Risiko & Recht

Ausgabe 02/ 2023

Individualrisiko und Kollektivrisiko in der Risikowissenschaft und im Recht

Hansjörg Seiler*

Der Beitrag beschreibt den Unterschied zwischen Kollektiv- und Individualrisiken. In der Risikowissenschaft ist dieser Unterschied fundamental. Demgegenüber wurde er bisher in der Gesetzgebung nur teilweise und in der Rechtsprechung überhaupt nicht berücksichtigt. Das führt zu inkohärenten und widersprüchlichen Urteilen. Der Beitrag postuliert, dass auch das Recht diesen Unterschied zur Kenntnis nimmt.

* Prof. Dr. iur. Hansjörg Seiler studierte Rechtswissenschaften an der Universität Bern. Er arbeitete unter anderem als Leiter der Zentralstelle des Polyprojekts „Risiko und Sicherheit technischer Systeme“ an der ETH Zürich sowie als Leiter des Nationalfonds-Projekts „Risk Based Regulation“ und befasste sich in diesem Rahmen mit der interdisziplinären Risikoforschung und mit der rechtlichen Beurteilung von Risiken. Anschliessend war er Richter am Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Professor für öffentliches Recht an der Universität Luzern und von 2005-2021 ordentlicher Richter am schweizerischen Bundesgericht. Seither ist er im Ruhestand.

Inhalt

  1. Einleitung
  2. Begrifflichkeit
    1. Risiko
    2. Grossrisiko
    3. Individualrisiko
    4. Kollektivrisiko
    5. Verhältnis zwischen Individual- und Kollektivrisiko
  3. Individual- und Kollektivrisiko in der Risikowissenschaft
    1. Reduktion von Individual- und Kollektivrisiko
    2. Risikoaversion
  4. Individual- und Kollektivrisiko im Recht
    1. Gesetzgebung
    2. Rechtsprechung
      1. Grundrechtliche Schutzpflicht
      2. Legitimation
  5. Würdigung
    1. Allgemein
    2. Grundrechte; Grundrechtliche Schutzpflicht
    3. Legitimation
    4. Quintessenz
  6. Zusammenfassung

I. Einleitung

Risikobegrenzung ist eine klassische Aufgabe des Rechts. Alle Rechtsgebiete tragen dazu bei, hauptsächlich aber das Polizeirecht als Teil des Verwaltungsrechts.

Das gilt unabhängig davon, ob die Risiken durch menschliche Aktivitäten (z.B. Betrieb technischer Einrichtungen, Einsatz gesundheits- oder umweltgefährdender Produkte) oder durch natürliche Ereignisse (Krankheiten, Naturgefahren) resultieren. In beiden Fällen trifft das Polizeirecht Vorkehren, um Risiken zu begrenzen.
Polizeirechtliche Massnahmen zur Risikobegrenzung wurden traditionell als Instrumente der Eingriffsverwaltung betrachtet: Das Recht schreibt bestimmte risikoreduzierende Massnahmen vor, welche sich oft als Einschränkungen von Grundrechten (Wirtschaftsfreiheit, Versammlungsfreiheit, persönliche Freiheit usw.) darstellen und den entsprechenden Voraussetzungen (Art. 36 BV) genügen müssen. Die jüngere grundrechtliche Diskussion hat aus den Grundrechten auch eine staatliche Schutzpflicht abgeleitet: Wegleitend sind dafür etwa die Urteile des deutschen Bundesverfassungsgerichts zu Nuklearanlagen:[1]Kalkar, BVerfGE 49, 89; Mühlheim-Kärlich, BVerfGE 53, 30. Das Grundrecht auf Schutz von Leib und Leben verlangt, dass der Staat tätig wird, um Gefahren abzuwehren; daraus können sich verfassungsrechtliche Schutzpflichten ergeben, die es gebieten, rechtliche Regelungen so auszugestalten, dass die Gefahr von Grundrechtsverletzungen eingedämmt bleibt.[2]BGE 147 I 450 E. 3.2.3. Eine Grundrechtseinschränkung oder -verletzung liegt dann nicht darin, dass polizeiliche Massnahmen getroffen werden, welche Grundrechte einschränken, sondern umgekehrt darin, dass keine solche Massnahmen getroffen werden und deshalb Personen zu Schaden kommen.

So oder so müssen risikoreduzierende Massnahmen verhältnismässig sein. Das bedeutet, dass das Recht nicht sämtliche Risiken vermeiden kann; ein Null-Risiko kann nicht verlangt werden.[3]BGE 147 I 450 E. 3.2.3; 143 II 518 E. 5.7; 139 II 185 E. 11.3, 11.5.3. Denn das Leben ist immer lebensgefährlich: Die meisten menschlichen Aktivitäten können unter bestimmten Umständen Schäden zur Folge haben. Naturgefahren wie Blitzeinschläge, Hochwasser oder Epidemien treten regelmässig auf. Und schliesslich wird jeder Mensch einmal sterben. Ein absoluter Schutz vor allen Risiken ist deshalb schon gedanklich unmöglich. Auch die grundrechtliche Schutzpflicht verlangt nicht ein Null-Risiko: Es geht darum, das erlaubte oder akzeptable Risiko festzulegen und von unerlaubten, rechtswidrigen Risiken abzugrenzen. Nach dem Verhältnismässigkeitsprinzip ist nach dem akzeptablen Risiko zu fragen, was eine Abwägung zwischen den involvierten Interessen voraussetzt.[4]BGE 147 I 450 E. 3.2.3. Dabei gilt die Je-desto-Formel: Je grösser die drohenden Risiken sind, desto eher sind risikoreduzierende Massnahmen gerechtfertigt bzw. geboten.[5]BGE143 II 518 E. 8.3.4.

Von der Höhe oder Grösse eines Risikos zu sprechen, setzt voraus, dass man das Risiko quantifizieren kann.[6]BGE 147 I 450 E. 3.2.4.

In der Risikowissenschaft ist dabei der Unterschied zwischen Kollektiv- und Individualrisiken wichtig. Der vorliegende Beitrag will darlegen, wie in der Risikowissenschaft und im Recht mit diesen Begriffen umgegangen wird.

II. Begrifflichkeit

1. Risiko

Als Risiko wird die Möglichkeit eines unerwünschten Ereignisses bezeichnet, dies als Gegenbegriff zur Chance, welche die Möglichkeit eines erwünschten oder erhofften Ereignisses bezeichnet. Das unerwünschte Ereignis kann z.B. ein wirtschaftlicher Schaden sein. Das ist meistens gemeint im Zusammenhang mit dem Risiko einer Vermögensanlage, einer Investition usw.

In rechtlicher Hinsicht ist das unerwünschte Ereignis, das zu vermeiden ist, die Beeinträchtigung von Rechtsgütern. In der polizeirechtlichen Risikodiskussion stehen meistens Risiken für Leben und Gesundheit im Vordergrund. Aber auch Risiken für andere Güter (Sachgüter, Umweltgüter, wirtschaftliche Werte usw.) sind rechtserheblich.

Zentral für den Risikobegriff ist, dass sich seine Grösse bestimmt nach dem Ausmass der möglichen Schädigungen und der Wahrscheinlichkeit, mit der diese eintreten.[7]So Art. 2 Abs. 5 der Verordnung vom 27. Februar 1991 über den Schutz vor Störfällen (Störfallverordnung, StFV; SR 814.012); ähnlich z.B. Anhang I Ziff. 1.1.1.e der EU-Maschinenrichtlinie … Continue reading In der Regel wird das Risiko als Multiplikation von Schadenshöhe und Eintretenswahrscheinlichkeit ausgedrückt. Das erlaubt einen quantitativen Vergleich auch sehr unterschiedlicher Risiken: Man kann z.B. die Risiken aufgrund von Krankheiten, Unfällen, Naturgefahren, technischen Risiken usw. miteinander vergleichen.

Mit der Multiplikation lassen sich auch Risiken, bei denen ein kleiner Schaden mit grosser Wahrscheinlichkeit eintritt, vergleichen mit Risiken, bei denen ein grosser Schaden mit kleiner Wahrscheinlichkeit eintritt.

Beispiele:

  1. Ich erleide mit Wahrscheinlichkeit von 10% einen Schaden von 10: Das Risiko (Erwartungswert des Schadens ist) ist 1.
  2. Ich erleide mit einer Wahrscheinlichkeit von 1% einen Schaden von 100: Das Risiko ist ebenfalls 1.
  3. Ich erleide mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,01% einen Schaden von 1000: Das Risiko ist 0,1, also zehnmal kleiner.

2. Grossrisiko

In der allgemeinen und z.T. auch in der rechtlichen Risikodiskussion wird manchmal von Grossrisiken gesprochen. Geht man von der Definition „Risiko = Schaden × Wahrscheinlichkeit“ aus, kann ein grosses Risiko sowohl darin liegen, dass ein hoher Schaden droht als auch dass ein Schaden mit einer hohen Wahrscheinlichkeit droht. Im obigen Beispiel ist das Risiko 3 im Vergleich zu den Risiken 1 und 2 kein Grossrisiko, obwohl der drohende Schaden viel grösser ist.

In der allgemeinen, wie in der juristischen Diskussion, ist nicht immer klar, wie der Begriff der Grossrisiken verstanden wird.

Er ist vor allem im Zusammenhang mit dem Versicherungsrecht geläufig: Dort bezeichnet er Risiken, die nicht oder schwer versicherbar sind, weil sie entweder ein sehr hohes Schadenspotenzial haben oder weil ihre Eintretenswahrscheinlichkeit derart ungewiss ist, dass eine versicherungsmathematische Risikokalkulation nicht möglich ist.

