Inhalt
- Einleitung
- Abhandlung
- Einführung in das Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG)
- Allgemeine strafrechtliche Bestimmungen
- Rechtswidrige Ein- oder Ausreise, rechtswidriger Aufenthalt und Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung (AIG Art. 115)
- Ausländerin oder Ausländer (gemeinsames Tatbestandselement)
- Rechtswidrige Einreise (AIG Art. 115 Abs. 1 lit. a)
- Objektiver Tatbestand
- Grenzübertritt ohne anerkanntes Ausweispapier (AIG Art. 5 Abs. 1 lit. a)
- Grenzübertritt ohne Visum oder ETIAS-Reisegenehmigung (AIG Art. 5 Abs. 1 lit. abis)
- Grenzübertritt ohne finanzielle Mittel (AIG Art. 5 Abs. 1 lit. b)
- Grenzübertritt unter Gefährdung der Sicherheit der Schweiz (AIG Art. 5 Abs. 1 lit. c)
- Grenzübertritt trotz Fernhaltemassnahme oder Landesverweisung (AIG Art. 5 Abs. 1 lit. d)
- Grenzübertritt ohne Gewähr für eine gesicherte Wiederausreise (AIG Art. 5 Abs. 2)
- Subjektiver Tatbestand
- Fahrlässigkeit
- Rechtswidrigkeit und Schuld
- Abgrenzung und Konkurrenzen
- Objektiver Tatbestand
- Rechtswidriger Aufenthalt (AIG Art. 115 Abs. 1 lit. b)
- Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung (AIG Art. 115 Abs. 1 lit. c)
- Umgehung der vorgeschriebenen Grenzübergangsstellen (AIG Art. 115 Abs. 1 lit. d)
- Rechtswidrige Einreise von der Schweiz in einen anderen Staat
(AIG Art. 115 Abs. 2) - Gegenseitige Konkurrenz der Tatbestände gemäss AIG Art. 115
- Vorrang der Ausweisung vor der Bestrafung (AIG Art. 115 Abs. 4–6)
- Schluss
- Literaturverzeichnis
- Materialien
A. Einleitung
Das Strafrecht ist in erster Linie eine national geprägte Materie. Eine im Strafverfolgungsalltag bedeutsame Ausnahme bildet AIG Art. 115 mit der Überschrift „Rechtswidrige Ein- oder Ausreise, rechtswidriger Aufenthalt und Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung“: Im Wesentlichen bestimmt das Europarecht diese Strafnorm. Mit 17 466 Verurteilungen im Jahr 2024 ist AIG Art. 115 in der Verurteilungsstatistik das zweithäufigste Vergehen[1]Das in der Verurteilungsstatistik häufigste Verbrechen ist Diebstahl i.S.v. StGB Art. 139 mit 9 303 Verurteilungen im Jahr 2024 (Quelle: s. folgende Fussnote). der Schweiz – nur übertroffen von der groben Verkehrsregelverletzung i.S.v. SVG Art. 90 Abs. 2 mit 20 373 Verurteilungen[2]Vgl. <https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/kriminalitaet-strafrecht/strafjustiz/verurteilungen-erwachsenen.html> (besucht am 7.10.2025).. Bemerkenswert erscheint diese Masse an Verurteilungen namentlich deshalb, weil die Schweiz dem Schengenraum angehört und abgesehen von den Flughäfen ausschliesslich Binnengrenzen aufweist. Zugleich sieht der für die Schweiz verbindliche Schengen-Besitzstand vor, dass die strafrechtliche Sanktionierung subsidiär hinter die verwaltungsrechtliche Rückführung zurückzutreten hat. Daraus ergibt sich die Sorge, ob die schweizerische Praxis zur Bestrafung der Unrechtmässigkeit der Einreise und des Aufenthalts die europarechtlichen Vorgaben unterlaufe. Der vorliegende Beitrag untersucht diese Frage auf der Grundlage einer dogmatischen Analyse der einschlägigen Strafnorm und ihrer bundesgerichtlichen Auslegung im Kontext des massgeblichen Europarechts. Nicht Gegenstand der Abhandlung ist die Erforschung der Aktenlage zu den rechtskräftigen Strafbefehlen, die rund 90 Prozent der Verurteilungen ausmachen[3]Seit der Einführung der StPO im Jahr 2011 beträgt der Anteil der Strafbefehle (auch Strafmandate) an den Verurteilungen in Bezug auf sämtliche Straftaten im Durchschnitt 90.49 %, während er … Continue reading.
B. Abhandlung
I. Einführung in das Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG)
Das Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (AIG) / Loi fédérale sur les étrangers et l’intégration (LEI) / Legge federale sugli stranieri e la loro integrazione (LStrI) vom 16. Dezember 2005[4]SR 142.20. trat am 1. Januar 2008 in Kraft und löste damit das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG) vom 26. März 1931 als sein Vorgängergesetz ab. Es regelt die Ein- und Ausreise, den Aufenthalt, den Familiennachzug, die Zulassung zur Erwerbstätigkeit sowie die Integration von ausländischen Personen[5]Definition s. unten Ziff. B.III.1. in der Schweiz[6]AIG Art. 1, 3 und 4..
Weltweit gibt es – soweit ersichtlich – keinen Staat, der keine Vorschriften über den Personenverkehr aufgestellt hat. Ein universelles Menschenrecht auf Einreise in jedes beliebige fremde Land ist nicht anerkannt[7]UN Human Rights Committee, CCPR/C/21/Rev.1/Add.9, General Comment No. 27: Article 12 (Freedom of Movement), angenommen in der 67. Sitzung vom 2.11.1999, Ziff. 4; … Continue reading. Die Regelung des Personenverkehrs gilt als Ausfluss der staatlichen Souveränität und Territorialhoheit. Es ist – unter Vorbehalt völkerrechtlicher Verpflichtungen – ein autonomer Entscheid, ausländische Staatsangehörige ins eigene Gebiet einreisen zu lassen[8]BBl 2002 3774; Caroni/Scheiber/Preisig/Plozza, N 910; Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Vor Art. 115 N 7.. Das Rechtsgut, das durch das AIG geschützt werden soll, ist die Ordnung der Ein- und Ausreise, des Aufenthalts und der Erwerbstätigkeit von ausländischen Personen[9]Maurer, Art. 115 N 1; krit. Spescha/Bolzli/de Weck/Priuli, 387.. Dabei geht es im Wesentlichen um die Bedürfnisse, einerseits unkontrollierte und damit destabilisierende Einwanderungsströme abzuwehren und andererseits kriminelle und fürsorgebedürftige ausländische Personen fernzuhalten. Widerhandlungen gegen diese Ordnung sind Straftaten gegen die öffentliche Gewalt, zu denen auch die dem Schutzzweck des AIG nahestehende Strafnorm des Verweisungsbruchs gemäss StGB Art. 291 gehört.
Das AIG ist subsidiär. Es gilt gemäss AIG Art. 2 Abs. 1 nur, „soweit keine anderen Bestimmungen des Bundesrechts oder von der Schweiz abgeschlossene völkerrechtliche Verträge zur Anwendung kommen“. Staatsangehörige von Mitgliedern der EU und der EFTA kommen in den Genuss der Meistbegünstigungsklauseln von AIG Art. 2 Abs. 2–3: Bestimmungen des Freizügigkeitsabkommens (FZA)[10]SR 0.142.112.681: Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit vom 21.6.1999. bzw. des Anhangs K des EFTA-Übereinkommens (EFTA-K)[11]SR 0.632.31: Anhang K betreffend Freizügigkeit (Freier Personenverkehr) zum Übereinkommen zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) vom 4.1.1960 in der Fassung gemäss der … Continue reading, die für sie günstiger sind, haben Vorrang.
Das FZA ist über weite Strecken wortgleich mit dem EFTA-K. Die Unterschiede betreffen im Wesentlichen die Ausschüsse für die Umsetzung und Weiterentwicklung sowie heute ausgelaufene Übergangsbestimmungen. Die Anhänge I–III zum FZA entsprechen den Anlagen 1–3 zum EFTA-K. Für die Rechtsstellung der Angehörigen von EU- und von EFTA-Staaten in der Schweiz ergeben sich keine Unterschiede. Das Fürstentum Liechtenstein hat als Kleinstaat eine Sonderstellung und bleibt dauernd zur Kontingentierung berechtigt.
Da das FZA und der EFTA-K keine Strafbestimmungen enthalten, unterstehen auch Staatsangehörige der EU und der EFTA den Strafbestimmungen des AIG. Soweit allerdings der Straftatbestand durch die Verletzung von Pflichten gemäss dem AIG erfüllt wird, die im Anwendungsbereich des FZA und des EFTA-K nicht gelten, sind Staatsangehörige der EU und der EFTA nicht strafbar.
Die Rechtsstellung des diplomatischen und konsularischen Personals richtet sich im Wesentlichen nach dem GSG[12]SR 192.12: BG über die von der Schweiz als Gaststaat gewährten Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen sowie finanziellen Beiträge vom 22.6.2007.. Das AIG kommt höchstens subsidiär zum Tragen, wobei in strafrechtlicher Hinsicht weitgehend Immunität besteht[13]Maurer, Art. 115 N 5..
Die Verurteilungsstatistik des Bundesamtes für Statistik verzeichnete zwischen 2008 und 2024 durchschnittlich 16 351 im Strafregister erfasste Verurteilungen pro Jahr wegen Widerhandlungen gegen das AIG, davon durchschnittlich 13 618 wegen AIG Art. 115.
II. Allgemeine strafrechtliche Bestimmungen
1. Anwendbarkeit des AT StGB
Der allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs (StGB)[14]SR 311.0: Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21.12.1937. findet ausnahmslos Anwendung.
2. Strafverfolgung (AIG Art. 120e)
Die Strafverfolgung obliegt den Kantonen. Die Strafprozessordnung (StPO)[15]SR 312.0: Schweizerische Strafprozessordnung vom 5.10.2007. findet Anwendung.
Bei Begehung in mehreren Kantonen ist gemäss AIG Art. 120e Abs. 1 Satz 2 derjenige Kanton zuständig, der die Verfolgung zuerst aufnimmt. Dies entspricht dem forum praeventionis gemäss StPO Art. 31 Abs. 2. Aus AIG Art. 120e Abs. 1 Satz 2 folgt keine Abweichung von den Gerichtstandsregeln der StPO, namentlich nicht vom Gerichtsstand der mit der schwersten Strafe bedrohten Tat gemäss Art. 34 Abs. 1 StPO, wenn die beschuldigte Person wegen mehrerer Taten verfolgt wird.
3. Sicherstellung und Einziehung von Dokumenten (AIG Art. 121)
Die Befugnis der Verwaltungsbehörden, gefälschte, verfälschte und missbräuchlich verwendete Reisedokumente und Identitätspapiere nach Weisungen des SEM einzuziehen, ist unter dem Titel „administrative Sanktionen“ in AIG Art. 121 geregelt. Einziehungen nach StGB Art. 69 bleiben möglich, doch besteht dafür kein Bedarf, wenn die Verwaltungsbehörden die inkriminierten Gegenstände bereits aus dem Verkehr gezogen haben.
4. Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG)
a) Übernahme
Mit dem Schengen-Assoziierungsabkommen[16]SR 0.362.31: Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaft über die Assoziierung dieses Staates bei der Umsetzung, Anwendung und … Continue reading hat sich die Schweiz im Jahr 2004 verpflichtet, nicht nur den damaligen Schengen-Besitzstand, sondern auch dessen Weiterentwicklung zu übernehmen[17]Schengen-Assoziierungsabkommen Art. 2 Ziff. 3 und Art. 7.. Dazu gehört unter anderem die Richtlinie 2008/115/EG über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger[18]ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98; zur Bedeutung für die Schweiz vgl. Erwägung (29) zur Richtlinie.. Die Schweiz hat diese Richtlinie mit Bundesbeschluss vom 18. Juni 2010 übernommen[19]BGer vom 24.1.2013, 6B_196/2012, Erw. 2.1.1.. Sie ist entsprechend dem Wesen der Richtlinien der EU nicht unmittelbar anzuwenden, jedoch gemäss der im Schengen-Raum geltenden Auslegung im nationalen Recht umzusetzen[20]BGer vom 24.1.2013, 6B_196/2012, Erw. 2.1.3.. Das wurde in der Schweiz durch mehrere Revisionen des AIG vollzogen, wobei die Strafbestimmung von AIG Art. 115 erst im Jahr 2018 eine Anpassung erfuhr[21]Unten Ziff. B.III.8.a.. Bereits davor beachtete das Bundesgericht die Rechtsprechung des EuGH zur Rückführungsrichtlinie und zum übrigen Schengen-Besitzstand im Interesse „einer einheitlichen Rechtsanwendung durch die verschiedenen Mitgliedsstaaten, der Durchsetzung des Grundsatzes der Parallelität der Rechtsordnungen in den schengenrelevanten Bereichen sowie [der] Erfüllung der völkerrechtlich übernommenen Verpflichtungen der Schweiz“[22]BGE 147 II 201 Erw. 4.2.3..
b) Vorbehalt der Landesverweisung (AIG Art. 124a)
Mit AIG Art. 124a hat die Schweiz von der Befugnis gemäss Rückführungsrichtlinie Art. 2 Ziff. (2) Gebrauch gemacht, indem sie die Landesverweisung i.S.v. StGB Art. 66a und Art. 66abis sowie MStG Art. 49a und Art. 49abis von deren Anwendungsbereich ausgenommen hat.
III. Rechtswidrige Ein- oder Ausreise, rechtswidriger Aufenthalt und Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung (AIG Art. 115)
| Rechtsgut | Ordnung der Ein- und Ausreise, des Aufenthalts und der Erwerbstätigkeit von ausländischen Personen (Abs. 1); Beziehungen zum Ausland (Abs. 2) |
| Deliktsklassifikation |
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| Subsidiaritätsvorbehalt | Nicht zu anderen Strafbestimmungen, aber zur Weg- oder Ausweisung (Abs. 4–6) |
| Strafmass | Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe (Vorsatz) bzw. Busse (Fahrlässigkeit) |
| Anwendbares Prozessrecht | StPO |
| Verfolgungsbehörde | Kantonale Strafverfolgungsbehörden |
Die Strafnorm gemäss AIG Art. 115 gegen rechtswidrige Ein- oder Ausreise, rechtswidrigen Aufenthalt und Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung / entrée, sortie et séjour illégaux, exercice d’une activité lucrative sans autorisation / entrata, partenza o soggiorno illegali e attività lucrativa senza autorizzazione hat im Zeitraum 2008–2024 mit 231 500 Verurteilungen mit Abstand den grössten Anteil an den gesamten im Strafregister eingetragenen 285 763 Verurteilungen aufgrund von Strafbestimmungen des AIG.
1. Ausländerin oder Ausländer (gemeinsames Tatbestandselement)
Sämtliche Tatbestände von AIG Art. 115 können als Sonderdelikte nur von Ausländerinnen und Ausländern begangen werden, wofür hier der generische Begriff „ausländische Personen“ gewählt wird. Darunter sind sämtliche natürlichen Personen zu verstehen, die nicht über die schweizerische Staatsbürgerschaft verfügen. Wer neben der schweizerischen eine weitere Staatsbürgerschaft hat, fällt nicht darunter.
Wer nicht über die Sondereigenschaft verfügt, kann zwar gemäss StGB Art. 26 grundsätzlich wegen Teilnahme am Sonderdelikt bestraft werden[23]Strafrecht I, § 16 Ziff. 1.2.; indessen besteht bei AIG Art. 115 dafür höchstens in Bezug auf die Anstiftung i.S.v. StGB Art. 24 Raum, da die Gehilfenschaft durch AIG Art. 116 über die „Förderung der rechtswidrigen Ein- und Ausreise sowie des rechtswidrigen Aufenthalts“ als selbständiger Tatbestand ausgestaltet worden ist.
Freilich gelten nicht für alle ausländischen Personen dieselben Sonderpflichten. Vielmehr unterscheiden sich diese nach Massgabe des Verhältnisses der Schweiz zu ihrem Heimatstaat, insbesondere nach den zwischen diesen Staaten geltenden völkerrechtlichen Verträgen. Die im AIG aufgestellten verwaltungsrechtlichen Pflichten, an deren Verletzung dessen Strafbestimmungen anknüpfen, werden durch AIG Art. 2 Abs. 1 generell als subsidiär hinter das übrige Landesrecht und internationale Recht des Bundes zurückgestellt. AIG Art. 2 Abs. 2–4 heben den Vorrang des FZA, des EFTA-K und des Schengen-Assoziierungsabkommens hervor, wobei das FZA und der EFTA-K nur Vorrang haben, soweit sie eine Besserstellung der ausländischen Person bewirken.
Die für die Strafbarkeit gemäss AIG Art. 115 massgebliche Sonderpflicht ergibt sich damit nicht allein aus dem Fehlen der schweizerischen Staatsangehörigkeit. Vielmehr ist jeweils zu prüfen, ob die Nationalität der beschuldigten Person im Gebiet der Schweiz die strafrechtlich untermauerten Pflichten mit sich bringt. Verfügt die beschuldigte Person über mehrere Nationalitäten, so ist diejenige massgeblich, die sie in Bezug auf die in Frage stehende Pflicht am günstigsten stellt.
Beispiel: Staatsangehörige von EU- und EFTA-Staaten sind bei der Einreise nicht zum Nachweis genügender finanzieller Mittel für den Aufenthalt verpflichtet, weshalb ihre Strafbarkeit gemäss AIG Art. 5 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 115 Abs. 1 lit. a ausgeschlossen ist[24]BGE 143 IV 97 Erw. 1.5..
Für Asylsuchende, Staatenlose und ausländische Personen ohne Reisepapiere gelten grundsätzlich dieselben verwaltungs- und strafrechtlichen Pflichten wie für sonstige ausländische Personen[25]BGE 132 IV 29 Regeste; unten Ziff. B.III.2.a.aa. und B.III.2.d..
2. Rechtswidrige Einreise (AIG Art. 115 Abs. 1 lit. a)
| Tatbestandsklassifikation |
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| Konkurrenz/Abgrenzung | StGB Art. 291; AIG Art. 119 |
AIG Art. 115 Abs. 1 lit. a über die rechtswidrige Einreise gilt seit 2008 trotz der Anpassungen des damit verbundenen AIG Art. 5 an den Schengen-Besitzstand materiell im Wesentlichen unverändert und führte im Zeitraum 2008–2024 gemäss Bundesamt für Statistik zu durchschnittlich 7 274 Verurteilungen pro Jahr.
a) Objektiver Tatbestand
Unter Einreise ist grundsätzlich das Überschreiten der geografischen Landesgrenze zu verstehen. Benutzt die einreisende Person eine Grenzübergangsstelle, reist sie erst ein, indem sie den schweizerischen Grenzposten passiert oder umgeht, auch wenn dieser bereits im Landesinneren liegt[26]BGE 119 IV 164 Regeste (zu alt ANAG Art. 23 Abs. 1).. Für die Einreise auf dem Landweg ist dies kaum noch von Belang, da die Landesgrenze der Schweiz zur Binnengrenze im Schengenraum geworden ist, an der Personenkontrollen nicht mehr systematisch durchgeführt werden[27]SGK Art. 1 und 20; Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 3; Zünd, KMig, Art. 115 N 3.; möglich sind sie indessen weiterhin[28]AIG Art. 9; Uebersax/Petry/Hruschka/Frei/Errass, 72.. Von Bedeutung ist diese Differenzierung heute vor allem noch für die Einreise per Flug, die per analogiam nicht schon mit der Landung oder dem Betreten der auf Schweizer Boden liegenden der Transitzone, sondern erst hinter der Ausweiskontrollstelle vollendet ist[29]BGE 119 IV 164 Erw. 2.b; Maurer, Art. 115 N 7; Zünd, KMig, Art. 115 N 3.. Halten die Kontrollorgane die einreisende Person vor der Ausweiskontrolle in der Transitzone des Flughafens an, liegt eine gemäss StGB Art. 22 Abs. 1[30]Strafrecht I, § 11 Ziff. 1–2, § 12 Ziff. 1.1–2. versuchte Einreise vor[31]A.M. BBl 2002 3832..
Beispiel: Das Zollhaus von Ramsen SH befand sich 60 Meter innerhalb der Landesgrenze. Weil die Einreisenden bei der Ausweiskontrolle angehalten und der schweizerischen Polizei übergeben wurden, blieb es trotz des Passierens der geografischen Grenze beim Versuch der Einreise[32]So der Sachverhalt gemäss BGE 119 IV 164..
Die Tathandlung der Einreise ist rechtswidrig und erfüllt den objektiven Tatbestand von AIG Art. 115 Abs. 1 lit. a, wenn die einreisende Person dabei eine Einreisevorschrift von AIG Art. 5 verletzt.
Ähnliche Vorschriften wie AIG Art. 5 enthält Art. 6 Ziff. (1) des Schengener Grenzkodex (SGK)[33]Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9.3.2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex), ABl. L 77 … Continue reading für Angehörige von Drittstaaten für einen geplanten Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen. Die Verordnung über die Einreise und die Visumserteilung vom 15. August 2018 (VEV)[34]SR 142.204. verweist in Art. 3 Abs. 1 auf die Einreisevoraussetzungen für kurzfristige Aufenthalte des SGK.
aa) Grenzübertritt ohne anerkanntes Ausweispapier (AIG Art. 5 Abs. 1 lit. a)
AIG Art. 5 Abs. 1 lit. a auferlegt jeder ausländischen Person die Pflicht, bei der Einreise in die Schweiz über ein für den Grenzübertritt anerkanntes Reisepapier zu verfügen. Dabei muss es sich selbstverständlich um ein gültiges, echtes und für sie bestimmtes Reisepapier handeln[35]BGer vom 21.10.2019, 6B_668/2019, Erw. 1.1.2; BGer vom 18.12.2012, 6B_619/2012, Erw. 1.3.2; BGer vom 1.6.2011, 6B_212/2011, Erw. 3; Maurer, Art. 115 N 6; Caroni/Scheiber/Preisig/Plozza, N 914; … Continue reading. Diese Dokumentenpflicht gilt gleichermassen für das Passieren der Schengen-Aussengrenze und einer Binnengrenze im Schengenraum[36]SGK Art. 23 lit. c; BGer vom 13.8.2020, 6B_1379/2019, Erw. 6.2; Maurer, Art. 115 N 10.. AIG Art. 5 Abs. 4 räumt die Kompetenz zur Bestimmung der für den Grenzübertritt anerkannten Ausweispapiere dem Bundesrat ein, was dieser im Rahmen der VEV getan hat. VEV Art. 6 regelt die Voraussetzungen, die ein Reisedokument erfüllen muss, und beschreibt dabei einen Standard, den nur ein Reisepass erfüllen kann, der mindestens für die Dauer des zulässigen Aufenthalts gültig ist.
