Risiko & Recht

Ausgabe 01 / 2023

Chlorothalonil-Rückstände im Trinkwasser – eine Bestandesaufnahme und rechtliche Einordnung

Tobias Tschumi / Marc Häusler*

Chlorothalonil-haltige Pflanzenschutzmittel sind in der Schweiz seit mehr als drei Jahren verboten. Als Folge dieses Verbots führte der Bund einen rechtlich umstrittenen strengen Grenzwert für sämtliche Abbauprodukte dieser Pflanzenschutzmittel im Trinkwasser ein und setzte damit die Kantone und Trinkwasserversorgungen unter erheblichen Handlungsdruck, da der Grenzwert breitflächig überschritten wird und rund 1 Mio. Trinkwasserkonsumentinnen und -konsumenten betroffen sind. Die technischen Möglichkeiten zur Beseitigung dieser Rückstände aus dem Trinkwasser sind beschränkt und mit hohen Investitionen verbunden, was die Problematik zusätzlich verschärft. Der Bund hat bisher weitgehend offengelassen, welches Gesundheitsrisiko im Fall einer Grenzwertüberschreitung besteht und welche rechtliche Bedeutung dem neuen Grenzwert genau zukommt. Indem er bisher auf präzisere Handlungsanweisungen verzichtet hat, belässt er die Kantone und Wasserversorgungen nicht nur in einer problematischen Rechtsunsicherheit, sondern überlässt ihnen auch weitgehend die (politische) Verantwortung für den konkreten Umgang mit dem Chlorothalonil-Problem – dies gilt es zu ändern.

* Tobias Tschumi, Dr. phil.-nat., Rechtsanwalt hat an der ETH Lausanne und der Universität St. Gallen studiert, im Kanton St. Gallen das Anwaltspatent erworben und ist gegenwärtig als Gerichtsschreiber an der verwaltungsrechtlichen Abteilung des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern tätig. Marc Häusler, lic. iur., Rechtsanwalt und Notar hat an den Universitäten Bern und Paris studiert und im Kanton Bern das Anwalts- und Notariatspatent erworben. Er ist Richter an der verwaltungsrechtlichen Abteilung des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern. Die Autoren geben ausschliesslich ihre persönliche Meinung wieder.

Inhalt

  1. Einleitung
  2. Grundzüge des Trinkwasserversorgungsrechts in der Schweiz
    1. Begriff des Trinkwassers
    2. Allgemeiner Rechtsrahmen
      1. Bundesrecht
      2. Kantonales Recht
    3. Vorgaben zur Trinkwasserqualität
  3. Neubewertung von Chlorothalonil durch die Bundesbehörden und
    Weisungen des BLV zum Vorgehen bei Grenzwertüberschreitungen

    1. Allgemeines zur Zulassung und Überprüfung von Pflanzenschutzmitteln
    2. Überprüfung des Wirkstoffs Chlorothalonil und Widerruf der Zulassung
    3. Weisungen des BLV zum Vorgehen bei Grenzwertüberschreitungen
  4. Seitenblick: Rechtslage in der EU und Grenzwerte im benachbarten Ausland
    1. EU
    2. Unterschiedliche Relevanzbeurteilung in Deutschland/Österreich und
      Frankreich

      1. Deutschland und Österreich
      2. Frankreich
  5. Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht
    1. Argumentation von Syngenta
    2. Zwischenverfügung vom 24. August 2020
    3. Zwischenverfügung vom 15. Februar 2021
    4. Unsicherheit in Bezug auf die aktuelle Rechtslage
  6. Beschränkte Handlungsoptionen für die Wasserversorgungen
    1. Aktuelle Belastungssituation
    2. Sofortmassnahmen
    3. Weitergehende Massnahmen
    4. Haltung des Fachverbands
  7. Chlorothalonil-Problematik als Anwendungsfall des Vorsorgeprinzips
    1. Tragweite des Vorsorgeprinzips
    2. Vorsorgeprinzip im Lebensmittelrecht
    3. Umsetzung des Vorsorgeprinzips als Zusammenspiel verschiedener
      Akteure in Bund und Kantonen
  8. Auswirkungen für die Kantone und die Gerichte
    1. Kantone
    2. Gerichte
  9. Fazit
  10. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Für viele war es 2019 eine Hiobsbotschaft: Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) hatte wie zuvor bereits die EU-Kommission den Fungizidwirkstoff Chlorothalonil verboten, der in der Schweiz seit den 1970er eingesetzt wurde. Zur Begründung führte es aus, dass eine Überprüfung durch das Bundesamt für Veterinärwesen und Lebensmittelsicherheit (BLV) ergeben habe, dass der Wirkstoff neu als wahrscheinlich krebserregend eingestuft werden müsse. Aus diesem Grund seien neu auch sämtliche seiner Abbauprodukte (sog. Metaboliten) als trinkwasserrelevant zu betrachten. Da zu erwarten sei, dass die Konzentrationen dieser Abbauprodukte vielerorts über den gesetzlichen Höchstwerten für das Trinkwasser liegen, sei es notwendig, schnell zu handeln, um ihr Vorkommen im Grundwasser zu reduzieren.[1]Medienmitteilung des BLW vom 12. Dezember 2019 „Zulassung für Chlorothalonil wird mit sofortiger Wirkung entzogen“, abrufbar unter … Continue reading Diesem Entscheid gingen verschiedene Untersuchungen voraus: Im Jahr 2017 wurden im Rahmen einer Pilotstudie der Nationalen Grundwasserbeobachtung (NAQUA) erstmals Rückstände von Chlorothalonil im Grundwasser festgestellt.[2]Vgl. für eine Übersicht über die Studienergebnisse Kiefer et al., 14 ff. Eine Messkampagne des Verbands der Kantonschemiker wies in der Folge im Jahr 2019 nach, dass dies nicht nur punktuell der Fall ist, sondern dass Chlorothalonil-Metaboliten im Grundwasser weit verbreitet sind.[3]Kampagnenbericht „Pflanzenschutzmittel in Trinkwasser“ vom 6. September 2019 des Verbandes der Kantonschemiker der Schweiz, abrufbar unter <www.kantonschemiker.ch/medienmitteilungen.html>.

Laut den Angaben des Bundesamts für Umwelt (BAFU) stammt das Trinkwasser in der Schweiz zu etwa 80% aus Grundwasservorkommen. Dabei wird rund 70% des aus dem Grundwasser gewonnen Rohwassers ohne oder nach einer einfachen Aufbereitung direkt als Trinkwasser genutzt.[4]BAFU, „Gutes Trinkwasser ist nicht mehr selbstverständlich“, in: die umwelt, 3/2020, 45, abrufbar unter <www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/dokumentation/magazin.html>. Es überrascht daher nicht, dass auch im Trinkwasser Chlorothalonil-Metaboliten-Konzentrationen vorgefunden wurden, die mit denjenigen im Grundwasser vergleichbar sind. Weil das BLV gleichzeitig mit dem Chlorothalonil-Verbot neue strengere Höchstgehalte für Chlorothalonil-Rückstände im Trinkwasser eingeführt hat, sahen und sehen sich nunmehr plötzlich zahlreiche Wasserversorgungen sowie ihre Kundinnen und Kunden mit entsprechenden Grenzwertüberschreitungen konfrontiert. Schätzungen zufolge sind in der Schweiz rund eine Millionen Menschen betroffen.[5]BAFU (Fn. 4), 44. Dies löste in der Bevölkerung (vorübergehend) eine starke Verunsicherung aus. Behörden und Fachleute versicherten zwar, dass keine Gesundheitsgefährdung bestehe.[6]Vgl. etwa Stellungnahme des Bundesrats vom 19. Februar 2020 zur Interpellation 19.4532 von Nationalrätin Moser vom 19. Dezember 2019; Interview vom 30. März 2020 mit dem Toxikologen Lothar … Continue reading Viele Trinkwasserkonsumentinnen und -konsumenten fragten sich aber dennoch, ob sie das Wasser aus ihren Hähnen noch bedenkenlos trinken können.

Obschon die Chlorothalonil-haltigen Pflanzenschutzmittel nunmehr seit mehr als drei Jahren verboten sind, liegen die Konzentrationen seiner Rückstände im Trinkwasser auch heute noch an vielen Orten zum Teil deutlich über den neu eingeführten Grenzwerten. Dennoch hat sich die öffentliche Diskussion um die Chlorothalonil-Problematik unterdessen etwas abgekühlt und scheint nicht mehr so präsent wie noch vor wenigen Jahren. Dies bedeutet allerdings nicht, dass sich die Angelegenheit damit erledigt hätte. Vielmehr sind die zuständigen kantonalen Behörden und die Wasserversorgungsunternehmen nach wie vor intensiv mit der Suche nach möglichen Lösungen beschäftigt.

Der vorliegende Beitrag versucht die Chlorothalonil-Problematik im Rahmen des Verfassungs- und Verwaltungsrechts zu verorten und die nur schwer überschaubaren Zuständigkeiten und Rollen der verschiedenen staatlichen Akteure auf Bundes- und Kantonsebene näher zu beleuchten. Dazu werden zunächst die Grundzüge des Trinkwasserversorgungrechts in der Schweiz vorgestellt (II.) und anschliessend die rechtlichen Hintergründe aufgezeigt, die zum Erlass des Chlorothalonil-Verbots und der Einführung der neuen Grenzwerte geführt haben (III.). Nach einem kurzen Seitenblick auf die Rechtslage in der EU bzw. im benachbarten Ausland (IV.) geht der Beitrag auf das gegen die Einführung der neuen Grenzwerte eingereichte, derzeit noch hängige Beschwerdeverfahren vor Bundesverwaltungsgericht (V.) sowie die aktuelle Belastungssituation und Handlungsoptionen der Wasserversorgungen ein (VI.). Sodann wird die Chlorothalonil-Problematik im Licht des Vorsorgeprinzips untersucht (VII.) und die Herausforderungen für die Kantone und Gerichte dargelegt (VIII.). Am Ende des Beitrags findet sich schliesslich ein Fazit, in dem die Rolle des Bundes kritisch betrachtet wird (IX.).