Auch umgangssprachlich wird der Begriff der Grossrisiken oft verwendet für Risiken mit einem grossen Schadenspotenzial, auch wenn die Eintretenswahrscheinlichkeiten gering sind. Im obigen Beispiel wäre dann das Risiko 3 ein Grossrisiko im Vergleich zu den Risiken 1 und 2.

3. Individualrisiko

Individualrisiko ist das Risiko eines bestimmten Individuums. Das Risiko ist das Produkt aus dem Schaden, der diesem bestimmten Individuum droht, und der Wahrscheinlichkeit, mit der dieser Schaden eintritt. Beispiel: Ein Hochwasser kann das Grundstück eines bestimmten Grundeigentümers verwüsten; das Risiko ergibt sich aus der Multiplikation der verwüsteten Fläche mit der Wahrscheinlichkeit, dass diese Fläche verwüstet wird.

Wird das Individualrisiko auf den Tod bezogen, ist das Risiko (individuelles Todesfallrisiko) gleichbedeutend mit der Sterbewahrscheinlichkeit. Da jeder Mensch einmal sterben wird, ist das individuelle Todesfallrisiko bezogen auf das ganze Leben immer 1 (bzw. 100%). So allgemein betrachtet ist eine Risikoaussage sinnlos.

Das individuelle Todesfallrisiko kann nur sinnvoll in Bezug auf ein bestimmtes Ereignis verstanden sein, z.B. die Wahrscheinlichkeit, an einer bestimmten Ursache (Krankheit, Unfall, Gewaltdelikte usw.) zu sterben, und/oder auf einen bestimmten Zeitraum, z.B. die Wahrscheinlichkeit, im nächsten Jahr an einem Strassenverkehrsunfall, an einem Berufsunfall, an Grippe oder infolge eines Gewaltdelikts zu sterben.

Die individuelle Todesfallwahrscheinlichkeit kann je nach Bevölkerungsgruppe sehr unterschiedlich sein: Für 90-Jährige ist die Wahrscheinlichkeit, im nächsten Jahr zu sterben, deutlich höher als für 20-Jährige. Für Forstarbeiter ist die Wahrscheinlichkeit, bei einem Berufsunfall zu sterben, bedeutend höher als bei Personen mit Büroberufen. Für Berufspiloten ist das Risiko, bei einem Flugzeugabsturz zu sterben, höher als bei jemandem, der nie fliegt.

Man kann Aussagen machen zu Durchschnittsrisiken, z.B. das durchschnittliche individuelle Risiko der Schweizer Wohnbevölkerung, im nächsten Jahr an einem Berufsunfall zu sterben, doch handelt es sich dabei um Durchschnittswerte, welche – wie alle Durchschnittswerte – die grossen Unterschiede zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen nicht zum Ausdruck bringen.

Bezogen auf die Todesfallrisiken ist das individuelle Risiko immer maximal ein Todesfall. Denn mehr als einmal sterben kann ein Mensch nicht. Das bedeutet auch, dass bezogen auf Individualrisiken der Begriff des Grossrisikos nicht sinnvoll ist. Mehr oder weniger gross ist nur die Wahrscheinlichkeit einer bestimmten Todesursache. Aber das Schadenspotenzial ist immer maximal ein Toter.

4. Kollektivrisiko

Das Kollektivrisiko ist das Risiko, das ein bestimmtes Kollektiv trägt. Auch hier ist eine Bezugsgrösse erforderlich. Man kann z.B. das Todesfallrisiko der Bevölkerung eines bestimmten Landes für eine bestimmte Todesursache für einen bestimmten Zeitraum betrachten. So sterben z.B. in der Schweiz ca. 200 Personen pro Jahr an Strassenverkehrsunfällen. Das heisst, das jährliche kollektive Strassenverkehrsunfall-Todesrisiko in der Schweiz beträgt 200.

Manche Risikoquellen führen mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten zu unterschiedlichen Schäden. So kann z.B. ein bestimmter Fluss durchschnittlich jedes Jahr einmal über die Ufer treten und jeweils geringe Schäden verursachen. Es sind auch stärkere Hochwasser möglich, die grössere Schäden verursachen, aber dafür seltener auftreten.

Auch hier gilt die Produkteformel Schadenshöhe mal Wahrscheinlichkeit: Ein Hochwasser, welches mit einer Wahrscheinlichkeit von 1%/Jahr 10 Tote zur Folge hat, ist ein gleich hohes Kollektivrisiko, wie ein Hochwasser, das mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,1%/Jahr 100 Tote zur Folge hat: Beide Ereignisse haben den Erwartungswert von 0,1 Tote pro Jahr.

Von Bedeutung ist aber nicht nur das Risiko eines einzelnen Hochwassers, denn es gibt verschiedene Hochwasser mit unterschiedlichen Tragweiten und unterschiedlichen Eintretenswahrscheinlichkeiten. Interessant ist das Gesamt-Kollektivrisiko, das von diesem Fluss ausgeht. Typischerweise sind stärkere Hochwasser seltener als geringere. Das Gesamt-Kollektivrisiko wird so ermittelt, dass für jedes einzelne Szenario das Schadensausmass und die Eintretenswahrscheinlichkeit erfasst wird. Das Ergebnis wird in einem Diagramm (Wahrscheinlichkeits‑/​Ausmass-Diagramm) dargestellt.

Das Kollektivrisiko entspricht dann der Fläche unterhalb der schrägen Linie.

In Bezug auf das Kollektivrisiko ist der Begriff des Grossrisikos eher aussagekräftig. Allerdings kann er eben sowohl Risiken bezeichnen, die selten viele Todesfälle bewirken als auch Risiken, die häufig geringe Schäden bewirken. So mag z.B. ein Flugzeugabsturz mit Hunderten von Toten als Grossrisiko betrachtet werden, aber effektiv ist das Kollektivrisiko von Flugzeugabstürzen viel kleiner als das Kollektivrisiko des Strassenverkehrs, der sehr häufig Tote verursacht, allerdings in der Regel jeweils nur wenige pro Ereignis.

5. Verhältnis zwischen Individual- und Kollektivrisiko

In einer bestimmten Bevölkerungsgruppe ist die Summe aller Individualrisiken der Angehörigen dieser Gruppe gleich dem Kollektivrisiko dieser Gruppe. Und umgekehrt: Das Kollektivrisiko eines bestimmten Ereignisses für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, dividiert durch die Anzahl dieser Bevölkerung, ergibt das durchschnittliche Individualrisiko für die Angehörigen dieser Bevölkerungsgruppe.

Beispiel: In der Schweiz sterben jährlich ca. 200 Personen an Strassenverkehrsunfällen. Das Kollektivrisiko ist also 200 Tote pro Jahr. Dividiert durch eine Bevölkerung von (aufgerundet) 10 Mio. ergibt dies ein durchschnittliches jährliches Individualrisiko von 2 × 10-5.[8]Unter der vereinfachenden Annahme, dass alle Todesfallopfer der schweizerischen Wohnbevölkerung angehören. In der Realität sterben in der Schweiz auch einige Personen, die im Ausland wohnen und … Continue reading

Je grösser das Kollektivrisiko ist, desto grösser ist in diesem Beispiel auch das Individualrisiko. Würde sich die Zahl der Strassenverkehrsunfall-Todesopfer verdoppeln, so würden sich sowohl das Kollektivrisiko als auch (bei gleichbleibender Bevölkerungszahl) das durchschnittliche Individualrisiko verdoppeln.

Anders verhält es sich aber, wenn sich die Vergrösserung des Kollektivrisikos nur aus einer Vergrösserung des Schadenspotenzials ergibt, bei gleichbleibender oder gar tieferer Eintretenswahrscheinlichkeit.

So ist z.B. die Wahrscheinlichkeit, dass ein Flugzeug abstürzt, ca. 10-6 pro Flug. Geht man vereinfachend[9]Aber nicht weit von der Realität entfernt. davon aus, dass der Absturz mit 100% Wahrscheinlichkeit zum Tod aller Personen im Flugzeug führt, ist somit das individuelle Sterbensrisiko für jede einzelne Person 10-6 pro Flug. Befinden sich 100 Personen im Flugzeug, ist somit das Kollektivrisiko 10-4 Tote pro Flug. Befinden sich hingegen 300 Personen im Flugzeug, ist das Kollektivrisiko dreimal so hoch, also 3 × 10-4. Das Individualrisiko für jeden Einzelnen ist aber unverändert 10-6.

Oder ein anderes Beispiel:

  • Eine bestimmte Lokalität wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 1%/Jahr von einer Lawine bedroht, welche für die Personen, die sich dort aufhalten, tödlich ist. Das individuelle Todesfallrisiko ist also für die Personen, die sich dort befinden, 1% bzw. 0,01 pro Jahr.
  • Befinden sich in der betroffenen Lokalität durchschnittlich 100 Personen, ist das Kollektivrisiko somit 1 Todesfall/Jahr.
  • Befinden sich dort aber durchschnittlich 1000 Personen, ist das Kollektivrisiko 10 Todesfälle/Jahr. Das Individualrisiko ist aber unverändert 0,01/Jahr.

