Über die EuZ
Leitartikel
Christos V. Gortsos, Manolis E. Perakis *
On the Reform of the EU Stability and Growth Pact
The institutional and regulatory framework on the economic governance in the European Union (EU) within the Economic and Monetary Union (EMU) is currently governed (mainly) by Articles 121 and 126 of the Treaty on the Functioning of the European Union (TFEU), on the basis of which secondary law was developed by the Council of the EU. The relevant Council Regulations (EC) 1466/97 and 1467/97 form, respectively, the “preventive part” and the “corrective part” of the Stability and Growth Pact (SGP). Of significant importance is also Council’s Directive 2011/85/EU on requirements for budgetary frameworks of the Member States.
Based on the Commission’s legislative proposals of 2023 to reorganise the EU’s economic governance framework upon the consecutive crises in the financial system and in public health, the above secondary law was amended in April 2024. The reform’s objective is to reduce Member States‘ debt ratios and deficits in a gradual, realistic, sustained and growth-friendly manner, while protecting reforms and investments in strategic areas (e.g., digital, green or defence), and forming a framework that will provide appropriate room for counter-cyclical policies and will help address existing macroeconomic imbalances.
This study briefly presents the current status of the EU’s economic governance framework and then attempts a critical analysis of its recent reform. The reforms presented are categorised in terms of monitoring compliance, criteria of monitoring progress and institutional amendments. The authors’ views regarding the legal questions arising in this context conclude the study.
* Christos V. Gortsos is Professor of Public Economic Law at the School of Law of the National and Kapodistrian University of Athens;
Manolis E. Perakis is Associate Professor of European Union Law at the School of Law of the National and Kapodistrian University of Athens.
Aktuelle Entwicklungen im Europarecht
Allgemeines und Institutionelles
Eurobarometer-Umfrage: Bürger wollen aktivere EU
Naturkatastrophen, Pandemien, gewaltsame Konflikte: Eine neue Eurobarometer-Umfrage zeigt, dass die Europäerinnen und Europäer sich eine stärkere Rolle der EU bei der Reaktion auf grenzüberschreitende Krisen wünschen. Eine grosse Mehrheit der Befragten befürwortet eine aktivere Rolle der EU bei der Krisenbewältigung als Teil einer gemeinsamen Anstrengung mit den nationalen Behörden. Die Mehrheit (54 Prozent) ist der Ansicht, dass die EU heute besser auf die Bewältigung grösserer Krisen vorbereitet ist als vor fünf Jahren. 87 Prozent sind sich bewusst, dass die Europäische Union an der Bewältigung von Krisen beteiligt ist. 8 Prozent der europäischen Bürger geben an, dass sie oder Menschen in ihrem Umfeld direkt von der Unterstützung der EU bei der Bewältigung einer grösseren Krise profitiert haben.
Einstellung des Rechtsstaatlichkeitsverfahrens gegen Polen
Die Europäische Kommission hat das Rechtsstaatlichkeitsverfahren gegen Polen eingestellt. Die Kommission war bereits in ihrer vorangegangenen Analyse vom 6. Mai zu dem Schluss gekommen, dass in Polen keine eindeutige Gefahr mehr besteht für eine schwerwiegende Verletzung der Rechtsstaatlichkeit. Polen hat eine Reihe legislativer und nichtlegislativer Massnahmen eingeleitet, um den Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit der Justiz Rechnung zu tragen, und den Vorrang des EU-Rechts anerkannt. Polen hat sich zudem verpflichtet, alle Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit, einschliesslich der Unabhängigkeit der Justiz, umzusetzen.
Neue Verordnung über Medienfreiheit in Kraft
Am 7. Mai 2024 ist die neue Verordnung zur Medienfreiheit in Kraft getreten. Es ist ein neues Regelwerk zum Schutz der Unabhängigkeit und des Pluralismus der Medien. Die neuen Rechtsvorschriften schützen redaktionelle Entscheidungen vor politischer Einflussnahme und richten sich gegen die Überwachung von Journalistinnen und Journalisten. Konkret wird die Verordnung das die redaktionelle Unabhängigkeit schützen, indem die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, die tatsächliche redaktionelle Freiheit der Mediendiensteanbieter zu achten und zugleich den Schutz journalistischer Quellen, auch vor dem Einsatz von Spähsoftware, zu verbessern. Daneben befasst sich die Verordnung mit der Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien sowie der Transparenz von Medieneigentum und umfasst Schutzmassnahmen gegen die ungerechtfertigte Entfernung von Medieninhalten durch sehr grosse Online-Plattformen.