II. Grundzüge des Trinkwasserversorgungsrechts in der Schweiz

1. Begriff des Trinkwassers

Da das Trinkwasser dazu bestimmt ist, von Menschen konsumiert bzw. aufgenommen zu werden, gilt es als Lebensmittel im Sinn des LMG[7]Bundesgesetz vom 20. Juni 2014 über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG; SR 817.0).. Nach der TBDV[8]Verordnung des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) über Trinkwasser sowie Wasser in öffentlich zugänglichen Bädern und Duschanlagen vom 16. Dezember 2016 (SR 817.022.11). handelt es sich bei ihm um dasjenige Wasser, das im Naturzustand oder nach der Aufbereitung zum Trinken, zum Kochen, zur Zubereitung von Lebensmitteln oder zur Reinigung von Gegenständen, die mit Lebensmittel in Berührung kommen, vorgesehen ist oder für diese Zwecke verwendet wird. Dieser Trinkwasserbegriff wurde aus dem EU-Recht, genauer aus der Richtlinie 98/83/EG[9]Richtlinie 98/83/EG des Rates vom 3. November 1998 über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch, ABl L 330 vom 5. Dezember 1998, 32 ff. Diese Richtlinie ist unterdessen nicht … Continue reading übernommen.[10]Erläuterungen des BLV zur TBDV vom 20. Februar 2017, 2. Die TBDV grenzt das Trinkwasser vom Dusch- und Badewasser ab, welches zwar ebenfalls für den Kontakt mit dem menschlichen Körper bestimmt ist, aber kein Lebensmittel darstellt und deshalb anderen rechtlichen Anforderungen unterliegt.

2. Allgemeiner Rechtsrahmen

a) Bundesrecht

Das Trinkwasser und die Trinkwasserversorgung werden in der Bundesverfassung[11]Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101). nicht explizit erwähnt.[12]Anders noch Art. 24bis Abs. 2 Bst. a der alten Bundesverfassung vom 29. Mai 1874. Die Volksinitiative vom 18. Januar 2018 „Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung – Keine Subventionen für den Pestizid- und den prophylaktischen Antibiotika-Einsatz“, welche die ausdrückliche Verankerung des Trinkwassersschutzes in der BV vorgeschlagen hatte, wurde in der Volksabstimmung vom 13. Juni 2021 abgelehnt.[13]Vgl. Bundesratsbeschluss vom 17. September 2021 über das Abstimmungsergebnis, BBl 2021 2135. Zum Thema Trinkwasser äussern sich allerdings mehrere Verfassungsbestimmungen indirekt.

Gemäss Art. 118 BV trifft der Bund im Rahmen seiner Zuständigkeiten Massnahmen zum Schutz der Gesundheit (Abs. 1) und erlässt Vorschriften über den Umgang mit Lebensmitteln (Abs. 2 Bst. a). Im Rahmen dieses Auftrags hat der Bund das LMG erlassen, dessen Zweck insbesondere darin besteht, die Gesundheit der Konsumentinnen und Konsumenten vor unsicheren Lebensmitteln zu schützen.[14]Art. 1 Bst. a LMG. Gestützt auf dieses Gesetz hat das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) den Schutz vor gesundheitsgefährdendem Trinkwasser in der erwähnten TBDV weiter konkretisiert. Das Trinkwasser ist daher – wie bereits angetönt – Gegenstand des eidgenössischen Lebensmittelrechts.

Weiter sieht Art. 76 BV vor, dass der Bund im Rahmen seiner Zuständigkeiten für die haushälterische Nutzung und den Schutz der Wasservorkommen sorgt (Abs. 1), Grundsätze über die Erhaltung und die Erschliessung der Wasservorkommen festlegt (Abs. 2) und Vorschriften über den Gewässerschutz erlässt (Abs. 3). Das gestützt auf diese Verfassungsbestimmungen erlassene GSchG[15]Bundesgesetz vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz, GSchG; SR 814.20). dient insbesondere der Sicherstellung und haushälterischen Nutzung des Trinkwassers.[16]Art. 1 Bst. b GSchG. Die Trinkwasserversorgung bildet damit ebenfalls ein wichtiges Motiv für den bundesrechtlichen Gewässerschutz.[17]SGK BV-Marti/Hettich, Art. 76 Rz. 13.

Ferner hat der Bund gemäss Art. 74 Abs. 1 BV Vorschriften über den Schutz des Menschen und seiner natürlichen Umwelt vor schädlichen oder lästigen Einwirkungen zu erlassen. Gemäss dem auf dieser Grundlage erlassenen USG[18]Bundesgesetz vom 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz (Umweltschutzgesetz, USG; SR 814.01). verfolgt der Umweltschutz namentlich das Ziel, die natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft zu schützen. Da die Trinkwasserressourcen zu diesen gehören, wird ihr Schutz auch vom Bundesumweltrecht mitumfasst.

b) Kantonales Recht

Gemäss Art. 76 Abs. 4 BV steht die Hoheit über die Nutzung der Wasservorkommen in erster Linie den Kantonen zu. Der Bund hat deshalb keine Kompetenz, Vorschriften über die Organisation der Trinkwasserversorgung zu erlassen.[19]Komm. GSchG/WBG-Hettich/Jansen/Norer, Einleitung Rz. 11. Die kantonalen Verfassungen sehen vor, dass der Kanton – zum Teil zusammen mit den Gemeinden – die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser zu gewährleisten oder zu sichern hat.[20]Z.B. Art. 105 Abs. 2 der Verfassung des Kantons Zürich vom 27. Februar 2005 (KV ZH, LS 101), Art. 35 Abs. 1 der Verfassung des Kantons Bern vom 6. Juni 1993 (KV BE, BSG 101.1) oder Art. 82 … Continue reading Im Rahmen dieses Verfassungsauftrags haben die Kantone[21]Z.B. Wasserwirtschaftsgesetz des Kantons Zürich vom 2. Juni 1991 (WWG ZH, LS 724.11), Wasserversorgungsgesetz des Kantons Bern vom 11. November 1996 (WVG BE, BSG 752.32). oder Gemeinden[22]Z.B. Wasserversorgungsgesetz der Landschaft Davos vom 28. November 2004, Gesetz über die Wasserversorgung der Gemeinde Zernez vom 18. Oktober 2015. entsprechende Wasserversorgungsgesetze erlassen. Die Wasserversorgungen sind zumeist kommunal als öffentlich-rechtliche Anstalten oder Korporationen organisiert.[23]Komm. GSchG/WBG-Hettich/Jansen/Norer, Einleitung Rz. 11. Ihnen obliegt die Pflicht, in ihrem Versorgungsgebiet dauernd Trinkwasser in ausreichender Menge und einwandfreier Qualität abzugeben.[24]Vgl. etwa § 25 und 27 Abs. 1 WWG ZH oder Art. 8 Abs. 1 und 14 Abs. 1 WVG BE.

3. Vorgaben zur Trinkwasserqualität

Die rechtlichen Qualitätsvorgaben für das Trinkwasser dienen dem Gesundheitsschutz und sind daher in der Lebensmittelgesetzgebung des Bundes festgelegt. Art. 3 der TBDV sieht vor, dass das Trinkwasser hinsichtlich Geruch, Geschmack und Aussehen unauffällig sein muss und hinsichtlich Art und Konzentration der darin enthaltenen Mikroorganismen, Parasiten sowie Kontaminanten keine Gesundheitsgefährdung darstellen darf (Abs. 1). Das bedeutet insbesondere, dass es die in den Anhängen 1–3 der TBDV festgelegten Höchstwerte einzuhalten hat (Abs. 2). In Bezug auf die zulässigen Fremdstoffe wird dort unter anderem festgehalten, dass die in den Pflanzenschutzmitteln enthaltenen Wirkstoffe sowie deren trinkwasserrelevanten Abbauprodukte einen Höchstgehalt von je 0,1 µg/l nicht überschreiten dürfen, während die Gesamtkonzentration dieser Fremdstoffe gesamthaft nicht mehr als 0.5 µg/l betragen darf.[25]Anhang 2 TBDV. Das BLV führt eine Liste, in der die trinkwasserrelevanten Abbauprodukte der Wirkstoffe aufgeführt werden.[26]BLV, „Relevanz von Pflanzenschutzmittel-Metaboliten im Grund- und Trinkwasser“, aktuelle Liste vom März 2022 abrufbar unter … Continue reading

Die Gewährleistung der Trinkwasserqualität basiert nach dem Konzept des im Jahr 2017 in Kraft getretenen neuen Lebensmittelrechts grundsätzlich auf dem Prinzip der Selbstkontrolle.[27]Art. 26 LMG. Danach liegt es in erster Linie an den Wasserversorgungen, dafür zu sorgen, dass vom Trinkwasser keine Gefahr für die Gesundheit der Konsumentinnen und Konsumenten ausgeht.[28]Vgl. Art. 27 Abs. 1 LMG. Stellt eine Wasserversorgung fest, dass das von ihr abgegebene Trinkwasser eine Gesundheitsgefährdung darstellt, ist sie verpflichtet, unverzüglich die zuständige kantonale Vollzugsbehörde zu informieren und in Zusammenarbeit mit dieser die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Massnahmen zu treffen.[29]Art. 84 Abs. 4 der Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung vom 16. Dezember 2016 (LGV; SR 817.02). Um Verunreinigung des Trinkwasser möglichst vorsorglich zu verhindern, müssen die Wasserversorgungen ausserdem im Rahmen der gesamtbetrieblichen Gefahrenanalyse periodisch eine Analyse der Gefahren für die Wasserressourcen durchführen.[30]Art. 3 Abs. 3 TBDV.

Die Lebensmittelgesetzgebung verlangt zwar, dass die Vorgaben über die Qualität von Lebensmittelqualität einzuhalten sind; welche Massnahmen im Fall einer Beanstandung konkret zu treffen sind, lässt sie dagegen weitgehend offen. Art. 34 Abs. 2 LMG sieht lediglich vor, dass die kantonalen Vollzugsbehörden anordnen können, dass ein beanstandetes Produkt weiterhin „mit oder ohne Auflagen“ verwertet werden darf (Bst. a) oder auf Kosten des zuständigen Unternehmens eingezogen und/oder beseitigt oder unschädlich gemacht werden muss (Bst. b und c).[31]Vgl. auch Klemm/Uebe, 141, Lagger, 63. Allerdings kann das BLV gestützt auf seine Kompetenz zur Regelung des einheitlichen Vollzugs des eidgenössischen Lebensmittelrechts „zum Zweck der Koordination“ den Kantonen bestimmte Massnahmen vorschreiben und sie bei ausserordentlichen Verhältnissen anweisen, bestimmte konkrete Massnahmen zu treffen.[32]Art. 42 Abs. 3 Bst. b und c LMG.