VEV Art. 6 Abs. 1 behält abweichende Regelungen in bilateralen oder multilateralen Abkommen vor. Eine Übersicht der Ausweisvorschriften nach Staatsangehörigkeit findet sich auf der Internetseite des SEM[37]Vgl. <https://www.sem.admin.ch/sem/de/home/publiservice/weisungen-kreisschreiben/visa/liste1_staatsangehoerigkeit.html> (besucht 7.10.2025).. Für Angehörige von EU- und EFTA-Staaten genügt ein „Personalausweis“[38]FZA Anhang I Art. 1 Ziff. (1) = EFTA-K Anlage 1 Art. 1 Ziff. 1.. Dieser in der deutschen Fassung des FZA verwendete Begriff entstammt dem deutschen Recht[39]Vgl. das deutsche Personalausweisgesetz vom 18.6.2009, BGBl. I S. 1346; PAuswG.; in der Schweiz und in den meisten anderen Ländern wird dieses Ausweispapier als „Identitätskarte“ bezeichnet[40]Vgl. „carte d’identité“ in der französischen Fassung von FZA Anhang I Art. 1 Ziff. (1); vgl. z.B. „Carte nationale d’identité“ in Frankreich; „Carta d’identità“ in Italien; in … Continue reading. Ein Führerausweis genügt nicht.
VEV Art. 6 Abs. 2 und 6 räumen den zuständigen Behörden, namentlich dem Staatssekretariat für Migration (SEM), ein Ermessen ein, in „begründeten Fällen“ Reisedokumente zu anerkennen, welche die Anforderungen nicht erfüllen. Die behördliche Anerkennung rechtfertigt die Einreise mit einem ungenügenden Ausweispapier.
Das Bundesgericht weitete den Begriff des Ausweispapiers auf das Erfordernis aus, bei der Einreise zwecks Erwerbstätigkeit über eine entsprechende Bewilligung zu verfügen[41]BGer vom 21.12.2018, 6B_60/2018, Erw. 3.3; Maurer, Art. 115 N 10.. Angesichts des klaren Sinngehalts des Begriffs des Ausweispapiers verletzt diese Auslegung nach hier vertretener Meinung die vom Gesetzeswortlaut gesetzten Grenzen.
Keine rechtswidrige Einreise liegt vor, wenn Asylsuchende ohne die erforderlichen Papiere gemäss AsylG Art. 19 Abs. 1 ordnungsgemäss bei der Grenzkontrolle in einem schweizerischen Flughafen oder bei der Einreise an einem geöffneten Grenzübergang ein Asylgesuch gemäss AsylG Art. 18 stellen und darauf von den zuständigen Behörden gemäss AsylG Art. 21 Abs. 1 an ein Zentrum des Bundes gewiesen werden, was einer Einreisebewilligung entspricht[42]BGE 132 IV 29 Erw. 2.3.2 (mit dem Hinweis, dass sich die Rechtslage seit dem BGE dahingehend geändert hat, dass gemäss AsylG Art. 19 seit dem 29.9.2012 ein Asylgesuch nicht mehr bei einer … Continue reading. Da an der Binnengrenze im Schengenraum keine Personenkontrollen mehr stattfinden, muss es nach hier vertretener Ansicht zur Entlastung genügen, wenn sich die asylsuchende Person unmittelbar nach der Einreise beim nächsten geöffneten Polizeiposten meldet und um Asyl bittet. Der Tatbestand der illegalen Einreise ist jedoch erfüllt, wenn die asylsuchende Person das Gesuch nicht proaktiv, sondern erst bei Anhaltung im Inland stellt, nachdem sie ohne Papiere eingereist ist[43]ZR 122 (2023) Nr. 8, Erw. 2.1.2; OGer AG vom 4.2.2025, ST.2024.101. Erw. 3.1; zur Frage der Rechtfertigung vgl. unten Ziff. B.III.2.d..
Vom SEM[44]Zuständigkeit gemäss OV-EJPD Art. 14 Abs. 3. anerkannte Staatenlose haben Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung[45]AIG Art. 31 Abs. 1. sowie auf die Ausstellung von Identitäts- und Reiseausweisen[46]Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen, abgeschlossen in New York am 28.9.1954, Art. 27 f.; AIG Art. 59 Abs. 2 lit. b.. Die Rechtsstellung von Staatenlosen vor der Anerkennung ist weder im Landesrecht noch im Staatsvertragsrecht der Schweiz geregelt; es ist angebracht, sie hinsichtlich der Pflichten bei der Einreise den Flüchtlingen gleichzustellen[47]ZR 122 (2023) Nr. 8, Erw. 2.2.6..
bb) Grenzübertritt ohne Visum oder ETIAS-Reisegenehmigung (AIG Art. 5 Abs. 1 lit. abis)
Vor dem 15. Juni 2025 statuierte alt AIG Art. 5 Abs. 1 lit. a die Pflicht, bei der Einreise zusätzlich zum Ausweispapier auch über ein Visum zu verfügen, wenn dieses erforderlich ist. Die VEV enthält Bestimmungen über die Visumspflicht bei der Einreise zu kurzfristigen (VEV Art. 8) und zu längerfristigen Aufenthalten (VEV Art. 9) sowie für den Flughafentransit (VEV Art. 10).
Im Rahmen der Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstandes hat die Europäische Union die Verordnung (EG) Nr. 810/2009 über den Visakodex[48]Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.7.2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (Visakodex), ABl. L 243 vom 15.9.2009, S. 1–58, zitiert nach der … Continue reading und die Verordnung (EU) 2018/1240 über die ETIAS-Reisegenehmigung[49]Verordnung (EU) 2018/1240 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.9.2018 über die Einrichtung eines Europäischen Reiseinformations- und -genehmigungssystems (ETIAS), ABl. L 236 vom … Continue reading erlassen, welche die Schweiz übernommen und mit der seit dem 15. Juni 2025 geltenden Bestimmung von AIG Art. 5 Abs. 1 lit. abis als massgeblich für das Visum bei der Einreise in die Schweiz erklärt hat. Gleichzeitig wurde der Hinweis auf die nicht näher spezifizierte Visumspflicht in AIG Art. 5 Abs. 1 lit. a gestrichen[50]BBl 2020 2031, ohne nähere Erläuterung..
Der Visakodex gilt nur für Visa für kurzfristige Aufenthalte von höchstens 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen, was die Visa für den Flughafentransit einschliesst[51]Visakodex Art. 1 Ziff. (1) und (3), ebenso Art. 2 Ziff. 2; vgl. auch VEV Art. 12 Abs. 1.. Einzig das Visum für kurzfristige Aufenthalte ist unter dem Gesichtspunkt von AIG Art. 115 Abs. 1 lit. abis strafrechtlich relevant. Das Visum für den Flughafentransit[52]Visumspflicht gemäss Visakodex Art. 1 Ziff. (3); vgl. dazu die Liste von zwölf Ländern in Anhang IV zum Visakodex. fällt nicht darunter, da der Flughafentransit keine Einreise darstellt[53]A.M. BBl 2002 3832, dazu unten Ziff. B.III.6.a.. Das im nationalen Recht geregelte Visum für längerfristige Aufenthalte ist keine Einreisevoraussetzung, sondern eine für Drittstaatsangehörige erforderliche Voraussetzung dafür, dass sie nach der Einreise ein aussichtsreiches Gesuch um eine Aufenthaltsbewilligung gemäss AIG Art. 32 oder Art. 33 stellen können.
AIG Art. 5 Abs. 1 lit. abis verweist für die Visumspflicht einzig auf den Visakodex[54]Verordnung (EG) Nr. 810/2009., der das Visum für längerfristige Aufenthalte nicht behandelt. Damit ist ein solches keine Einreisevoraussetzung. Folglich ist die Rechtsprechung obsolet, wonach ohne das dafür erforderliche Visum bereits die Einreise in der Absicht, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, rechtswidrig sei[55]BGE 131 IV 174 Regeste; a.M. Maurer, Art. 115 N 11.. VEV Art. 9 statuiert die Visumpflicht von Angehörigen der meisten[56]Ausnahmen vgl. VEV Art. 9 Abs. 2. Drittstaaten für längerfristige Aufenthalte. Aus der VEV – insbesondere VEV Art. 27 – folgt e contrario, dass das Visum für längerfristige Aufenthalte keine bewilligte Aufenthaltsdauer festlegt, sondern lediglich eine Gültigkeitsdauer für die Einreise hat. Mithin ist die Bedeutung des Visums für längerfristige Aufenthalte darauf beschränkt, als Grundlage für die Erteilung einer nach der Einreise im Inland beantragten Aufenthaltsbewilligung nach AIG Art. 32 f. zu dienen.
Der Visakodex legt das Verfahren und die Voraussetzungen für die Erteilung von Visa fest[57]Visakodex Art. 1 Ziff. (1).. Jedoch bestimmt er grundsätzlich nicht, wer der Visumspflicht unterliegt, sondern verweist diesbezüglich auf die Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001[58]ABl. L 81 vom 21.3.2001, S. 1; Verweis darauf in Visakodex Art. 1 Ziff. (2).. Auf diese Verordnung verweist auch SGK Art. 6 Ziff. (1) lit. b, der wie AIG Art. 5 Abs. 1 lit. abis das erforderliche Visum als Einreisevoraussetzung vorbehält. Das AIG regelt die für die Rechtmässigkeit der Einreise relevante Visumspflicht durch indirekten Verweis auf die Verordnung (EG) Nr. 539/2001, was unter dem Gesichtspunkt des strafrechtlichen Legalitätsprinzips zumindest unbefriedigend ist. Anhang I dieser Verordnung enthält die Liste der Länder, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Aussengrenze der Europäischen Union im Besitz eines Visums sein müssen. Es handelt sich um dieselben Länder, für deren Staatsangehörige auf der Internetseite des SEM[59]Vgl. <https://www.sem.admin.ch/sem/de/home/publiservice/weisungen-kreisschreiben/visa/liste1_staatsangehoerigkeit.html> (besucht 7.10.2025). eine Visumpflicht für einen Aufenthalt bis zu 90 Tagen angemerkt ist. Flüchtlinge und Staatenlose unterliegen der Visumspflicht, wenn das Drittland, in dem sie ihren Wohnsitz haben und das ihr Reisedokument ausgestellt hat, in der Liste gemäss Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 aufgeführt ist[60]Verordnung (EG) Nr. 539/2001 Art. 1 Ziff. (1)..
Die Verordnung (EG) Nr. 539/2001 enthält in Anhang II die Liste der Drittstaaten, deren Staatsangehörige von der Visumspflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit sind. Für diese und für weitere von der Visumspflicht befreite Personen[61]Verordnung (EU) 2018/1240 Art. 2 Ziff. (1). schreibt die Verordnung (EU) 2018/1240 eine ETIAS-Reisegenehmigung als Voraussetzung für das Überschreiten der Aussengrenze der Europäischen Union vor. Eine solche ist online über das „European Travel Information and Authorisation System“ (ETIAS) einzuholen, das im letzten Quartal des Jahres 2026 operativ werden soll[62]Vgl. <https://travel-europe.europa.eu/en/etias> (besucht 7.10.2025).. Bis dahin besteht keine Möglichkeit und damit auch keine Pflicht, eine ETIAS-Reisegenehmigung zu erlangen[63]Vgl. <https://www.sem.admin.ch/sem/de/home/themen/einreise/etias.html> (besucht 7.10.2025).. Das ETIAS bezweckt, gestützt auf die bei der Gesuchstellung einzugebenden Informationen zu prüfen, ob mit der Anwesenheit des Drittstaatsangehörigen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ein Risiko für die Sicherheit, ein Risiko der illegalen Einwanderung oder ein hohes Epidemierisiko verbunden wäre[64]Verordnung (EU) 2018/1240 Art. 1 Ziff. (1).. Bestehen solche Risiken, verwendet die Antragstellerin ein zweifelhaftes Reisedokument, fehlt es an der gebotenen Mitwirkung oder besteht eine SIS-Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung, so wird die Reisegenehmigung nicht erteilt[65]Verordnung (EU) 2018/1240 Art. 37..