Aus diesen Beispielen wird ersichtlich, dass ein hohes Individualrisiko nicht zwingend mit einem hohen Kollektivrisiko korreliert: Ist das Schadenspotenzial hoch, aber die Eintretenswahrscheinlichkeit klein, ist das Individualrisiko klein, auch wenn das Kollektivrisiko gross sein mag. Ist umgekehrt die Eintretenswahrscheinlichkeit (für einen bestimmten Personenkreis) hoch, aber das Schadenspotenzial gering (weil nur ein kleiner Personenkreis betroffen ist), so ist das Individualrisiko für die Angehörigen dieses Personenkreises hoch, aber das Kollektivrisiko gering.

Beim Kollektivrisiko kommt nicht zum Ausdruck, dass die Individualrisiken sehr unterschiedlich sein können. So sind beim Beispiel mit der Lawine nur diejenigen Personen einem Risiko ausgesetzt, die sich im potenziellen Verschüttungsbereich aufhalten. Für die Personen ausserhalb davon ist das Individualrisiko null.

Beim Individualrisiko kommt hingegen nicht zum Ausdruck, dass das Schadensausmass sehr hoch sein kann: Ob bei einem Ereignis, das mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eintritt (z.B. Flugzeugabsturz), 10 oder 1000 Personen sterben, ist für das Individualrisiko unerheblich.

Die Aussage, eine bestimmte Aktivität oder Anlage stelle ein hohes oder grosses Risiko dar, ist also ungenau, wenn nicht gesagt wird, ob es sich um ein hohes Individual- oder ein hohes Kollektivrisiko handelt.

III. Individual- und Kollektivrisiko in der Risikowissenschaft

1. Reduktion von Individual- und Kollektivrisiko

Die Risikowissenschaft untersucht, wie hoch Risiken sind und wie sie sich am besten begrenzen lassen.

Risikoreduzierende Massnahmen können sich unterschiedlich auswirken, je nachdem, ob das Individual- oder das Kollektivrisiko reduziert wird:

Im vorherigen Beispiel mit der Lawine: Man vergleiche zwei Varianten zur Risikoreduktion:

  1. Bau einer Lawinenverbauung, welche die Wahrscheinlichkeit, dass eine tödliche Lawine den Ort erreicht, auf 0,1%/Jahr (bzw. 10-3) reduziert.
  2. Reduktion der Bevölkerungszahl, die am betroffenen Ort lebt, von 100 auf 10.

Betrachtet man das Kollektivrisiko, sind beide Alternativen gleichwertig: Bei beiden wird das Kollektivrisiko um den Faktor zehn reduziert, d.h. auf 0,1 Todesfälle pro Jahr.

Betrachtet man das Individualrisiko, wirken sich die beiden Alternativen aber unterschiedlich aus:

  • Bei der ersten Alternative wird das Individualrisiko für die betroffene Bevölkerung ebenfalls um den Faktor 10 auf 10-3/Jahr reduziert.
  • Bei der zweiten Alternative wird das Individualrisiko für die 10 Personen, die weiterhin in der bedrohten Zone leben, nicht reduziert. Hingegen reduziert sich das Individualrisiko für diejenigen Personen, die umgesiedelt werden, auf 0.

Soll nun der Fokus der risikoreduzierenden Massnahmen primär auf dem Kollektiv- oder dem Individualrisiko liegen?

Für das einzelne Individuum ist in erster Linie sein individuelles Risiko von Bedeutung. Für die Gesellschaft als gesamtes ist hingegen das Kollektivrisiko bedeutsamer.

In der Risikowissenschaft ist daher ein doppelter Ansatz verbreitet, um das akzeptable Risiko zu definieren:[10]Vgl. Hansjörg Seiler, Risikobasiertes Recht, Bern 2000, 44 ff.

Einerseits wird das maximal akzeptable Individualrisiko mit einem Individualrisikogrenzwert definiert. Andererseits wird das Kollektivrisiko begrenzt. Dafür werden in der Risikowissenschaft hauptsächlich zwei Methoden vorgeschlagen. In der einen Methode wird das tragbare Risiko mittels Akzeptabilitätslinie im W/A-Diagramm (siehe oben, II.2.) absolut festgelegt, in der anderen Methode wird auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Sicherheitsmassnahmen abgestellt: Risiken sind tragbar, sofern die zusätzlichen Massnahmen, um diese Risiken zu reduzieren oder zu vermeiden, teurer wären als die dadurch vermiedenen, monetär bewerteten Risiken.[11]Bundesamt für Umwelt, Beurteilungskriterien zur Störfallverordnung (StFV), Ein Modul des Handbuchs zur Störfallverordnung (StFV). 2018, 25.

Die erste Methode setzt eine bestimmte Bezugsgrösse voraus, z.B. eine bestimmte Anlage. Damit hängt das akzeptable Gesamtrisiko von der Umschreibung oder Grösse der Anlage ab. Wird z.B. das akzeptable Kollektivrisiko für Flugunfälle auf maximal 10-4 Todesfälle pro Flug begrenzt, so können kleinere Flugzeuge diese Limite eher einhalten als grössere, wie aus dem obigen Beispiel hervorgeht.

Das ist aber höchstens sinnvoll, wenn man die Anlage ohne Bezug auf ihren Nutzen betrachtet. Bezieht man hingegen auch den Nutzen in die Bewertung ein (Beförderung einer bestimmten Zahl von Passagieren), so macht eine solche Betrachtung keinen Sinn: Sollen 300 Personen transportiert werden und verwendet man drei Flugzeuge à 100 Personen, so hält jedes davon die Kollektivrisikogrenze von 10-4 Todesfällen ein. Gesamthaft ist das Kollektivrisiko aber 3 × 10-4. Verwendet man ein Flugzeug mit 300 Passagieren, so ist das Kollektivrisiko dieses Fluges 3 × 10-4, womit die Grenze überschritten ist, obwohl das Kollektivrisiko gleich gross ist wie im ersten Fall (ebenso ist das Individualrisiko unverändert 10-6).

Sinnvoller erscheint daher der Grenzkostenansatz: Er vermeidet die Problematik der Bezugsgrösse. Er ist zudem neutral gegenüber der Risikoquelle, was sinnvoll ist: Denn wenn das Ziel der Schutz von Leben und Gesundheit ist, dann spielt es keine Rolle, ob diese durch Krankheit, Unfälle, Kriminalität, Naturgefahren oder technische Anlagen beeinträchtigt werden.

Zudem optimiert der Ansatz die Risikosituation: Er entspricht einer Kosten‑/​Nutzen- oder Kosten‑/​Wirksamkeitsüberlegung: In erster Linie sollen Sicherheitsmassnahmen dort getroffen werden, wo mit wenig Mitteln eine starke Risikoreduktion erreicht wird. Dadurch werden mit den zur Verfügung stehenden Mitteln am meisten Schadenfälle vermieden oder Menschenleben gerettet.

Voraussetzung ist allerdings, dass die Höhe der Risiken sowie die Kosten und die Wirksamkeit der risikoreduzierenden Massnahmen einigermassen zuverlässig bekannt sind. Zu den Kosten der risikoreduzierenden Massnahmen gehört natürlich auch der entgangene Nutzen aus einer Tätigkeit, die zwecks Risikoreduktion angeordnet wird. Wird z.B. zwecks Pandemiebekämpfung die Schliessung von Gastronomiebetrieben angeordnet, ist der wirtschaftliche Schaden, der durch diese Schliessung verursacht wird, Teil der Massnahmenkosten. Wird eine Energieproduktionsanlage (Kernkraftwerk, Wasserkraftwerk usw.) ausser Betrieb genommen, weil die Sicherheit nicht mehr hinreichend gewährleistet ist, gehört die ausgefallene Energieproduktion zu den Kosten der Sicherheitsmassnahmen. Solche Schadensbemessungen sind sehr komplex und können natürlich nie exakt erfolgen.

Der Grenzkostenansatz schliesst zudem nicht aus, dass einzelne Personen weiterhin hohe Individualrisiken tragen. Das zeigt sich exemplarisch am Beispiel mit der Lawine:

Angenommen, die Lawinenverbauung kostet pro Jahr (Baukosten, umgerechnet auf die Lebensdauer der Verbauung, Unterhalt) 100’000 Franken. Wird bei einer bedrohten Bevölkerungszahl von 100 Personen das Todesfallrisiko von 1 auf 0,1 Tote pro Jahr reduziert, ergeben sich somit Kosten von ca. 111’000 Franken pro gerettetes Menschenlebensjahr. Geht man davon aus, dass ein Betrag von ca. 100’000 Franken pro gerettetes Menschenlebensjahr[12]Vgl. BGE 136 V 395 E. 7.6; in der nachfolgenden Diskussion wurde dieses Urteil oft so interpretiert, dass das Bundesgericht den Betrag von 100’000 Franken pro gerettetes Menschenlebensjahr als … Continue reading gerechtfertigt ist, liegt dies noch im Grenzbereich des Angemessenen.

Würde sich aber im betroffenen Gebiet nur eine Person befinden, so wären die Kosten mit 10 Mio. Franken pro gerettetes Menschenlebensjahr exorbitant. Die Lawinenverbauung würde nicht errichtet, obwohl das Individual-Todesfallrisiko für diese eine Person weiterhin 1% pro Jahr ist.

2. Risikoaversion

In der Risikowissenschaft wird bisweilen ein sog. Risikoaversionsfaktor angewendet:

Die Risikoaversion ist ein Element in der Bewertung von Risiken, mit dem das Schadensausmass von Grossereignissen gegenüber der Wahrscheinlichkeit überproportional stark gewichtet wird, um damit die besonderen Auswirkungen solcher Ereignisse abzubilden.[13]Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS), Glossar der Risikobegriffe, 2013, 42 Mathematisch wird diese Aversion so gehandhabt, dass Schaden und Wahrscheinlichkeit nicht einfach multipliziert werden, sondern der Schaden mit einem Faktor, der (bisweilen deutlich) höher als 1 liegt, gewichtet wird.[14]BABS, Glossar, 43.