III. Neubewertung von Chlorothalonil durch die Bundesbehörden und Weisungen des BLV zum Vorgehen bei Grenzwertüberschreitungen

1. Allgemeines zur Zulassung und Überprüfung von Pflanzenschutzmitteln

Pflanzenschutzmittel dürfen in der Schweiz nur in Verkehr gebracht und verwendet werden, wenn sie vorgängig behördlich zugelassen worden sind. Das Zulassungsverfahren ist in der PSMV[33]Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vom 12. Mai 2010 (Pflanzenschutzmittelverordnung, PSMV, SR 916.161). geregelt und wurde zu wesentlichen Teilen aus dem EU-Recht übernommen.[34]Für einen Überblick über das Zulassungsverfahren vgl. Klauser, 711 ff. Die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels setzt unter anderem voraus, dass die in ihm enthaltenen Wirkstoffe genehmigt worden sind.[35]Art. 17 Abs. 1 Bst. a PSMV; die Liste der genehmigten Wirkstoffe findet sich in Anhang 1 PSMV. Zudem dürfen bei einem Gebrauch des Pflanzenschutzmittels gemäss der „guten Pflanzenschutzpraxis“[36]Vgl. Art. 3 Abs. 1 Bst. q PSMV. und unter realistischen Verwendungsbedingungen weder direkt noch über das Trinkwasser oder anderweitig indirekt schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder das Grundwasser entstehen, wobei auch sog. Kumulations- und Synergieeffekte zu berücksichtigen sind.[37]Art. 17 Abs. 1 Bst. e i.V.m. Art. 4 Abs. 5 Bst. b PSMV. Bei der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels kann die Zulassungsstelle allgemeine Verwendungsvorschriften wie etwa Regeln zur Anwendungsmenge, Abstandsvorschriften oder die Benutzung bestimmter Geräte erlassen.[38]Vgl. Art. 66 PSMV. Die Zuständigkeit für die Aufnahme in die Liste der genehmigten Wirkstoffe liegt beim EDI.[39]Vgl. Art. 5 Abs. 1 PSMV. Die Zulassungsstelle für Pflanzenschutzmittel ist dem BLV zugewiesen,[40]Art. 71 Abs. 1 PSMV. welches diese Aufgabe per 1. Januar 2022 vom BLW übernommen hat.[41]Vgl. Medienmitteilung des Bundesrats vom 17. November 2021 „Neuorganisation der Pflanzenschutzmittelzulassung“, abrufbar unter … Continue reading

Die Genehmigung der Wirkstoffe und die Zulassung der Pflanzenschutzmittel bzw. die dabei erlassenen Verwendungsvorschriften beruhen grundsätzlich auf dem Wissen zum Zeitpunkt des entsprechenden Genehmigungs- bzw. Zulassungsentscheids, die zum Teil relativ weit zurückliegen können. Da sich der Kenntnisstand in Bezug auf unerwünschte Nebenwirkungen fortlaufend verbessert und die Zulassungsanforderungen zunehmend verschärft werden, hat das BLV im Jahr 2010 das Programm der sog. „Gezielten Überprüfung“ eingeleitet. Dieses orientiert sich am entsprechenden Reevaluationsprogramm der EU und bezwecket, ausgewählte Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe unter Berücksichtigung von neuen Erkenntnissen einer aktualisierten wissenschaftlichen Risikoeinschätzung zu unterziehen und gegebenenfalls die geltenden Verwendungsvorschriften anzupassen oder allenfalls sogar die Zulassung eines Wirkstoffs oder Pflanzenschutzmittels nachträglich zu entziehen.[42]BLV, „Allgemeine Informationen zur Gezielten Überprüfung der bewilligten Pflanzenschutzmittel“ (Stand: 1. Januar 2022), abrufbar unter … Continue reading

2. Überprüfung des Wirkstoffs Chlorothalonil und Widerruf der Zulassung

In den Jahren 2016 und 2017 führte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) im Zusammenhang mit dem Antrag auf Erneuerung der Genehmigung von Chlorothalonil in der EU eine Reevaluation des Wirkstoffs durch.[43]EFSA, 2016, Conclusion on the peer review of the peer review of the pesticide risk assessment of the active substance chlorothalonil, EFSA Journal 2018;16(1):5126, abrufbar unter … Continue reading In der Folge hat das BLV im Dezember 2018 ebenfalls eine gezielte Überprüfung des Fungizids eingeleitet.[44]BLV, Wirkstoff-Liste GÜ in Bearbeitung und abgeschlossen (Stand: 30.4.2023), abrufbar unter: … Continue reading Gestützt auf die Erkenntnisse der in der EU bereits durchgeführten Reevaluation gelangte es dabei zum Schluss, dass Chlorothalonil als wahrscheinlich krebserregend eingestuft werden müsse. Diese Neueinstufung habe gemäss dem europäischen Leitfaden über die Beurteilung der Relevanz[45]Guidance document on the assessment of the relevance of metabolites in groundwater of substances regulated under Regulation (EC) No 1107/2009, Sanco/221/2000 – rev.10- final, vom 25. Februar … Continue reading zudem automatisch zur Folge, dass fortan auch alle Metaboliten von Chlorothalonil – und nicht wie bis anhin nur einzelne von ihnen – als trinkwasserrelevant anzusehen seien, für die ein Grenzwert von 0,1 µg/l gilt.[46]Vgl. Medienmitteilung des BLW vom 12. Dezember 2019 (Fn. 1) sowie Weisung Nr. 2020/1 des BLV vom vom 14. September 2020, Ziff. 3. Am 11. Dezember 2019 entzog daraufhin das (damals noch zuständige) BLW die Verkaufserlaubnis für die Chlorothalonil-haltigen Pflanzenschutzmitteln mit sofortiger Wirkung und verbot deren Verwendung ab dem 1. Januar 2020.[47]Allgemeinverfügung des BLW vom 11. Dezember 2019 über die Verwendung von Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Chlorothalonil, BBl 2019 8431. Damit zog das BLW mit der EU-Kommission gleich, welche bereits am 29. April 2019 die Verlängerung der Genehmigung für den Wirkstoff Chlorothalonil verweigert hatte.[48]Durchführungsverordnung (EU) 2019/677 der Kommission vom 29. April 2019 zur Nichterneuerung der Genehmigung für den Wirkstoff Chlorthalonil, ABl L 114 vom 30. April 2019, 15 ff.

Während sich die Bundesbehörden bei der Neubeurteilung des Wirkstoffs Chlorothalonil im Wesentlichen den Ergebnissen der Reevaluation der EFSA bzw. EU-Kommission angeschlossen haben, sind sie dem im Rahmen der gezielten Überprüfung selber erstellten Gutachten zur Relevanz der Chlorothalonil-Metaboliten nicht gefolgt.[49]Vgl. dazu auch hinten Ziff. V.1. In diesem Gutachten ist das BLV noch zu teilweise von der Beurteilung der EFSA abweichenden Ergebnissen gelangt. Insbesondere hatte das BLV den Metaboliten „R471811“ dort im Unterschied zur EFSA noch als nicht trinkwasserrelevant beurteilt.[50]Gutachten des BLV vom 3. Dezember 2019, „Relevanzprüfung der Grundwassermetaboliten der Produkte mit dem Wirkstoff Chlorothalonil im Rahmen der (teil-)gezielten Überprüfung“, abrufbar unter … Continue reading Der in der Zwischenzeit neu erlassene Art. 24 Abs. 2bis PSMV sieht nunmehr ausdrücklich vor, dass die Schweizer Behörden die Ergebnisse der EFSA und die Erwägungen der EU-Kommission über die Genehmigung der Wirkstoffe des Pflanzenschutzmittels bei der Überprüfung einer Bewilligung für ein Pflanzenschutzmittel übernehmen. Gemäss dieser Bestimmung soll die Schweiz zudem neu auf eine eigene Beurteilung der Stoffe verzichten, wenn diese bereits von der EFSA überprüft worden sind.

3. Weisungen des BLV zum Vorgehen bei Grenzwertüberschreitungen

Zur konkreten Umsetzung dieser Neubewertung von Chlorothalonil und seiner Abbauprodukte hat das BLV gestützt auf seine Kompetenz zur Regelung des einheitlichen Vollzugs des Lebensmittelrechts verschiedene Weisungen an die zuständigen kantonalen Behörden erlassen. Dazu gehören insbesondere die Weisung Nr. 2020/1 vom 14. September 2020 mit dem Titel „Anordnung von Massnahmen bei Höchstwertüberschreitungen von Chlorothalonil-Metaboliten im Trinkwasser“[51]Diese Weisung ist aufgrund der vor Bundesverwaltungsgericht hängigen Beschwerde gegen die Neubeurteilung der Chlorothalonil-Metaboliten auf der Webseite des BLV momentan nicht abrufbar; vgl. dazu … Continue reading sowie die Weisung Nr. 2020/4 vom 10. November 2020 „Interpretation von Höchstwertüberschreitungen chemischer und physikalischer Parameter in Lebensmitteln“[52]Abrufbar unter <www.blv.admin.ch>, Lebensmittel und Ernährung > Rechts- und Vollzugsgrundlagen > Hilfsmittel und Vollzugsgrundlagen > Weisungen..

In der Weisung Nr. 2020/4 führt das BLV allgemein aus, dass die verschiedenen Grenzwerte der Lebensmittelgesetzgebung aus unterschiedlichen Gründen festgelegt werden. Sie beruhten zum einen „auf der gesundheitlichen Beurteilung nach heutigem Wissensstand“, andererseits aber auch „auf der technischen Vermeidbarkeit“ (Ziff. 1). Weil sich die Bedeutung der einzelnen Grenzwerte im Hinblick auf allfällige Gesundheitsrisiken unterschieden, seien keine generellen Aussagen über die im Fall einer Grenzwertüberschreitung zu treffenden Massnahmen möglich (Ziff. 3.1). Bei der Beurteilung, ob ein Lebensmittel gesundheitsschädlich ist, sehe das LMG vor, dass die wahrscheinlichen sofortigen, kurzfristigen und langfristigen Auswirkungen auf die Gesundheit, die wahrscheinlichen kumulativen toxischen Auswirkungen und die besondere Empfindlichkeit bestimmter Konsumentengruppen zu berücksichtigen seien (Ziff. 2). Würden die Höchstwerte für die Pflanzenschutzmittel oder ihre Abbauprodukte im Trinkwasser überschritten, bestehe nicht in jedem Fall ein Risiko für die Gesundheit. Vielmehr müsse im Einzelfall eine eingehende Beurteilung des spezifischen Stoffes unter Einbezug des BLV erfolgen. Eine weitere Abgabe an die Konsumentinnen und Konsumenten für einen „definierten Zeitraum“ sei im Sinn einer Ausnahmeregelung nicht ausgeschlossen, solange kein untragbares Gesundheitsrisiko bestehe und es „keine Alternative“ gebe (Ziff. 3.2.2).