Aussenbeziehung
Borrell: Neues georgisches Gesetz verstösst gegen Werte der EU
Der Hohe Vertreter der EU für Aussen- und Sicherheitspolitik Josep Borrell hat gemeinsam mit der Europäischen Kommission eine Erklärung zum georgischen Gesetz über die Transparenz ausländischer Einflussnahme abgegeben. Borrell bekräftigte, dass dieses Gesetz gegen die Grundprinzipien und Werte der EU verstösst. Er bedauere zutiefst, dass das georgische Parlament das Veto von Präsidentin Salome Surabischwili überstimmt und das Gesetz endgültig beschlossen hat. Bei ihrem Gipfeltreffen im vergangenen Dezember hatten die Staats- und Regierungschefs der EU beschlossen, Georgien den Kandidatenstatus zu verleihen. Dabei folgten sie der Empfehlung der Europäischen Kommission, inklusive der Bedingungen, die für diesen Status formuliert wurden. Borrell betonte, dass das neue Gesetz zu Rückschritten bei mindestens drei der neun Schritte führt: in den Bereichen Desinformation, Polarisierung sowie Grundrechte und Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Organisationen. Das werde sich negativ auf den Weg Georgiens in die EU auswirken.
Beziehungen Schweiz-EU
Zweiter Schweizer Beitrag
Der zweite Schweizer Beitrag kommt ausgewählten Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) zugute. 190 Millionen Franken sind für Projekte im Migrationsbereich bereitgestellt. Mit diesem Rahmenkredit werden bis Ende 2029 von Migration besonders betroffene EU-Mitgliedstaaten unterstützt. Aktuell werden bilaterale Programme mit Griechenland, Zypern und Italien umgesetzt. Mit einem Betrag von 20 Millionen Franken soll etwa die Unterbringung und Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden in Italien finanziert werden.
Energie
Reform von Strom- und Gasmarkt in der EU
Die EU-Staaten haben am 21. Mai 2024 endgültig grünes Licht gegeben für eine Reform des Strom- und Gasmarkts in der EU und einen neuen Rechtsrahmen zur Förderung von Wasserstoff. Dies soll zum einen die Energiewende in Europa weiter voranbringen und gleichzeitig Versorgungssicherheit und Verbraucherschutz verbessern. Durch die Reform des Strommarkts erhalten die Verbraucher vor Vertragsunterzeichnung eine grössere Auswahl an Verträgen und klarere Informationen. Sie werden die Möglichkeit haben, sich an sichere, langfristige Preise zu binden oder dynamische Preisverträge abzuschliessen, um die Preisschwankungen für die Nutzung von Strom zu nutzen, wenn er billiger ist. Die Reform wird auch dazu beitragen, dass die europäischen Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben, indem sie Zugang zu vorhersehbareren Energiekosten erhalten.
Geistiges Eigentum
Erfolgreicher Start des Europäischen Patentsystems
Ein Jahr nach Inkrafttreten des einheitlichen Patentsystems hat das Europäische Patentamt (EPA) bereits mehr als 27.000 einheitliche Patente registriert. Im Durchschnitt gilt damit fast jedes vierte erteilte europäische Patent (23 Prozent) in allen 17 teilnehmenden Mitgliedstaaten. Diese Quote nimmt stetig zu. Besonders gross ist der Anstieg bei Patenten, die von Dänemark oder Polen aus (jeweils fast 50 Prozent) und von Spanien aus (rund 40 Prozent) registriert werden. Die meisten Patente werden für Medizintechnik (31 Prozent), Tiefbau (6 Prozent) und Verkehr (5 Prozent) erteilt. Teil des neuen Patentsystems war auch die Einführung des Einheitlichen Patentgerichts (UPC). Es ist für Einheitspatente und bestehende europäische Patente zuständig und soll den Unternehmen helfen, ihre Patentrechte wirksamer durchzusetzen zu können. Bisher wurden etwa 350 Verfahren eingeleitet.
