Inhalt
- Einleitung
- Automatisierte Informationsbeschaffungsmethoden als neue Formen der Beweisbeschaffung
- Vorgaben an automatisierte Informationsverarbeitungsvorgänge aus dem verfassungsrechtlichen Datenschutz
- Rechtmässigkeit automatisierter Informationsbeschaffungsmethoden zu Strafverfolgungszwecken de lege lata
- Anforderungen an die normative Ausgestaltung
- Schlussbetrachtung
- Literatur
I. Einleitung
Die Beweisführung im Strafverfahren ist von einem Strukturwandel geprägt. Im Zuge des technologischen Fortschritts gewinnen neben tradierten Formen der Beweiserhebung zunehmend auch neue Formen der Informationsbeschaffung zu Ermittlungszwecken sowie zwecks Beweisführung im Strafverfahren an Bedeutung. Automatisiert stattfindende Informationserhebungs- und Verarbeitungsmethoden wie etwa der Einsatz von Antennensuchläufen im Rahmen einer Rasterfahndung, der automatisierten Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung (AFV) und Gesichtserkennungstechnologien ermöglichen neue Formen der Informationsbeschaffung, die sich zunehmend von der punktuellen Beweiserhebung entfernen.[1]Dazu bereits Biaggini, Rz. 16 und Rz. 23. Solche neuen Formen der Informationsbeschaffung zeichnen sich aufgrund ihrer Streubreite und der mannigfachen Nutzungsmöglichkeiten ausserhalb ihres ursprünglichen Erhebungszwecks durch eine besondere Eingriffsintensität aus und erfordern daher klare rechtliche Rahmenbedingungen.
Insbesondere in jüngster Zeit hat sich der Diskurs um den Einsatz automatisierter Informationsverarbeitungsvorgänge wie namentlich Gesichtserkennungstechnologien im Polizei- und Strafprozessrecht im Schrifttum intensiviert.[2]Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 201 ff.; Simmler/Canova, „Smarte“ Polizeiarbeit, 105 ff.; Kühne, 13 ff. Zur Zulässigkeit der maschinellen Gesichtserkennung im öffentlichen Raum Braun … Continue reading Auch die Rechtsprechung befasst sich zunehmend mit der Rechtmässigkeit des Einsatzes automatisierter Informationsverarbeitungsvorgänge zu Ermittlungs- und Fahndungszwecken sowie der Verwertbarkeit der hieraus erlangten Informationen im Strafverfahren.[3]Vgl. BGE 137 IV 340 (Antennensuchlauf) sowie BGE 146 I 11 und BGE 149 I 218 (AFV). Dabei wird die Debatte bislang in erster Linie punktuell im Hinblick auf konkrete automatisierte Informationsbeschaffungsmassnahmen geführt, wobei die Zulässigkeit der jeweiligen Massnahme nach dem heutigen Gesetzesstand im Vordergrund steht.[4]Vgl. dazu Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 212 ff.; Kühne, 20 ff. Unbestritten ist, dass keine kantonalen polizeirechtlichen Grundlagen bestehen, Simmler/Canova, „Smarte“ Polizeiarbeit, 116; … Continue reading
Die fortwährende Debatte wirft ein Licht auf die grundlegende Problematik, dass die in Form von Zwangsmassnahmen gekleideten strafprozessualen Vorschriften der Informationsbeschaffung in erster Linie auf die punktuelle Informationserhebung zu Beweiszwecken und nicht auf die mit dem technologischen Fortschritt einhergehenden neuen Formen der maschinellen Informationsverarbeitung zugeschnitten sind.
Gegenstand der vorliegenden Untersuchung bildet die Fragestellung, welche konkreten (verfassungs‑)rechtlichen Anforderungen sich an die Ausgestaltung von Gesetzesgrundlagen für die automatisierte Informationsverarbeitung zu Strafverfolgungszwecken stellen. Aufgrund der Ähnlichkeit der sich jeweils aufdrängenden Fragestellungen erscheint es dabei sachgerecht, die verschiedenen derzeit diskutierten automatisierten Informationsbeschaffungsmassnahmen einander gegenüberzustellen (II.) und anhand dessen einige allgemeingültige Leitlinien zu erarbeiten (V.). Dabei weisen die Vorgaben des grundrechtlichen Datenschutzes (III.) sowie die im Zusammenhang mit der automatisierten Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung (AFV) ergangene bundesgerichtliche Rechtsprechung[5]BGE 149 I 218; BGE 146 I 11. (IV.1) klar in die Richtung, dass aufgrund der Eingriffsintensität solcher Massnahmen strenge Anforderungen an die hinreichende gesetzliche Grundlage zu stellen sind.
II. Automatisierte Informationsbeschaffungsmethoden als neue Formen der Beweisbeschaffung
Die automatisierte Bearbeitung von Personendaten i.S.v. Art. 5 lit. a DSG, vorliegend verstanden als die zumindest teilweise maschinell und ohne menschliches Zutun[6]Auch im Rahmen der automatisierten Datenbearbeitung ist nicht vorausgesetzt, dass die Bearbeitung vollautomatisiert und damit gänzlich ohne menschliches Zutun erfolgt, vgl. EJPD, Totalrevision des … Continue reading erfolgende Erhebung, Abgleichung und Auswertung von Personendaten, stellen in verschiedener Hinsicht gewissermassen eine qualifizierte Form der Informationsbeschaffung zu Ermittlungszwecken dar. So ermöglichen automatisierte Informationsverarbeitungssysteme eine systematische Erfassung und simultane Bearbeitung grosser Datenmengen innert Sekundenbruchteilen, was sie von herkömmlichen manuellen Auswertungsmöglichkeiten wesentlich unterscheidet.[7]Vgl. für die AFV BGE 146 I 11 E. 3.2. Auf diese Problematik ebenso hinweisend Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 211. Kennzeichnend für diese neuen Formen der Informationsbeschaffung ist weiter, dass hierbei nicht bloss Beweise im klassischen Sinn erhoben werden, sondern durch die Bearbeitungsvorgänge und den (automatisierten) Abgleich dieser Daten mit anderen Datensammlungen neue Informationen generiert,[8]Vgl. zur Unterscheidung zwischen Daten und Informationen, wobei letztere Sinngehalte darstellen, die sich aus der Interpretation von Daten ergeben Albers, 89 ff.; Biaggini, Rz. 364 f. beliebig neu kombiniert sowie auch potenziell in beliebigem anderem Sachzusammenhang verwendet werden können.[9]Für die AFV BGE 146 I 11 E. 3.2. Dies lässt selbst die Erfassung an sich belangloser Daten in einem neuen Licht erscheinen.[10]Vgl. dazu BVerfGE 120, 378 (398 f.), wonach es mit der Möglichkeit der automatischen Datenverarbeitung keine „belanglosen Daten“ mehr gebe.
Das Nutzungspotential solcher umfassenden Datenerhebungen reicht von der Überprüfung eines konkreten Tatverdachts bis zur Verwendung solcher Informationen im Rahmen von Strukturermittlungen.[11]Vgl. Gless, 171; Biaggini, Rz. 116. Damit stehen solche neuen Informationsverarbeitungsvorgänge evidentermassen in einem latenten Spannungsverhältnis zum Grundsatz der verdachtsgesteuerten Beweisführung im Strafverfahren.[12]Vgl. dazu bereits Biaggini, Rz. 171. Vor diesem Hintergrund bedürfen neben der Rechtmässigkeit der Erhebung auch die Zulässigkeit und Schranken der weiteren Verwendung der einmal erhobenen Informationen einer näheren Betrachtung.
Zugleich ist automatisierten Informationsbeschaffungsmethoden gemeinsam, dass sie sich, anders als tradierte strafprozessuale Zwangsmassnahmen, regelmässig nicht nur gegen eine bestimmte (in der Regel die tatverdächtige) Person richten, sondern aufgrund ihrer Streubreite potenziell eine Vielzahl von Personen tangieren, die keinen Anlass für die Überwachung gegeben haben.[13]Vgl. BGE 149 I 218 E. 8.2.3. Dabei ist auch auf die potenziell nicht unerhebliche Fehlerquote hinzuweisen, die mit solchen automatisierten Informationsverarbeitungsmethoden einhergehen kann.[14]Vgl. im Zusammenhang mit der AFV BGE 146 I 11 E. 3.2. So besteht die latente Gefahr, dass Betroffene zu Unrecht unter Verdacht geraten.[15]Vgl. im Zusammenhang mit der AFV BGE 146 I 11 E. 3.2; siehe auch BGE 124 I 80 E. 2e; Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 224. Ein zurückhaltender Einsatz von automatisierten Informationsverarbeitungsvorgängen zu Strafverfolgungszwecken[16]So beispielsweise die Beschränkung auf einen Deliktskatalog bzw. den Ausschluss von Bagatellfällen und leichten Delikten. gebietet sich auch deshalb, weil der Eingriff in die Rechtspositionen unbeteiligter Dritter bereits vorab feststeht.[17]Siehe für den Antennensuchlauf Biaggini, Rz. 171; für die DNA-Massenuntersuchung BSK StPO-Fricker/Maeder, Art. 256 N 9.
Bereits heute kommen automatisierte Informationsverarbeitungsvorgänge zu Ermittlungszwecken im Strafverfahren zum Einsatz.[18]So werden etwa im Kanton St. Gallen bereits Gesichtserkennungstechnologien zu Ermittlungszwecken eingesetzt, vgl. dazu Kühne, 15. Für den Einsatz von Antennensuchläufen vgl. den Leitentscheid … Continue reading Das Bedürfnis, automatisierte Informationsverarbeitungstechnologien künftig vermehrt einzusetzen, dürfte zudem in Anbetracht der insbesondere in jüngerer Zeit verstärkt in den Fokus gerückten Problematik der Überlastung der Justiz weiter zunehmen.