Spezifisch mit Blick auf die Belastung des Trinkwassers durch die Chlorothalonil-Metaboliten hatte das BLV die Kantone in der bereits früher erlassenen Weisung Nr. 2020/1 angewiesen, bei sämtlichen Höchstwertüberschreitung dafür zu sorgen, dass das Trinkwasser die neu eingeführten Grenzwerte einhält (Ziff. 3). Dazu müssen die kantonalen Vollzugsbehörden zunächst Sofortmassnahmen verfügen (Ziff. 4.1). Für den Fall, dass diese Sofortmassnahmen ungenügend sind, sieht die Weisung „weitergehende Massnahmen zur Einhaltung der Anforderungen der Lebensmittelgesetzgebung“ vor, die spätestens innert zweier Jahre ab der Beanstandung zu ergreifen sind (Ziff. 4.2). Ist die Umsetzung solcher weitergehenden Massnahmen innerhalb dieses Zeitraums „aus zeitlichen, finanziellen, politischen oder ökologischen Gründen nicht möglich“, steht es den Kantonen gemäss der Weisung jedoch offen, „eine der Situation angemessene Frist“ festzulegen (Ziff. 4.3). In jedem Fall verlangt das BLV, dass die betroffenen Konsumentinnen und Konsumenten regelmässig über die Ergebnisse der Qualitätskontrolle und die getroffenen Massnahmen zu informieren sind (Ziff. 4.5).

IV. Seitenblick: Rechtslage in der EU und Grenzwerte im benachbarten Ausland

1. EU

Im EU-Recht wird – wie in der PSMV[53]Siehe vorne Ziff. III.1. – zwischen der Genehmigung des Wirkstoffs und der Zulassung des Pflanzenschutzmittels unterschieden. Für die Genehmigung der Wirkstoffe ist die EU-Kommission zuständig.[54]Art. 13 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates, ABl L … Continue reading Die Kompetenz für die Zulassung der Pflanzenschutzmittel liegt dagegen bei den einzelnen Mitgliedstaaten.[55]Art. 28 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. Voraussetzung für die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels ist aber, dass die Wirkstoffe von der EU-Kommission genehmigt worden sind.[56]Art. 29 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. Die Beurteilung der Trinkwasserrelevanz der einzelnen Metaboliten ist ebenso Aufgabe der Mitgliedstaaten.[57]Vgl. aber den Leitfaden der EU-Kommission „Guidance document on the assessment of the relevance of metabolites in groundwater of substances regulated under Regulation (EC) No 1107/2009“. Die EFSA gibt hierzu nur Empfehlungen ab.

2. Unterschiedliche Relevanzbeurteilung in Deutschland/Österreich und Frankreich

Die Empfehlungen der EFSA in Bezug auf Relevanz-Bewertung des in der Schweiz hauptsächlich problematischen Metaboliten „R471811“ wurden in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich umgesetzt:

a) Deutschland und Österreich

In Deutschland[58]Vgl. Umweltbundesamt, Liste der bewerteten nicht relevanten Metaboliten, Fortschreibungsstand: November 2021, abrufbar unter … Continue reading und Österreich[59]Vgl. Bundesministerium Arbeit, Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz, Liste der Aktionswerte bezüglich nicht relevanter Metaboliten von Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffen in Wasser für den … Continue reading wird der Metabolit „R471811“ nicht als trinkwasserrelevant eingestuft. Für ihn gilt aber ein sog. „gesundheitlicher Orientierungswert“ (D) bzw. „Aktionswert“ (A) von 3,0 µg/l, der wesentlich weniger streng ist als der neue schweizerische Höchstwert. Diese Grenzwerte sind so angesetzt, dass sie genügend gewährleisten sollen, dass bei lebenslanger täglicher Aufnahme des Stoffes über das Trinkwasser ausreichend sicher keine Gesundheitsschädigungen beim Menschen zu erwarten sind.[60]Vgl. Umweltbundesamt, Leitfaden Gefährdungsbasiertes Risikomanagement für anthropogene Spurenstoffe zur Sicherung der Trinkwasserversorgung, 46 f., abrufbar unter … Continue reading

b) Frankreich

Anders als in Deutschland und Österreich wird der Metabolit „R471811“ in Frankreich dagegen wie in der Schweiz als trinkwasserrelevant eingestuft. Für ihn gilt ebenfalls grundsätzlich ein strenger Höchstwert von 0,1 μg/l im Trinkwasser („limite de qualité réglementaire“).[61]Agence nationale de sécurité sanitaire de l’alimentation, de l’environnement et du travail, Avis du 26 janvier 2022 relatif à la détermination de la pertinence pour les eaux destinées à la … Continue reading Liegt die Belastung aber noch unterhalb eines Werts von 3,0 µg/l („valeur sanitaire transitoire“), der vom GOW des deutschen Umweltbundesamts übernommen wurde,[62]Direction générale de la Santé (DGS), Instruction du 24 mai 2022 N° DGS/EA4/2022/127, Bulletin officiel Santé – Protection sociale – Solidarité N° 2022/13 du 15 juin 2022 S. 380 … Continue reading kann das Trinkwasser mit Zustimmung des Präfekten für eine Übergangsdauer von maximal 6 Jahren nach wie vor an die Konsumentinnen und Konsumenten abgegeben werden.[63]Siehe Art. R 1321 31-1321 36 Code de la Santé Publique français (CSP).

V. Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht[64]Die Arbeiten zu diesem Artikel wurden im Juli 2023 abgeschlossen.

1. Argumentation von Syngenta

Die Syngenta Agro AG hat im Januar 2020 beim Bundesverwaltungsgericht sowohl gegen das vom BLW erlassene Chlorothalonil-Verbot (Verfahren B-531/2020) als auch gegen die vom BLV vorgenommene Neubeurteilung der Chlorothalonil-Metaboliten „R417888“, „R419492“, „R471811“ und „R611965“ (Verfahren B-3340/2020) Beschwerde erhoben. Sie macht im Wesentlichen geltend, die Neueinstufung der Abbauprodukte als trinkwasserrelevant sei widersprüchlich, da das BLV in seinem eigenen Gutachten[65]Vgl. dazu vorne Ziff. III.2. zum Schluss gekommen sei, dass die genannten Abbauprodukte nicht als trinkwasserrelevant zu beurteilen seien. Dass sich das BLV nur kurze Zeit später der abweichenden Beurteilung durch die EFSA angeschlossen habe, sei aus wissenschaftlicher Sicht nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus lägen den Behörden Gutachten vor, die aufzeigten, dass die beiden im Grundwasser hauptsächlich verbreiteten Metaboliten „R471811“ und „R417888“ für Mensch und Umwelt nicht gefährlich seien.[66]Vgl. Syngenta, Mitteilung auf der Webseite vom 7. April 2022 „Syngenta begrüsst Zwischenentscheid des Bundesverwaltungsgerichts im Fall Chlorothalonil“, abrufbar unter … Continue reading Syngenta verlangte zudem in prozessualer Hinsicht, dass das BLV für die Dauer des Verfahrens anzuweisen sei, die Publikationen betreffend Neubeurteilung von Chlorothalonil und dessen Abbaustoffen von seiner Webseite zu entfernen.

2. Zwischenverfügung vom 24. August 2020

Der zuständige Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichts ist mit Zwischenverfügung vom 24. August 2020 zum Schluss gelangt, dass bei einer weiteren Publikation der Informationen, wonach Chlorothalonil „wahrscheinlich krebserregend“ sei und sämtliche Metaboliten als trinkwasserrelevant einzustufen seien, ein allfälliger Schaden für Syngenta als Inhaberin von Bewilligungen für das Inverkehrbringen von Chlorothalonil-haltigen Pflanzenschutzmitteln als wahrscheinlich erscheine und es insbesondere bei längerer Verfügbarkeit und Verbreitung der beanstandeten Informationen schwieriger würde, diese Nachteile im Falle des Obsiegens rückgängig zu machen. Er hat daher das BLV für die Dauer des Verfahrens vorsorglich angewiesen, Chlorothalonil nicht mehr als wahrscheinlich krebserregend und die Chlorothalonil-Metaboliten „R417888“, „R419492“, „R471811“ sowie „R611965“ nicht mehr als trinkwasserrelevant zu bezeichnen.[67]Zwischenverfügung vom 24. August 2020 im Verfahren B-3340/2020, Dispositiv-Ziff. 2 und 3, abrufbar unter <www.bvger.ch>.

3. Zwischenverfügung vom 15. Februar 2021

In der Folge entfernte das BLV zwar die beanstandeten Ausführungen von seiner Webseite. Jedoch nahm es diese in die wenig später erlassene Weisung Nr. 2020/1 weitgehend wieder auf. Ausserdem wurde das Dokument „Relevanz von Pflanzenschutzmittel-Metaboliten im Grund- und Trinkwasser“, in dem die fraglichen Metaboliten als trinkwasserrelevant bezeichnet werden, neu auf der Webseite des BLW publiziert.[68]Alder. Auf Intervention der Syngenta hat das Bundesverwaltungsgericht mit einer zweiten Zwischenverfügung vom 15. Februar 2021 auch diese Publikation einstweilen unterbunden.[69]Zwischenverfügung vom 15. Februar 2021 im Verfahren B-3340/2020, Dispositiv-Ziff. 2, abrufbar unter <www.bvger.ch>. Der Hauptentscheid in der Sache steht nach wie vor aus.[70]Der Europäische Gerichtshof ist im Urteil vom 6. Oktober 2021 in der Rechtssache T-518/19, ECLI:EU:T:2021:662 – Sipcam Oxon/Kommission, in Rz. 38 ff. zum Schluss gelangt, dass die EU-Kommission … Continue reading

4. Unsicherheit in Bezug auf die aktuelle Rechtslage

Bis zur endgültigen gerichtlichen Klärung, bleibt vorderhand unklar, ob und wieweit die Trinkwasserversorgungen rechtlich verpflichtet sind, Massnahmen gegen die Belastung ihres Wassers durch Chlorothalonil-Metaboliten zu treffen. Der Bundesrat stellt sich auf den Standpunkt, dass das Bundesverwaltungsgericht mit den Zwischenverfügungen die Weisung 2020/1 nicht explizit widerrufen, sondern lediglich deren Publikation bis zum Hauptentscheid verboten habe. Deshalb seien die Höchstwerte nicht ausser Kraft gesetzt worden. Der Bundesrat wies aber darauf hin, dass das BLV den Kantonen in Bezug auf die Massnahmen, die von der Relevanz der Metaboliten ausgehen, Zurückhaltung empfohlen habe. Dies solle jedoch die Trinkwasserversorger und Kantone nicht daran hindern, Überlegungen und Investitionen für den zukunftsorientierten und nachhaltigen Trinkwasserschutz zu tätigen.[71]Vgl. Antwort von BR Berset anlässlich der Fragestunde im Nationalrat vom 13. Dezember 2021, Frage Nadine Masshardt, ABl 2021 N 2505.