Gesundheit
Badegewässerbericht 2023
Laut dem Badegewässerbericht 2023 erfüllen über 85 Prozent der Badegewässer in Europa die strengsten Qualitätsstandards und haben eine „ausgezeichnete“ Qualität. In Deutschland sind es 90,3 Prozent, das ist der achtbeste Wert im diesjährigen Badegewässerbericht, der neben den 27 EU-Staaten auch die Schweiz und Albanien abdeckt. 1,5 Prozent der Badegewässer in den EU27 waren mangelhaft, erfüllten also die Minimalstandards nicht. Den Badegewässerbericht erstellt die Europäische Umweltagentur (EUA) in Zusammenarbeit mit der Europäische Kommission. Insgesamt wurden dafür während der Badesaison 2023 über 22.000 Badestellen an Flüssen, Seen und Meeren untersucht. Der höchste Anteil an ausgezeichneten Badegewässern findet sich in Griechenland, Kroatien, Zypern und Österreich.
Handel
Neue Verordnung zu kritischen Rohstoffen in Kraft
Am 23. Mai 2024 ist die EU-Verordnung zu kritischen Rohstoffen in Kraft getreten. Sie hat zum Ziel, die Industrie in der EU konstant und nachhaltig mit kritischen Rohstoffen zu versorgen und ihre Abhängigkeit von einzelnen Ländern zu verringern. Mit dem Gesetz werden Benchmarks festgelegt, um die Kapazitäten für die Gewinnung, die Verarbeitung und das Recycling kritischer Rohstoffe in der EU zu erhöhen und die Diversifizierungsbemühungen zu lenken. Darüber hinaus wird die Verordnung die Kreislauffähigkeit und die effiziente Nutzung kritischer Rohstoffe verbessern, indem Wertschöpfungsketten für recycelte kritische Rohstoffe geschaffen werden.
Kommunikation und Medien
Europäische digitale Identität
Die Vorschriften zur Einführung einer europäischen digitalen Identität sind am 20. Mai 2024 in Kraft getreten. Sie ebnen den Weg dafür, dass alle Bürgerinnen und Bürger der EU ab 2026 die europäische digitale Brieftasche nutzen können. Diese wird aus einer mobilen App bestehen, die in jedem Mitgliedstaat ausgegeben wird. Sie wird es den EU-Bürgern und -Einwohnern ermöglichen, sich online in voller Sicherheit auszuweisen und auf öffentliche und private Online-Dienste in ganz Europa zuzugreifen. Die europäische digitale Brieftasche (EU Digital Identity Wallet) wird die digitale Identifizierung revolutionieren. Jeder Nutzer der Brieftasche wird in der Lage sein, Online-Dienste zu nutzen, digitale Dokumente wie einen mobilen Führerschein oder ein elektronisches Rezept auszutauschen, Bankkonten zu eröffnen oder Zahlungen unter voller Kontrolle der persönlichen Daten vorzunehmen.
EuGH: Zahlungsverpflichtungen bei Online-Bestellungen
Mit Urteil vom 30. Mai 2024 hat der EuGH entschieden, dass Unternehmen gemäss der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher vor der Aufgabe einer Online-Bestellung die Verbraucher darüber informieren muss, dass sie mit dieser Bestellung eine Zahlungsverpflichtung eingehen. Diese Pflicht gilt unabhängig davon, ob die Zahlungsverpflichtung des Verbrauchers unbedingt ist oder ob dieser erst nach dem späteren Eintritt einer Bedingung verpflichtet ist, den Unternehmer zu bezahlen. Wenn der Unternehmer seine Informationspflicht nicht beachtet, ist der Verbraucher nicht an die Bestellung gebunden.
Sicherheit und Verteidigung
Neue Sanktionsregelungen gegen Russland
Der Rat hat neue Sanktionsregelungen als Reaktion auf die zunehmend repressive Politik der russischen Behörden verhängt. Es geht um die systematische Unterdrückung der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit. Beteiligte Personen sollen benannt und zur Rechenschaft gezogen werden, auf der Liste stehen bereits zwanzig Namen (19 Personen sowie der Strafvollzugsdienst der Russischen Föderation). Die Sanktionsregelungen bietet auch einen speziellen Rahmen dafür, dem russischen Repressionsapparat Güter und Technologien zu verweigern, die zur internen Repression missbraucht werden können. Der neue Rahmen ist Teil einer umfassenderen EU-Politik mit dem Ziel, Menschenrechtsverteidiger und -aktivisten in Russland zu unterstützen.