Nachfolgend soll die Funktionsweise automatisierter Informationsbeschaffungsmethoden anhand dreier Beispiele skizziert werden. Vorweggenommen sei, dass diese zu erheblichen Grundrechtseingriffen[19]So insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 13 Abs. 2 BV, vgl. hierzu nachfolgend unter Kap. III. führen und daher rechtliche Rahmenbedingungen fordern. Zugleich illustriert die Gegenüberstellung, dass die verschiedenen Massnahmen, wenngleich sie in unterschiedlichen Einsatzbereichen zur Anwendung gelangen, einige gemeinsame Grundzüge aufweisen. Dies weist in die Richtung, das Augenmerk bei der Beurteilung der Zulassung solcher automatisierten Informationsverarbeitungssysteme neben massnahmenspezifischen Vorgaben auch auf gewisse allgemeingültige Leitplanken zu legen.
1. Antennensuchlauf im Rahmen einer Rasterfahndung
Der Antennensuchlauf im Rahmen einer Rasterfahndung dient als Ermittlungsmassnahme zur Eruierung der noch unbekannten Täterschaft bei Vorliegen eines tatbezogenen Verdachts.[20]Vgl. zu Begrifflichkeit und Funktionsweise etwa Forster, 358; Hansjakob, Überwachungsrecht, Rz. 862; ZK StPO-Hansjakob/Pajarola, Art. 273 N 20; Roos/Jeker, 176 f. So lässt sich rückwirkend anhand von Mobiltelefon-Randdaten etwa eruieren, welche Personen sich im Tatzeitraum im Bereich des mutmasslichen Tatortes aufgehalten haben.[21]So etwa der dem Entscheid BGE 137 IV 340 zugrundeliegende Sachverhalt. Dabei werden in einem ersten Schritt rückwirkend sämtliche Randdaten während eines bestimmten Zeitraums an einem bestimmten Mobilfunkantennenstandort – etwa dem mutmasslichen Tatort – erhoben.[22]Siehe dazu im Einzelnen Biaggini, Rz. 174 ff.; vgl. auch BGE 137 IV 340 E. 5.4. Die zunächst anonymisiert erhobenen Datensätze können daraufhin durch die Untersuchungsbehörden mit den Randdaten von anderen Standorten abgeglichen respektive anhand weiterer festgelegter ermittlungsrelevanter Parameter ausgewertet werden,[23]Vgl. Hansjakob, Überwachungsrecht, Rz. 874; vgl. auch BGE 137 IV 340 E. 6.6; Forster, 358. um die mutmassliche Täterschaft auf einen möglichst kleinen Kreis an Personen zu beschränken bzw. diese zu identifizieren.[24]Vgl. BGE 137 IV 340 E. 5.6 sowie E. 6.5.
Damit lassen sich beim Antennensuchlauf grob drei potenziell grundrechtlich relevante Bearbeitungsschritte ausmachen:[25]Vgl. dazu bereits Biaggini, Rz. 182. Erstens das Erheben sämtlicher Randdaten an den festgelegten Antennenstandorten; zweitens der Datenabgleich der erfassten Randdaten zur Bildung einer Schnittmenge und deren Abgleich mit den übrigen Untersuchungsergebnissen im Rahmen einer Rasterfahndung; sowie drittens die Identifikation der in das Fahndungsraster fallenden Personen und die weitere Nutzung dieser Informationen im Verfahren.
2. Automatisierte Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung
Bei der automatisierten Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung (AFV) werden die Kontrollschilder von vorbeifahrenden Fahrzeugen anhand mobiler oder stationärer Kamerageräte erfasst und ein Datensatz mit den Buchstaben und Ziffern des Kontrollschilds zwecks Abgleich mit anderen Datenbanken erzeugt.[26]BGE 149 I 218 E. 8.1.1 sowie Urteil des Bundesgerichts 6B_908/2018 vom 7. Oktober 2019 E. 2.1 (nicht publ. in BGE 146 I 11). Je nach Modalitäten der Datenauswertung werden neben der Identität des Fahrzeughalters auch der Zeitpunkt der Kontrolle, der Standort, die Fahrtrichtung sowie weitere Fahrzeuginsassen erfasst.[27]Vgl. BGE 146 I 11 E. 3.2; BGE 149 I 218 E. 8.1.1. Entsprechend können AFV-Abfragen sowohl zu Ermittlungs- als auch zu Fahndungszwecken eingesetzt werden. So betreibt etwa das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) AFV-Systeme zwecks automatischer Kontrollschilderkennung zur Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität.[28]Vgl. dazu Interpellation Pointet 23.3507. Zudem wurde die Einführung entsprechender Bestimmungen in kantonalen Polizeigesetzen bereits bundesgerichtlich beurteilt.[29]BGE 146 I 11 (Kanton Thurgau); BGE 149 I 218 (Kanton Solothurn).
Anders als beim Antennensuchlauf, welcher im Nachgang einer Straftat angeordnet wird, ist zumindest das Erfassen von Fahrzeugkontrollschildern mittels AFV an sich der präventiv-polizeilichen Kontrolltätigkeit zuzuordnen, welche dem kantonalen Recht unterliegt.[30]Vgl. BGE 146 I 11 E. 4.1. Dies zeigt sich auch daran, dass die Messstationen verdachtsunabhängig zum Einsatz gelangen und zunächst anlasslos jedes vorbeifahrende Fahrzeug erfassen. Indessen ist der Übergang in die kriminalpolizeiliche Tätigkeit hier fliessend. Sobald die Informationen im Rahmen strafprozessualer Ermittlungen verwendet werden sollen, wird der Anwendungsbereich der StPO eröffnet und die Ermittlungshandlungen der Polizei fallen unter die Vorschriften gemäss Art. 306 ff. StPO.[31]BGE 146 I 11 E. 4.1.
3. Automatisierte Gesichtserkennung
Bei der maschinellen Gesichtserkennung werden anhand von digitalen Bildern Gesichtsmerkmale natürlicher Personen automatisch zu maschinenlesbaren Templates zwecks Identifizierung, Authentifizierung bzw. Verifizierung oder Kategorisierung verarbeitet.[32]Vgl. Braun Binder/Kunz/Obrecht, Rz. 5; Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 207. Regelmässig knüpfen Gesichtserkennungstechnologien dabei an Videoüberwachungssysteme des öffentlichen Raums an.[33]Siehe Simmler/Canova, „Smarte“ Polizeiarbeit, 110. In Zusammenhang mit Strafverfolgungszwecken lässt sich etwa anhand von Gesichtserkennungstechnologien Bildmaterial eines mutmasslichen Täters auf einer Überwachungskamera im Nachgang einer Straftat auswerten und mit Bildmaterial etwa aus Polizeidatenbanken abgleichen.[34]Vgl. Braun Binder/Kunz/Obrecht, Rz. 14; Simmler/Canova, „Smarte“ Polizeiarbeit, 105 f. Umgekehrt lässt sich Videomaterial etwa von Überwachungskameras aber auch dahingehend auswerten, ob darauf eine konkrete Person zu erkennen ist.[35]Vgl. zum Ganzen Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 204. Die Datenverarbeitung betrifft damit nicht eine einzelnen konkreten Zielperson, sondern greift unweigerlich in die Rechtsposition sämtlicher Personen ein, deren Gesichter zwecks eines Abgleiches erfasst und bearbeitet werden.[36]Siehe auch Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 208. Die automatisierte Gesichtserkennung stellt in der vorliegenden Gegenüberstellung die vergleichsweise eingriffsintensivste Massnahme dar, denn es werden hierbei in einem (Masse‑)Analyseverfahren biometrische Daten[37]Gemäss Art. 5 lit. c Ziff. 4 DSG sind dies Daten, die eine natürliche Person eindeutig identifizieren; vgl. Botschaft des Bundesrates vom 15. September 2017 zum Bundesgesetz über die … Continue reading i.S.v. Art. 5 lit. c Ziff. 4 DSG bearbeitet, die das Gesetz als besonders schützenswert qualifiziert.[38]Siehe ebenso Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 207, 211 m.w.H. zur KI-Verordnung der EU.
Auch bei Gesichtserkennungstechnologien reicht der Einsatzbereich von der dem präventiv-polizeilichen Bereich zuzuordnenden allgemeinen (anlasslosen) Überwachung des öffentlichen Raums zu Sicherheitszwecken[39]Etwa indem man bestehende Videoüberwachungsinfrastruktur im öffentlichen Raum durch Gesichtserkennungstechnologien ergänzt, siehe dazu Simmler/Canova, „Smarte“ Polizeiarbeit, 109. und sicherheitspolizeilichen Massnahmen der konkreten Gefahrenabwehr etwa an Grossveranstaltungen bis zum repressiven Einsatz der automatischen Gesichtserkennung zu Ermittlungs- und damit zu Strafverfolgungszwecken.[40]Siehe dazu Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 205 f.; Simmler/Canova, „Smarte“ Polizeiarbeit, 109 f. Diese Unterscheidung ist deshalb von Bedeutung, weil sich präventive und repressive Zweckausrichtungen grundlegend unterscheiden und von der Zulässigkeit des einen nicht ohne Weiteres auf die Zulässigkeit des anderen Verwendungszwecks geschlossen werden darf.[41]Zum Grundsatz der Zweckbindung als Teilgehalt des verfassungsrechtlichen Datenschutzes siehe nachfolgend Kap. III.2.
Wiederum finden mit der Erhebung der Ausgangsdaten, dem Abgleich der Daten mit Vergleichsdatenbanken und der weiteren Verwendung der hieraus resultierenden Datentreffer mehrere Bearbeitungsschritte statt, welche jeweils für sich genommen in die Grundrechtspositionen der betroffenen Personen eingreifen.[42]Vgl. dazu nachfolgend Kap. III.; zum Ganzen auch Simmler/Canova, „Smarte“ Polizeiarbeit, 112.