VI. Beschränkte Handlungsoptionen für die Wasserversorgungen

1. Aktuelle Belastungssituation

Nach den jüngsten Angaben des BAFU[72]BAFU, Bericht „Gewässer in der Schweiz, Zustand und Massnahmen“, 2022, Ziff. 3.1.3, S. 28 f., abrufbar unter … Continue reading treten im Grundwasser trotz des seit Anfang 2020 geltenden Chlorothalonil-Verbots nach wie vor vier Metaboliten in Konzentrationen von mehr als 0,1 µg/l auf. Problematisch ist vor allem die anhaltende Belastung durch den Metaboliten „R471811“, welcher den neuen Höchstwert landesweit an jeder dritten Grundwassermessstelle und im Mittelland in 60% der Fälle überschreitet. Für den Metaboliten „R417888“ ist dies im Mittelland an mehr als 20% der Messstellen der Fall. Es kann zwar davon ausgegangen werden, dass sich die Belastung im Grund- und Trinkwasser mit der Zeit verringern wird, da unterdessen kein neues Chlorothalonil mehr in die Böden und den Wasserkreislauf gelangt. Da aber gerade die im Trinkwasser hauptsächlich vorgefundenen Chlorothalonil-Metaboliten sehr langlebig sind und sich die Grundwasserreservoire in der Regel nur langsam erneuern, gehen Fachleute und Behörden davon aus, dass die Qualität des Grundwassers noch während Jahren beeinträchtigt bleibt.[73]Vgl. Hintze et al. Immerhin bestehen erste Messresultate, die auf eine leichte Abnahme der Belastung hindeuten.[74]Vgl. etwa Baudirektion des Kantons Zürich, Bericht „Wasser und Gewässer 2022“, Januar 2023, 114, abrufbar unter … Continue reading

2. Sofortmassnahmen

Weil die Grundwasservorkommen grossflächig durch Chlorothalonil-Abbauprodukte belastet sind, erweisen sich die Handlungsoptionen der Trinkwasserversorgungen im Fall einer Grenzwertüberschreitung oftmals als beschränkt. In vielen Fällen ist es aus Kapazitätsgründen etwa nicht ohne weiteres möglich, auf die Nutzung der belasteten Fassungen zu verzichten. Es besteht in diesen Fällen zwar grundsätzlich die Möglichkeit, die Grenzwerte im abgegebenen Trinkwasser durch Mischen des Rohwassers von verschiedenen Bezugsorten unter den Grenzwert zu senken. Dies setzt allerdings voraus, dass alternative Wasserbezugsmöglichkeiten überhaupt vorhanden sind (z.B. mehrere Wasserfassungen oder Verbindungsleitungen zu benachbarten Wasserversorgungen). Ferner ist das Wasser von diesen alternativen Bezugsorten oftmals ebenfalls mit Chlorothalonil-Metaboliten belastet. Als Sofortmassnahme reicht das Mischen des Rohwassers deshalb regelmässig nicht aus, um die Höchstwerte einzuhalten.

3. Weitergehende Massnahmen

Neben diesen Sofortmassnahmen kommen nur noch relativ aufwändige Massnahmen wie etwa der Bau von neuen Wasserfassungen oder von Verbindungsleitungen zu anderen Wasserversorgungen in Frage. Dies bedingt jedoch, dass noch ungefasste Wasserressourcen im Einzugsgebiet zur Verfügung stehen bzw. dass benachbarte Trinkwasserversorgungen willens und in der Lage sind, überschüssiges Wasser abzugeben. Hinzu kommt, dass solche Projekte in der Regel mit langen Vorabklärungen und hohen Kosten verbunden sind. Im Übrigen ist es auch möglich, die Chlorothalonil-Rückstände mit technischen Mitteln im Rahmen einer Wasseraufbereitung aus dem Wasser zu entfernen. Gemäss einer Studie der Eawag bietet sich aber hierfür als einzige gut geeignete Methode die sog. Nanofiltration bzw. Umkehrosmose an.[75]Vgl. Eawag, Factsheet vom Februar 2020 „Chlorothalonil-Metaboliten: Eine Herausforderung für die Wasserversorg“, abrufbar unter … Continue reading Diese Aufbereitungsmethode ist in der Schweiz noch wenig erprobt und ebenfalls sehr teuer. Gemäss einer Studie ist beim Bau einer solchen Anlage mit einer Erhöhung der Trinkwasserkosten von bis zu 50% zu rechnen.[76]Vgl. Rieck et al. In jüngerer Zeit durchgeführte Pilotversuche haben zwar gezeigt, dass sich das Rohwasser ebenfalls mit Aktivkohle säubern lässt.[77]Caprez. Allerdings ist davon auszugehen, dass auch diese Aufbereitungsmethode nicht wesentlich kostengünstiger ist.[78]Jeckelmann.

4. Haltung des Fachverbands

Die Schweizerische Verein des Gas- und Wasserfachs (SVGW) stuft die technische Aufbereitung von Grundwasser zur Lösung des Chlorothalonil-Problems lediglich als „Übergangslösung in gewissen Fällen“ ein, lehnt „flächendeckende Investitionen“ in die Wasseraufbereitung aber grundsätzlich als unverhältnismässig ab. Nach seiner Auffassung würde eine systematische Aufbereitung des Trinkwassers ausserdem zu einer Aushöhlung des Vorsorge- und Verursacherprinzips führen und auch nicht dem Wunsch der Konsumentinnen und Konsumenten nach möglichst natürlichem Trinkwasser entsprechen.[79]Vgl. SVGW, Positionspapier vom 15. März 2023 „Wasseraufbereitung und Ressourcenschutz“, abrufbar unter <www.svgw.ch/media/8965/positionspapier_aufbereitung-und-ressourcenschutz.pdf>; SVGW, … Continue reading

VII. Chlorothalonil-Problematik als Anwendungsfall des Vorsorgeprinzips

1. Tragweite des Vorsorgeprinzips

Das Vorsorgeprinzip ist für den Bereich des Umweltrechts in Art. 74 Abs. 2 Satz 1 BV und Art. 1 Abs. 2 USG sowie für den Bereich des Lebensmittelrechts in Art. 22 LMG positivrechtlich verankert.[80]Es ist unklar, ob das Vorsorgeprinzip darüber hinaus als allgemeiner Rechtsgrundsatz gilt. Vgl. BGE 132 II 305 E. 4.3; Griffel/Rausch, Komm. USG Ergänzungsband, Art. 1 N. 20; Thurnherr, Rz. 68. In materieller Hinsicht verlangt es, dass jede Einwirkung auf die natürliche Umwelt und mittelbar auf den Menschen, die – allein oder zusammen mit anderen Einwirkungen – schädlich oder lästig sein könnte, frühzeitig am Ort ihres Entstehens zu begrenzen ist. Zudem beinhaltet es eine „Entscheidungsregel für den Fall der Unsicherheit“[81]Griffel/Rausch, Komm. USG Ergänzungsband, Art. 1 Rz. 19., d.h. für Situationen, in denen eine zuverlässige quantitative Abschätzung des Risikos nicht möglich ist. Gemäss dem Bundesgericht bedeutet das Vorsorgeprinzip, dass „in solchen Situationen der Ungewissheit […] den Unsicherheiten mit einer Sicherheitsmarge Rechnung zu tragen ist“[82]BGE 131 II 431 E. 4.4.4, 124 II 219 E. 8a..

Beim Vorsorgeprinzip handelt es sich insofern um eine Vorgehensweise zum rechtlichen Umgang mit dem Risiko, die verlangt, dass potenziellen Schädigungen möglichst präventiv am Ort ihres Ursprungs zu begegnen ist. Allerdings gilt dieses Präventionsgebot nicht absolut; vielmehr werden ihm durch andere verfassungsrechtlichen Prinzipien wie namentlich den Grundsatz der Verhältnismässigkeit Grenzen gesetzt. Verlangt wird daher grundsätzlich keine „Null-Risiko-Strategie“, sondern nur, dass das Eintreten möglicher Schädigungen auf ein vernünftiges Mass reduziert wird (sog. ALARA-Prinzip, „As Low As Reasonably Achievable“).[83]SGK-BV, Morell/Vallender/Hettich, Art. 74 Rz. 27. Entsprechend hat auch das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass das Vorsorgeprinzip „nicht bedeuten [kann], dass alle hypothetischen Risiken unzulässig sind“[84]BGE 131 II 431 E. 4.4.4..

Der Grundsatz der Vorsorge gilt sowohl in der Rechtsetzung als auch in der Rechtsanwendung: Die rechtsetzenden Organe sind im Sinne eines Optimierungsgebots gehalten, dem Vorsorgeprinzip im positiven Recht so gut wie möglich Ausdruck zu verleihen. In der Rechtsanwendung wirkt der Grundsatz hauptsächlich als „Auslegungs- und Konkretisierungshilfe“, welche die Interpretation der unbestimmten Rechtsbegriffe im Einzelfall in eine bestimmte Richtung lenkt und die vorzunehmenden Interessenabwägungen beeinflusst.[85]Thurnherr, Rz. 88.