Damit wird im Ergebnis der Begriff des grossen Risikos der umgangssprachlichen Verwendung des Grossrisikobegriffs angenähert, wonach damit Risiken mit grossem Schadenspotenzial gemeint sind (siehe oben, II.2.).

Die einseitige Fokussierung auf grosse Schadenspotenziale hat aber zur Folge, dass insgesamt nicht die bestmögliche Risikoreduktion erfolgt und auch, dass u.U. hohe Individualrisiken in Kauf genommen werden.

Das lässt sich am Beispiel der Prävention von Gewaltdelikten zeigen: In der Schweiz sterben jährlich ca. 40-50 Personen aufgrund von Gewaltdelikten. Dabei handelt es sich in aller Regel um Delikte mit jeweils einzelnen oder wenigen Getöteten. Sowohl das durchschnittliche Individual- als auch das Kollektivrisiko sind klein.

Es sind aber ohne weiteres auch Gewaltdelikte mit enormem Schadenspotenzial denkbar. Man muss dabei nicht einmal an Terroristen mit Atombomben denken, es reicht, ein gekapertes Flugzeug in ein vollgefülltes Fussballstadion abstürzen zu lassen. Die Wahrscheinlichkeit solcher Szenarien ist allerdings klein, so dass das mathematisch berechnete Kollektivrisiko insgesamt nicht extrem hoch ist.

Umgekehrt gibt es einzelne Individuen, die durch Gewaltdelikte besonders gefährdet sind (z.B. bestimmte Magistratspersonen; Personen in gewaltgeprägten Beziehungen) und ein entsprechend erhöhtes Individualrisiko tragen, auch wenn sie nur einen vernachlässigbaren Beitrag zum Kollektivrisiko beitragen.

Würde nun ein sehr hoher Aversionsfaktor angenommen und demzufolge die Risikobewertung primär auf das mögliche Schadensausmass fokussiert, so erscheinen grosse Terroranschläge als das weitaus grösste Gewaltrisiko und alle für die Gewaltprävention verfügbaren Mittel müssten in die Verhinderung solcher Terroranschläge fliessen. Massnahmen für die Prävention anderer Gewaltdelikte wären demgegenüber nicht gerechtfertigt, auch dann nicht, wenn es um hohe Individualrisiken geht.

IV. Individual- und Kollektivrisiko im Recht

1. Gesetzgebung

Der Risikobegriff kommt in der Gesetzgebung oft vor im Zusammenhang mit versicherungstechnischen Risiken[15]Z.B. Art. 22 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 2004 betreffend die Aufsicht über Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz, VAG; SR 961.01); Art. 16 ff. des Bundesgesetzes vom … Continue reading oder mit dem Risikomanagement von Finanzinstituten.[16]Z.B. Art. 3f und 3g des Bundesgesetzes vom 8. November 1934 über die Banken und Sparkassen (Bankengesetz, BankG; SR 952.0); Art. 12 und 14e der Verordnung vom 30. April 2014 über die Banken … Continue reading

Polizeirechtliche Rechtsnormen, welche die Begrenzung von Risiken bezwecken, enthalten demgegenüber meistens keine ausdrücklichen quantitativen Aussagen über das akzeptable Risiko, sondern sie schreiben eher konkrete Massnahmen vor, mit denen Risiken zu begrenzen sind. So dienen z.B. Strassenverkehrsregeln (Höchstgeschwindigkeiten usw.) oder Vorschriften über Bau und Ausrüstung von Strassenfahrzeugen dazu, die Risiken des Strassenverkehrs zu reduzieren. Risikoüberlegungen liegen allenfalls diesen Massnahmen zugrunde, aber in der Rechtsanwendung ist nicht massgebend, wie hoch das Risiko ist, sondern ob die vorgeschriebenen Massnahmen eingehalten werden oder nicht.

In einigen Rechtsvorschriften wird aber ausdrücklich im einzelnen Rechtsanwendungsfall eine Risikobewertung als Voraussetzung für die Zulassung oder Bewilligung bestimmter Aktivitäten verlangt und von tragbaren oder nicht tragbaren Risiken gesprochen.[17]Z.B. Art. 16 des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 2000 über den Schutz vor gefährlichen Stoffen und Zubereitungen (Chemikaliengesetz, ChemG; SR 813.1); Art. 6 ff. StFV; Art. 5 ff. der … Continue reading

Dabei wird in der Regel nicht ausdrücklich von Kollektiv- und Individualrisiko gesprochen. Manchmal ergibt sich allerdings aus dem Zusammenhang, dass das eine oder das andere gemeint ist.

So gilt z.B. Art. 10 des Umweltschutzgesetzes vom 7. Oktober 1983[18]USG; SR 814.01. mit dem Marginale „Katastrophenschutz“ für Anlagen, die bei ausserordentlichen Ereignissen den Menschen oder seine natürliche Umwelt schwer schädigen können. Es geht also um Risiken mit relativ kleiner Eintretenswahrscheinlichkeit, aber mit hohem Schadenspotenzial, so dass trotz geringem Individualrisiko das Kollektivrisiko hoch sein kann. Daher betrifft die Risikoermittlung und -beurteilung, die gemäss Art. 6 ff. der auf Art. 10 USG gestützten StFV zu erfolgen hat, das Kollektivrisiko. Das ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus der Verordnung, wohl aber aus dem dazu erlassenen Handbuch.[19]Bundesamt für Umwelt, Beurteilungskriterien zur Störfallverordnung (StFV). Ein Modul des Handbuchs zur Störfallverordnung (StFV). 2018, 15.

Berufsunfälle sind statistisch gesehen meistens Einzelfälle mit wenig Beteiligten. Es sind je nach Betrieb und Gefahrenexposition aber auch grössere Unfallereignisse mit vielen Toten oder Verletzten denkbar. In der Arbeitssicherheit werden daher sowohl die Individual- als auch die Kollektivrisiken betrachtet.[20]Art. 11a der Verordnung vom 19. Dezember 1983 über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten (Verordnung über die Unfallverhütung, VUV; SR 832.30) in Verbindung mit EKAS Richtlinie Nr. … Continue reading

Bei den Risikoabklärungen, welche aufgrund des Bundesgesetzes vom 15. Juni 2018 über genetische Untersuchungen beim Menschen[21]GUMG; SR 810.12. als Voraussetzung für bestimmte Untersuchungen zu erstellen sind,[22]Art. 16, 19 ff. GUMG. geht es hingegen immer um Individualrisiken.

Im Kernenergie- und Strahlenschutzrecht hat der doppelte Ansatz, wie er in der Risikowissenschaft vertreten ist (siehe oben III.1.), Niederschlag gefunden:

  • Einerseits muss eine Kernanlage so ausgelegt werden, dass bei Störfällen bestimmte (von der Eintretenswahrscheinlichkeit abhängige) maximale Dosiswerte für Einzelpersonen der Bevölkerung eingehalten werden können.[23]Art. 8 Abs. 4 und 4bis der Kernenergieverordnung vom 10. Dezember 2004 (KEV; SR 732.11); Art. 123 Abs. 2 der Strahlenschutzverordnung vom 26. April 2017 (StSV; SR 814.501). Ein Kernkraftwerk muss ausser Betrieb genommen werden, wenn dieser Grenzwert überschritten wird. Dies dient der Begrenzung des Individualrisikos, das aus der entsprechenden Dosis resultiert.
  • Zusätzlich muss aber auch ein ausreichender Schutz gegen auslegungsüberschreitende Störfälle gewährleistet sein,[24]Art. 8 Abs. 5 KEV. indem eine maximale Eintretenswahrscheinlichkeit einer Kernschmelze definiert wird und für geringere Eintretenswahrscheinlichkeiten angemessene Vorkehren getroffen werden müssen.[25]Art. 12 der Verordnung des UVEK vom 17. Juni 2009 über die Gefährdungsannahmen und die Bewertung des Schutzes gegen Störfälle in Kernanlagen (SR 732.112.2). Damit wird das hohe Kollektivrisiko begrenzt, das sich bei einer Kernschmelze ergäbe.

2. Rechtsprechung

Die Rechtsprechung geht wie die Risikowissenschaft und die Gesetzgebung davon aus, dass für die Risikobeurteilung (und die Prüfung der Verhältnismässigkeit risikoreduzierender Massnahmen) die Schwere und die Eintretenswahrscheinlichkeiten der drohenden Schäden massgebend sind.[26]BGE 147 I 450 E. 3.2.4.

Hingegen werden die Begriffe des Kollektiv- und Individualrisikos kaum verwendet. In der Rechtsprechung des Bundesgerichts tauchen die Begriffe nicht ausdrücklich auf. In einigen Fällen wird implizit freilich klar, dass von Kollektivrisiken gesprochen wird, so im Zusammenhang mit Massnahmen der Pandemiebekämpfung[27]Vgl. etwa BGE 147 I 450 E. 3; 148 I 19 E. 6. oder im Zusammenhang mit der Störfallverordnung, wo auf deren Kollektivrisikolimiten abgestellt wird.[28]BGE 127 II 18. In anderen Fällen stellt die Rechtsprechung auf das Individualrisiko ab, so wenn es die Einhaltung der für Kernkraftwerkstörfälle geltenden Dosisgrenzwerte prüft,[29]Bundesgericht, Urteil 2C_206/2019 vom 25. März 2021. weil dieser Grenzwert sich auf einzelne Individuen bezieht.