III. Vorgaben an automatisierte Informationsverarbeitungsvorgänge aus dem verfassungsrechtlichen Datenschutz
Automatisierte Informationsverarbeitungsvorgänge sind aus verfassungsrechtlicher Sicht jedenfalls nicht ohne Weiteres zum Zwecke der Beweisführung im Strafverfahren zulässig. Denn die vorgenannten Informationsverarbeitungsvorgänge führen zu Eingriffen in das Recht auf Privatsphäre nach Art. 13 Abs. 1 BV wie auch in das in Art. 13 Abs. 2 BV verankerte Recht auf informationelle Selbstbestimmung[43]Vgl. hierzu G. Biaggini, OFK BV, Art. 13 N 11; BSK BV-Diggelmann, Art. 13 N 32. bzw. in den grundrechtlichen Anspruch auf Datenschutz. Damit sind automatisierte Informationsverarbeitungsvorgänge zu Ermittlungszwecken sowie zwecks Beweissicherung aus strafprozessualer Sicht als Zwangsmassnahmen im Sinne von Art. 196 StPO zu qualifizieren.[44]Siehe für den Antennensuchlauf Biaggini, Rz. 181; Roos/Jeker, 179; implizit auch BGE 137 IV 340 E. 6.1; für die automatisierte Gesichtserkennung Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 209. Sie bedürfen entsprechend einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage (Art. 197 Abs. 1 StPO). Sollen solche Informationseingriffe im Strafverfahren für zulässig erklärt werden, gilt es, die in Art. 13 Abs. 2 BV enthaltenen verfassungsrechtlichen Determinanten zu beachten. Vorwegzunehmen sei, dass sich aus dem verfassungsrechtlichen Datenschutz und dem hierin enthaltenen Grundsatz der Zweckbindung namentlich gesteigerte Anforderungen an den Bestimmtheitsgrad der Norm in Bezug auf die zulässigen Verarbeitungsvorgänge sowie an die Verhältnismässigkeit der Informationsverarbeitung ergeben.
1. Art. 13 Abs. 2 BV als strukturelle Garantie
Der in Art. 13 Abs. 2 BV verankerte verfassungsrechtliche Datenschutz[45]Dazu im Einzelnen Biaggini, Rz. 359; Rz. 369 ff. gewährleistet Schutz bei sämtlichen Formen der Verarbeitung[46]Namentlich das Erheben, Sammeln, Speichern, Aufbewahren, Bearbeiten und Weitergeben von Personendaten; siehe G. Biaggini, OFK BV, Art. 13 N 11 m.H. auf BGE 137 I 167 E. 3.2; BGE 128 II 259 … Continue reading von Personendaten.[47]Bei Personendaten handelt es sich um „alle Angaben, die sich auf eine bestimmte oder bestimmbare Person beziehen“ (Art. 5 lit a DSG). Auch Randdaten fallen unter den Schutzbereich, da sie die Identifizierung der Kommunikationsteilnehmer ermöglichen.[48]Siehe BGE 144 I 126 E. 4.2 (Randdaten); BGE 136 II 508 E. 3.2 ff. (IP-Adressen); vgl. auch Urteil des EGMR vom 24.04.2018, Benedik v. Slovenia, no. 62357/14, §§ 108 f. Der Schutz greift nicht nur bei der missbräuchlichen, sondern bei jeder Form[49]G. Biaggini, OFK BV, Art. 13 N 11; BSK BV-Diggelmann, Art. 13 N 33; SGK BV-Schweizer, Art. 13 N 72; vgl. auch BGE 137 I 167 E. 3.2; BGE 128 II 259 E. 3.2. der Verarbeitung. So kann aus verfassungsrechtlicher Sicht selbst aus einer an sich rechtmässigen Informationserhebung nicht unbesehen auf die spätere Verwendung zu einem anderen als dem Erhebungszweck geschlossen werden. Unerheblich für die Eröffnung des Schutzbereiches ist, wie sensibel die fraglichen Informationen sind.[50]Siehe statt vieler BGE 146 I 11 E. 3.1.1; BGE 136 I 11 E. 3.1.1. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist bereits in der automatisierten Datenerhebung, d.h. unabhängig von einem Datentreffer, ein Eingriff in Art. 13 Abs. 2 BV zu erblicken.[51]Vgl. BGE 149 218 E. 8.10.2; BGE 146 I 11 E. 3.2. Besonders schwer wiegt der Eingriff bei der Bearbeitung biometrischer Daten, wie sie im Rahmen von automatisierten Gesichtserkennungsmassnahmen erhoben werden.[52]SGK BV-Schweizer, Art. 13 BV N 77; siehe auch Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 207 f.
Richtigerweise ist Art. 13 Abs. 2 BV nicht als Anerkennung eines absoluten individualrechtlichen Schutzrechts aufzufassen, nach welchem das Individualinteresse an der umfassenden Unterbindung staatlicher Informationsbearbeitung im Strafverfahren gegenüber dem öffentlichen Aufklärungsinteresse von Straftaten ausnahmslos Vorrang zukommt.[53]Vgl. hierzu bereits Biaggini, Rz. 368 f.; zur Einschränkung von Art. 13 Abs. 2 BV im vorliegenden Zusammenhang Kühne, 15. Zur Beurteilung der Grundsatzfrage der Zulässigkeit von automatisierten Informationsverarbeitungsvorgängen losgelöst vom einzelnen Anwendungsfall erscheint es ohnehin treffender, den verfassungsrechtlichen Datenschutz nach Art. 13 Abs. 2 BV über den Abwehranspruch des Individuums gegenüber staatlichen Eingriffen hinaus in erster Linie als strukturelle Garantie aufzufassen.[54]Grundlegend dazu Gächter/Werder, 93; siehe bereits auch Gächter/Egli, Rz. 52 f.; in diesem Sinne auch Albers, 147; vgl. im Einzelnen dazu Biaggini, Rz. 369 f. So lassen sich aus Art. 13 Abs. 2 BV i.V.m. Art. 35 Abs. 1 BV an den Gesetzgeber gerichtete verfassungsrechtliche Mindestanforderungen zur gesetzgeberischen Ausgestaltung des Verfahrensrechts[55]Siehe Gächter/Egli, Rz. 52; Gächter/Werder, 93. und damit auch an die Regulierung von Informationsverarbeitungsvorgängen im Strafverfahren ableiten.[56]Vgl. dazu bereits Biaggini, Rz. 369.
2. Grundsatz der Zweckbindung
Vor dem Hintergrund der mannigfachen Nutzungsmöglichkeiten einmal erhobener Daten ist im vorliegenden Zusammenhang insbesondere der in Art. 13 Abs. 2 BV verankerte Grundsatz der Zweckbindung von Interesse.[57]Zum Grundsatz der Zweckbindung als Teilgehalt von Art. 13 Abs. 2 BV vgl. G. Biaggini, OFK BV, Art. 13 N 13. Gemäss Art. 6 Abs. 3 DSG dürfen Personendaten nur zu einem bestimmten und für die betroffene Person erkennbaren Zweck beschafft werden und nur so bearbeitet werden, dass es mit diesem Zweck vereinbar ist. Aus dem Grundsatz der Zweckbindung folgt damit zweierlei:[58]Dazu im Einzelnen Biaggini, Rz. 360 m.w.H. Einerseits bedarf jede Datenerhebung einer präzise umschriebenen Zweckbestimmung[59]Vgl. dazu BSK DSG-Bühlmann/Reinle, Art. 6 N 108 und N 114; ferner BVerfGE 65, 1 (46). und damit im Kontext strafprozessualer Ermittlungsmassnahmen einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage. Dies gilt dabei für sämtliche Bearbeitungsschritte, die jeweils ihrerseits einen selbstständigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellen. Andererseits sind die erhobenen Daten – und damit auch die Informationen, die sich als Sinngehalte aus der Interpretation der Daten ergeben[60]Vgl dazu Biaggini, Rz. 365. – an den vorgängig bestimmten Zweck gebunden.[61]BSK DSG-Bühlmann/Reinle, Art. 6 N 113; siehe auch Bertram, 139. Der Zweckbindungsgrundsatz verschafft somit auch die notwendige Transparenz für die betroffenen Personen hinsichtlich der zulässigen Verarbeitungszwecke der über sie erhobenen Daten.[62]Vgl. zum Transparenzgrundsatz BSK DSG-Bühlmann/Reinle, Art. 6 N 151 ff.
Der hinreichenden Zweckbindung kommt auch deshalb Bedeutung zu, weil sich die gesetzlich vorgesehenen späteren Verwendungsmöglichkeiten bereits auf die Beurteilung der Intensität des Erhebungseingriffs auswirken.[63]Bertram, 140 m.H. auf die deutsche Rechtsprechung. So wiegt die Eingriffsbelastung des Erhebungseingriffs umso schwerer, je vielseitiger die späteren Verwendungsmöglichkeiten der Informationen ausfallen.[64]Ebenso Bertram, 140.
3. Anforderungen bei einer Zweckänderung
Der ursprüngliche Bearbeitungszweck bleibt grundsätzlich auch bei einer Weitergabe von Informationen an Dritte beachtlich.[65]BSK DSG-Bühlmann/Reinle, Art. 6 N 118. Sollen Daten zu einem anderen als ihrem ursprünglichen Erhebungszweck verwendet werden, ist im Bereich der staatlichen Datenverarbeitung eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage erforderlich, welche die Datenbearbeitung im Lichte des neuen Verwendungszwecks gestattet.[66]Vgl. Epiney, in: Belser/Epiney/Waldmann, § 9 N 35. Dabei fordern schwerwiegende Eingriffe wie etwa das Bearbeiten besonders schützenswerter Personendaten oder die Erstellung von Persönlichkeitsprofilen eine gesetzliche Grundlage im formellen Sinn (Art. 36 Abs. 1 BV).[67]Vgl. im Zusammenhang mit der Gesichtserkennung Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 202. Als weiterer Eingriff in Art. 13 Abs. 2 BV muss auch der neue Verwendungseingriff daneben den Anforderungen von Art. 36 Abs. 2 und 3 BV genügen.