Für Asylsuchende und Papierlose, die der Visums- oder ETIAS-Reisegenehmigungspflicht unterliegen, aber solcherlei umständehalber vor der Einreise nicht beschaffen konnten, gilt dasselbe wie beim Fehlen eines Reisedokumentes: Sie verhalten sich nicht tatbestandsmässig, wenn sie dies bei der Grenzkontrolle in einem schweizerischen Flughafen, bei der Einreise an einem geöffneten Grenzübergang oder unmittelbar nach der Einreise beim nächsten Polizeiposten den Behörden melden und von diesen eingelassen werden[66]Vgl. oben Ziff. B.III.2.a.aa..
Wird das Visum mit falschen Angaben erschlichen, ist es nichtig, was zur Rechtswidrigkeit der Einreise führt[67]BGE 131 IV 174 Erw. 4.2.2; Sauthier, AMig, Art. 115 N 11; Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 27; Zünd, KMig, Art. 115 N 7.
cc) Grenzübertritt ohne finanzielle Mittel (AIG Art. 5 Abs. 1 lit. b)
Im Einklang mit SGK Art. 6 Ziff. (1) lit. c schreibt AIG Art. 5 Abs. 1 lit. b vor, dass die ausländische Person, die in die Schweiz einreisen wolle, die für den Aufenthalt notwendigen finanziellen Mittel besitzen müsse. Diese sind ausreichend, wenn sie sicherstellen, dass während des geplanten Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch unerlaubte Erwerbstätigkeiten erforderlich sind[68]VEV Art. 3 Abs. 2.. Als finanzielle Mittel genügen nicht nur Bargeld und Bankguthaben, sondern namentlich auch eine Verpflichtungserklärung einer Gewährsperson oder eine sonstige Sicherheit[69]VEV Art. 3 Abs. 3.. Die Pflicht, bei der Einreise über genügende finanzielle Mittel zu verfügen, gilt nicht für Angehörige von EU- und EFTA-Staaten[70]BGE 143 IV 97 Regeste..
Gemäss herrschender Lehre hält die Pflicht, über die für den Aufenthalt notwendigen Mittel zu verfügen, dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot nicht stand[71]Sauthier, AMig, Art. 115 N 7; Spescha/Bolzli/de Weck/Priuli, 388; Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 5; Zünd, KMig, Art. 115 N 1.. Nach hier vertretener Meinung ist es zwar kein Problem der Bestimmtheit der Vorschrift, sondern eine Beweisfrage, ob sich die Pläne der einreisewilligen Person hinreichend ermitteln lassen, um die dafür benötigten Mittel zu kalkulieren. Der Ermittlungsaufwand dafür ist meist unverhältnismässig hoch, zumal die Pflicht, die Reisepläne gemäss SGK Art. 6 Ziff. (1) lit. c zu belegen, nur im Verwaltungsverfahren gilt, wegen des Verbots des Selbstbelastungszwangs[72]StPO Art. 113; IPBPR Art. 14 Ziff. (3) lit. g (Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, abgeschlossen in New York am 16.12.1966, SR 0.103.2, auch „Uno-Pakt II“); … Continue reading jedoch nicht auch im Strafverfahren. Ohnehin ist der Unrechtsgehalt der sonst rechtmässigen Einreise mit ungenügenden Mitteln so gering, dass gemäss StGB Art. 52 von der Strafverfolgung und Bestrafung abzusehen ist. Im Ergebnis ist demnach mit der herrschenden Lehre die strafrechtliche Justiziabilität der Einreise mit ungenügenden Mitteln zu verneinen.
dd) Grenzübertritt unter Gefährdung der Sicherheit der Schweiz (AIG Art. 5 Abs. 1 lit. c)
Das Verbot der Einreise für Personen, die eine „Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie die internationalen Beziehungen der Schweiz“ darstellen, findet sich auch in SGK Art. 6 Ziff. (1) lit. e, der zusätzlich die öffentliche Gesundheit erwähnt.
Die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet, wer in der Absicht einreist, in der Schweiz über AIG Art. 115 hinausgehende strafbare Handlungen zu verüben[73]Analogie zum Hausfriedensbruch durch Betreten eines Kaufhauses in Diebstahlsabsicht oder einer Parkgarage in Sachbeschädigungsabsicht, vgl.: BGE 108 IV 33 Erw. 5b; Corboz, Infractions I, Art. 186 … Continue reading. Ob eine solche Absicht besteht, ist eine Beweisfrage, bei der z.B. das behördlich festgestellte Mitführen von Einbruchswerkzeug oder Betäubungsmittelhandels-Utensilien von Bedeutung sein kann. Ist eine solche Absicht erstellt, zeigt sich das darauf beruhende Einreiseverbot nach hier vertretener Meinung als hinreichend bestimmt für die strafrechtliche Sanktionierung von dessen Verletzung[74]A.M. Spescha/Bolzli/de Weck/Priuli, 388; Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 5; Zünd, KMig, Art. 115 N 1.. Fehlt es am Nachweis einer solchen Absicht, erscheinen anderweitige Gefährdungsgründe als zu vage, um eine strafwürdige Rechtsverletzung zu begründen.
Die öffentliche Gesundheit wird in SGK Art. 6, nicht jedoch in AIG Art. 5 erwähnt. Sie lässt sich als Aspekt der öffentlichen Sicherheit verstehen. Diesbezüglich muss dasselbe gelten wie bei den übrigen Sicherheitsgefährdungen: Der Straftatbestand der illegalen Einreise ist erfüllt, wenn die ausländische Person dabei zumindest in Kauf nimmt, die öffentliche Gesundheit durch eine Straftat zu gefährden, namentlich eine Straftat des Titels „Verbrechen und Vergehen gegen die öffentliche Gesundheit“ gemäss StGB Art. 230bis ff.
Die Gefährdung der internationalen Beziehungen der Schweiz erfordert für die strafrechtliche Auslegung ebenfalls die Beschränkung auf die Absicht, einschlägige Straftaten zu verüben, wobei neben der „Störung der Beziehungen zum Ausland“ gemäss StGB Art. 296 ff. auch Steuerdelikte zum Nachteil eines anderen Staates in Frage kommen, auch wenn sie in der Schweiz straffrei sind[75]Jean-Richard, Schutz des fremden Fiskus, forumpoenale 2010, 243..
SGK Art. 6 Ziff. (1) lit. e erwähnt ferner die nationale Ausschreibung zur Einreiseverweigerung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit. Geht mit der Gefährdung eine Fernhaltemassnahme oder Landesverweisung gemäss AIG Art. 5 Abs. 1 lit. d einher, ist die Einreise aus diesem Grund strafbar, ohne dass es des Nachweises einer aktuellen Absicht zur Verübung von Straftaten bedarf.
ee) Grenzübertritt trotz Fernhaltemassnahme oder Landesverweisung (AIG Art. 5 Abs. 1 lit. d)
Der Tatbestand des Grenzübertritts trotz einer Fernhaltemassnahme oder Landesverweisung ist gemäss h.L. hinreichend bestimmt für die strafrechtliche Anwendung[76]Gl.M. Sauthier, AMig, Art. 115 N 7; Spescha/Bolzli/de Weck/Priuli, 388; Zünd, KMig, Art. 115 N 2.. Die Fernhaltemassnahme oder Landesverweisung muss rechtmässig durch die zuständige Gerichts- bzw. Verwaltungsbehörde angeordnet worden, in Rechtskraft erwachsen und im Zeitpunkt der Einreise gültig sein. Die obligatorische Landesverweisung gemäss StGB Art. 66a oder bzw. MStG Art. 49a für 5–15 Jahre und die nicht obligatorische Landesverweisung gemäss StGB Art. 66abis bzw. MStG Art. 49abis für 3–15 Jahre sind sog. „andere Massnahmen“ des Strafrechts, die nur durch ein Gericht als Folge einer Sanktionierung wegen eines Verbrechens oder Vergehens angeordnet werden können[77]Näheres Strafrecht II, § 7 Ziff. 6.14.. Eine Fernhaltemassnahme ist das verwaltungsrechtliche Einreiseverbot gemäss AIG Art. 67[78]Uebersax/Petry/Hruschka/Frei/Errass, 209.. Das SEM kann ein solches für eine Dauer von höchstens fünf Jahren verfügen, wenn die ausländische Person
- ungenügend kooperiert oder Anlass zu Zweifeln an ihrer Kooperationsbereitschaft gibt, namentlich im Zusammenhang mit einer Wegweisung gemäss AIG Art. 64d[79]Vgl. im Einzelnen die teilweise überschneidenden Voraussetzungen gemäss AIG Art. 67 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 64d Abs. 2 lit. a–d, Art. 67 Abs. 1 … Continue reading,
- versuchte oder vollendete Handlungen im Sinne von AIG Art. 115 Abs. 1 oder Art. 116–118 begangen hat[80]AIG Art. 67 Abs. 1 lit. d, wobei gemäss dem Wortlaut und Zweck dieser Bestimmung die Widerhandlungen gegen das AIG nicht strafprozessual rechtskräftig festgestellt werden müssen, sondern ein … Continue reading,
- Sozialhilfeleistungen verursacht hat[81]AIG Art. 67 Abs. 2 lit. a. oder
- die „öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland“ verletzt hat oder gefährdet[82]AIG Art. 67 Abs. 2 lit. c..
Stellt die ausländische Person eine „schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ dar, kann das SEM gemäss AIG Art. 67 Abs. 3 Satz 2 eine befristete Einreisesperre für eine Dauer von mehr als fünf Jahren anordnen.
Das Bundesamt für Justiz (fedpol) kann gemäss AIG Art. 67 Abs. 4 „zur Wahrung der inneren oder der äusseren Sicherheit“ nach Abhörung des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) ein Einreiseverbot für mehr als fünf Jahre oder „in schwerwiegenden Fällen“ unbefristet verfügen.
Schliesslich stellt auch die von der zuständigen kantonalen Behörde angeordnete Ein- oder Ausgrenzung gemäss AIG Art. 74 eine Fernhaltemassnahme dar, die je nach Rayon durch die Einreise in die Schweiz verletzt werden kann. Diese Massnahme kann bei Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit sowie bei Befürchtung der Missachtung der Wegweisung angeordnet werden.
Die Fernhaltemassnahmen räumten dem SEM, der fedpol und den kantonalen Migrationsbehörden einen weiten Ermessensspielraum ein. Zudem lassen sich die Zuständigkeiten dieser Behörden nicht klar abgrenzen. Diese Unbestimmtheit greift indessen nicht auf das Strafrecht über, da dieses nicht an den Grund für die Fernhaltemassnahme, sondern an deren rechtskräftige Anordnung anknüpft. Solange die anordnende Behörde in ihrem Kompetenzbereich bleibt und das pflichtgemässe Ermessen nicht überschreitet, genügt die von ihr angeordnete Fernhaltemassnahme als Grundlage der strafrechtlichen Sanktionierung ihrer Missachtung.
ff) Grenzübertritt ohne Gewähr für eine gesicherte Wiederausreise (AIG Art. 5 Abs. 2)
Die Vorschrift von AIG Art. 5 Abs. 2 ist für die strafrechtliche Anwendung zu unbestimmt[83]Gl.M. Sauthier, AMig, Art. 115 N 7; Spescha/Bolzli/de Weck/Priuli, 388; Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 5; Zünd, KMig, Art. 115 N 1.. Wenn der Grund für die Zweifelhaftigkeit der Wiederausreise auf dem Fehlen eines anerkannten Ausweispapiers beruht, greifen die Bestimmungen von AIG Art. 5 Abs. 1 lit. a bzw. b, zumal die vorgeschriebene Gültigkeitsdauer des Ausweispapiers mit Blick auf die Wiederausreise nach Ablauf der bewilligungsfreien Aufenthaltsdauer festgesetzt worden ist[84]VEV Art. 6 Abs. 1 lit. a.. Ist die Wiederausreise trotz gültiger Papiere unsicher, bleibt nach hier vertretener Meinung kein Raum für die Strafrechtswidrigkeit der Einreise gestützt auf AIG Art. 5 Abs. 2[85]A.M. Maurer, Art. 115 N 16..
b) Subjektiver Tatbestand
Für das Vergehen gemäss AIG Art. 115 Abs. 1 genügt Eventualvorsatz. Der Täter muss erkennen, dass er die geographische Grenze bzw. die Grenzkontrollbehörde passiert, was in aller Regel als selbstverständlich erscheint. Ferner muss die einreisende Person es zumindest ernsthaft für möglich halten und in Kauf nehmen, die Voraussetzungen für eine rechtmässige Einreise nicht zu erfüllen. Dies gilt als Erfordernis des Vorsatzes gemäss StGB Art. 12 Abs. 2 und nicht bloss als Problem des Irrtums über die Rechtswidrigkeit gemäss StGB Art. 21[86]A.M. Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Vor Art. 115 N 33..