2. Vorsorgeprinzip im Lebensmittelrecht

Für den Bereich der Lebensmittelsicherheit sieht Art. 22 LMG vor, dass die zuständige Bundesbehörde gestützt auf das Vorsorgeprinzip vorläufige Massnahmen zur Sicherstellung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus treffen kann, wenn sie nach einer Auswertung der verfügbaren Informationen feststellt, dass ein Lebensmittel oder ein Gebrauchsgegenstand gesundheitsschädliche Auswirkungen haben könnte, aber wissenschaftlich noch Unsicherheit besteht. Im Rahmen der Umsetzung des Vorsorgeprinzips ist gemäss Art. 21 LMG grundsätzlich eine Risikoanalyse vorzunehmen, welche eine Risikobewertung, ein Risikomanagement und eine Risikokommunikation umfasst.[86]Marti, 241 ff. Während die Risikobewertung die möglichst gute Abschätzung des Schädigungspotenzials mit Hilfe des naturwissenschaftlichen Sachverstands bezweckt,[87]Marti, 241 ff. soll im Rahmen des Risikomanagements vor dem Hintergrund des unvollständigen wissenschaftlichen Kenntnisstands eruiert werden, welche Risiken zu welchem Preis von den Betroffenen bzw. der Gesellschaft akzeptiert werden müssen und welche Massnahmen zur Reduktion der Risikoexposition letztlich zu ergreifen sind. Hierbei sind insbesondere auch gesellschaftliche und wirtschaftliche Gesichtspunkte sowie die Vollziehbarkeit zu berücksichtigen.[88]Marti, 243 ff. Die Risikokommunikation verlangt schliesslich, dass die Öffentlichkeit und die Betroffenen transparent darüber zu informieren sind, welche Prämissen der Risikobeurteilung zugrunde gelegt, welche Wirkungen in Betracht gezogen und wie diese gewichtet werden.[89]Marti, 245 ff.

3. Umsetzung des Vorsorgeprinzips als Zusammenspiel verschiedener Akteure in Bund und Kantonen

Wie in den vorangehenden Ausführungen aufgezeigt wurde, sind im Kontext der Chlorothalonil-Problematik verschiedene Behörden auf unterschiedlichen Staatsebenen in die Umsetzung des Vorsorgeprinzips involviert. Während die Identifikation des von den Chlorothalonil-Metaboliten ausgehenden Gesundheitsrisikos ursprünglich durch die EU-Behörden erfolgte, fand und findet die Risikoanalyse sowie das Festlegen der konkreten Massnahmen innerhalb der Schweiz im Zusammenspiel von verschieden Behörden in Bund und Kantonen sowie den betroffenen Wasserversorgungen statt.

Die Risikobewertung wurde im Wesentlichen vom BLV und dem BAFU sowie den Kantonschemikern durchgeführt. Während das BLV zunächst im Rahmen der Gezielten Überprüfung das Gefährdungspotenzial der im Trinkwasser vorhandenen Chlorothalonil-Metaboliten ermittelte, haben das BAFU und die Kantonschemiker anhand von Grund- und Trinkwasseruntersuchungen zwecks Abschätzung der Risikoexposition eruiert, wie stark die Pflanzenschutzmittelrückstände im Grundwasser verbreitet sind. Aufgrund der Weisungen des BLV[90]Siehe vorne Ziff. III.3. ist es nunmehr auch Aufgabe der Wasserversorgungen, im Rahmen der lebensmittelrechtlichen Selbstkontrolle, die konkrete Belastung des Trinkwassers in ihrem Versorgungsgebiet zu überwachen.

Die zentrale Aufgabe des Risikomanagements (Festlegen der konkreten Massnahmen) wurde und wird ebenfalls im Zusammenspiel verschiedener Behörden auf Bundesebene und kantonaler Ebene wahrgenommen: Die vom Vorsorgeprinzip gebotene Beschränkung des Risikos am Ort seiner Entstehung wurde mit dem Chlorothalonil-Verbot von der Zulassungsstelle für Pflanzenschutzmittels (damals BLV) und damit vom Bund verfügt (sog. „Quellenstopp“). Das Risikomanagement im Bereich der Trinkwasserversorgung (sog. „End of pipe-Massnahmen“) obliegt dagegen im Wesentlichen den Kantonen und Wasserversorgungen. Wie im Fall einer Grenzwertüberschreitung vorzugehen ist bzw. welche konkreten Massnahmen zu treffen sind, ist letztlich von ihnen zu entscheiden. Aus den Weisungen des BLV ergeben sich kaum konkrete Anhaltspunkte, wie die verschiedenen zu berücksichtigenden Interessen in einem solchen Fall zu bewerten sind.

Auch die Kommunikation über die mit den Chlorothalonil-Metaboliten im Trinkwasser verbundenen Gesundheitsrisiken obliegt gleichzeitig verschiedenen Akteuren: Gemäss Art. 24 Abs. 1 Bst. b LMG haben die Behörden die Öffentlichkeit über Lebensmittel zu informieren, bei denen ein hinreichender Verdacht besteht, dass sie ein Risiko für die Gesundheit mit sich bringen können. Da im vorliegenden Fall mehrere Kantone von diesen Belastungen betroffen sind, fällt nach Art. 54 Abs. 2 LMG den Bundesbehörden grundsätzlich die Aufgabe zu, die Bevölkerung zu informieren und Verhaltensempfehlungen abzugeben.[91]Art. 54 Abs. 2 LMG. Entsprechende Informationen zum Thema Chlorothalonil finden sich auf der Webseite des BLV allerdings derzeit keine.[92]Eine Suche mit dem Stichwort Chlorothalonil im Suchfeld der Webseite ergab keine Treffer. Gemäss der BLV-Weisung Nr. 2020/1 sind die Kantone bzw. Wasserversorgungen im Rahmen der Risikokommunikation sodann dazu verpflichtetet, die Bevölkerung über die konkreten Metaboliten-Belastungen in den verschiedenen Versorgungsgebieten zu informieren[93]Vgl. auch Art. 5 TBDV. sowie die Anordnung von bestimmten Massnahmen bzw. den Verzicht auf solche öffentlich zu kommunizieren.[94]Siehe vorne Ziff. III.3.

VIII. Auswirkungen für die Kantone und die Gerichte

1. Kantone

Auch wenn das weitere rechtliche Schicksal der neu eingeführten Grenzwerte derzeit noch unklar ist, sind die Kantone gut beraten, sich im Austausch mit den Wasserversorgungen bereits heute damit auseinanderzusetzen, wie sie mit der Chlorothalonil-Problematik umgehen wollen, da sich gezeigt hat, dass die über dem Grenzwert liegenden Konzentrationen vielerorts mit Sofortmassnahmen allein nicht ausreichend gesenkt werden können. Da sich das Problem aufgrund der Langlebigkeit der Chlorothalonil-Metaboliten oftmals auch nicht durch „Aussitzen“ lösen lässt, werden die kantonalen Lebensmittelbehörden möglicherweise in zahlreichen Fällen darüber zu befinden haben, ob das belastete Trinkwasser nach wie vor an die Konsumentinnen und Konsumenten abgegeben werden darf oder ob die Trinkwasserversorgung einzuschränken oder gar einzustellen ist. Das BLV hat mit der Weisung Nr. 2020/1 allerdings lediglich einen groben Handlungsrahmen vorgegeben, wie das Vorsorgeprinzip in einem solchen Fall umzusetzen und die zu berücksichtigenden Interessen konkret zu bewerten sind. Da davon auszugehen ist, dass den betroffenen Kantonen und Wasserversorgungen zur Bewältigung des Chlorothalonil-Problems hohe Investitionskosten bevorstehen, werden sie nicht umhinkommen, sich Gedanken darüber zu machen, wie sie bestehenden Zielkonflikte zwischen dem Gesundheitsschutz, dem Trinkwasserversorgungsauftrag und den Massnahmenkosten vornehmen wollen. Dabei werden sie sich insbesondere auch die Frage stellen müssen, wie weit grössere Investitionen in die Versorgungsinfrastruktur auch bei geringen Grenzwertüberschreitungen angesichts des nicht klar nachgewiesenen Gesundheitsrisikos noch verhältnismässig sind bzw. ab welcher Belastung dies grundsätzlich der Fall ist. In der Bundesversammlung wurden in diesem Zusammenhang bereits Vorstösse eingereicht, die eine Mitfinanzierung des Bundes verlangen.[95]Vgl. etwa Motion 20.3022 Felix Wettstein vom 2. März 2020, „Finanzielle Beteiligung des Bundes an den notwendigen Sanierungsmassnahmen“. Da die Trinkwasserqualität in weiten Teil der Bevölkerung ein sensibles Thema ist und entsprechende Ängste vor den Auswirkungen von solchen Verunreinigungen bestehen, bedarf der Umgang der Kantone und deren Wasserversorgungen mit dem Chlorothalonil-Problem „Fingerspitzengefühl“. Im Falle der Bestätigung der neuen Grenzwerte wird es ihnen obliegen, in diesem auch politisch heiklen Bereich mit Augenmass zusammen mit den Trinkwasserversorgungen einzelfallgerechte und verhältnismässige Lösungen zu erarbeiten, die auch von den betroffenen Trinkwasserkonsumentinnen und -konsumenten akzeptiert werden können.

2. Gerichte

Sollten die neuen Grenzwerte gerichtlich standhalten, ist anzunehmen, dass es auch bei der Umsetzung der notwendigen Massnahmen zu Streitigkeiten vor den Gerichten kommen wird. Der Überprüfung durch die Justiz sind allerdings insofern relativ enge Grenzen gesetzt, als mangels solider (naturwissenschaftlicher) Entscheidungsgrundlage rechtlich nur schwer zu beurteilen ist, ob die einzelnen Interessen in einer „Situation der Ungewissheit“ vernünftig gewichtet worden sind. Dies gilt umso mehr, da zahlreiche Interessen gleichzeitig zu berücksichtigen sind, die sich durch eine hohe Technizität auszeichnen und eine komplexe Gesamtfolgenabschätzung erfordern. Zudem ist aus rechtlicher Sicht unklar, ob und inwiefern die Ängste bzw. die Risikoaversion in der Bevölkerung zu berücksichtigen sind.[96]Dazu Thurnherr, Rz. 109 ff. Wie die verschiedenen Rechtsgüter im Einzelfall relativ zueinander zu bewerten bzw. welche konkreten Massnahmen zu treffen sind, ist daher normativ nur vage vorgegeben. Die Wahl der im Einzelfall angemessenen Massnahmen dürfte daher weitgehend eine politische und keine rechtliche Frage sein und zu weiten Teilen im Ermessen der Verwaltungsbehörden liegen.[97]Vgl. Marti, 244. Materiell lässt sich in diesem Zusammenhang gerichtlich wohl regelmässig im Wesentlichen nur überprüfen, ob die der Entscheidung zugrunde liegenden Wertungen ausreichend offengelegt wurden und ob aufgezeigt wurde, inwiefern diese auf die Rechtsordnung abgestützt werden können.[98]Vgl. Thurnherr, Rz. 110.

