentlichte neue Eurobarometer-Umfrage zeigt, dass die Europäerinnen und Europäer die Achtung der Demokratie, der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit (38 %) sowie die Wirtschafts-, Industrie- und Handelsmacht (34 %) als die wichtigsten Stärken der EU ansehen, gefolgt von guten Beziehungen und Solidarität zwischen den EU-Mitgliedstaaten (28 %). Als Bereiche, denen die EU Priorität einräumen sollte, führen die Befragten am häufigsten Umwelt und Klimawandel (33 %) sowie irreguläre Migration (ebenfalls 33 %) an, gefolgt von Sicherheit und Verteidigung (29 %) und dem Krieg in der Ukraine (25 %). 58 % der Europäerinnen und Europäer sind tendenziell optimistisch, was die Zukunft der EU angeht, während 37 % pessimistisch sind.

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Jahresbericht zur Rechtsstaatlichkeit 2023

Die Kommission hat am 24. Juli 2024 ihren fünften jährlichen Bericht über die Rechtsstaatlichkeit veröffentlicht, in dem sie die Entwicklung der Rechtsstaatlichkeit in allen Mitgliedstaaten auf gleicher Grundlage systematisch und objektiv untersucht.

Justizreformen standen im vergangenen Jahr weiterhin ganz oben auf der politischen Agenda, wobei viele Mitgliedstaaten die Empfehlungen von 2023 umgesetzt und im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität vereinbarte Reformen durchgeführt haben. Mehrere Mitgliedstaaten haben wichtige Reformen zur Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz entweder auf den Weg gebracht oder in diesem Bereich weitere Fortschritte erzielt. Den Mitgliedstaaten wird daher im diesjährigen Bericht empfohlen, Herausforderungen wie die Notwendigkeit von Garantien bei Ernennungsverfahren sowohl von Richterinnen und Richtern an Gerichten unterer Instanzen als auch in hochrangigen Positionen, die Autonomie der Staatsanwaltschaft oder das Erfordernis angemessener Ressourcen für die Justiz anzugehen. Des Weiteren haben die Mitgliedstaaten seit dem vergangenen Jahr ihre institutionelle Landschaft zugunsten einer intensiveren Korruptionsbekämpfung verbessert – unter anderem durch mehr Ressourcen für die Strafverfolgungsbehörden, die Staatsanwaltschaften und die Justiz. Gleichzeitig seien weitere Massnahmen erforderlich, um die präventiven Rahmen zu stärken. Schliesslich bestehen in mehreren Mitgliedstaaten nach wie vor Bedenken in Bezug auf die unabhängige Leitung oder Finanzstabilität öffentlich-rechtlicher Medienanstalten, die Transparenz der Eigentumsverhältnisse im Medienbereich, das Recht auf Zugang zu öffentlichen Dokumenten und die transparente und gerechte Vergabe staatlicher Werbung.

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Aussenbeziehungen

EU/Angola: Erstes Abkommen über Investitionserleichterungen

Am 1. September 2024 ist das Abkommen zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen zwischen der EU und Angola (Sustainable Investment Facilitation Agreement – SIFA) in Kraft getreten. Das Abkommen soll Anreize für ausländische Investitionen schaffen, die für die Verwirklichung der nachhaltigen Entwicklungsziele erforderlich sind. Mit dem SIFA wird ein transparenteres, effizienteres und vorhersehbareres Unternehmensumfeld für Investoren in Angola geschaffen. Gleichzeitig werden nachhaltige Investitionen von EU-Unternehmen in Angola gefördert.

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EU/Serbien: Strategische Partnerschaft

Die EU und die Republik Serbien haben am 19. Juli 2024 eine Vereinbarung unterzeichnet, mit der eine strategische Partnerschaft für nachhaltige Rohstoffe, Batterie-Wertschöpfungsketten und Elektrofahrzeuge ins Leben gerufen wird. Die Partnerschaft dient dazu, die Entwicklung neuer lokaler Industrien und hochwertiger Arbeitsplätze in der gesamten Wertschöpfungskette für Elektrofahrzeuge zu unterstützten, wobei hohe Umwelt- und Sozialstandards gelten und die Bedenken örtlicher Gemeinschaften in vollständiger Transparenz berücksichtigt werden sollen. Die Partnerschaft bildet auch den Rahmen für ein starkes öffentlich-privates Engagement auf mehreren Ebenen, an dem die Organe und Einrichtungen der EU, Industrieakteure, Unternehmensverbände, Sozialpartner, Vertreter der Zivilgesellschaft, die einschlägigen Ministerien interessierter Mitgliedstaaten und Serbiens sowie öffentliche Organisationen, Finanzinstitute und Investoren beteiligt werden sollen.

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Bildung und Forschung

Kanada beteiligt sich am Programm „Horizont Europa“

Kanada stösst zu der wachsenden Gruppe von Nicht-EU-Ländern, die mit dem EU-Forschungs- und Innovationsprogramm „Horizont Europa“ assoziiert sind. Die Assoziierung wurde in einer gemeinsamen Erklärung vom 3. Juli 2024 publiziert. „Horizont Europa“ ist das wichtigste EU-Förderprogramm für Forschung und Innovation, das mit 93,5 Mrd. EUR für den Zeitraum 2021-2027 dotiert ist. Kanada wird mit Säule II von „Horizont Europa“ assoziiert, mit der kooperative Forschungsprojekte in einer Vielzahl von Bereichen finanziert werden. Kanadische Einrichtungen können sich nun an Forschungskonsortien, denen einige der weltweit führenden Forschungseinrichtungen angehören, beteiligen und deren Leitung übernehmen, um globale Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen. Sie erhalten künftig die Möglichkeit, Finanzmittel direkt aus dem Programm in Anspruch zu nehmen. Zugleich wird Kanada einen Beitrag zum Programmhaushalt leisten.