Die Problematik um die zweckändernde Verwendung von Daten akzentuiert sich im vorliegenden Kontext an verschiedener Stelle. Eine aus verfassungsrechtlicher Sicht relevante Zweckänderung liegt zunächst dann vor, wenn Informationen, die nunmehr zu Ermittlungszwecken ausgewertet werden sollen, ursprünglich zum Zwecke der Gefahrenabwehr erhoben wurden. Zu denken ist etwa an die Videoüberwachung des öffentlichen Raums in Echtzeit, wie dies vereinzelt bereits an Flughäfen bei der automatisierten Passkontrolle erfolgt.[68]So etwa die französische Grenzpolizei am Basler Flughafen, vgl. dazu Braun Binder/Kunz/Obrecht, Rz. 10 m.w.H. Eine Verwendung der hierdurch erlangten Informationen zu Strafverfolgungszwecken führt zu einer Zweckänderung, welche ihrerseits einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage bedarf. Eine Zweckänderung liegt überdies vor, wenn das Ergebnis der Datenauswertung später in einem anderen Sachzusammenhang wie etwa einem anderen Strafverfahren verwendet werden soll. Eine hier nicht näher diskutierte Zweckänderungsproblematik kann sich ferner auch dann stellen, wenn die Datensammlung, mit welcher die Daten abgeglichen werden sollen, ihrerseits ursprünglich zu einem anderen Zweck als der Strafverfolgung erstellt wurden.[69]Vgl. hierzu auch Simmler/Canova, „Smarte“ Polizeiarbeit, 112. Entsprechend stellt sich bei der automatisierten Informationsverarbeitung nicht nur die Frage der Befugnis zur Erhebung bestimmter Daten an sich. Vielmehr muss sich die Frage richtigerweise auch darauf beziehen, in welchem Umfang weitere Verarbeitungs- und Nutzungsmöglichkeiten zugelassen sind.[70]Vgl. in diesem Sinne auch Wesslau, 689 f.
Zusammengefasst bedarf es einer hinreichenden formell-gesetzlichen Grundlage, damit automatisierte Informationsverarbeitungsvorgänge zu Ermittlungs- und Strafverfolgungszwecken überhaupt zulässig sind.
IV. Rechtmässigkeit automatisierter Informationsbeschaffungsmethoden zu Strafverfolgungszwecken de lege lata
Bevor zu einer Analyse geschritten wird, ob die bestehenden strafprozessualen Rechtsgrundlagen den Einsatz von automatisierten Informationsbeschaffungsmethoden bereits hinreichend regeln, sei der Blick zunächst auf die im Zusammenhang mit automatisierten Informationsbeschaffungsmethoden ergangene bundesgerichtliche Rechtsprechung zu richten.
1. Automatisierte Informationsbeschaffungsmethoden im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
Der Blick auf die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung beleuchtet, dass das Bundesgericht strenge Anforderungen an die Zulässigkeit automatisierter Informationsbearbeitungssysteme stellt. So stellte das Bundesgericht in zwei jüngeren Leitentscheiden[71]BGE 149 I 218 und BGE 146 I 11. fest, dass die AFV zu einem schweren Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung führe, da sie sich nicht auf eine blosse Erhebung und Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Informationen beschränke.[72]BGE 146 I 11 E. 3.2; vgl. auch BGE 149 I 218 E. 8.11.4; siehe zum Ganzen auch Bürge, 58; Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 210. Die serielle und simultane Verarbeitung grosser und komplexer Datensätze und die Möglichkeit der beliebigen Kombination mit anderen Datensätzen führe insgesamt zu einer erheblichen Eingriffsintensität. Diese nehme mit dem Zugriff auf die Daten und der Nutzung der Daten durch die zuständigen Behörden weiter erheblich zu. Namentlich könne die Kombination mit anderweitig erhobenen Daten und eine entsprechende Streuweite des Systems die Grundlage für Persönlichkeits- oder Bewegungsprofile bilden.[73]Zum Ganzen 146 I 11 E. 3.2. Aufgrund der schweren Eingriffsintensität dürfe die automatisierte Fahrzeugfahndung daher nur zum Schutz von Rechtsgütern und öffentlichen Interessen von erheblichem Gewicht eingesetzt werden.[74]BGE 149 I 218 E. 8.7. Zudem müsse für die betroffene Personen erkennbar sein, ob und welche Informationen gesammelt und aufbewahrt und mit anderen Datensätzen verknüpft bzw. abgeglichen werden.[75]Vgl. BGE 146 I 11 E. 3.3.2. In beiden Urteilen kam das Bundesgericht im Ergebnis zum Schluss, dass die jeweiligen Bestimmungen im kantonalen Polizeirecht den Anforderungen an eine gesetzliche Grundlage für die AFV derzeit nicht hinreichend entsprechen.[76]Siehe BGE 146 I 11 E. 3.2 und E. 3.3 (Kanton Thurgau); BGE 149 I 218, Regeste sowie E. 8.5.2 (Kanton Solothurn).
Auch in Bezug auf den nicht ausdrücklich im Gesetz geregelten Antennensuchlauf im Rahmen einer Rasterfahndung[77]Vgl. BGE 137 IV 340 E. 6.1. äusserte sich das Bundesgericht bereits zu dessen Zulässigkeitsvoraussetzungen.[78]BGE 137 IV 340 E. 6; vgl. zum Ganzen auch Biaggini, Rz. 205 ff.; Rz. 208. Zunächst müsse der dringende Tatverdacht hinsichtlich eines Verbrechens bestehen. Der Antennensuchlauf solle zudem in Anlehnung an Art. 273 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 269 Abs. 1 lit. c StPO nur subsidiär i.S. einer ultima ratio zur Anwendung gelangen. Da sich der Antennensuchlauf zwangläufig gegen eine noch unbekannte Täterschaft richtet, lässt das Bundesgericht „die mögliche Individualisierbarkeit der Zielperson gemäss Raster- bzw. Schnittmengenergebnis“ genügen.[79]BGE 137 IV 340 E. 5.6. Kritisch zum Kriterium der möglichen Individualisierbarkeit Biaggini, Rz. 191; Roos/Jeker, 179. Schliesslich ist gemäss Bundesgericht im Sinne der Verhältnismässigkeit des Eingriffs erforderlich, dass bereits vorab mit einer voraussichtlich kleinen Datenschnittmenge zu rechnen ist,[80]Siehe BGE 137 IV 340 E. 6.1; vgl. dazu Roos/Jeker, 180 f.; Gless/Geth, 1037. mithin, dass sich die Ermittlungen bereits auf nur einige wenige Zielpersonen konzentrieren.[81]Hansjakob, Antennensuchläufe, Rz. 13. Da die abzugleichenden Daten zunächst in anonymisierter Form erhoben und abgeglichen werden und einzelne Personen erst identifiziert werden, wenn sie in das Fahndungsraster an verdächtigen Personen fallen,[82]BGE 137 IV 340 E. 6.4 und E. 6.5; siehe auch Forster, 359. erblickt das Bundesgericht in der Massnahme inklusive Schnittmengenbildung selbst indes noch keinen schweren Eingriff in die Privatsphäre.[83]Vgl. BGE 137 IV 340 E. 6.5.
2. Keine hinreichende Gesetzesgrundlage de lege lata
In der Strafprozessordnung selber werden automatisierte Informationsverarbeitungsvorgänge zwecks Beweisgewinnung wie der Antennensuchlauf, die automatisierte Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung (AFV) und Gesichtserkennungstechnologien nicht als eigenständige strafprozessuale Zwangsmassnahme aufgeführt. Teilweise wird die Rechtmässigkeit dieser neuen Formen der Informationsverarbeitung jedoch unter Verweis auf bereits bestehende strafprozessuale Normen bejaht. Bei näherer Betrachtung wird jedoch ersichtlich, dass diese die Anforderungen nicht erfüllen, welche Art. 13 Abs. 2 BV an den Bestimmtheitsgrad und die Normdichte stellt.