Das Wissen, dass für eine Einreise gültige Papiere erforderlich sind, darf als allgemein bekannt gelten, wogegen in Bezug auf die genauen Anforderungen an das Papier und ebenso hinsichtlich der Notwendigkeit eines Visums ein Irrtum denkbar ist. Wer in der Absicht, Straftaten zu verüben, einreist, ist sich naturgemäss seiner Gefährlichkeit für die öffentliche Sicherheit bewusst. Wem eine Landesverweisung oder Fernhaltemassnahme eröffnet worden ist, weiss dadurch, dass er die Schweiz nicht betreten darf, oder nimmt dies zumindest in Kauf, wenn er vor der Einreise die Gültigkeitsdauer nicht überprüft.
c) Fahrlässigkeit
Gemäss AIG Art. 115 Abs. 3 ist die fahrlässige unrechtmässige Einreise eine Übertretung. Aufgrund der Tatsache, dass ein universelles Recht auf Einreise in einen fremden Staat nicht anerkannt ist und dass praktisch alle Länder Einreisevorschriften aufstellen[87]Oben Ziff. B.I., ist von einer generellen Sorgfaltspflicht auszugehen, vor einem Grenzübertritt abzuklären, welche Voraussetzungen dafür zu erfüllen sind. Das Unterlassen dieser Abklärung ist eine Sorgfaltspflichtverletzung. Aufgrund dessen ist eine objektiv rechtswidrige Einreise in aller Regel zumindest fahrlässig. Wem umständehalber eine solche Abklärung nicht möglich ist, hat die Sorgfaltspflicht, sich beim Grenzübertritt oder unmittelbar danach bzw. bei der Ausweiskontrolle am Flughafen bei den Behörden zu melden und die Problematik darzulegen.
d) Rechtswidrigkeit und Schuld
aa) Notstand
Alt ANAG[88]Vgl. <https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/49/279_279_293/de> (besucht 7.10.2025). Art. 23 Abs. 1 Satz 2 lautete: „In die Schweiz Geflüchtete sind straflos, wenn die Art und Schwere der Verfolgung den rechtswidrigen Grenzübertritt rechtfertigen; Hilfe hierzu ist ebenfalls straflos, soweit sie aus achtenswerten Beweggründen geleistet wird“. Gemäss Art. 333 Abs. 1 StGB ging diese spezielle Rechtfertigungsnorm den Bestimmungen über den Notstand im AT StGB vor[89]BGE 132 IV 29 Erw. 3.. Seit der Ablösung von alt ANAG durch das damalige alt AuG fehlt in der nationalen Gesetzgebung eine spezielle Rechtfertigungsnorm für die Flucht in die Schweiz. Damit finden seither die allgemeinen Regeln über den Notstand Anwendung[90]A.M. Maurer, Art. 115 N 18., die im Lichte der direkt anwendbaren Genfer Flüchtlingskonvention (FK)[91]SR 0.142.30: Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, abgeschlossen in Genf am 28.7.1951; zur direkten Anwendbarkeit vgl. BGer vom 17.3.1999, 6S.737/1998 (nicht auf bger.ch), zit. in BBl … Continue reading Art. 31 Ziff. 1 auszulegen sind[92]Ähnlich Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Vor Art. 115 N 27..
Die Botschaft 2002 begründete den Verzicht auf die spezielle Rechtfertigungsnorm einerseits mit „Auslegungsproblemen“ und andererseits damit, dass in den Nachbarländern der Schweiz aufgrund der dortigen Geltung der EMRK und der FK keinerlei Gefahr einer „asylrechtlich relevanten Verfolgung“ bestehe; achtenswerte Beweggründe für einen rechtswidrigen Grenzübertritt aus einem Nachbarland der Schweiz könnten daher nicht geltend gemacht werden. Im Übrigen könne bereits nach dem AT StGB auf eine Bestrafung verzichtet werden, wenn ein Rechtfertigungsgrund vorliege. Zudem bleibe die direkte Anwendung von FK Art. 31 Ziff. 1 vorbehalten[93]BBl 2002 3832.. Unbeachtlich ist der in der Botschaft antizipierte Ausschluss von Rechtfertigungsgründen aufgrund der stabilen Rechtslage in den Nachbarstaaten, da sich daraus kein gesetzgeberischer Wille für die Rechtfertigung bei veränderten Verhältnissen ableiten lässt. Massgeblich sind hingegen die Hinweise auf den AT StGB und die FK. Da letztere kein „Bundesgesetz“ ist, schliesst sie gemäss dem Wortlaut von StGB Art. 333 Abs. 1 e contrario die Bestimmungen im AT StGB über den Notstand nicht aus.
Papierlose Flüchtlinge müssen das Asylgesuch vor der Einreise bei der Grenzkontrolle stellen, wobei es bei fehlender Grenzkontrolle genügen muss, sich unmittelbar nach der Einreise beim nächsten Polizeiposten zu melden[94]Oben Ziff. B.III.2.a.aa.. Gemäss AsylG Art. 21 Abs. 1 weisen die zuständigen Behörden „Personen, die an der Grenze oder nach Anhaltung bei der illegalen Einreise im grenznahen Raum oder im Inland um Asyl nachsuchen, an ein Zentrum des Bundes“. Diese Gesetzesbestimmung lässt kein Ermessen offen und greift ohne weiteres aufgrund der Stellung des Asylgesuchs. Die Gefahr, die sie zur Flucht treibt, ist deshalb grundsätzlich anders als durch die illegale Einreise abwendbar. Deshalb ist zumindest in objektiver Hinsicht ein Notstand ausgeschlossen, der das „Untertauchen“ nach der gesetzeswidrigen Einreise gemäss StGB Art. 17 rechtfertigen oder wenigstens gemäss StGB Art. 18 entschuldigten könnte[95]A.M. Zünd, KMig, Art. 115 N 5 m. Hinw. auf BGer vom 17.3.1999, 6S.737/1998, Erw. 3, in Asyl 1999/2, 21, wonach die ernsthafte Befürchtung, an der Grenze keine Bewilligung zu erhalten, ein … Continue reading.
Nichts anderes ergibt sich aus FK Art. 31 Ziff. 1[96]A.M. Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 8.: Die Asylsuchenden müssen sich demgemäss „unverzüglich den Behörden stellen“. Das bedeutet grundsätzlich, dass bei oder unmittelbar nach der Einreise im Sinne von AsylG Art. 19 Abs. 1 der Kontakt mit den Behörden aufzunehmen ist. Geschieht das nicht, greift der Rechtfertigungsgrund der Konvention nur, wenn „triftige Gründe“ die einreisende Person an der Erfüllung dieser Pflicht gehindert haben. Dafür genügt es nicht, dass die Behörden am gewählten Grenzübergang keine Kontrolle durchgeführt haben, denn diesfalls bleibt eine Kontaktaufnahme über die Polizei unmittelbar nach der Einreise möglich. Die weitere Voraussetzung von FK Art. 31 Ziff. 1, dass die Flüchtlinge „unmittelbar aus einem Gebiet kommen“ müssen, in welchem sie bedroht waren, schliesst zwar nicht aus, dass zwischen dem Bedrohungsgebiet und der Schweizer Grenze weitere Länder liegen, doch sind diese „zielstrebig, ohne wesentliche Verzögerung“ zu durchqueren[97]ZR 122 (2023) Nr. 8, Erw. 2.1.4..
Bei Staatenlosen besteht Mangels eines der Staatenlosigkeit an sich innewohnenden Gefährdungspotenzials kein Raum für eine sinngemässe Anwendung des Rechtfertigungsgrundes gemäss FK Art. 31 Ziff. 1[98]ZR 122 (2023) Nr. 8, Erw. 2.2.7.. Auch die nachträgliche Anerkennung der Staatenlosigkeit rechtfertigt die vorgängige illegale Einreise nicht[99]ZR 122 (2023) Nr. 8, Erw. 2.2.9..
bb) Wahrung berechtigter Interessen
Das Bundesgericht bejahte den übergesetzlichen Rechtfertigungsgrund der Wahrung berechtigter Interessen in einem Fall, „in dem ein Staatenloser ohne Schriften unter Vorweisung eines gefälschten ausländischen Passes in die Schweiz einreiste, um hier die Eheschliessung mit einer Schweizerin, der Mutter seiner im Zeitpunkt der Einreise anderthalbjährigen Tochter, vorzubereiten, nachdem verschiedene Anstrengungen, die Bewilligung für die Einreise bzw. die erforderlichen Papiere zu erhalten, erfolglos geblieben waren, bis zur Erreichung dieses Ziels jedenfalls noch einige Zeit verstrichen wäre und dem Täter die Lage hoffnungslos schien“[100]BGE 117 IV 170 Regeste und Erw. 3; Zünd, KMig, Art. 115 N 6..
Hingegen waren die Voraussetzungen des aussergesetzlichen Rechtfertigungsgrundes der Wahrung berechtigter Interessen „nicht erfüllt im Falle eines Journalisten, der gemeinsam mit einer Gruppe von Flüchtlingen rechtswidrig in die Schweiz einreist[e], um Informationen aus ‚erster Hand‘ zu sammeln und einen Artikel über das Schicksal der heimlich auf Schweizer Boden weilenden Personen zu veröffentlichen“[101]BGE 127 IV 166 Erw. 2b und f; Zünd, KMig, Art. 115 N 6..
e) Abgrenzung und Konkurrenzen
AIG Art. 115 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 5 Abs. 1 lit. d ist subsidiär zum Verweisungsbruch i.S.v. StGB Art. 291, der gemäss der Rechtsprechung nicht nur die Missachtung einer strafrechtlichen Landesverweisung, sondern auch Widerhandlungen gegen verwaltungsrechtliche Ausweisungs-Entscheide[102]BGE 147 IV 232 Erw. 1.1 und BGE 147 IV 253 Erw. 2.2.1: „une décision d’expulsion“. umfasst. War hingegen der Täter das Objekt einer Zurückweisung, Wegweisung (AIG Art. 64), Anordnung eines Einreiseverbots (AIG Art. 67) oder Nicht-Erneuerung der Aufenthaltsbewilligung[103]BGE 147 IV 232 Erw. 1.1 (235) und 147 IV 253 Erw. 2.2.1 (256): „[…] si l’auteur a fait l’objet d’un refoulement, d’un renvoi, d’une interdiction d’entrée ou du non-renouvellement … Continue reading, greift nach der Rechtsprechung subsidiär AIG Art. 115[104]Gonseth/Chatton/Taillard, 110; Maurer, Art. 115 N 15..