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Kommunikation und Medien

KI-Verordnung in Kraft getreten

Die Verordnung über künstliche Intelligenz ist am 1. August 2024 in Kraft getreten. Mit der Verordnung soll sichergestellt werden, dass in der EU entwickelte und verwendete KI vertrauenswürdig ist und Vorkehrungen zum Schutz der Grundrechte der Menschen bietet. Die horizontal angelegte Verordnung beruht auf dem Konzept der Produktsicherheit und einem risikobasierten Ansatz. KI-Systeme mit minimalem Risiko, wie etwa Empfehlungssysteme, unterliegen hiernach keinen besonderen Verpflichtungen. Anders verhält es sich mit Systemen, die mit hohem Risiko für die Nutzer behaftet sind; zu denken ist insoweit an Systeme im HR- oder im Kredit-Sektor. Unzulässig sind nach der Verordnung Systeme mit unannehmbaren Risiken, so etwa im Falle von Verhaltensmanipulation durch KI.

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Personenfreizügigkeit

EuGH: Ablehnung missbräuchlicher Studienaufenthalte

Im August 2020 beantragte eine kamerunische Staatsangehörige ein Visum, um in Belgien zu studieren. Der belgische Staat lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass ihr Studienvorhaben unschlüssig und das Studium vorgeschoben sei. Der im Nachgang mit dem Verfahren befasste EuGH stellte in seiner Entscheidung vom 29. Juli 2024 fest, dass die Richtlinie über die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen in der EU u.a. zu Studienzwecken einen Mitgliedstaat nicht daran hindere, einen Antrag auf Studium in seinem Hoheitsgebiet abzulehnen, wenn der Drittstaatsangehörige diesen Antrag ohne tatsächliche Studienabsicht gestellt hat. Erforderlich sei indes eine Einzelfallprüfung mit individueller Prüfung der spezifischen Umstände.

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Schutz der Schengen-Aussengrenzen

Die Schweiz beteiligt sich ab dem 1. August 2024 im Rahmen ihrer Schengen-Assoziierung am Instrument für finanzielle Hilfe im Bereich Grenzverwaltung und Visumpolitik (Schengen-Weiterentwicklung). Damit wirkt die Schweiz an der Stärkung des Schutzes der Schengen-Aussengrenzen mit und beabsichtigt damit, die Effizienz der Grenzkontrollen zu verbessern und illegale Einreisen zu verhindern. Die gegenständlichen Fördermittel sollen hauptsächlich für die Implementierung von neuen EU-Informationssystemen (Einreise-/Ausreisesystem EES, Europäisches Reiseinformations- und Reisegenehmigungssystem ETIAS) und für die verstärkte Vernetzung bestehender IT-Systeme eingesetzt werden (Schengener Informationssystem SIS, VISA-Informationssystem VIS).

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Verbraucherschutz

Leitlinien zu Fluggastrechten

Die Kommission hat  am 22. Juli 2024 überarbeitete Leitlinien zu Fluggastrechten veröffentlicht, mit denen die Einhaltung der Vorschriften erleichtert und die Durchsetzung durch die nationalen Stellen harmonisiert werden. Seit 2016 stellt die Kommission Leitlinien zur Verfügung, um auf typische Anliegen von nationalen Durchsetzungsstellen, Fluggästen und ihren Verbänden sowie von Branchenvertretern einzugehen. Die Überarbeitung trägt insbesondere den Urteilen des Gerichtshofs seit 2016 Rechnung, in denen bestimmte Bestimmungen präzisiert wurden, was eine wirksamere und kohärentere Durchsetzung der Vorschriften ermöglicht. Ausserdem wurde ein neuer Abschnitt über massive Störungen der Reise hinzugefügt.

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Wirtschaft und Währung

Marktrisiko-Vorschriften von Basel III verschoben

Die Europäische Kommission hat am 24. Juli 2024 einen delegierten Rechtsakt beschlossen, der den Geltungsbeginn von Teilen der Basel-III-Standards in der EU um ein Jahr verschiebt. Gelten soll der Aufschub für den „Fundamental Review of the Trading Book“, kurz: „FRTB“, der die Handelstätigkeit der Banken betrifft und nun erst ab dem 1. Januar 2026 greifen soll. Das FRTB-Regelwerk trägt ausgefeilteren Methoden zur Messung von Risiken Rechnung, damit die Eigenkapitalanforderungen besser zu den Risiken passen, denen die Banken bei ihren Tätigkeiten an den Kapitalmärkten tatsächlich ausgesetzt sind. Die Kommission hat sich zwar immer für eine zeitnahe Umsetzung der Basel-III-Standards eingesetzt. Beweis dafür ist, dass am 9. Juli der endgültige Text des Bankenpakets in Kraft getreten ist und die neuen Basler Eigenkapitalanforderungen in der EU ab dem 1. Januar 2025 gelten werden. Allerdings sei entscheidend, dass diese Standards in allen Rechtsräumen im Gleichklang umgesetzt werden.

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