IX. Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Umgang mit der Chlorothalonil-Problematik auf Ebene des Bundes insbesondere hinsichtlich seiner Auswirkungen für die Kantone bzw. Trinkwasserversorgungen nicht in jeder Hinsicht zu überzeugen vermag. Einerseits ist im Sinne der Vorsorge zwar nicht zu beanstanden, dass der Bund nach dem Bekanntwerden der möglichen Gesundheitsrisikos das Chlorothalonil-Verbot von der EU auch in der Schweiz übernommen hat, zumal für den Schutz der Kulturen offenbar ausreichend andere Wirkstoffe zur Verfügung stehen.[99]Vgl. Schweizer Bauernverband, Medienmitteilung vom 8. November 2019 „Verzicht auf Chlorothalonil-haltige Pflanzenschutzmittel“, abrufbar unter … Continue reading Indem er für sämtliche Chlorothalonil-Metaboliten einen neuen strengen Grenzwert eingeführt hat und grundsätzlich deren Einhaltung verlangt, setzt er die Kantone und Trinkwasserversorgungen allerdings unter erheblichen Handlungsdruck, lässt gleichzeitig aber weitgehend offen, welches Gesundheitsrisiko im Fall einer Grenzwertüberschreitung besteht und welche rechtliche Bedeutung dem neuen Grenzwert genau zukommt. Im Unterschied zu Deutschland[100]Vgl. vorne Ziff. IV.2.a), insb. Fn. 62. hat – soweit ersichtlich – keine umfassende Bewertung der verfügbaren wissenschaftlichen Daten bzw. des Grades der wissenschaftlichen Ungewissheit zur Festlegung eines auf das spezifische Risiko abgestimmten Grenzwerts stattgefunden. Da die Risikobewertung Ausgangspunkt und zentrale Grundlage der Entscheidung über die im Einzelfall zu treffenden, zum Teil weitreichenden Massnahmen bildet, wären klarere Vorgaben durch den Bund jedoch wünschenswert, zumal mit den gegebenenfalls anstehenden Infrastrukturmassnahmen möglicherweise wichtige Weichen für die zukünftige Wasserversorgung gestellt werden. Zu denken ist dabei etwa an eine differenziertere Regelung mit abgestuften Grenzwerten und verschiedenen Interventionsstufen. Der Bund könnte so festlegen, ab welcher Belastung zwar ein grundsätzlicher, nicht aber absolut dringender Handlungsbedarf besteht und ab welcher Konzentration von einem nicht mehr hinnehmbaren Gesundheitsrisiko auszugehen ist.

Indem der Bund bisher auf präzisere Handlungsanweisungen verzichtet hat, belässt er die Kantone und Wasserversorgungen nicht nur in einer problematischen Rechtsunsicherheit in Bezug auf die vorzunehmenden komplexen Interessenabwägungen, sondern überlässt ihnen auch weitgehend die (politische) Verantwortung für den konkreten Umgang mit dem Chlorothalonil-Problem. Ausserdem befürchten Trinkwasserexperten, dass ohne aktivere Rolle des Bundes wichtige Erfahrungen zu wenig ausgetauscht werden und ein föderalistischer „Flickenteppich“ entsteht.[101]Vgl. Interview mit Prof. Urs von Gunten von der Eawag, in Wissenschaftsmagazin SRF Kultur vom 28. Januar 2023, abrufbar unter … Continue reading Hinzu kommt, dass in den vergangenen Jahren neben den Chlorothalonil-Rückständen weitere unerwünschte und möglicherweise gesundheitsgefährdende Fremdstoffe im Trinkwasser vorgefunden wurden (etwa Arzneimittel-Rückstände oder sog. „Forever chemicals“).[102]Häusler. Sinnvollerweise sind auch diese Belastungen bei den möglicherweise weitreichenden Investitionsentscheidung in die künftige Trinkwasserversorgungsinfrastruktur mitzuberücksichtigen. Da überdies nicht nur im Hinblick auf die Trinkwasserqualität, sondern auch in Bezug auf die quantitative Versorgungsicherheit verschiedene weitere infrastrukturelle Herausforderungen bestehen,[103]Vgl. dazu etwa BAFU, Bericht „Grundlagen für die Wasserversorgung 2025, Risiken, Herausforderungen und Empfehlungen“, 2014, abrufbar unter … Continue reading wären differenziertere Leitlinien des Bundes im Rahmen einer kohärenten gesamtschweizerischen Lösungsstrategie auch aus einer ganzheitlichen Sicht auf die Trinkwasserversorgung zu begrüssen, zumal namentlich die kleineren Kantone mit der sich dabei stellenden naturwissenschaftlichen und technischen Komplexität allein oftmals überfordert sind. Dazu müsste auf Bundesebene allerdings eine bereitere politische Diskussion geführt werden, als dies bisher der Fall war.

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Thurnherr Daniela, Vorsorgeprinzip: Verpflichtungen und Grenzen für die Verwaltung und weitere staatliche Akteure, Rechtsgutachten im Auftrag des BAFU, Basel 2020.