Die Anordnung einer Ausweisung gemäss AIG Art. 68 ist der Fedpol vorbehalten. Zum Vollzug der Ausweisung ist gemäss AIG Art. 68 Abs. 2 eine angemessene Ausreisefrist anzusetzen. In schweren Fällen gemäss dem Katalog in AIG Art. 68 Abs. 4 ist die Ausweisung sofort vollstreckbar. Ähnlich verhält es sich mit der Wegweisung gemäss AIG Art. 64 ff., deren sofortige Vollstreckung gemäss AIG Art. 64d Abs. 2 unter vergleichbaren Voraussetzungen wie bei der Ausweisung möglich ist.
Es ist nach hier vertretener Ansicht nicht sachgerecht, StGB Art. 291 und den wesentlich milderen AIG Art. 115 anhand der blossen Benennung von im Grunde ähnlichen verwaltungsrechtlichen Fernhaltemassnahmen gegeneinander abzugrenzen. Einfacher und einleuchtender erschiene es, StGB Art. 291 dem Bruch einer strafrechtlichen Landesverweisung vorzubehalten und die Widerhandlung gegen sämtliche Formen der verwaltungsrechtlichen Entfernungsmassnahmen gestützt auf AIG Art. 115 zu ahnden.
Unabhängig davon, ob eine Bestrafung nach StGB Art. 291, AIG Art. 115 Abs. 2 lit. a oder b oder AIG Art. 119 Abs. 1 erfolgt, verbietet die Rückführungsrichtlinie in ihrem Anwendungsbereich die Ausfällung einer Freiheitsstrafe für die Widerhandlung gegen eine Landesverweisung oder eine Fernhaltemassnahme, wenn dadurch die bevorstehende Rückführung verzögert würde oder keine hinreichenden Massnahmen zur Rückführung ergriffen wurden[105]BGE 150 IV 329 Erw. 1.3, 1.4 und 1.6.1-4; zur Rückführungsrichtlinie s. unten Ziff. B.III.8..
Wer mit gefälschten Dokumenten einreist, erfüllt AIG Art. 115 Abs. 1 lit. a in echter Idealkonkurrenz mit der Fälschung von Ausweisen i.S.v. StGB Art. 252 al. 3 in der Tatbestandsvariante des Gebrauchs gefälschter Ausweise zur Täuschung[106]BGer vom 18.12.2012, 6B_619/2012, Erw. 1.3.2; Maurer, Art. 115 N 6..
3. Rechtswidriger Aufenthalt (AIG Art. 115 Abs. 1 lit. b)
| Tatbestandsklassifikation |
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| Konkurrenz/Abgrenzung | StGB Art. 291; AIG Art. 119 |
AIG Art. 115 Abs. 1 lit. b über den rechtswidrigen Aufenthalt gilt seit 2008 unverändert und führte im Zeitraum 2008–2024 gemäss Bundesamt für Statistik zu durchschnittlich 9 105 Verurteilungen pro Jahr.
a) Objektiver Tatbestand
Aus der Rechtswidrigkeit der Einreise gemäss AIG Art. 115 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 5 folgt ohne weiteres, dass auch der daran anschliessende Aufenthalt rechtswidrig ist[107]Maurer, Art. 115 N 9 und 19.. Die Lehre verlangt für die strafrechtliche Relevanz des Aufenthalts eine Dauer von mindestens 24 Stunden sowie die Absicht des Verweilens[108]Sauthier, AMig, Art. 115 N 14; Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 22; Zünd, KMig, Art. 115 N 7.. Das tatbestandsmässige Verhalten besteht in der Handlung des Verweilens und nicht etwa in der Unterlassung der Ausreise[109]A.M. Caroni/Scheiber/Preisig/Plozza, N 919..
Rechtswidrig wird der Aufenthalt ferner durch Missachtung einer zur Durchsetzung einer Landesverweisung oder Fernhaltemassnahme angesetzten Ausreisefrist.
Entsprechend dem im Gesetzestext hervorgehobenen Beispiel wird zudem der Aufenthalt nach einer rechtmässigen Einreise „nach Ablauf des bewilligungsfreien oder des bewilligten Aufenthalts“ rechtswidrig. Angehörige eines grossen Teils der Drittstaaten sind befugt, sich ohne Erwerbstätigkeit 90 Tage bewilligungsfrei im Schengenraum aufzuhalten, was bedeutet, dass die Tage in der Schweiz und in anderen Schengenstaaten zusammenzuzählen sind[110]BGer vom 26.8.2016, 6B_839/2015 E. 4; Maurer, Art. 115 N 20.. Soweit eine Bewilligungspflicht besteht, sind die Befristung der Aufenthaltsbewilligung gemäss AIG Art. 32 f. bzw. die Gültigkeitsdauer und die zulässige Aufenthaltsdauer des Visums für kurzfristige Aufenthalte gemäss Visakodex Art. 24 massgeblich. Während der Hängigkeit eines Gesuchs um Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung bleibt die Anwesenheit rechtmässig, es sei denn, ihm werde die aufschiebende Wirkung rechtskräftig entzogen[111]Spescha/Bolzli/de Weck/Priuli, 389; Maurer, Art. 115 N 19.. Eine durch Täuschung erlangte Bewilligung ist gemäss AIG Art. 60 Abs. 1 lit. a durch die zuständige Behörde widerrufbar und damit bis zum Widerruf gültig, was bis dahin die Rechtswidrigkeit des Aufenthalts ausschliesst[112]BGE 131 IV 174 Erw. 4.2.2 am Ende; Sauthier, AMig, Art. 115 N 16; Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 27; Zünd, KMig, Art. 115 N 7..
Auch Angehörige von EU- und EFTA-Staaten haben kein Recht auf einen dauernden bewilligungsfreien Aufenthalt. Vielmehr ist die Aufenthaltserlaubnis von Arbeitnehmenden vom Nachweis eines Arbeitsvertrags und dessen Dauer abhängig[113]FZA Anhang I Art. 6 = EFTA-K Anlage 1 Art. 2.. Selbständige haben den Nachweis ihrer Erwerbstätigkeit[114]FZA Anhang I Art. 12 = EFTA-K Anlage 1 Art. 11. und Personen, die keine Erwerbstätigkeit ausüben, den Nachweis genügender Mittel und eines genügenden Krankenversicherungsschutzes[115]FZA Anhang I Art. 24 = EFTA-K Anlage 1 Art. 23. zu erbringen. Angehörigen von Aufenthaltsberechtigten obliegt es, das familienrechtliche Verhältnis zu belegen[116]FZA Anhang I Art. 3 = EFTA-K Anlage 1 Art. 3.. Freilich hat die Bewilligung einen rein deklaratorischen Charakter[117]EuGH vom 5.2.1991, C-363/89, Roux, Slg. 1991, I-273, N 12; EuGH vom 25.7.2002, C-459/99, MRAX, Slg. 2002, I-6591, N 74; BGE 134 IV 57 Erw. 4; 136 II 332 E. 2.2; BGer vom 26.8.2016, 6B_839/2015, … Continue reading; sind die Voraussetzungen materiell erfüllt, ist der Aufenthalt rechtmässig, selbst wenn keine formelle Bewilligung vorliegt. Vorbehalten bleibt eine Bestrafung wegen Verletzung von Meldepflichten i.S.v. AIG Art. 120 Abs. 1 lit. a. Fehlt es jedoch an den materiellen Voraussetzungen oder entfallen diese, halten sich nach Ablauf der staatsvertraglichen Übergangszeit auch Angehörige von EU- und EFTA-Staaten rechtswidrig i.S.v. AIG Art. 115 Abs. 1 lit. b in der Schweiz auf[118]BGer vom 16.1.2025, 6B_61/2024, Erw. 3.3; Zünd, KMig, Art. 115 N 8..
Der Tatbestand wird erfüllt durch das schlichte Verbleiben in der Schweiz trotz Fehlens oder Ablaufs der erforderlichen Bewilligung. Es handelt sich um ein Dauerdelikt[119]BGE 145 IV 449 Regeste., das durch die Ausreise oder die Legalisierung des Aufenthalts beendet wird. Hält sich die rechtswidrig anwesende Person nach der Verurteilung weiterhin ohne neuen Tatentschluss unrechtmässig in der Schweiz auf, ist zwar eine neue Verurteilung für die zusätzliche Zeitspanne möglich, doch darf das addierte Strafmass beider Urteile die in AIG Art. 115 Abs. 1 angedrohte Höchststrafe nicht überschreiten[120]BGE 145 IV 449 Erw. 1.1.. Wird der unrechtmässige Aufenthalt durch eine nachträgliche verwaltungsrechtliche Legalisierung als Härtefall gemäss AIG Art. 30 Abs. 1 lit. b beendet, bleibt die betroffene Person für die Zeit vor der Legalisierung strafbar; die nachträgliche Legalisierung führt nicht zu einer Strafbefreiung wegen Geringfügigkeit gemäss StGB Art. 52[121]BGer vom 27.9.2021, 6B_519/2020, Erw. 2.5..
b) Subjektiver Tatbestand und Fahrlässigkeit
Ist der unrechtmässige Aufenthalt die Folge einer unrechtmässigen Einreise, ist für den Vorsatz und die Fahrlässigkeit auf die dortigen Ausführungen zu verweisen[122]Oben Ziff. B.III.2.b. und B.III.2.c..
Was das Verweilen nach Ablauf der bewilligten Aufenthaltsdauer betrifft, so ist zu beachten, dass die Befristung eine grundlegende und zu erwartende Eigenschaft von Visa und Aufenthaltsbewilligungen ist. Wer diese nicht kontrolliert, nimmt deshalb im Sinne des Eventualvorsatzes in Kauf, sich nach einer gewissen Zeit illegal aufzuhalten. Gleich verhält es sich mit der bewilligungsfreien Aufenthaltsdauer von 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen. Es ist allgemein bekannt, dass eine visumsfreie Einreisebefugnis nicht mit einem dauernden Anwesenheitsrecht von Drittstaatsangehörigen einhergeht, so dass der Person, die sich nicht über die geltenden Modalitäten ins Bild setzt, ebenfalls Eventualvorsatz vorzuwerfen ist.
Bei unrechtmässigem Verweilen nach einem bewilligten oder bewilligungsfreien Aufenthalt bleibt nach dem Gesagten wenig Raum für die blosse Fahrlässigkeit. Fehlt es gleichwohl am Vorsatz, so ist im Hinblick auf die Fahrlässigkeit von einer generellen Sorgfaltspflicht auszugehen, bei einem Auslandsaufenthalt die erlaubte Verweildauer abzuklären und unter Kontrolle zu halten.
c) Rechtswidrigkeit und Schuld
In seiner ständigen Rechtsprechung zur Strafbarkeit des rechtswidrigen Aufenthalts gemäss AIG Art. 115 Abs. 1 lit. b AIG und des Verweisungsbruchs gemäss StGB Art. 291 Abs. 1 StGB behandelt das Bundesgericht die objektive Unmöglichkeit der Ausreise als übergesetzlichen Schuldausschlussgrund: „Das strafrechtliche Schuldprinzip setzt die Freiheit voraus, anders handeln zu können.“[123]BGE 143 IV 249 Erw. 1.6.1; BGer vom 9.3.2023, 6B_1471/2021, Erw. 2.3.1; BGer vom 18.1.2023, 6B_242/2022, Erw. 1.1.2; BGer vom 23.5.2022, 6B_1092/2021, Erw. 2.1.1; BGer vom 11.4.2022, 6B_669/2021, … Continue reading Da grundsätzlich keine Pflicht zu etwas Unmöglichem bestehen kann, ist die Unterlassung des Unmöglichen nicht rechtswidrig, so dass nach hier vertretener Meinung sogar von einem übergesetzlichen Rechtfertigungsgrund auszugehen ist[124]Vgl. Jean-Richard, Über den Nutzen des Schuldvorbehalts im Strafrecht, in: T. Altwicker et al. (Hrsg.), FS Schweizerischer Juristentag, Zürich 2025, 185 ff., N 60 ff..