a) Unzulässige Ausweitung bestehender Zwangsmassnahmen
In Bezug auf den Antennensuchlauf wird zuweilen die Auffassung vertreten, dieser stelle eine besondere Anwendungsform der rückwirkenden Randdatenerhebung nach Art. 273 StPO dar.[84]Hansjakob, Antennensuchläufe, Rz. 24 m.w.H.; ähnlich Hansjakob, Überwachungsrecht, Rz. 437; unter Art. 273 StPO diskutiert als „besondere Überwachungsart“ bei ZK … Continue reading Indes gestattet dieser lediglich die einfache Randdatenerhebung für eine individualisierte konkrete Person.[85]Vgl. so auch BGE 137 IV 340 E. 5.2, E. 5.4; Roos/Jeker, 179; dazu bereits auch Biaggini, Rz. 195 f. m.w.H. Beim Antennensuchlauf werden indessen die Randdaten einer vorab unbestimmten Vielzahl von Personen simultan verarbeitet und ausgewertet.[86]So scheidet Art. 273 StPO auch gemäss Bundesgericht als gesetzliche Grundlage aus, siehe BGE 137 IV 340 E. 5. Dass die jeweilige Zielperson zumindest individualisierbar sei, da sie durch die … Continue reading Auch werden die weiteren Bearbeitungsschritte (Zusammenführen der erhobenen Daten zwecks Schnittmengenbildung sowie deren Abgleich anhand weiterer ermittlungsrelevanter Erkenntnisse) von Art. 273 StPO nicht erfasst. Ebenso fehlt es an einer gesetzlichen Regelung, mit welchen Datenbanken und Registern die erfassten Datensätze abgeglichen werden dürfen. Zusammenfassend weist Art. 273 StPO nicht den hinreichenden Bestimmtheitsgrad auf, um als Gesetzesgrundlage für den Antennensuchlauf zu dienen.[87]Siehe bereits Biaggini, 198 m.w.H. Ebenso wenig vermag die in Art. 66 Abs. 1 VÜPF und damit lediglich auf Verordnungsstufe enthaltene Begriffserläuterung des Antennensuchlaufs als hinreichende … Continue reading
Unter Verweis auf die in Art. 260 StPO geregelte erkennungsdienstliche Erfassung einer Person bejaht etwa Kühne die Rechtmässigkeit des Einsatzes automatisierter Gesichtserkennungstechnologien im Strafverfahren.[88]Kühne, 22. Auch der Bundesrat verneint unter Verweis auf Art. 260 f. StPO (für die Erfassung erkennungsdienstlicher Daten), Art. 354 Abs. 1 StGB (für deren Speicherung) und Art. 14 Abs. 2 … Continue reading Ähnlich wie bei der Randdatenerhebung liesse sich, wenn überhaupt, in Art. 260 StPO lediglich eine Grundlage für die Erfassung und biometrische Vermessung der Gesichtsmerkmale einer einzelnen zu identifizierenden Person erblicken.[89]Vgl. dazu auch Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 213. Kernstück der automatisierten Gesichtserkennung bildet indessen nicht die Erfassung des einzelnen Gesichts als solches, sondern deren maschineller Abgleich mit anderen Datenbanken.[90]Vgl. hierzu auch Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 213; für die AFV BGE 146 I 11 E. 3.2. Bereits aufgrund der unbestimmten Anzahl an betroffenen Personen, die in den Datenerhebungs- und Verarbeitungsvorgang einbezogen werden, sowie der weitreichenden Möglichkeiten des Datenabgleichs kann Art. 260 StPO mangels Bestimmtheit nicht als hinreichende gesetzliche Grundlage genügen.[91]Ebenso Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 213. Selbiges muss mangels Normdichte auch für Art. 260 f. StPO i.V.m. Art. 354 StGB gelten, dazu im Einzelnen Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 215 ff.
Bezüglich der AFV erachtete das Bundesgericht die Bestimmungen in den jeweils zu beurteilenden kantonalen Polizeigesetzen wie dargelegt als unzureichend.[92]Vgl. Kap. IV.1. Ohnehin ist diskutabel, ob eine polizeirechtliche Rechtsgrundlage für die strafprozessuale Verwertbarkeit der hieraus erlangten Informationen überhaupt genügen würde oder ob es vielmehr einer (zusätzlichen) Rechtsgrundlage in der Strafprozessordnung selbst bedarf.[93]Vgl. dazu Bürge, 59 f. Während sich im Bereich der doppelfunktionalen Aufgabenerfüllung der Polizei argumentieren lässt, dass hier stets auch eine Verwendung zu Strafverfolgungszwecken vom Zweck mitumfasst ist,[94]Siehe hierzu Zimmerlin/Galella, 378; vgl. dazu auch Zimmerlin, 273. bedarf es jedenfalls bei einer ursprünglich zu rein präventiven Zwecken eingesetzten Informationsbeschaffungsmassnahme einer zusätzlichen expliziten Zweckumwidmungsnorm, welche die Verwendung zu repressiven Zwecken gestattet.[95]Vgl. dazu bereits Kap. III.3; Biaggini, Rz. 386 und Rz. 388; Brunner/Kradolfer, 56 f.
b) Rückgriff auf allgemeine Datenbearbeitungsgrundsätze nach Art. 95 ff. StPO unzureichend
Zuweilen wird die Zulässigkeit der automatisierten Informationsbearbeitung zum Zwecke der Strafverfolgung auch gestützt auf Art. 95 ff. StPO bejaht.[96]So etwa als subsidiäre Rechtsgrundlage bei Kühne, 21. Diese statuieren jedoch lediglich allgemeine Grundsätze der Beschaffung und Bearbeitung von Personendaten im Rahmen hängiger Strafverfahren sowie deren Bekanntgabe zwecks Verwendung in anderen hängigen Verfahren. Bereits mangels Bestimmtheit und Regelungsdichte können die in Art. 95 ff. StPO statuierten allgemeinen Grundsätze nicht als hinreichende Gesetzesgrundlage für neue Formen von Informationsverarbeitungsvorgängen mit der Intensität strafprozessualer Zwangsmassnahmen oder als Grundlage der Beweisverwertung dienen.[97]So bereits Biaggini, Rz. 38 und Rz. 379; für die automatisierte Gesichtserkennung Simmler/Canova, „Smarte“ Polizeiarbeit, 114; Simmler/Canova, ZSR 2023, 215; a.A. Kühne, 21. Während eine einfache „Google“-Suche durch die Strafverfolgungsbehörden noch von Art. 95 StPO abgedeckt sein mag,[98]So Cartner/Schweingruber, 993 f.; vgl. dazu auch Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 214. so genügt dieser den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine hinreichende Gesetzesgrundlage für komplexe mehrstufige automatisierte Informationsverarbeitungsvorgänge nicht.
V. Anforderungen an die normative Ausgestaltung
Der Entwicklungsdynamik von strafprozessual zulässigen Formen der punktuellen Informationserhebung wie etwa von Randdaten (Art. 273 StPO) oder erkennungsdienstlichen Daten (Art. 260 StPO) hin zu komplexen automatisierten Informationsverarbeitungssystemen sind durch den verfassungsrechtlichen Datenschutz nach Art. 13 Abs. 2 BV Grenzen gesetzt. Es konnte voranstehend festgestellt werden, dass automatisierte Informationsverarbeitungsmethoden zum Zwecke der Strafverfolgung einer hinreichenden formell-gesetzlichen Grundlage bedürfen, an welcher es de lege lata noch fehlt.[99]So in Bezug auf die automatisierten Gesichtserkennung Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 202. Für einen konkreten Vorschlag eines Verwertbarkeitskonzepts für Informationen aus Antennensuchläufen … Continue reading
Das Erfordernis einer hinreichenden Gesetzesgrundlage erschöpft sich jedoch nicht im Bestehen einer gesetzlichen Grundlage an sich.[100]Biaggini, Rz. 362; ebenso Bertram, 139; vgl. hierzu auch BVerfG 65, 1 (44, 61 f.). Vielmehr sind bei deren Ausgestaltung weitere Determinanten beachtlich, die sich aus dem grundrechtlichen Datenschutz nach Art. 13 Abs. 2 BV ableiten lassen. Eine Verhältnismässigkeitsprüfung im Einzelfall und hierin die Beurteilung, ob die Massnahme im konkreten Anwendungsfall ein geeignetes, erforderliches und verhältnismässiges Mittel zur Aufklärung der Straftat darstellt, bleibt dabei nach wie vor unentbehrlich.
1. Gesetzliche Verankerung sämtlicher Bearbeitungsschritte sowie hinreichende Schutzvorkehrungen gegen Datenmissbrauch
Ausgangspunkt bildet das Erfordernis einer hinreichenden Gesetzesgrundlage, in welcher sämtliche Bearbeitungsschritte – von der Erhebung der Ausgangsdaten und der automatischen oder manuellen Auswertung der Daten bis hin zum Abgleich der Daten mit weiteren Datenbanken – mit hinreichender Bestimmtheit normiert sind.[101]Vgl. dazu auch BGE 146 I 11 E.3.3.2; BGE 149 I 218 E. 8.5.1. Im Sinne der Transparenz muss es für die betroffenen Personen vorhersehbar sein, unter welchen Voraussetzungen welche Informationen[102]So etwa in Bezug auf die AFV, ob neben dem Kontrollschild noch weitere Informationen wie etwa Standort, Fahrtrichtung und Zeitpunkt erfasst werden. gesammelt und aufbewahrt werden und mit welchen Datenbanken diese verknüpft respektive systematisch abgeglichen werden dürfen.[103]Vgl. dazu im Zusammenhang mit der AFV BGE 146 I 11 E. 3.3.2; BGE 149 I 218 E. 8.5.1. Eine weitere Einschränkung hat im Hinblick darauf zu erfolgen, unter welchen Voraussetzungen automatisierte Informationsbeschaffungsmassnahmen im Strafverfahren eingesetzt werden dürfen, so etwa, ob diese einzig zur Aufklärung von Verbrechen oder von Katalogtaten angeordnet werden dürfen.[104]Vgl. dazu für den Antennensuchlauf BGE 137 IV 340 E. 6.1; für die AFV BGE 146 I 11, E. 3.3.2; für die automatisierte Gesichtserkennung Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 223.