Fussnoten

Fussnoten
1 Medienmitteilung des BLW vom 12. Dezember 2019 „Zulassung für Chlorothalonil wird mit sofortiger Wirkung entzogen“, abrufbar unter <www.blw.admin.ch/blw/de/home/services/medienmitteilungen.msg-id-77491.html>.
2 Vgl. für eine Übersicht über die Studienergebnisse Kiefer et al., 14 ff.
3 Kampagnenbericht „Pflanzenschutzmittel in Trinkwasser“ vom 6. September 2019 des Verbandes der Kantonschemiker der Schweiz, abrufbar unter <www.kantonschemiker.ch/medienmitteilungen.html>.
4 BAFU, „Gutes Trinkwasser ist nicht mehr selbstverständlich“, in: die umwelt, 3/2020, 45, abrufbar unter <www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/dokumentation/magazin.html>.
5 BAFU (Fn. 4), 44.
6 Vgl. etwa Stellungnahme des Bundesrats vom 19. Februar 2020 zur Interpellation 19.4532 von Nationalrätin Moser vom 19. Dezember 2019; Interview vom 30. März 2020 mit dem Toxikologen Lothar Aicher vom Schweizerischen Zentrum für Angewandte Humantoxikologie (SCAHT), abrufbar unter<www.aquaetgas.ch/aktuell/interview/20200330-interview-lothar-aicher>.
7 Bundesgesetz vom 20. Juni 2014 über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG; SR 817.0).
8 Verordnung des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) über Trinkwasser sowie Wasser in öffentlich zugänglichen Bädern und Duschanlagen vom 16. Dezember 2016 (SR 817.022.11).
9 Richtlinie 98/83/EG des Rates vom 3. November 1998 über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch, ABl L 330 vom 5. Dezember 1998, 32 ff. Diese Richtlinie ist unterdessen nicht mehr in Kraft und wurde ersetzt durch die Richtlinie (EU) 2020/2184 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2020 über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (sog. EU-Trinkwasserrichtlinie), ABl L 435 vom 23. Dezember 2020, 1 ff.
10 Erläuterungen des BLV zur TBDV vom 20. Februar 2017, 2.
11 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101).
12 Anders noch Art. 24bis Abs. 2 Bst. a der alten Bundesverfassung vom 29. Mai 1874.
13 Vgl. Bundesratsbeschluss vom 17. September 2021 über das Abstimmungsergebnis, BBl 2021 2135.
14 Art. 1 Bst. a LMG.
15 Bundesgesetz vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz, GSchG; SR 814.20).
16 Art. 1 Bst. b GSchG.
17 SGK BV-Marti/Hettich, Art. 76 Rz. 13.
18 Bundesgesetz vom 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz (Umweltschutzgesetz, USG; SR 814.01).
19 Komm. GSchG/WBG-Hettich/Jansen/Norer, Einleitung Rz. 11.
20 Z.B. Art. 105 Abs. 2 der Verfassung des Kantons Zürich vom 27. Februar 2005 (KV ZH, LS 101), Art. 35 Abs. 1 der Verfassung des Kantons Bern vom 6. Juni 1993 (KV BE, BSG 101.1) oder Art. 82 Abs. 1 Verfassung des Kantons Graubünden vom 14. September 2003 (KV GR, BR 110.100).
21 Z.B. Wasserwirtschaftsgesetz des Kantons Zürich vom 2. Juni 1991 (WWG ZH, LS 724.11), Wasserversorgungsgesetz des Kantons Bern vom 11. November 1996 (WVG BE, BSG 752.32).
22 Z.B. Wasserversorgungsgesetz der Landschaft Davos vom 28. November 2004, Gesetz über die Wasserversorgung der Gemeinde Zernez vom 18. Oktober 2015.
23 Komm. GSchG/WBG-Hettich/Jansen/Norer, Einleitung Rz. 11.
24 Vgl. etwa § 25 und 27 Abs. 1 WWG ZH oder Art. 8 Abs. 1 und 14 Abs. 1 WVG BE.
25 Anhang 2 TBDV.
26 BLV, „Relevanz von Pflanzenschutzmittel-Metaboliten im Grund- und Trinkwasser“, aktuelle Liste vom März 2022 abrufbar unter <www.blv.admin.ch/blv/de/home/zulassung-pflanzenschutzmittel/anwendung-und-vollzug/weisungen-und-merkblaetter.html>.
27 Art. 26 LMG.
28 Vgl. Art. 27 Abs. 1 LMG.
29 Art. 84 Abs. 4 der Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung vom 16. Dezember 2016 (LGV; SR 817.02).
30 Art. 3 Abs. 3 TBDV.
31 Vgl. auch Klemm/Uebe, 141, Lagger, 63.
32 Art. 42 Abs. 3 Bst. b und c LMG.
33 Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vom 12. Mai 2010 (Pflanzenschutzmittelverordnung, PSMV, SR 916.161).
34 Für einen Überblick über das Zulassungsverfahren vgl. Klauser, 711 ff.
35 Art. 17 Abs. 1 Bst. a PSMV; die Liste der genehmigten Wirkstoffe findet sich in Anhang 1 PSMV.
36 Vgl. Art. 3 Abs. 1 Bst. q PSMV.
37 Art. 17 Abs. 1 Bst. e i.V.m. Art. 4 Abs. 5 Bst. b PSMV.
38 Vgl. Art. 66 PSMV.
39 Vgl. Art. 5 Abs. 1 PSMV.
40 Art. 71 Abs. 1 PSMV.
41 Vgl. Medienmitteilung des Bundesrats vom 17. November 2021 „Neuorganisation der Pflanzenschutzmittelzulassung“, abrufbar unter <www.blw.admin.ch/blw/de/home/services/medienmitteilungen.msg-id-85919.html>.
42 BLV, „Allgemeine Informationen zur Gezielten Überprüfung der bewilligten Pflanzenschutzmittel“ (Stand: 1. Januar 2022), abrufbar unter <www.blv.admin.ch/blv/de/home/zulassung-pflanzenschutzmittel/zulassung-und-gezielte-ueberpruefung/gezielte-ueberpruefung.html>.
43 EFSA, 2016, Conclusion on the peer review of the peer review of the pesticide risk assessment of the active substance chlorothalonil, EFSA Journal 2018;16(1):5126, abrufbar unter <www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/5126>.
44 BLV, Wirkstoff-Liste GÜ in Bearbeitung und abgeschlossen (Stand: 30.4.2023), abrufbar unter: <www.blv.admin.ch/blv/de/home/zulassung-pflanzenschutzmittel/zulassung-und-gezielte-ueberpruefung/gezielte-ueberpruefung.html>.
45 Guidance document on the assessment of the relevance of metabolites in groundwater of substances regulated under Regulation (EC) No 1107/2009, Sanco/221/2000 – rev.10- final, vom 25. Februar 2003.
46 Vgl. Medienmitteilung des BLW vom 12. Dezember 2019 (Fn. 1) sowie Weisung Nr. 2020/1 des BLV vom vom 14. September 2020, Ziff. 3.
47 Allgemeinverfügung des BLW vom 11. Dezember 2019 über die Verwendung von Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Chlorothalonil, BBl 2019 8431.
48 Durchführungsverordnung (EU) 2019/677 der Kommission vom 29. April 2019 zur Nichterneuerung der Genehmigung für den Wirkstoff Chlorthalonil, ABl L 114 vom 30. April 2019, 15 ff.
49 Vgl. dazu auch hinten Ziff. V.1.
50 Gutachten des BLV vom 3. Dezember 2019, „Relevanzprüfung der Grundwassermetaboliten der Produkte mit dem Wirkstoff Chlorothalonil im Rahmen der (teil-)gezielten Überprüfung“, abrufbar unter <https://files.newsnetz.ch/upload//2/9/291152.pdf>.
51 Diese Weisung ist aufgrund der vor Bundesverwaltungsgericht hängigen Beschwerde gegen die Neubeurteilung der Chlorothalonil-Metaboliten auf der Webseite des BLV momentan nicht abrufbar; vgl. dazu hinten Ziff. V.3.
52 Abrufbar unter <www.blv.admin.ch>, Lebensmittel und Ernährung > Rechts- und Vollzugsgrundlagen > Hilfsmittel und Vollzugsgrundlagen > Weisungen.
53 Siehe vorne Ziff. III.1.
54 Art. 13 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates, ABl L 309, 1 ff.
55 Art. 28 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009.
56 Art. 29 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009.
57 Vgl. aber den Leitfaden der EU-Kommission „Guidance document on the assessment of the relevance of metabolites in groundwater of substances regulated under Regulation (EC) No 1107/2009“.
58 Vgl. Umweltbundesamt, Liste der bewerteten nicht relevanten Metaboliten, Fortschreibungsstand: November 2021, abrufbar unter <www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/5620/dokumente/gowpflanzenschutzmetabolite-20211109_0.pdf>.
59 Vgl. Bundesministerium Arbeit, Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz, Liste der Aktionswerte bezüglich nicht relevanter Metaboliten von Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffen in Wasser für den menschlichen Gebrauch, zuletzt geändert am 4. August 2021, abrufbar unter <www.lebensmittelbuch.at/leitlinien/leitlinien-richtlinien-empfehlungen-usw-der-codexkommission/trinkwasser/aktionswerte-bezueglich-nicht-relevanter-metaboliten-von-pflanzenschutzmittel-wirkstoffen-in-wasser-fuer-den-menschlichen-gebrauch.html>.
60 Vgl. Umweltbundesamt, Leitfaden Gefährdungsbasiertes Risikomanagement für anthropogene Spurenstoffe zur Sicherung der Trinkwasserversorgung, 46 f., abrufbar unter <www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/trinkwasser/trinkwasserqualitaet/toxikologie-des-trinkwassers/gesundheitlicher-orientierungswert-gow>.
61 Agence nationale de sécurité sanitaire de l’alimentation, de l’environnement et du travail, Avis du 26 janvier 2022 relatif à la détermination de la pertinence pour les eaux destinées à la consommation humaine de métabolites de pesticide: chlorothalonil R471811, 2,6-dichlorobenzamide, diméthénamide ESA et diméthénamide OXA, N° de Saisine 2021-SA-0020, abrufbar unter <www.anses.fr/fr/content/avis-de-lanses-relatif-à-la-détermination-de-la-pertinence-pour-les-eaux-destinées-à-la-1>.
62 Direction générale de la Santé (DGS), Instruction du 24 mai 2022 N° DGS/EA4/2022/127, Bulletin officiel Santé – Protection sociale – Solidarité N° 2022/13 du 15 juin 2022 S. 380 ff., abrufbar unter <https://sante.gouv.fr/fichiers/bo/2022/2022.13.sante.pdf>.
63 Siehe Art. R 1321 31-1321 36 Code de la Santé Publique français (CSP).
64 Die Arbeiten zu diesem Artikel wurden im Juli 2023 abgeschlossen.
65 Vgl. dazu vorne Ziff. III.2.
66 Vgl. Syngenta, Mitteilung auf der Webseite vom 7. April 2022 „Syngenta begrüsst Zwischenentscheid des Bundesverwaltungsgerichts im Fall Chlorothalonil“, abrufbar unter <www.syngenta.ch/news/schweizer-landwirtschaft/syngenta-begruesst-zwischenentscheid-des-bundesverwaltungsgerichts-im>.
67 Zwischenverfügung vom 24. August 2020 im Verfahren B-3340/2020, Dispositiv-Ziff. 2 und 3, abrufbar unter <www.bvger.ch>.
68 Alder.
69 Zwischenverfügung vom 15. Februar 2021 im Verfahren B-3340/2020, Dispositiv-Ziff. 2, abrufbar unter <www.bvger.ch>.
70 Der Europäische Gerichtshof ist im Urteil vom 6. Oktober 2021 in der Rechtssache T-518/19, ECLI:EU:T:2021:662 – Sipcam Oxon/Kommission, in Rz. 38 ff. zum Schluss gelangt, dass die EU-Kommission von der Trinkwasserrelevanz der umstrittenen Chlorothalonil-Metaboliten ausgehen durfte.
71 Vgl. Antwort von BR Berset anlässlich der Fragestunde im Nationalrat vom 13. Dezember 2021, Frage Nadine Masshardt, ABl 2021 N 2505.
72 BAFU, Bericht „Gewässer in der Schweiz, Zustand und Massnahmen“, 2022, Ziff. 3.1.3, S. 28 f., abrufbar unter <www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/wasser/publikationen-studien/publikationen-wasser/gewaesserbericht.html>.
73 Vgl. Hintze et al.
74 Vgl. etwa Baudirektion des Kantons Zürich, Bericht „Wasser und Gewässer 2022“, Januar 2023, 114, abrufbar unter <www.zh.ch/de/umwelt-tiere/wasser-gewaesser/gewaesserschutz/gewaesserqualitaet.html>.
75 Vgl. Eawag, Factsheet vom Februar 2020 „Chlorothalonil-Metaboliten: Eine Herausforderung für die Wasserversorg“, abrufbar unter <www.eawag.ch/de/info/portal/aktuelles/news/chlorothalonil-fordert-wasserversorger>.
76 Vgl. Rieck et al.
77 Caprez.
78 Jeckelmann.
79 Vgl. SVGW, Positionspapier vom 15. März 2023 „Wasseraufbereitung und Ressourcenschutz“, abrufbar unter <www.svgw.ch/media/8965/positionspapier_aufbereitung-und-ressourcenschutz.pdf>; SVGW, Kommentar vom 14. September 2020 zur BLV-Weisung 2020/1, abrufbar unter <www.svgw.ch/wasser/dossiers/dossier-chlorothalonil/weisung-blv>; Blog-Beitrag des SVGW-Direktors vom 27. Dezember 2021 „Gretchenfrage Wasseraufbereitung“ vom 27. Dezember 2021, <www.aquaetgas.ch/svgw-news/blog/20211227_gretchenfrage-wasseraufbereitung>.
80 Es ist unklar, ob das Vorsorgeprinzip darüber hinaus als allgemeiner Rechtsgrundsatz gilt. Vgl. BGE 132 II 305 E. 4.3; Griffel/Rausch, Komm. USG Ergänzungsband, Art. 1 N. 20; Thurnherr, Rz. 68.
81 Griffel/Rausch, Komm. USG Ergänzungsband, Art. 1 Rz. 19.
82 BGE 131 II 431 E. 4.4.4, 124 II 219 E. 8a.
83 SGK-BV, Morell/Vallender/Hettich, Art. 74 Rz. 27.
84 BGE 131 II 431 E. 4.4.4.
85 Thurnherr, Rz. 88.
86 Marti, 241 ff.
87 Marti, 241 ff.
88 Marti, 243 ff.
89 Marti, 245 ff.
90 Siehe vorne Ziff. III.3.
91 Art. 54 Abs. 2 LMG.
92 Eine Suche mit dem Stichwort Chlorothalonil im Suchfeld der Webseite ergab keine Treffer.
93 Vgl. auch Art. 5 TBDV.
94 Siehe vorne Ziff. III.3.
95 Vgl. etwa Motion 20.3022 Felix Wettstein vom 2. März 2020, „Finanzielle Beteiligung des Bundes an den notwendigen Sanierungsmassnahmen“.
96 Dazu Thurnherr, Rz. 109 ff.
97 Vgl. Marti, 244.
98 Vgl. Thurnherr, Rz. 110.
99 Vgl. Schweizer Bauernverband, Medienmitteilung vom 8. November 2019 „Verzicht auf Chlorothalonil-haltige Pflanzenschutzmittel“, abrufbar unter <www.sbv-usp.ch/de/verzicht-auf-chlorothalonil-haltige-pflanzenschutzmittel>.
100 Vgl. vorne Ziff. IV.2.a), insb. Fn. 62.
101 Vgl. Interview mit Prof. Urs von Gunten von der Eawag, in Wissenschaftsmagazin SRF Kultur vom 28. Januar 2023, abrufbar unter <www.srf.ch/audio/wissenschaftsmagazin/bald-wieder-sauberes-trinkwasser?id=12323020>.
102 Häusler.
103 Vgl. dazu etwa BAFU, Bericht „Grundlagen für die Wasserversorgung 2025, Risiken, Herausforderungen und Empfehlungen“, 2014, abrufbar unter <www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/wasser/publikationen-studien.html>.