Beispiel: Keine objektive Unmöglichkeit der Rückkehr ergab sich daraus, dass Eritrea von Rückkehrern eine Steuer von 2 % auf allen im Ausland erzielten Einkünften erhebt[125]BGer vom 9.3.2023, 6B_1471/2021, Erw. 2..
Die Unmöglichkeit der Ausreise führt allerdings nicht zur Unmöglichkeit, mit den schweizerischen Behörden die Anwesenheit zu regeln und dadurch deren Gesetzeswidrigkeit zu beenden. Das „Untertauchen“ wird deshalb durch die Unmöglichkeit der Ausreise nicht gerechtfertigt[126]BGer vom 3.7.2007, 6B_85/2007, Erw. 2.3..
d) Konkurrenz
Zwischen dem rechtswidrigen Aufenthalt gemäss AIG Art. 115 Abs. 1 lit. b und der Missachtung der Ein- oder Ausgrenzung i.S.v. AIG Art. 119 Abs. 1 besteht angesichts der Verschiedenheit der Rechtsgüter echte Idealkonkurrenz: AIG Art. 115 Abs. 1 lit. b betrifft die Abreise aus dem Land, AIG Art. 119 die Fernhaltung einer Person von einem bestimmten Ort, namentlich von einem Drogenhandelsplatz[127]BGE 147 IV 253 Erw. 2.2.2; Zünd, KMig, Art. 119 N 2; Chatton/Merz, AMig, Art. 74, N 14 ff., krit. in N 44..
4. Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung (AIG Art. 115 Abs. 1 lit. c)
| Tatbestandsklassifikation |
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AIG Art. 115 Abs. 1 lit. c über die Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung gilt seit 2008 unverändert und führte im Zeitraum 2008–2024 gemäss dem Bundesamt für Statistik zu durchschnittlich 2 636 Verurteilungen pro Jahr.
a) Objektiver Tatbestand
Erwerbstätigkeiten können aus verschiedenen Gründen einer Bewilligungspflicht unterstellt werden. In systematischer Auslegung ist der Anwendungsbereich von AIG Art. 115 Abs. 1 lit. c auf das Fehlen migrationsrechtlich erforderlicher Bewilligungen für eine Erwerbstätigkeit zu beschränken[128]Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 35.. Entsprechend handelt es sich auch bei diesem Tatbestand um ein Sonderdelikt ausländischer Personen.
Drittstaatsangehörige ohne Niederlassungsbewilligung[129]AIG Art. 38 Abs. 4; Maurer, Art. 115 N 24. brauchen gemäss AIG Art. 11 unabhängig von der tatsächlichen Entlöhnung und der Aufenthalts- und Beschäftigungsdauer für jede „üblicherweise gegen Entgelt ausgeübte unselbständige oder selbständige Tätigkeit“ – z.B. Baby-Sitting[130]Sauthier, AMig, Art. 115 N 31. ausserhalb des eigenen Familienkreises – eine Bewilligung. Mit dem schlichten Ausführen einer solchen Tätigkeit ohne Bewilligung ist der Tatbestand von AIG Art. 115 Abs. 1 lit. c erfüllt[131]Krit. Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 39.. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine Bewilligung vorliegt, die eine andere als die ausgeübte Erwerbstätigkeit betrifft[132]BGer vom 20.8.2015, 6B_468/2015, Erw. 3.3.1; Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 42.. Hingegen fällt innerhalb desselben Berufs ein unbewilligter Stellenwechsel oder Wechsel von einer selbständigen zu einer unselbständigen Erwerbstätigkeit ausschliesslich unter AIG Art. 120 Abs. 1 lit. b als Spezialnorm[133]Gl.M. Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 42; Zünd, KMig, Art. 115 N 9..
Angehörige von EU- und EFTA-Staaten bedürfen keiner Bewilligung zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Sie haben das Recht, „sich nach Massgabe der Kapitel II bis IV im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei aufzuhalten und dort eine Erwerbstätigkeit auszuüben“[134]FZA Anhang I Art. 2 Ziff. (1) = EFTA-K Anlage 1 Art. 2 Ziff. 1.. In diesen Kapiteln II bis IV[135]FZA Anhang I Art. 6–23 = EFTA-K Anlage 1 Art. 6–22. wird nirgends eine Bewilligung der Erwerbstätigkeit vorbehalten. Da mithin Angehörigen von EU- und EFTA-Staaten keine Bewilligungspflicht für die Erwerbstätigkeit in der Schweiz obliegt, fehlt ihnen die Sondertäter-Eigenschaft gemäss AIG Art. 115 Abs. 1 lit. c. Sie können deshalb den Tatbestand nicht erfüllen[136]Gretler, ZMig, N 7.7..
Angehörige von EU- und EFTA-Staaten benötigen für ein Arbeitsverhältnis von einer drei Monate übersteigenden Dauer[137]Bis 3 Monate bewilligungsfrei gemäss FZA Anhang I Art. 6 Ziff. (2) Abs. 2 = EFTA-K Anlage 1 Art. 6 Ziff. 2 Satz 2. eine Aufenthaltsbewilligung, die bei Nachweis eines Arbeitsvertrags[138]FZA Anhang I Art. 6 Ziff. (3) = EFTA-K Anlage 1 Art. 6 Ziff. 3. oder einer selbständigen Erwerbstätigkeit[139]FZA Anhang I Art. 12 Ziff. (3) = EFTA-K Anlage 1 Art. 11 Ziff. 3. (oder aus anderen Gründen) erteilt werden muss, wenn keine Gründe der „öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit“ entgegenstehen[140]FZA Anhang I Art. 5 Ziff. (1) = EFTA-K Anlage 1 Art. 5 Ziff. 1.. In der Schweiz abhängig beschäftigte[141]FZA Anhang I Art. 7 Ziff. (2) = EFTA-K Anlage 1 Art. 7 Ziff. 2. oder selbständig erwerbstätige[142]FZA Anhang I Art. 13 Ziff. (2) = EFTA-K Anlage 1 Art. 12 Ziff. 2. Grenzgänger benötigen keine Aufenthaltsbewilligung.
Die Anwesenheit von Betroffenen einer nicht vollziehbaren Landesverweisung wird toleriert, doch verlieren sie das Recht auf Erwerbstätigkeit und machen sich bei Zuwiderhandlung gemäss AIG Art. 115 Abs. 1 lit. c strafbar[143]Bischofberger, 239..
b) Subjektiver Tatbestand und Fahrlässigkeit
Die Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung ist bei (Eventual-)Vorsatz als Vergehen und bei Fahrlässigkeit als Übertretung strafbar.
Für das Vorsatzdelikt ist das Bewusstsein erforderlich, dass eine Bewilligung erforderlich ist und nicht vorliegt. Dass Drittstaatsangehörige eine Bewilligung für jede entgeltliche Erwerbstätigkeit benötigen, darf als allgemein bekannt vorausgesetzt werden[144]Gl.M. Maurer, Art. 115 N 30.. Dass dies gemäss AIG Art. 11 Abs. 2 auch für unentgeltliche Tätigkeiten gilt, ist hingegen einem Irrtum zugänglich. Da es ferner bei unselbständiger Tätigkeit gemäss AIG Art. 11 Abs. 2 Sache der Arbeitgeberin ist, die Bewilligung zu beantragen, weiss der Arbeitnehmer nicht ohne Weiteres, ob sie das ordnungsgemäss gemacht hat und ob eine solche erteilt worden ist. Erhebt der Arbeitgeber allerdings bei der Arbeitnehmerin keinerlei Informationen und Dokumente – namentlich kein Ausweispapier – im Hinblick auf eine Antragstellung, muss es letztere zumindest ernsthaft für möglich halten, dass die erforderliche Bewilligung nicht eingeholt worden ist.
Das Fahrlässigkeitsdelikt kann zum Tragen kommen, wenn Zweifel am konkreten Wissen über das Erfordernis einer Bewilligung für die entgeltliche Erwerbstätigkeit bestehen. Es ist von einer generellen Sorgfaltspflicht auszugehen, dies vor der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Ausland abzuklären. Doch darf die Arbeitnehmerin, wenn keine konkreten Hinweise dagegen sprechen, nach hier vertretener Ansicht darauf vertrauen, dass der Arbeitgeber seine Pflicht zur Einholung einer Arbeitsbewilligung erfüllt. Was unentgeltliche Tätigkeiten betrifft, so erscheint es nicht angebracht, von einer generellen Sorgfaltspflicht zur Klärung der Bewilligungspflicht auszugehen.
c) Einziehung
Das durch Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung i.S.v. AIG Art. 115 Abs. 1 lit. c erzielte Einkommen ist nicht einziehbar i.S.v. StGB Art. 70[145]BGE 137 IV 305 Regeste und Erw. 3.5 (Raumpflege); BGer vom 26.10.2011, 6B_188/2011, Erw. 2.5 (Prostitution); Zünd, KMig, Art. 115 N 9..
5. Umgehung der vorgeschriebenen Grenzübergangsstellen (AIG Art. 115 Abs. 1 lit. d)
| Tatbestandsklassifikation |
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AIG Art. 115 Abs. 1 lit. d über die Umgehung der vorgeschriebenen Grenzübergangsstellen hat durch die Übernahme des Schengen-Besitzstandes Ende 2008 eine grundlegende Veränderung erfahren und führte im Zeitraum 2009–2024 gemäss Bundesamt für Statistik zu durchschnittlich 23 Verurteilungen pro Jahr. Im Jahr 2008 waren es 131 Verurteilungen.
a) Objektiver Tatbestand
AIG Art. 115 Abs. 1 lit. d verweist in Bezug auf die Ein- und Ausreise „über eine vorgeschriebene Grenzübergangsstelle“ auf AIG Art. 7. Alt AuG Art. 7 in der Fassung vom 16. Dezember 2005 trug die Überschrift „Grenzübergangsstellen“ und bestimmte, die Ein- und Ausreise müsse über bestimmte, vom EJPD für den Grenzverkehr als offen bezeichnete Grenzübergänge erfolgen. In dieser Fassung war der Verweis transparent und verständlich. Die Botschaft dazu erläuterte, die Ein- und Ausreise über bestimmte Grenzübergangsstellen sei eine Voraussetzung für eine rationelle Grenzkontrolle[146]BBl 2002 3775..
Mit Wirkung ab dem 12. Dezember 2008 wurde das AIG (damals AuG) dem Schengen-Assoziierungsabkommen angepasst[147]AS 2008 5405 Art. 2 lit. a.. Seither erwähnt Art. 7 AIG die Grenzübergangsstellen nicht mehr. Gemäss AIG Art. 7 Abs. 1 richtet sich die Ein- und Ausreise nach den Schengen-Assoziierungsabkommen, was als Verweis auf den mit diesem Abkommen übernommenen Schengen-Besitzstand[148]Schengen-Assoziierungsabkommen Art. 2 Ziff. 1 zu verstehen ist, zu dem namentlich der Schengener Grenzkodex (SGK) gehört. Gemäss SGK Art. 8 Ziff. 8 ist eine „Grenzübergangsstelle“ ein von den zuständigen Behörden für das Überschreiten der Aussengrenzen des Schengenraums[149]Vgl. die Definition von Binnengrenzen und Aussengrenzen in SGK Art. 8 Ziff. 1–2. zugelassener Ort des Grenzübertritts. Binnengrenzen des Schengenraums dürfen gemäss SGK Art. 22 unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Personen an jeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden[150]Spescha/Bolzli/de Weck/Priuli, 389.. Eine Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen ist den Schengen-Staaten gemäss SGK Art. 25 ff. einzig bei ernsthafter Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit und nur vorübergehend gestattet.