Aber nicht nur terminologisch, sondern auch in der Sache wird die Unterscheidung nicht reflektiert. Das ist nachfolgend an einigen Beispielen zu illustrieren:

a) Grundrechtliche Schutzpflicht

Die grundrechtliche Schutzpflicht bei technischen Risiken wurde vor allem in der deutschen Judikatur zur Kernenergie entwickelt, wegleitend im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Schnellen Brüter Kalkar.[30]BVerfGer 2 BvL 8/77 vom 8. August 1978. Das Gericht entschied, die einschlägigen Bestimmungen des Atomgesetzes würden nicht gegen Grundrechte oder objektivrechtliche, aus der Grundrechtsordnung herzuleitende Schutzpflichten verstossen, weil die in diesen Bestimmungen enthaltenen Genehmigungsvoraussetzungen inhaltlich so gefasst seien, dass es durch die Genehmigungen und ihre Folgen nicht zu Grundrechtsverletzungen kommen dürfe. Denn klar sei: „Wie auch immer die Begriffe der Vorsorge, des Schadens und – damit im Zusammenhang – der Gefahr oder des Restrisikos bei Auslegung dieser Vorschrift zu bestimmen sind, aus verfassungsrechtlicher Sicht schließt das Gesetz die Genehmigung dann aus, wenn die Errichtung oder der Betrieb der Anlage zu Schäden führt, die sich als Grundrechtsverletzungen darstellen. Das Gesetz nimmt insoweit jedenfalls keinen anlagespezifischen Restschaden oder Mindestschaden irgendwelcher Art in Kauf, der im Lichte des Grundrechts des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 oder anderer Grundrechte als Grundrechtsverletzung anzusehen wäre.“[31]BVerfGer 2 BvL 8/77 vom 8. August 1978, Rz. 113.

Das Gericht führt dann weiter aus, dass das Gesetz Genehmigungen auch dann zulasse, wenn es sich nicht völlig ausschließen lasse, dass künftig durch die Errichtung oder den Betrieb der Anlage ein Schaden auftreten wird. Die Vorschrift nehme insoweit ein Restrisiko in Kauf. Jedoch: „Auch Regelungen, die im Laufe ihrer Vollziehung zu einer nicht unerheblichen Grundrechtsgefährdung führen, können selbst schon mit dem Grundgesetz in Widerspruch geraten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts enthalten die grundrechtlichen Verbürgungen nicht lediglich subjektive Abwehrrechte des Einzelnen gegen die öffentliche Gewalt, sondern stellen zugleich objektivrechtliche Wertentscheidungen der Verfassung dar, die für alle Bereiche der Rechtsordnung gelten und Richtlinien für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung geben“.[32]BVerfGer 2 BvL 8/77 vom 8. August 1978, Rz. 115. „Was die Schäden an Leben, Gesundheit und Sachgütern anbetrifft, so hat der Gesetzgeber durch die in § 1 Nr. 2 und in § 7 Abs. 2 AtomG niedergelegten Grundsätze der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge einen Maßstab aufgerichtet, der Genehmigungen nur dann zuläßt, wenn es nach dem Stand von Wissenschaft und Technik praktisch ausgeschlossen erscheint, daß solche Schadensereignisse eintreten werden (…). Ungewißheiten jenseits dieser Schwelle praktischer Vernunft haben ihre Ursache in den Grenzen des menschlichen Erkenntnisvermögens; sie sind unentrinnbar und insofern als sozialadäquate Lasten von allen Bürgern zu tragen. Bei der gegenwärtigen Ausgestaltung des Atomrechts läßt sich insoweit eine Verletzung von Schutzpflichten durch den Gesetzgeber nicht feststellen“.[33]BVerfGer 2 BvL 8/77 vom 8. August 1978, Rz. 118.

Würde man diese Formulierungen ernst nehmen, wären zahlreiche Lebensaktivitäten – beispielweise Strassen‑, Eisenbahn- oder Luftverkehr – per se grundrechtswidrig. Denn bei diesen Aktivitäten sind Schadensereignisse nicht „praktisch ausgeschlossen“ und höchstens „jenseits der Schwelle der praktischen Vernunft“ denkbar. Im Gegenteil gibt es bei diesen Aktivitäten effektiv und praktisch regelmässig Schadensereignisse, welche Tod und Gesundheitsbeeinträchtigungen bewirken, also zu „Restschaden oder Mindestschaden“ führen, die als Grundrechtsverletzung anzusehen wären.

Die Formulierung des Gerichts ist nur verständlich, wenn man davon ausgeht, dass das Risiko eines Schnellen Brüters (oder generell von Kernanlagen) unvergleichlich grösser sei als dasjenige anderer Anlagen oder Aktivitäten. Dies kann sich indessen einzig auf das Kollektivrisiko beziehen. Denn das Individualrisiko, durch einen Kernkraftwerkunfall ums Leben zu kommen, ist selbst für Anwohner von Kernanlagen deutlich kleiner als das Individualrisiko, das aus vielen anderen Aktivitäten herrührt.

Zudem hat das Bundesverfassungsgericht offensichtlich nicht das Kollektivrisiko (Schaden mal Wahrscheinlichkeit), sondern nur das Kollektiv-Schadenspotenzial im Auge und lässt sich dadurch zu Aussagen verführen, die – wenn man sie ernst nähme – die meisten menschlichen Aktivitäten als unzulässig erscheinen liessen. Implizit geht das Gericht davon aus, dass bei Risiken mit hohem Kollektivgefährdungspotenzial die grundrechtliche Schutzpflicht strenger ist als bei anderen Risiken, auch wenn diese effektiv viel höher sind. Es geht somit von einem hohen Aversionsfaktor (siehe oben, III.2.) aus.

Völlig anders ist die Optik des Bundesverfassungsgerichts im Urteil betreffend Abschussermächtigung im Luftsicherheitsgesetz:[34]Urteil 1 BvR 357/05 vom 15. Februar 2006. Der Gesetzgeber hatte im Nachgang zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ein Gesetz erlassen, welches die Bundeswehr ermächtigte, Luftfahrzeuge, die als Tatwaffe gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden sollen, abzuschiessen.

Das Dilemma ist offensichtlich: Mit dem Abschuss tötet der Staat Personen, auch Unschuldige, die im Flugzeug sitzen. Umgekehrt schützt er das Leben derjenigen, die sonst durch den Terroranschlag getötet würden. Im Lichte der grundrechtlichen Schutzpflicht und des bestmöglichen Grundrechtsschutzes wäre nun anzunehmen, dass das Gericht prüft, bei welchem Szenario (Abschuss oder Nicht-Abschuss) das Kollektivrisiko grösser ist. Wenn man – wie im Kalkar-Entscheid – von einem hohen Aversionsfaktor ausgeht, müsste man alles daransetzen, terroristische Anschläge mit hohem Gefährdungspotenzial unbedingt zu vermeiden. Wenn also wirklich eine relevante Möglichkeit besteht, dass das Flugzeug zur Tötung sehr vieler Menschen verwendet wird, müsste der Staat grundrechtlich verpflichtet sein, das Flugzeug abzuschiessen, weil damit am meisten Menschenleben gerettet werden.

Das Bundesverfassungsgericht entscheidet aber gegenteilig und beurteilt das Gesetz als verfassungswidrig: Es argumentiert, der Abschuss eines Flugzeuges greife in das Grundrecht auf Leben der Besatzung und der Passagiere des betroffenen Flugzeugs ein. Dies lasse sich nicht rechtfertigen: Die Passagiere würden dadurch, dass ihre Tötung als Mittel zur Rettung anderer benutzt wird, verdinglicht und zugleich entrechtlicht, indem über ihr Leben von Staats wegen einseitig verfügt wird.[35]Urteil 1 BvR 357/05 vom 15. Februar 2006, Rz. 124. Dass die Passagiere in einer solchen Situation sehr wahrscheinlich ohnehin dem Tode geweiht seien, vermöge der Tötung unschuldiger Menschen nicht den Charakter eines Verstosses gegen den Würdeanspruch dieser Menschen zu nehmen, da menschliches Leben und menschliche Würde ohne Rücksicht auf die Dauer der physischen Existenz des einzelnen Menschen gleichen verfassungsrechtlichen Schutz geniessen.[36]Urteil 1 BvR 357/05 vom 15. Februar 2006, Rz. 132. Der Abschuss lasse sich auch nicht mit der grundrechtlichen Schutzpflicht zu Gunsten der vom Terrorakt bedrohten Personen rechtfertigen, da zur Erfüllung der Schutzpflicht nur verfassungskonforme Mittel zulässig seien.[37]Urteil 1 BvR 357/05 vom 15. Februar 2006, Rz. 137 f. Zulässig wäre der Abschuss nur dann, wenn sich an Bord des Flugzeugs keine unbeteiligten Personen befinden.[38]Urteil 1 BvR 357/05 vom 15. Februar 2006, Rz. 140 ff.