Darüber hinaus verlangt Art. 13 Abs. 2 BV nach hinreichenden Schutzvorkehrungen gegen Datenmissbrauch. Hierzu zählen namentlich hinreichende Bestimmungen zur Aufbewahrung, Löschung, Übermittlung[105]Vgl. zur Übermittlung der Daten an Dritte EGMR, Centrum för Rättvisa gegen Schweden vom 25. Mai 2021, §262 und 275. der Daten etwa an (ausländische) Behörden und die weitere Verwendung der erhobenen Daten.[106]BGE 146 I 11 E. 3.3.1; ebenso BGE 149 I 218 E. 8.9. Weiter muss die Informationsbeschaffungsmassnahme auch in zeitlicher Hinsicht hinreichend umrissen sein. Für den Antennensuchlauf orientiert sich die bundesgerichtliche Rechtsprechung am Deliktszeitraum.[107]In BGE 137 IV 340 E. 6.4 erachtete das Bundesgericht zwei Stunden als angemessen. Auch beim Einsatz von stationären AFV-Geräten ist regelmässig zu überprüfen, ob deren Einsatz am fraglichen Ort zum bisherigen Zweck und unter den bisherigen Umständen weiterzuführen, zu modifizieren oder zu beenden ist.[108]BGE 149 I 218 E. 8.3.2. Schliesslich bedarf es namentlich angesichts der potentiellen Fehleranfälligkeit automatisierter Informationsverarbeitungssysteme Bestimmungen zum hinreichenden Rechtsschutz für die Betroffenen.[109]Vgl. dazu im Einzelnen BGE 149 I 218 E. 8.10; Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 224. Zur periodischen Kontrolle des Einsatzes von AFV durch unabhängige Behörde als Kontrollmechanismus BGE 149 I … Continue reading
2. Zweckbestimmung: Gradmesser der Verhältnismässigkeit
Von besonderem Interesse ist bei automatisierten Informationsverarbeitungsvorgängen angesichts der mannigfachen Nutzungsmöglichkeiten der einmal erhobenen Daten die Ausgestaltung der Zweckbestimmung. Denn der Eingriff in die Rechtspositionen der betroffenen Personen wird mit jedem weiteren Verwendungseingriff wie auch der Weitergabe der Daten an (ausländische) Behörden perpetuiert und intensiviert.[110]Vgl. dazu bereits Biaggini, Rz. 427; vgl. dazu auch BVerfGE 113, 348 (384); in diesem Sinne auch BGE 146 I 11 E. 3.2. Je vielseitiger die späteren Verwendungseingriffe ausfallen, desto schwerer wiegt bereits die Eingriffsbelastung des Erhebungseingriffs.[111]Vgl. dazu Biaggini, 427 m.w.H.; in diesem Sinne auch BGE 146 I 11 E. 3.2. Somit stellt die Ausgestaltung der Zweckbestimmung den Gradmesser der Verhältnismässigkeit bei der Zulassung von automatisierten Informationsbeschaffungsmassnahmen dar. Entsprechend muss auch der Fokus bei der Ausgestaltung der gesetzlichen Grundlage im Sinne der Verhältnismässigkeit auf der Regulierung der möglichen späteren Verwendungszwecke der erhobenen Daten liegen. Allfällige weitere Nutzungsmöglichkeiten der Informationen müssten bereits im Erhebungszeitpunkt feststehen, weil sich diese auf die Verhältnismässigkeit der Massnahme auswirken.[112]Vgl. dazu Kap. III.2.
Findet der Einsatz der automatisierten Informationsverarbeitung zum Zwecke der Strafverfolgung statt, erfolgt deren Anordnung als strafprozessuale Zwangsmassnahme verdachtsgestützt im Hinblick auf ein konkretes Strafverfahren. Da sich die Zweckbindung auf das spezifische anlassgebende Strafverfahren und nicht etwa auf die Strafverfolgung als solche bezieht, beschränkt sich die Verwertbarkeit der hieraus resultierenden Informationen somit auch nur auf dieses konkrete, anlassgebende Strafverfahren.[113]Vgl. im Zusammenhang mit dem Antennensuchlauf bereits Biaggini, Rz. 508. Sollen die im Rahmen automatisierter Informationsbeschaffungsmethoden erhobenen Informationen – so beispielsweise das Ergebnis eines Antennensuchlaufs – in anderem Sachzusammenhang, namentlich in einem anderen Strafverfahren verwendet werden dürfen, bedarf dies i.S. einer Zweckumwidmung einer ausdrücklichen gesetzlichen Legitimierung.[114]Biaggini, Rz. 511; vgl. hierzu auch Singelnstein, Funkzellenabfrage, 607.
Dabei gilt es zu beachten, dass der verfassungsrechtliche Datenschutz auch der zweckändernden Verwendung von Informationen Grenzen setzt. Für Daten, welche zu keinem Datentreffer führen und damit im Hinblick auf die konkret anlassgebende Straftat nicht erforderlich sind, verlangt bereits der Grundsatz der Datensparsamkeit,[115]Nach diesem dürfen Daten nur insoweit bearbeitet werden, als es für den Zweck der Datenbearbeitung notwendig ist; vgl. zur Datensparsamkeit als Ausfluss des Verhältnismässigkeitsprinzips zum aDSG … Continue reading dass diese „Nichttreffer“ umgehend zu löschen sind.[116]So auch in Bezug auf die AFV BGE 146 I 11 E. 3.3.2; vgl. auch BGE 149 I 218 E. 8.2.1 und E. 8.9.1; im Zusammenhang mit dem Antennensuchlauf Biaggini, Rz. 232. Auch sog. „unechte Treffer“, die sich erst im Nachgang als falsch herausstellen, sind im Sinne der Verhältnismässigkeit umgehend (gegebenenfalls manuell) zu löschen.[117]Vgl. dazu BGE 149 I 218 E. 8.9.1. Selbst wenn die Erhebung der Daten an sich rechtmässig erfolgen würde, geht mit deren Speicherung ein weiterer grundrechtsrelevanter Eingriff einher,[118]Ebenso Singelnstein, Funkzellenabfrage, 607. der sich gerade durch die Verknüpfung von Daten intensiviert.[119]Dazu im Einzelnen Biaggini, Rz. 512; vgl. auch Singelnstein, Verwendungsregeln, 856. Das Vorrätighalten dieser Daten für allfällige künftige Delikte verbietet sich hier aus Gründen der Verhältnismässigkeit.
Aber auch für Trefferfälle muss gesetzlich geregelt sein, inwiefern und wie lange diese aufbewahrt werden dürfen.[120]Siehe BGE 146 I 11 E. 3.3.2. Eine weitere Verwendung dieser Informationen zu einem anderen als dem Erhebungszweck kommt angesichts der erheblichen Eingriffsintensität des Informationserhebungseingriffs überhaupt nur dann in Betracht, wenn eine wertungsmässige Gleichheit zwischen Erhebungs- und dem spätere Verwendungseingriff besteht.[121]Siehe hierzu Biaggini, Rz. 392 m.w.H.; in diesem Sinne auch BGE 149 I 218 E. 8.9.2. Zum hypothetischen Ersatzeingriff als Beurteilungsmassstab für die Zulässigkeit von Zweckumwidmungen Biaggini, … Continue reading Indes wirken sich weitere zulässige Verwendungsmöglichkeiten bereits zusätzlich auf die Intensität des Erhebungseingriffs aus.[122]Vgl. dazu Kap. II. Insgesamt erscheint es nach vorliegender Auffassung daher auch hier angezeigt, die Verwendung der Informationen einzig auf den Erhebungszweck zu beschränken und die Daten nach Abschluss des Verfahrens zu löschen. Somit sollte die jeweilige Gesetzesgrundlage vorsehen, dass die über die automatisierte Informationsbeschaffung erlangten Informationen einzig für die Aufklärung der Anlasstat verwendet werden dürfen und nach Abschluss des Verfahrens integral zu löschen sind.[123]So für den Antennensuchlauf bereits Biaggini, Rz. 513. Vgl. in Bezug auf die DNA-Massenuntersuchung Art. 9 Abs. 3 DNA-Profil-Gesetz; ZK StPO-Hansjakob/Graf, Art. 256 N 12.
VI. Schlussbetrachtung
Neue technische Möglichkeiten der Informationsbeschaffung führen zu einer Entwicklungsdynamik im Bereich der bereits bestehenden Ermittlungsmethoden. Dieser Entwicklungsdynamik hin zu einer Ausweitung strafprozessualer Zwangsmassnahmen über den klaren Gesetzeswortlaut hinaus ist indes namentlich durch den in Art. 13 Abs. 2 BV verankerten grundrechtlichen Datenschutz klare Grenzen gesetzt. So stellt das Verfassungsrecht Vorgaben an die normative Ausgestaltung der hierin stattfindenden Informationsverarbeitungsvorgänge, welche vorangehend im Einzelnen konturiert wurden. Sollen diese neuen Formen der automatisierten Informationsbeschaffung zu Ermittlungszwecken im Strafverfahren zulässig sein, bedürfen sie jeweils einer eigenständigen strafprozessualen Rechtsgrundlage, die den Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot hinreichend Rechnung trägt.[124]So auch Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 225. Kernstück eines Verwertbarkeitskonzepts und Gradmesser der Verhältnismässigkeit bilden eine hinreichende Zweckbestimmung und Zweckbindung der automatisiert erhobenen Informationen. Letztlich kann mit der Zweckbindung der Informationen an die Anlasstat auch dem chilling effect[125]Vgl. BGE 146 I 11 E. 3.2; grundlegend auch EGMR vom 27. März 1996 (GC), Goodwin v. The United Kingdom, no. 17488/90, §39. automatisierter Überwachungsmassnahmen auf die Grundrechtsausübung des Einzelnen aufgrund des Gefühls der dauernden Überwachung und der potenziell mannigfachen Nutzungsmöglichkeiten zumindest bis zu einem gewissen Grad begegnet werden.
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Zimmerlin Sven/Galella Marco, Aspekte der beweismässigen Verwertbarkeit von polizeirechtlich erhobenen Informationen im Strafverfahren, forumpoenale 5/2019, 374 ff.