Beschluss zu eingefrorenen russischen Vermögenswerten
Angesichts des anhaltenden russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat der Rat der Europäischen Union beschlossen, dass ausserordentliche Einnahmen aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten für die Selbstverteidigung und den Wiederaufbau der Ukraine verwendet werden. Ab Juli 2024 werden Mittel zur Unterstützung der Ukraine mit halbjährlichen Zahlungen zur Verfügung stehen.
Umwelt
Bekämpfung von Umweltkriminalität
Am 20. Mai 2024 sind eine neue Richtlinie zum Kampf gegen Umweltkriminalität sowie eine Verordnung über Abfallverbringung in Kraft getreten. Die Richtlinie verpflichtet die EU-Staaten dazu, strafrechtliche Massnahmen gegen Umweltstraftaten zu ergreifen; die Verordnung sorgt für die nachhaltige Bewirtschaftung von Abfällen. Die EU-Mitgliedstaaten müssen eine umfassende und aktuelle Liste von Umweltstraftaten im Zusammenhang mit den schwersten Verstössen gegen Umweltverpflichtungen in ihr Strafrecht aufnehmen. Dazu gehören neue Kategorien von Verstössen, etwa das illegale Recycling von Schiffen, die illegale Wasserentnahme sowie schwere Verstösse gegen die Rechtsvorschriften über Chemikalien und Quecksilber. Die neue Abfallverbringungsverordnung enthält strengere Vorschriften für die Ausfuhr von Abfällen in Nicht-EU-Ländern. Sie wird die Kreislaufwirtschaft unterstützen und sicherstellen, dass aus der Europäischen Union ausgeführte Abfälle ökologisch nachhaltig behandelt werden.
EU-Methanverordnung verabschiedet
Die erste EU-weite Methanverordnung wurde am 27. Mai 2024 endgültig verabschiedet und kann nun in Kraft treten. Sie wird die Methanemissionen im EU-Energiesektor und bei Energieimporten eindämmen. Methan ist nach Kohlendioxid der zweitgrösste Verursacher des Klimawandels. Die Verordnung verpflichtet u.a. die Betreiber von Anlagen dazu, regelmässig über die Quantifizierung und Messung von Methanemissionen an der Quelle zu berichten, und zwar auch für nicht-operative Anlagen. Sie verpflichtet die Öl- und Gasunternehmen, ihre Anlagen regelmässig zu überprüfen und verbietet die routinemässige Entlüftung und das Abfackeln im Öl- und Gassektor. Da die EU einen grossen Teil des von ihr verbrauchten Öls, Gases und der Kohle importiert, werden mit dieser Verordnung auch die mit Importen verbundenen Methanemissionen in Angriff genommen.
Verbraucherrecht
EuGH: Mangel an Flughafenpersonal als aussergewöhnlicher Umstand
Gemäss der Fluggastrechteverordnung (EG) Nr. 261/2004 ist eine Fluggesellschaft nicht verpflichtet, für eine grosse Verspätung, d.h. mehr als drei Stunden, Ausgleichszahlungen zu leisten, wenn sie nachweisen kann, dass die Verspätung auf «aussergewöhnliche Umstände» zurückgeht. Mit Urteil vom 16. Mai 2024 hat der EuGH festgestellt, dass es sich bei einem Mangel an Personal bei dem für die Gepäckverladung in die Flugzeuge verantwortlichen Flughafenbetreiber um einen solchen «aussergewöhnlichen Umstand» handeln kann. Entscheidend sei, ob der Mangel beherrschbar war und sich hätte vermeiden lassen können.
Wettbewerb
Staatliche Beihilfen für zwei IPCEI-Vorhaben
Die Europäische Kommission hat nach den EU-Beihilfevorschriften zwei wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse – sogenannte IPCEI – genehmigt. Das eine ist im Bereich Wasserstoff angesiedelt, das andere im Bereich Gesundheit. Beim Projekt „IPCEI Hy2Move“ geht es um Forschung, Innovation und die erste industrielle Einführung in der Wasserstoff-Wertschöpfungskette. Es wurde von sieben Mitgliedstaaten gemeinsam vorbereitet und angemeldet. Das Projekt „IPCEI Med4Cure“ zielt auf die Förderung von Forschung, Innovation, der ersten industriellen Einführung von Gesundheitsprodukten sowie innovative Herstellungsverfahren für Arzneimittel ab; es wurde von sechs Mitgliedstaaten gemeinsam angemeldet.