Hier wird nun also nicht auf das Kollektivrisiko und schon gar nicht auf das Kollektivschadenspotenzial abgestellt, sondern einzig auf das Leben und die Würde der unschuldigen Personen an Bord des Flugzeuges, mithin auf das Individualrisiko einzelner Personen. Dabei ist das Gericht nicht konsequent: Es setzt das Leben und die Würde derjenigen unschuldigen Personen absolut, die durch den Abschuss des Flugzeugs ums Leben kämen (selbst wenn diese ohnehin mit grosser Wahrscheinlichkeit zusammen mit dem Flugzeug abstürzen), aber es verschwendet keinen Gedanken an das Leben und die Würde derjenigen unschuldigen Menschen, die durch den Terroranschlag getötet und entrechtlicht werden und die durch den Abschuss des Flugzeugs gerettet werden könnten. Und es berücksichtigt in keiner Weise das Kollektivrisiko, das mit der terroristischen Aktion verbunden ist.

b) Legitimation

Ebenfalls um Kernenergie ging es im Urteil des schweizerischen Bundesgerichts betreffend die Legitimation zur Anfechtung von Realakten im Zusammenhang mit dem Betrieb von Kernkraftwerken:[39]BGE 140 II 315. Zwei Personen, die in den Notfallzonen 1 und 2 des Kernkraftwerks Mühleberg lebten, beanstandeten eine Sicherheitsbeurteilung des ENSI und beantragten den Erlass einer Verfügung. Das ENSI trat auf das Begehren mangels Legitimation der Antragsteller nicht ein.

Das Bundesgericht bejahte demgegenüber die Legitimation. Es prüfte die Frage im Lichte von Art. 25a VwVG (Rechtsschutz gegen Realakte) und stellte zunächst fest, dass dabei ein schutzwürdiges faktisches Interesse (im Sinne der Parteistellung/Beschwerdelegitimation nach Art. 6 und 48 Abs. 1 VwVG) nicht ausreicht, sondern ein Eingriff in die persönliche Rechtssphäre der betroffenen Person vorausgesetzt wird, wobei sich schützenswerte Rechtspositionen vor allem aus Grundrechten ergeben.[40]BGE 140 II 315, E. 4.3, 4.5.

Sodann erwog es:

„Schützenswerte Rechtspositionen für die Anwohner ergeben sich vorliegend aus der Kernenergiegesetzgebung. Sie bezweckt insbesondere den Schutz von Mensch und Umwelt vor den Gefahren der Kernenergie (…). Das Gesetz verfolgt gemäss bundesrätlicher Botschaft grösstenteils polizeiliche Schutzziele, wobei der Schutz von Mensch und Umwelt ‚oberstes Gebot‘ ist (…). Zentral hierfür ist die in Art. 4 Abs. 1 KEG enthaltene Verpflichtung, gegen eine unzulässige Freisetzung radioaktiver Stoffe sowie gegen eine unzulässige Bestrahlung von Personen im Normalbetrieb und bei Störfällen Vorsorge zu treffen (…). Die im Sinne der Vorsorge zu treffenden Vorkehren nach Art. 4 Abs. 3 KEG dienen nicht nur der Allgemeinheit, sondern auch den Anwohnern, die durch das Kernkraftwerk und das dadurch geschaffene Gefährdungspotenzial besonders betroffen sind.

Im Ergebnis führt dies vorliegend zu einer weitgehenden Parallelität mit der Rechtsprechung zu Art. 6 und 48 VwVG (…). Bei Bau und Betrieb von Kernkraftwerken ist nach konstanter Rechtsprechung für die Beurteilung der Schutzwürdigkeit vom Gefährdungspotenzial auszugehen, das theoretisch mit einer solchen Anlage verbunden ist (…). Jedermann, der innerhalb eines Bereichs lebt, der von einem Störfall besonders betroffen wäre (…), hat ein schutzwürdiges Interesse daran, dass der Eigenart und der Grösse der Gefahr angemessene und geeignete Schutzmassnahmen ergriffen werden (…). Legitimationsgrund ist damit die Risikoexposition der Anwohner gegenüber einem besonderen Gefahrenherd (…), d.h. der Umstand, dass sie einer Anlage mit sehr grossem Gefährdungspotenzial ausgesetzt und von den möglichen Störfallfolgen in besonderem Masse potenziell betroffen sind (…). Über den potenziellen Einwirkungsbereich des Störfalls lässt sich ein besonders betroffener Personenkreis bestimmen und abgrenzen. Daran ändert nichts, dass die Wahrscheinlichkeit des Risikoeintritts gering ist, da bei einem Kernkraftwerk als einem besonderen Gefahrenherd die Risikoexposition Legitimationsgrund ist (…).“[41]BGE 140 II 315, E. 4.3, 4.6.

Als legitimationsbegründend gilt somit allein die Risikoexposition, unabhängig von der Wahrscheinlichkeit, dass eine Beeinträchtigung eintritt. Begründet wird dies mit dem hohen Gefährdungspotential bzw. mit dem Umstand, dass die Anwohner einer Anlage mit sehr grossem Gefährdungspotenzial ausgesetzt seien.

Gegenteilig ist die Betrachtung im Urteil BGE 139 IV 121: Jemand wurde verdächtigt, einen anderen getötet zu haben, und in Untersuchungshaft genommen, aber später wieder daraus entlassen. Der Bruder des Getöteten wehrte sich gegen die Haftentlassung mit dem Argument, der Beschuldigte habe auch ihn mit dem Tod bedroht. Das Bundesgericht verneint die Legitimation des Bruders zur Anfechtung der Haftentlassung. Zwar enthalte das Recht auf Leben auch positive Schutzpflichten; dazu gehöre die Pflicht des Staats, präventiv Schutzmassnahmen zu ergreifen, wenn das Leben einer Person durch Dritte bedroht wird. Gehe von einem Inhaftierten eine konkrete und unmittelbare Gefahr für das Leben anderer Personen aus, so hätten diese zwar ein Interesse daran, dass ein allfälliges Haftentlassungsgesuch abgewiesen wird. Dies bedeute jedoch nicht, dass diesen Personen ein Beschwerderecht gegen den Haftentlassungsentscheid zukomme. Das habe auch praktische Gründe. So könnte sich im Fall der Haftentlassung einer angeblich gemeingefährlichen Person eine sehr grosse Zahl von Personen in einem ersten Schritt an die Beschwerdeinstanz und in einem zweiten ans Bundesgericht wenden.[42]BGE 140 II 315, E. 4.3, 4.6/7).

Der offensichtliche Wertungswiderspruch zwischen diesen beiden Entscheiden beruht darauf, dass Individual- und Kollektivrisiko durcheinandergemischt werden.

Wird das Individualrisiko betrachtet, ist das Gefährdungspotenzial einer Kernanlage nicht höher als bei zahlreichen anderen Risiken, die ebenfalls zu Tode oder schwerer Krankheit führen können. In beiden Fällen (Kernkraftwerk und Haftentlassung) ist das maximale Gefährdungspotenzial dasselbe, nämlich der Tod des Beschwerdeführers. Mehr als sterben kann das Individuum nicht. Ob eine Person durch einen Nuklearunfall oder ein Gewaltdelikt zu Tode kommt, ist für diese Person dasselbe.

Würde man einzig auf das Individual-Gefährdungspotenzial abstellen, so müsste also in beiden Fällen die Legitimation bejaht werden, und darüber hinaus in sehr vielen anderen Bereichen, in denen jemandem eine Aktivität erlaubt wird, die möglicherweise zum Tod anderer Personen führen könnte (z.B. die Erteilung oder der Nicht-Entzug eines Führerausweises).

Die Aussage, eine Kernanlage würde ihre Anwohner einem „besonderen Gefahrenherd“ bzw. einem „erhöhten Gefährdungsrisiko“ aussetzen,[43]So Vera Marantelli-Sonanini/Said Huber, in: Bernhard Waldmann/Patrick L. Krauskopf (Hrsg.), Praxiskommentar VwVG, 3. Aufl., Zürich 2023, Art. 48 N 27. würde in Bezug auf das Individualrisiko nur stimmen, wenn die Wahrscheinlichkeit des Schadeneintritts signifikant höher wäre als bei anderen Anlagen oder Tätigkeiten. Jedoch soll gemäss Bundesgericht die Wahrscheinlichkeit eben gerade keine Rolle spielen. Würde man auf die Eintrittswahrscheinlichkeit (und damit das Individualrisiko) abstellen, so wäre diese im Falle der Haftentlassung vermutlich bedeutend höher als im Falle des Kernkraftwerks. Wenn also jemand beschwerdelegitimiert sein müsste, dann jedenfalls eher der Bruder des Getöteten als der Anwohner des Kernkraftwerks.

Beim Kernkraftwerkfall wird die Legitimation mit dem grossen Gefährdungspotenzial begründet. Dass Kernanlagen ein aussergewöhnlich hohes Gefährdungspotenzial haben, ist aber nur zutreffend, wenn das Kollektivrisiko betrachtet wird. Die Argumentation des Gerichts ist offenbar die: Je höher das Kollektivgefährdungspotenzial ist, desto eher ist die Legitimation zu bejahen. Gerade umgekehrt argumentiert das Gericht im Haftentlassungsfall: Je mehr Personen durch den zu Entlassenden gefährdet werden (also je höher das Kollektivrisiko ist), desto eher ist die Legitimation zu verneinen. Das grosse Gefährdungspotenzial, das von einem gemeingefährlichen Täter ausgeht, ist gerade das entscheidende Argument, um die Legitimation zu verneinen.