Fussnoten[+]
↑1 | Dazu bereits Biaggini, Rz. 16 und Rz. 23. |
---|---|
↑2 | Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 201 ff.; Simmler/Canova, „Smarte“ Polizeiarbeit, 105 ff.; Kühne, 13 ff. Zur Zulässigkeit der maschinellen Gesichtserkennung im öffentlichen Raum Braun Binder/Kunz/Obrecht, 53 ff. |
↑3 | Vgl. BGE 137 IV 340 (Antennensuchlauf) sowie BGE 146 I 11 und BGE 149 I 218 (AFV). |
↑4 | Vgl. dazu Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 212 ff.; Kühne, 20 ff. Unbestritten ist, dass keine kantonalen polizeirechtlichen Grundlagen bestehen, Simmler/Canova, „Smarte“ Polizeiarbeit, 116; Braun Binder/Kunz/Obrecht, Rz. 29; Kühne, 19. |
↑5 | BGE 149 I 218; BGE 146 I 11. |
↑6 | Auch im Rahmen der automatisierten Datenbearbeitung ist nicht vorausgesetzt, dass die Bearbeitung vollautomatisiert und damit gänzlich ohne menschliches Zutun erfolgt, vgl. EJPD, Totalrevision des Datenschutzgesetzes: Häufig gestellte Fragen, Februar 2024, 8, abrufbar unter <https://www.ejpd.admin.ch/bj/de/home/staat/datenschutz/faq.html>. Namentlich die Auswertung des Schnittmengenergebnisses erfolgt in der Regel manuell, vgl. für den Antennensuchlauf Biaggini, Rz. 175; für die automatisierte Gesichtserkennung etwa Kühne, 15. |
↑7 | Vgl. für die AFV BGE 146 I 11 E. 3.2. Auf diese Problematik ebenso hinweisend Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 211. |
↑8 | Vgl. zur Unterscheidung zwischen Daten und Informationen, wobei letztere Sinngehalte darstellen, die sich aus der Interpretation von Daten ergeben Albers, 89 ff.; Biaggini, Rz. 364 f. |
↑9 | Für die AFV BGE 146 I 11 E. 3.2. |
↑10 | Vgl. dazu BVerfGE 120, 378 (398 f.), wonach es mit der Möglichkeit der automatischen Datenverarbeitung keine „belanglosen Daten“ mehr gebe. |
↑11 | Vgl. Gless, 171; Biaggini, Rz. 116. |
↑12 | Vgl. dazu bereits Biaggini, Rz. 171. |
↑13 | Vgl. BGE 149 I 218 E. 8.2.3. |
↑14 | Vgl. im Zusammenhang mit der AFV BGE 146 I 11 E. 3.2. |
↑15 | Vgl. im Zusammenhang mit der AFV BGE 146 I 11 E. 3.2; siehe auch BGE 124 I 80 E. 2e; Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 224. |
↑16 | So beispielsweise die Beschränkung auf einen Deliktskatalog bzw. den Ausschluss von Bagatellfällen und leichten Delikten. |
↑17 | Siehe für den Antennensuchlauf Biaggini, Rz. 171; für die DNA-Massenuntersuchung BSK StPO-Fricker/Maeder, Art. 256 N 9. |
↑18 | So werden etwa im Kanton St. Gallen bereits Gesichtserkennungstechnologien zu Ermittlungszwecken eingesetzt, vgl. dazu Kühne, 15. Für den Einsatz von Antennensuchläufen vgl. den Leitentscheid BGE 137 IV 340 sowie den medial bekannt gewordenen Fall „Rupperswil“, dazu Forster, 357 f. Zur Verwendung von Informationen aus der AFV im Strafverfahren BGE 146 I 11. |
↑19 | So insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 13 Abs. 2 BV, vgl. hierzu nachfolgend unter Kap. III. |
↑20 | Vgl. zu Begrifflichkeit und Funktionsweise etwa Forster, 358; Hansjakob, Überwachungsrecht, Rz. 862; ZK StPO-Hansjakob/Pajarola, Art. 273 N 20; Roos/Jeker, 176 f. |
↑21 | So etwa der dem Entscheid BGE 137 IV 340 zugrundeliegende Sachverhalt. |
↑22 | Siehe dazu im Einzelnen Biaggini, Rz. 174 ff.; vgl. auch BGE 137 IV 340 E. 5.4. |
↑23 | Vgl. Hansjakob, Überwachungsrecht, Rz. 874; vgl. auch BGE 137 IV 340 E. 6.6; Forster, 358. |
↑24 | Vgl. BGE 137 IV 340 E. 5.6 sowie E. 6.5. |
↑25 | Vgl. dazu bereits Biaggini, Rz. 182. |
↑26 | BGE 149 I 218 E. 8.1.1 sowie Urteil des Bundesgerichts 6B_908/2018 vom 7. Oktober 2019 E. 2.1 (nicht publ. in BGE 146 I 11). |
↑27 | Vgl. BGE 146 I 11 E. 3.2; BGE 149 I 218 E. 8.1.1. |
↑28 | Vgl. dazu Interpellation Pointet 23.3507. |
↑29 | BGE 146 I 11 (Kanton Thurgau); BGE 149 I 218 (Kanton Solothurn). |
↑30 | Vgl. BGE 146 I 11 E. 4.1. |
↑31 | BGE 146 I 11 E. 4.1. |
↑32 | Vgl. Braun Binder/Kunz/Obrecht, Rz. 5; Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 207. |
↑33 | Siehe Simmler/Canova, „Smarte“ Polizeiarbeit, 110. |
↑34 | Vgl. Braun Binder/Kunz/Obrecht, Rz. 14; Simmler/Canova, „Smarte“ Polizeiarbeit, 105 f. |
↑35 | Vgl. zum Ganzen Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 204. |
↑36 | Siehe auch Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 208. |
↑37 | Gemäss Art. 5 lit. c Ziff. 4 DSG sind dies Daten, die eine natürliche Person eindeutig identifizieren; vgl. Botschaft des Bundesrates vom 15. September 2017 zum Bundesgesetz über die Totalrevision des Bundesgesetzes über den Datenschutz und die Änderung weiterer Erlasse zum Datenschutz, BBl 2017, 6941 ff., 7020. |
↑38 | Siehe ebenso Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 207, 211 m.w.H. zur KI-Verordnung der EU. |
↑39 | Etwa indem man bestehende Videoüberwachungsinfrastruktur im öffentlichen Raum durch Gesichtserkennungstechnologien ergänzt, siehe dazu Simmler/Canova, „Smarte“ Polizeiarbeit, 109. |
↑40 | Siehe dazu Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 205 f.; Simmler/Canova, „Smarte“ Polizeiarbeit, 109 f. |
↑41 | Zum Grundsatz der Zweckbindung als Teilgehalt des verfassungsrechtlichen Datenschutzes siehe nachfolgend Kap. III.2. |
↑42 | Vgl. dazu nachfolgend Kap. III.; zum Ganzen auch Simmler/Canova, „Smarte“ Polizeiarbeit, 112. |
↑43 | Vgl. hierzu G. Biaggini, OFK BV, Art. 13 N 11; BSK BV-Diggelmann, Art. 13 N 32. |
↑44 | Siehe für den Antennensuchlauf Biaggini, Rz. 181; Roos/Jeker, 179; implizit auch BGE 137 IV 340 E. 6.1; für die automatisierte Gesichtserkennung Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 209. |
↑45 | Dazu im Einzelnen Biaggini, Rz. 359; Rz. 369 ff. |
↑46 | Namentlich das Erheben, Sammeln, Speichern, Aufbewahren, Bearbeiten und Weitergeben von Personendaten; siehe G. Biaggini, OFK BV, Art. 13 N 11 m.H. auf BGE 137 I 167 E. 3.2; BGE 128 II 259 E. 3.2; Belser, in: Belser/Epiney/Waldmann, § 6 N 87. |
↑47 | Bei Personendaten handelt es sich um „alle Angaben, die sich auf eine bestimmte oder bestimmbare Person beziehen“ (Art. 5 lit a DSG). |
↑48 | Siehe BGE 144 I 126 E. 4.2 (Randdaten); BGE 136 II 508 E. 3.2 ff. (IP-Adressen); vgl. auch Urteil des EGMR vom 24.04.2018, Benedik v. Slovenia, no. 62357/14, §§ 108 f. |
↑49 | G. Biaggini, OFK BV, Art. 13 N 11; BSK BV-Diggelmann, Art. 13 N 33; SGK BV-Schweizer, Art. 13 N 72; vgl. auch BGE 137 I 167 E. 3.2; BGE 128 II 259 E. 3.2. |
↑50 | Siehe statt vieler BGE 146 I 11 E. 3.1.1; BGE 136 I 11 E. 3.1.1. |
↑51 | Vgl. BGE 149 218 E. 8.10.2; BGE 146 I 11 E. 3.2. |
↑52 | SGK BV-Schweizer, Art. 13 BV N 77; siehe auch Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 207 f. |
↑53 | Vgl. hierzu bereits Biaggini, Rz. 368 f.; zur Einschränkung von Art. 13 Abs. 2 BV im vorliegenden Zusammenhang Kühne, 15. |
↑54 | Grundlegend dazu Gächter/Werder, 93; siehe bereits auch Gächter/Egli, Rz. 52 f.; in diesem Sinne auch Albers, 147; vgl. im Einzelnen dazu Biaggini, Rz. 369 f. |
↑55 | Siehe Gächter/Egli, Rz. 52; Gächter/Werder, 93. |
↑56 | Vgl. dazu bereits Biaggini, Rz. 369. |
↑57 | Zum Grundsatz der Zweckbindung als Teilgehalt von Art. 13 Abs. 2 BV vgl. G. Biaggini, OFK BV, Art. 13 N 13. |
↑58 | Dazu im Einzelnen Biaggini, Rz. 360 m.w.H. |
↑59 | Vgl. dazu BSK DSG-Bühlmann/Reinle, Art. 6 N 108 und N 114; ferner BVerfGE 65, 1 (46). |
↑60 | Vgl dazu Biaggini, Rz. 365. |
↑61 | BSK DSG-Bühlmann/Reinle, Art. 6 N 113; siehe auch Bertram, 139. |
↑62 | Vgl. zum Transparenzgrundsatz BSK DSG-Bühlmann/Reinle, Art. 6 N 151 ff. |
↑63 | Bertram, 140 m.H. auf die deutsche Rechtsprechung. |
↑64 | Ebenso Bertram, 140. |
↑65 | BSK DSG-Bühlmann/Reinle, Art. 6 N 118. |
↑66 | Vgl. Epiney, in: Belser/Epiney/Waldmann, § 9 N 35. |
↑67 | Vgl. im Zusammenhang mit der Gesichtserkennung Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 202. |
↑68 | So etwa die französische Grenzpolizei am Basler Flughafen, vgl. dazu Braun Binder/Kunz/Obrecht, Rz. 10 m.w.H. |
↑69 | Vgl. hierzu auch Simmler/Canova, „Smarte“ Polizeiarbeit, 112. |
↑70 | Vgl. in diesem Sinne auch Wesslau, 689 f. |
↑71 | BGE 149 I 218 und BGE 146 I 11. |
↑72 | BGE 146 I 11 E. 3.2; vgl. auch BGE 149 I 218 E. 8.11.4; siehe zum Ganzen auch Bürge, 58; Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 210. |
↑73 | Zum Ganzen 146 I 11 E. 3.2. |
↑74 | BGE 149 I 218 E. 8.7. |
↑75 | Vgl. BGE 146 I 11 E. 3.3.2. |
↑76 | Siehe BGE 146 I 11 E. 3.2 und E. 3.3 (Kanton Thurgau); BGE 149 I 218, Regeste sowie E. 8.5.2 (Kanton Solothurn). |
↑77 | Vgl. BGE 137 IV 340 E. 6.1. |
↑78 | BGE 137 IV 340 E. 6; vgl. zum Ganzen auch Biaggini, Rz. 205 ff.; Rz. 208. |
↑79 | BGE 137 IV 340 E. 5.6. Kritisch zum Kriterium der möglichen Individualisierbarkeit Biaggini, Rz. 191; Roos/Jeker, 179. |
↑80 | Siehe BGE 137 IV 340 E. 6.1; vgl. dazu Roos/Jeker, 180 f.; Gless/Geth, 1037. |
↑81 | Hansjakob, Antennensuchläufe, Rz. 13. |
↑82 | BGE 137 IV 340 E. 6.4 und E. 6.5; siehe auch Forster, 359. |
↑83 | Vgl. BGE 137 IV 340 E. 6.5. |
↑84 | Hansjakob, Antennensuchläufe, Rz. 24 m.w.H.; ähnlich Hansjakob, Überwachungsrecht, Rz. 437; unter Art. 273 StPO diskutiert als „besondere Überwachungsart“ bei ZK StPO-Hansjakob/Pajarola, Art. 273 N 19; BSK StPO-Jean-Richard-dit-Bressel, Art. 273 N 6; vgl. auch die Botschaft zum aBÜPF 2013, 2749. |
↑85 | Vgl. so auch BGE 137 IV 340 E. 5.2, E. 5.4; Roos/Jeker, 179; dazu bereits auch Biaggini, Rz. 195 f. m.w.H. |
↑86 | So scheidet Art. 273 StPO auch gemäss Bundesgericht als gesetzliche Grundlage aus, siehe BGE 137 IV 340 E. 5. Dass die jeweilige Zielperson zumindest individualisierbar sei, da sie durch die Standortdaten bereits feststehe und nur noch ermittelt werden müsse, weshalb Art. 273 StPO eine hinreichende Gesetzesgrundlage darstellen könne, überzeugt nicht, zumal diese Argumentation auf das Ergebnis des Antennensuchlaufs abstellt, siehe dazu im Einzelnen Biaggini, Rz. 196 f. m.w.H.; Roos/Jeker, 179. |
↑87 | Siehe bereits Biaggini, 198 m.w.H. Ebenso wenig vermag die in Art. 66 Abs. 1 VÜPF und damit lediglich auf Verordnungsstufe enthaltene Begriffserläuterung des Antennensuchlaufs als hinreichende gesetzliche Grundlage genügen, dazu Biaggini, Rz. 192. |
↑88 | Kühne, 22. Auch der Bundesrat verneint unter Verweis auf Art. 260 f. StPO (für die Erfassung erkennungsdienstlicher Daten), Art. 354 Abs. 1 StGB (für deren Speicherung) und Art. 14 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die polizeilichen Informationssysteme (BPI) die Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage für den Einsatz von Gesichtsbildabgleichen zur Identifizierung einer Person im Strafverfahren, vgl. Interpellation Marti 22.3993, „Rechtliche Grundlage für die automatisierte Gesichtserkennung in Strafverfahren“. |
↑89 | Vgl. dazu auch Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 213. |
↑90 | Vgl. hierzu auch Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 213; für die AFV BGE 146 I 11 E. 3.2. |
↑91 | Ebenso Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 213. Selbiges muss mangels Normdichte auch für Art. 260 f. StPO i.V.m. Art. 354 StGB gelten, dazu im Einzelnen Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 215 ff. |
↑92 | Vgl. Kap. IV.1. |
↑93 | Vgl. dazu Bürge, 59 f. |
↑94 | Siehe hierzu Zimmerlin/Galella, 378; vgl. dazu auch Zimmerlin, 273. |
↑95 | Vgl. dazu bereits Kap. III.3; Biaggini, Rz. 386 und Rz. 388; Brunner/Kradolfer, 56 f. |
↑96 | So etwa als subsidiäre Rechtsgrundlage bei Kühne, 21. |
↑97 | So bereits Biaggini, Rz. 38 und Rz. 379; für die automatisierte Gesichtserkennung Simmler/Canova, „Smarte“ Polizeiarbeit, 114; Simmler/Canova, ZSR 2023, 215; a.A. Kühne, 21. |
↑98 | So Cartner/Schweingruber, 993 f.; vgl. dazu auch Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 214. |
↑99 | So in Bezug auf die automatisierten Gesichtserkennung Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 202. Für einen konkreten Vorschlag eines Verwertbarkeitskonzepts für Informationen aus Antennensuchläufen vgl. Biaggini, Rz. 468 ff.; zu den Ansprüchen an eine strafprozessuale Regelung für die automatisierte Gesichtserkennung Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 223 f. |
↑100 | Biaggini, Rz. 362; ebenso Bertram, 139; vgl. hierzu auch BVerfG 65, 1 (44, 61 f.). |
↑101 | Vgl. dazu auch BGE 146 I 11 E.3.3.2; BGE 149 I 218 E. 8.5.1. |
↑102 | So etwa in Bezug auf die AFV, ob neben dem Kontrollschild noch weitere Informationen wie etwa Standort, Fahrtrichtung und Zeitpunkt erfasst werden. |
↑103 | Vgl. dazu im Zusammenhang mit der AFV BGE 146 I 11 E. 3.3.2; BGE 149 I 218 E. 8.5.1. |
↑104 | Vgl. dazu für den Antennensuchlauf BGE 137 IV 340 E. 6.1; für die AFV BGE 146 I 11, E. 3.3.2; für die automatisierte Gesichtserkennung Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 223. |
↑105 | Vgl. zur Übermittlung der Daten an Dritte EGMR, Centrum för Rättvisa gegen Schweden vom 25. Mai 2021, §262 und 275. |
↑106 | BGE 146 I 11 E. 3.3.1; ebenso BGE 149 I 218 E. 8.9. |
↑107 | In BGE 137 IV 340 E. 6.4 erachtete das Bundesgericht zwei Stunden als angemessen. |
↑108 | BGE 149 I 218 E. 8.3.2. |
↑109 | Vgl. dazu im Einzelnen BGE 149 I 218 E. 8.10; Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 224. Zur periodischen Kontrolle des Einsatzes von AFV durch unabhängige Behörde als Kontrollmechanismus BGE 149 I 218 E. 8.11.2. Im Falle eines Nichttreffers erachtet das Bundesgericht ein Feststellungsgesuch i.S.v. Art. 25 Abs. 1 DSG als ausreichend, vgl. BGE 149 I 218 E. 8.10.2. |
↑110 | Vgl. dazu bereits Biaggini, Rz. 427; vgl. dazu auch BVerfGE 113, 348 (384); in diesem Sinne auch BGE 146 I 11 E. 3.2. |
↑111 | Vgl. dazu Biaggini, 427 m.w.H.; in diesem Sinne auch BGE 146 I 11 E. 3.2. |
↑112 | Vgl. dazu Kap. III.2. |
↑113 | Vgl. im Zusammenhang mit dem Antennensuchlauf bereits Biaggini, Rz. 508. |
↑114 | Biaggini, Rz. 511; vgl. hierzu auch Singelnstein, Funkzellenabfrage, 607. |
↑115 | Nach diesem dürfen Daten nur insoweit bearbeitet werden, als es für den Zweck der Datenbearbeitung notwendig ist; vgl. zur Datensparsamkeit als Ausfluss des Verhältnismässigkeitsprinzips zum aDSG SHK DSG-Baeriswyl, Art. 4 N 23; siehe weiterführend BSK DSG-Bühlmann/Reinle, Art. 6 N 220 ff. |
↑116 | So auch in Bezug auf die AFV BGE 146 I 11 E. 3.3.2; vgl. auch BGE 149 I 218 E. 8.2.1 und E. 8.9.1; im Zusammenhang mit dem Antennensuchlauf Biaggini, Rz. 232. |
↑117 | Vgl. dazu BGE 149 I 218 E. 8.9.1. |
↑118 | Ebenso Singelnstein, Funkzellenabfrage, 607. |
↑119 | Dazu im Einzelnen Biaggini, Rz. 512; vgl. auch Singelnstein, Verwendungsregeln, 856. |
↑120 | Siehe BGE 146 I 11 E. 3.3.2. |
↑121 | Siehe hierzu Biaggini, Rz. 392 m.w.H.; in diesem Sinne auch BGE 149 I 218 E. 8.9.2. Zum hypothetischen Ersatzeingriff als Beurteilungsmassstab für die Zulässigkeit von Zweckumwidmungen Biaggini, Rz. 393 ff., Rz. 399. |
↑122 | Vgl. dazu Kap. II. |
↑123 | So für den Antennensuchlauf bereits Biaggini, Rz. 513. Vgl. in Bezug auf die DNA-Massenuntersuchung Art. 9 Abs. 3 DNA-Profil-Gesetz; ZK StPO-Hansjakob/Graf, Art. 256 N 12. |
↑124 | So auch Simmler/Canova, Gesichtserkennung, 225. |
↑125 | Vgl. BGE 146 I 11 E. 3.2; grundlegend auch EGMR vom 27. März 1996 (GC), Goodwin v. The United Kingdom, no. 17488/90, §39. |