V. Würdigung

1. Allgemein

Der Unterschied zwischen Kollektiv- und Individualrisiko korreliert in rechtstheoretischer Hinsicht mit dem Unterschied zwischen zwei gegensätzlichen rechts- und staatsphilosophischen Ansätzen, nämlich dem Rechte-basierten Ansatz und dem Utilitarismus: Der Utilitarismus will das gesamte gesellschaftliche Wohlergehen optimieren, schliesst aber (jedenfalls im Grundsatz) nicht aus, dass dieses Wohlergehen ungleich auf die einzelnen Individuen verteilt ist. Dementsprechend will der Fokus auf Kollektivrisiken die gesamtgesellschaftliche Risikosituation optimieren, schliesst aber nicht aus, dass einzelne Individuen sehr hohe Risiken tragen.

Der Rechte-basierte Ansatz fokussiert demgegenüber darauf, dass die einzelnen Individuen Rechte haben, die ihnen nicht unter Berufung auf eine gesamtgesellschaftliche Nutzenmaximierung entzogen werden dürfen. Dem entspricht der Fokus auf Individualrisiken, die eine bestimmte maximale Höhe nicht überschreiten dürfen. Wie viele Personen daneben betroffen sind, ist für die Rechte-basierte Optik grundsätzlich irrelevant.

Im positiven Verfassungsrecht drückt sich dieser Gegensatz zwischen Rechte-Basierung und Utilitarismus in den Grundrechten und den Möglichkeiten für ihre Einschränkungen aus: Grundrechte geben den Einzelnen Rechtspositionen, die sie nicht einfach deshalb aufgeben müssen, weil dadurch der gesamtgesellschaftliche Nutzen erhöht würde. Jedoch können auch die Grundrechte eingeschränkt werden, wenn dies aus überwiegenden öffentlichen Interessen gerechtfertigt ist (Art. 36 Abs. 2 BV), also aus utilitaristischen Gründen der gesamtgesellschaftlichen Nutzenerhöhung. Dies hat allerdings Schranken, indem die Grundrechtseinschränkungen verhältnismässig sein müssen und den Kernbereich nicht tangieren dürfen (Art. 36 Abs. 3 und 4 BV). Die Grundrechte dienen also dazu, die – an sich legitimen und gesamtgesellschaftlich notwendigen – utilitaristischen Überlegungen zu begrenzen, soweit dies Einzelne übermässig beeinträchtigen würde.

Dem entspricht der in der Risikowissenschaft verbreitete doppelte Ansatz (siehe oben, III.1.):

  • Dem utilitaristischen Prinzip entspricht die Begrenzung des Kollektivrisikos auf ein Niveau, das den gesamtgesellschaftlichen Nutzen am meisten fördert.
  • Dem individualrechtlichen Prinzip entspricht die Begrenzung der Individualrisiken, die auch dann eingehalten werden muss, wenn dies dem gesamtgesellschaftlichen Nutzen widerspricht. Es schützt den Einzelnen vor übermässigen Risiken.

2. Grundrechte; Grundrechtliche Schutzpflicht

Geht man davon aus, dass die Grundrechte die Rechte des einzelnen Individuums schützen wollen, ist für eine grundrechtliche Schutzpflicht das Individualrisiko die massgebende Grösse, d.h. die individuelle Todesfallwahrscheinlichkeit des Einzelnen. Für das Grundrecht auf Leben und Gesundheit des Einzelnen ist es unerheblich, ob der Todesfall oder die Gesundheitsbeeinträchtigung durch einen Kernkraftwerkunfall oder einen Strassenverkehrsunfall eintritt. Und ebenso ist es für die Grundrechtsposition des Einzelnen unerheblich, ob neben ihm noch weitere Personen sterben oder verletzt werden oder nicht. Das Kollektivrisiko und erst recht des Kollektivgefährdungspotenzial können keine Rolle spielen.

Geht es hingegen um Kollektivrisiken, ist die Berufung auf Grundrechte oder die grundrechtliche Schutzpflicht unnötig, unnütz und schädlich:

  • Unnötig: Seit je haben menschliche Gesellschaften und ihre Regierungen versucht, Bedrohungen und Gefahren mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln abzuwehren, lange bevor es eine rechtliche Diskussion über Grundrechte, geschweige denn grundrechtliche Schutzpflichten, gab.
  • Unnütz: Wie dargelegt, liegt die Schwierigkeit der Risikovorsorge nicht im Grundsatz, dass Risiken zu begrenzen sind, sondern in der Frage, wo die Grenzen der akzeptablen Risken liegen, auch in Bezug auf den gesellschaftlichen Nutzen, der sich aus den riskanten Tätigkeiten ergibt, und auf den Aufwand, der betrieben werden muss, um die Risiken zu begrenzen. Zu dieser Frage hat die Diskussion über Grundrechte und grundrechtliche Schutzpflichten im Risikodiskurs bisher nichts Sinnvolles beigetragen.
  • Schädlich: Wie dargelegt, liegt der Sinn der Grundrechte darin, utilitaristische Überlegungen zu beschränken. Wenn nun aber den utilitaristischen Überlegungen (Begrenzung der Kollektivrisiken) selber Grundrechtscharakter beigemessen wird, verlieren die Grundrechte sämtliche Konturen, ja sie werden in der Konsequenz völlig aufgehoben. Denn dann ist in jedem Fall die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt zu optimieren, d.h. die optimale Limitierung der Kollektivrisiken anzustreben, weil so insgesamt die Zahl der Toten am tiefsten ist, der Schutz von Leben und Gesundheit somit am besten realisiert wird, und zwar auch dann, wenn dadurch Einzelne geopfert werden. So wäre im Fall des Flugzeugabschusses der Abschuss ohne weiteres zu genehmigen, sobald dadurch das Kollektivrisiko geringer wird als im Alternativszenario, dass das Flugzeug ungehindert eine grosse Zahl von Menschen zu töten droht.

Wenn die Grundrechte ihren Sinn in der Begrenzung utilitaristischer Überlegungen haben, dann können sie sich nur auf die Individualrisiken beziehen: Sie schützen den Einzelnen davor, zu Gunsten des allgemeinen Wohls geopfert zu werden.

Daraus folgt: Entgegen der dargelegten Rechtsprechung folgt aus den Grundrechten nicht, dass insbesondere und prioritär die Risiken mit hohem Gefährdungspotenzial, aber geringer Eintretenswahrscheinlichkeit zu vermeiden sind, wenn diese Kollektivrisiken relativ gering sind.

Hingegen folgt aus den Grundrechten und der grundrechtlichen Schutzpflicht eine Begrenzung übermässig hoher Individualrisiken, denen einzelne Personen ausgesetzt sind, so wenn jemand durch eine andere Person ernsthaft mit dem Tod bedroht wird.

3. Legitimation

Nach der Rechtsprechung dient der verwaltungsrechtliche Rechtsschutz in erster Linie dem Individualrechtsschutz.[44]BGE 146 I 145 E. 5.4/5; 142 II 451 E. 3.4.1; 142 II 80 E. 1.4.1; 139 II 279 E. 2.2; 135 II 172 E. 2.1. Beschwerden, die im Interesse der Allgemeinheit oder der richtigen Rechtsanwendung geführt werden, sind unzulässig.[45]BGE 146 I 172 E. 7.1; 139 II 499 E. 2.2.

Unter dieser Prämisse kann für die Legitimation einzig das Individualrisiko massgebend sein, d.h. die Wahrscheinlichkeit, mit welcher der einzelne Beschwerdeführer durch die fragliche Aktivität beeinträchtigt wird.

Hingegen kann das Kollektivrisiko keine Rolle spielen: Für den Individualrechtsschutz ist unerheblich, ob und wie viele Personen neben dem Beschwerdeführer einem Risiko ausgesetzt sind. Aus hohen Kollektivrisiken kann sich keine Legitimation ergeben, wenn das Individualrisiko – also die Wahrscheinlichkeit der Beeinträchtigung – klein ist. Zwar sind die Behörden verpflichtet, auch hohe Kollektivrisiken mit geringer Eintretenswahrscheinlichkeit zu bekämpfen, aber daraus ergeben sich keine geschützten Rechtspositionen einzelner Individuen.

So stellt z.B. auch die Beschwerdelegitimation bei nichtionisierenden Strahlen allein auf die Strahlung ab, welcher die beschwerdeführende Person ausgesetzt ist.[46]BGE 133 II 409 E. 1.3.1; 128 II 168 E. 2. Das bezieht sich auf das Individualrisiko. Abzustellen auf das Kollektivrisiko würde bedeuten, dass die Legitimation umso eher zu bejahen wäre, je mehr Personen im Bereich leben, in dem die entsprechende Strahlung auftritt.

Erst recht kann nicht auf das blosse Kollektiv-Gefährdungspotenzial abgestellt werden, ohne die Wahrscheinlichkeit zu berücksichtigen. Die Legitimation von Nachbarn setzt denn auch voraus, dass diese mit Sicherheit oder grosser Wahrscheinlichkeit durch die Auswirkungen der Anlage betroffen werden.[47]BGE 140 II 214 E. 2.3; 136 II 281 E. 2.3.1; Bundesgericht, Urteile 1C_197/2018 vom 30. August 2018 E. 4.1; 1C_263/2017 vom 20. April 2018 E. 2.2. Auch die mit einer Tätigkeit verbundenen Risiken begründen für Dritte nur eine Beschwerdelegitimation, wenn diese sowohl in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit des Schadeneintritts als auch auf die mögliche Schwere der Beeinträchtigung einem nicht unwesentlich höheren Risiko ausgesetzt sind als die Allgemeinheit.[48]BGE 123 II 376 E. 4b; 121 II 176 E. 3.

Abzustellen auf das Kollektivgefährdungspotenzial ohne Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeit hätte absurde Konsequenzen:

  • Wer im potenziellen Überflutungsbereich eines grossen Staudamms lebt, wäre ungeachtet von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen legitimiert, Mass­nahmen zur Verbesserung der Staudammsicherheit zu verlangen, weil im Überflutungsfall neben ihm sehr viele Personen sterben. Wer hingegen im potenziellen Überflutungsbereich eines kleinen Staudamms lebt, wäre nicht legitimiert, weil im Falle eines Staudammbruchs nur wenige Personen sterben.
  • Wer in einem sehr grossen Haus lebt, wäre legitimiert, von der Behörde zu verlangen, dass sie auch höchst unwahrscheinliche Einsturzgefährdungen überprüft, weil im Falle eines Einsturzes sehr viele Menschen ums Leben kommen. Wer in einem kleinen Haus lebt, könnte hingegen die Einsturzgefährdung nicht überprüfen lassen, weil im Einsturzfall nur sehr wenige Personen ums Leben kommen.

Eine kohärente Legitimationspraxis kann daher einzig darauf abstellen, wie hoch das Individualrisiko des betreffenden Beschwerdeführers ist.

4. Quintessenz

Die Rechtsprechung hat den fundamentalen Unterschied zwischen Individual- und Kollektivrisiko nicht zur Kenntnis genommen. Sie vermischt Individual- und Kollektivrisiko, was zu inkonsequenten und widersprüchlichen Entscheiden führt. Wer sinnvoll über Risiken und rechtliche Risikobegrenzung sprechen will, muss klar machen, ob er von Kollektiv- oder Individualrisiken spricht, weil deren Begrenzung unterschiedlichen Bewertungskriterien folgt. Auch die Rechtsprechung sollte diese Unterscheidung zur Kenntnis nehmen und verstehen, um kohärent entscheiden zu können.

VI. Zusammenfassung

Ein rationaler Umgang mit Risiken setzt voraus, dass Risiken quantifiziert werden. Das ist Bedingung dafür, dass primär die grössten Risiken reduziert werden können. Um die Grösse eines Risikos quantifizieren zu können, muss zwischen Individualrisiko und Kollektivrisiko unterschieden werden. Denn grosse Individualrisiken korrelieren nicht zwangsläufig mit grossen Kollektivrisiken. In der Risikowissenschaft ist es Standard, zwischen Kollektiv- und Individualrisiken zu unterscheiden, weil die Risikobewertung unterschiedlichen Regeln folgt. In der Gesetzgebung kommt die Unterscheidung zwischen Kollektiv- und Individualrisiken teilweise – wenn auch meist nicht explizit – zum Ausdruck. Demgegenüber hat die Rechtsprechung bisher diese Unterscheidung nicht zur Kenntnis genommen. Das führt in verschiedenen Bereichen zu inkonsequenten und widersprüchlichen Entscheiden. Um dies zu vermeiden, muss die Rechtsprechung die Unterscheidung zwischen Kollektiv- und Individualrisiken verstehen und anwenden.

Fussnoten

Fussnoten
1 Kalkar, BVerfGE 49, 89; Mühlheim-Kärlich, BVerfGE 53, 30.
2 BGE 147 I 450 E. 3.2.3.
3 BGE 147 I 450 E. 3.2.3; 143 II 518 E. 5.7; 139 II 185 E. 11.3, 11.5.3.
4 BGE 147 I 450 E. 3.2.3.
5 BGE143 II 518 E. 8.3.4.
6 BGE 147 I 450 E. 3.2.4.
7 So Art. 2 Abs. 5 der Verordnung vom 27. Februar 1991 über den Schutz vor Störfällen (Störfallverordnung, StFV; SR 814.012); ähnlich z.B. Anhang I Ziff. 1.1.1.e der EU-Maschinenrichtlinie (Richtlinie 2006/42/EG): Risiko ist „die Kombination aus der Wahrscheinlichkeit und der Schwere einer Verletzung oder eines Gesundheitsschadens, die in einer Gefährdungssituation eintreten können“; vgl. dazu BGE 143 II 518 E. 5.6.
8 Unter der vereinfachenden Annahme, dass alle Todesfallopfer der schweizerischen Wohnbevölkerung angehören. In der Realität sterben in der Schweiz auch einige Personen, die im Ausland wohnen und umgekehrt sterben einige Personen, die in der Schweiz wohnen, bei Strassenverkehrsunfällen im Ausland. Vereinfachend gesehen dürften sich diese Effekte etwa ausgleichen.
9 Aber nicht weit von der Realität entfernt.
10 Vgl. Hansjörg Seiler, Risikobasiertes Recht, Bern 2000, 44 ff.
11 Bundesamt für Umwelt, Beurteilungskriterien zur Störfallverordnung (StFV), Ein Modul des Handbuchs zur Störfallverordnung (StFV). 2018, 25.
12 Vgl. BGE 136 V 395 E. 7.6; in der nachfolgenden Diskussion wurde dieses Urteil oft so interpretiert, dass das Bundesgericht den Betrag von 100’000 Franken pro gerettetes Menschenlebensjahr als Grenzwert festgelegt habe, was so aber nicht zutrifft.
13 Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS), Glossar der Risikobegriffe, 2013, 42
14 BABS, Glossar, 43.
15 Z.B. Art. 22 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 2004 betreffend die Aufsicht über Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz, VAG; SR 961.01); Art. 16 ff. des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10): Risikoausgleich in der Krankenversicherung.
16 Z.B. Art. 3f und 3g des Bundesgesetzes vom 8. November 1934 über die Banken und Sparkassen (Bankengesetz, BankG; SR 952.0); Art. 12 und 14e der Verordnung vom 30. April 2014 über die Banken und Sparkassen (Bankenverordnung, BankV; SR 952.02).
17 Z.B. Art. 16 des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 2000 über den Schutz vor gefährlichen Stoffen und Zubereitungen (Chemikaliengesetz, ChemG; SR 813.1); Art. 6 ff. StFV; Art. 5 ff. der Verordnung vom 9. Mai 2012 über den Umgang mit Organismen in geschlossenen Systemen (Einschliessungsverordnung, ESV; SR 814.912).
18 USG; SR 814.01.
19 Bundesamt für Umwelt, Beurteilungskriterien zur Störfallverordnung (StFV). Ein Modul des Handbuchs zur Störfallverordnung (StFV). 2018, 15.
20 Art. 11a der Verordnung vom 19. Dezember 1983 über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten (Verordnung über die Unfallverhütung, VUV; SR 832.30) in Verbindung mit EKAS Richtlinie Nr. 6508 über den Beizug von Arbeitsärzten und anderen Spezialisten der Arbeitssicherheit (ASA-Richtlinie) vom 14. Dezember 2006 (Stand 1. Januar 2022), 22.
21 GUMG; SR 810.12.
22 Art. 16, 19 ff. GUMG.
23 Art. 8 Abs. 4 und 4bis der Kernenergieverordnung vom 10. Dezember 2004 (KEV; SR 732.11); Art. 123 Abs. 2 der Strahlenschutzverordnung vom 26. April 2017 (StSV; SR 814.501).
24 Art. 8 Abs. 5 KEV.
25 Art. 12 der Verordnung des UVEK vom 17. Juni 2009 über die Gefährdungsannahmen und die Bewertung des Schutzes gegen Störfälle in Kernanlagen (SR 732.112.2).
26 BGE 147 I 450 E. 3.2.4.
27 Vgl. etwa BGE 147 I 450 E. 3; 148 I 19 E. 6.
28 BGE 127 II 18.
29 Bundesgericht, Urteil 2C_206/2019 vom 25. März 2021.
30 BVerfGer 2 BvL 8/77 vom 8. August 1978.
31 BVerfGer 2 BvL 8/77 vom 8. August 1978, Rz. 113.
32 BVerfGer 2 BvL 8/77 vom 8. August 1978, Rz. 115.
33 BVerfGer 2 BvL 8/77 vom 8. August 1978, Rz. 118.
34 Urteil 1 BvR 357/05 vom 15. Februar 2006.
35 Urteil 1 BvR 357/05 vom 15. Februar 2006, Rz. 124.
36 Urteil 1 BvR 357/05 vom 15. Februar 2006, Rz. 132.
37 Urteil 1 BvR 357/05 vom 15. Februar 2006, Rz. 137 f.
38 Urteil 1 BvR 357/05 vom 15. Februar 2006, Rz. 140 ff.
39 BGE 140 II 315.
40 BGE 140 II 315, E. 4.3, 4.5.
41 BGE 140 II 315, E. 4.3, 4.6.
42 BGE 140 II 315, E. 4.3, 4.6/7).
43 So Vera Marantelli-Sonanini/Said Huber, in: Bernhard Waldmann/Patrick L. Krauskopf (Hrsg.), Praxiskommentar VwVG, 3. Aufl., Zürich 2023, Art. 48 N 27.
44 BGE 146 I 145 E. 5.4/5; 142 II 451 E. 3.4.1; 142 II 80 E. 1.4.1; 139 II 279 E. 2.2; 135 II 172 E. 2.1.
45 BGE 146 I 172 E. 7.1; 139 II 499 E. 2.2.
46 BGE 133 II 409 E. 1.3.1; 128 II 168 E. 2.
47 BGE 140 II 214 E. 2.3; 136 II 281 E. 2.3.1; Bundesgericht, Urteile 1C_197/2018 vom 30. August 2018 E. 4.1; 1C_263/2017 vom 20. April 2018 E. 2.2.
48 BGE 123 II 376 E. 4b; 121 II 176 E. 3.