Die einzigen Aussengrenzen der Schweiz gemäss SGK Art. 8 Ziff. 2 sind die Flughäfen und Flugplätze[151]Sauthier, AMig, Art. 115 N 33; Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 12 f.; Zünd, KMig, Art. 115 N 3., auf welche sich denn auch die Liste der Grenzübergangsstellen des SEM beschränkt[152]Vgl. <http://sem.admin.ch/dam/sem/de/data/einreise/aussengrenzen-ch-dfi.pdf> (besucht 7.10.2025)..
Die Einreise aus einem Drittstaat über einen unzulässigen Flugplatz dürfte eine seltene Ausnahme sein. AIG Art. 115 Abs. 1 lit. d ist somit weitgehend obsolet[153]Gl.M. Maurer, Art. 115 N 26.. Diese Bestimmung sollte de lege ferenda gestrichen werden. Ohnehin ist dieser Strafnorm nach hier vertretener Meinung angesichts des unklaren Verweises auf Art. 7 die für die strafrechtliche Anwendung hinreichende Bestimmtheit abzusprechen, und zwar selbst im Fall der vorübergehenden Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen gemäss SGK Art. 25 ff. Es ist erstaunlich, dass es im Zeitraum 2009–2024 gleichwohl zu durchschnittlich 23 Verurteilungen pro Jahr gemäss AIG Art. 115 Abs. 1 lit. d gekommen ist. Da ein so intensiver, strafrechtlich aufgearbeiteter Flugverkehr mit Drittstaaten über unzulässige Flugplätze – Alpnach, Bad Ragaz, Birrfeld usw. – schwer vorstellbar erscheint, ist zu befürchten, dass die Verurteilungen auf behördlichen Rechtsirrtümern beruhen könnten, die Ein- oder Ausreise über die „grüne Grenze“ erfülle weiterhin den Tatbestand[154]Krit. zur solche Fehler begünstigenden Strafbefehlspraxis Gretler, ZMig, N 7.14..
b) Subjektiver Tatbestand und Fahrlässigkeit
Sofern der objektive Tatbestand überhaupt erfüllbar ist, handelt es sich bei Vorsatz um ein Vergehen, bei Fahrlässigkeit um eine Übertretung. Wer einen Flug über Aussengrenzen hinweg organisiert oder steuert, hat die Sorgfaltspflicht, sich über die Zulässigkeit des anvisierten Flugplatzes zu vergewissern, und nimmt die Unzulässigkeit in Kauf, wenn er das unterlässt. Hingegen darf der Passagier sich grundsätzlich darauf verlassen, dass der Flug ordnungsgemäss durchgeführt wird, es sei denn, er habe den Flug zum Zweck der Umgehung der Grenzkontrolle gewählt.
6. Rechtswidrige Einreise von der Schweiz in einen anderen Staat (AIG Art. 115 Abs. 2)
| Tatbestandsklassifikation |
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AIG Art. 115 Abs. 2 über die rechtswidrige Einreise von der Schweiz in einen anderen Staat gilt seit 2008 materiell unverändert und führte im Zeitraum 2008–2024 gemäss Bundesamt für Statistik zu durchschnittlich 70 Verurteilungen pro Jahr. Die Ausdehnung der Strafbarkeit auf die unter dem ANAG noch straffreie rechtswidrige Einreise in einen anderen Staat von der Schweiz aus wurde im Hinblick auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit als erforderlich erachtet[155]BBl 2002 3832..
a) Objektiver Tatbestand
Die Tathandlung der rechtswidrigen Einreise in einen anderen Staat ist in der Schweiz strafbar, wenn sie entweder auf die Ausreise aus der Schweiz oder aus der Transitzone eines schweizerischen Flughafens erfolgt. Eine Ausreise liegt unter denselben Voraussetzungen wie eine Einreise[156]Oben Ziff. B.III.2.a. vor, einfach in umgekehrter Richtung.
Bei der Überschreitung der geographischen Landesgrenze stellt die Ausreise aus der Schweiz gleichzeitig die Einreise in ein Nachbarland dar.
Befindet sich die ausländische Person vor der Einreise in einen anderen Staat in der Transitzone eines schweizerischen Flughafens, so ist es nicht erforderlich, dass diesem Zustand eine Ausreise aus der Schweiz voranging. Bei der Änderung des AIG im Zusammenhang mit Pflichten der Luftverkehrsunternehmen wurde der Begriff „Transitraum eines schweizerischen Flughafens“ zwecks Vereinheitlichung durch „internationale Transitzonen der Flughäfen“ ersetzt, ohne dass damit eine inhaltliche Änderung bezweckt worden wäre[157]BBl 2013 2588.. Entgegen der Botschaft[158]BBl 2002 3832. bedeutet der Aufenthalt in der Transitzone nach hier vertretener Meinung[159]Gestützt auf BGE 119 IV 164 Regeste, per analogiam. weder eine Ein- noch eine Ausreise[160]Gl.M. Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 18.. Gleichwohl befindet sich die Transitzone innerhalb der schweizerischen Strafgerichtsbarkeit gemäss StGB Art. 3[161]A.M. Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 18.. Unmittelbar aus der schweizerischen Transitzone ist keine Einreise in einen anderen Staat möglich. Vielmehr ist die Tathandlungsvariante des Treffens von Vorbereitungen zur Einreise gemäss AIG Art. 115 Abs. 2 in fine auf die Transitzone zugeschnitten. Wer sich in der Absicht, einen bestimmten Flug anzutreten, in der Transitzone befindet, trifft dadurch Vorbereitungen zur Einreise in das Land der Destination, ja hätte selbst ohne diese ausweitende Tatbestandsvariante die enger gefasste Schwelle zum Versuch überschritten[162]BGer vom 10.10.2018, 6B_1314/2016, Erw. 9.5.3 (nicht publ. in BGE 145 IV 114), Vorbereitung einer Reise als Versuch zur Verletzung des Geschäftsgeheimnisses i.S.v. StGB Art. 162..
Ob die Einreisebestimmungen des anderen Staates verletzt sind, bestimmt sich nach dessen Recht. Für die Einreise in einen anderen Schengen-Staat müssen Angehörige von Drittstaaten die Voraussetzungen gemäss SGK Art. 6 erfüllen. Angehörige von EU- und EFTA-Staaten benötigen für die Einreise in einen anderen EU- oder EFTA-Staat eine Identitätskarte[163]Vgl. sinngemäss FZA Anhang I Art. 1 Ziff. (1) = EFTA-K Anlage 1 Art. 1 Ziff. 1. und dürfen im Zielstaat keiner aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit angeordneten Fernhaltemassnahme unterliegen[164]Vgl. sinngemäss FZA Anhang I Art. 5 Ziff. (1) = EFTA-K Anlage 1 Art. 5 Ziff. 1..
b) Subjektiver Tatbestand und Fahrlässigkeit
Die rechtswidrige Einreise von der Schweiz in einen anderen Staat ist bei Vorsatz ein Vergehen, bei Fahrlässigkeit eine Übertretung. Für den Vorsatz und die Fahrlässigkeit stellen sich grundsätzlich dieselben Fragen wie bei der rechtswidrigen Einreise aus einem anderen Staat in die Schweiz, weshalb auf die dortigen Ausführungen verwiesen wird[165]Oben Ziff. B.III.2.b. und B.III.2.c..
7. Gegenseitige Konkurrenz der Tatbestände gemäss AIG Art. 115
Wer gemäss AIG Art. 115 Abs. 1 lit. a unrechtmässig einreist und sich im Anschluss daran gemäss AIG Art. 115 Abs. 1 lit. b rechtswidrig in der Schweiz aufhält, begeht eine einheitliche Straftat, wobei AIG Art. 115 Abs. 2 lit. b als Dauerdelikt mehr ins Gewicht fällt. Auch wenn im Schuldspruch lit. a und b erwähnt werden können, besteht nach hier vertretener Ansicht keine echte Konkurrenz, welche eine Strafschärfung gemäss StGB Art. 49 nach sich zöge.
Die rechtswidrige Einreise und der rechtswidrige Aufenthalt gemäss AIG Art. 115 Abs. 1 lit. a–b einerseits und die unbewilligte Erwerbstätigkeit gemäss AIG Art. 115 Abs. 1 lit. c andererseits bedingen sich nicht gegenseitig und schützen nicht dasselbe Rechtsgut. Die Regelung der Einreise und Anwesenheit dient der Kontrolle der demographischen Zusammensetzung der Bevölkerung und der Fernhaltung von Personen, die die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden oder die öffentliche Fürsorge zu belasten drohen. Bei der Bewilligungspflicht für die Erwerbstätigkeit geht es hingegen um den Schutz des Arbeitsmarktes. Aus diesen Gründen ist nach hier vertretener Meinung von echter Konkurrenz auszugehen.
Was die Einreise über einen unzulässigen Grenzübergang gemäss AIG Art. 115 Abs. 1 lit. d betrifft, so ergibt sich aus der Analyse der Konkurrenz innerhalb von AIG Art. 115 ein zusätzlicher Grund für die Bedeutungslosigkeit dieser Strafbestimmung: Verletzt die ausländische Person bei der Einreise über einen unzulässigen Grenzübergang – z.B. den Flugplatz von Yverdon – gleichzeitig gemäss AIG Art. 115 Abs. 1 lit. a relevante Einreisevorschriften, so ist die Einreise bereits deshalb rechtswidrig, weshalb das Benützen des unzulässigen Grenzübergangs konsumiert wird. Hält die ausländische Person indessen die Einreisevorschriften gemäss AIG Art. 115 Abs. 1 lit. a ein, so erscheinen Schuld und Tatfolgen der Benützung des unzulässigen Grenzübergangs als geringfügig im Sinne von StGB Art. 52, so dass von einer Strafverfolgung abzusehen ist.
Die rechtswidrige Einreise von der Schweiz in einen anderen Staat gemäss AIG Art. 115 Abs. 2 stellt eine von strafbaren Handlungen gemäss AIG Art. 115 Abs. 1 getrennte Tat dar. Diese Strafnorm ist auch hinsichtlich des geschützten Rechtsgutes eigenständig, geht es doch im Wesentlichen um den Schutz der Beziehungen der Schweiz zum Ausland. Deshalb besteht zwischen Straftaten gemäss Art. 115 Abs. 2 und solchen gemäss AIG Art. 115 Abs. 1 echte Realkonkurrenz.
8. Vorrang der Ausweisung vor der Bestrafung (AIG Art. 115 Abs. 4–6)
a) Genese
Schon alt ANAG Art. 23 Abs. 3 Satz 1 enthielt eine Opportunitätsklausel, wonach bei sofortiger Ausschaffung auf Bestrafung verzichtet werden könne; mit der Einführung des damaligen AuG wurde in Art. 115 die darauf gestützte Praxis festgeschrieben, dass nicht nur die Bestrafung, sondern bereits die Strafverfolgung ausbleiben dürfe[166]BBl 2002 3832.. Als die Schweiz die Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG) als Bestandteil des Schengen-Besitzstandes übernommen hatte[167]Oben Ziff. B.II.4., führte dies zunächst nicht zur Revision von Strafnormen des damaligen AuG. Dies änderte sich mit der Rechtsprechung des EuGH, wonach die Rückführungsrichtlinie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehe, „nach denen gegen sich illegal aufhaltende Drittstaatsangehörige während des Rückkehrverfahrens eine Freiheitsstrafe wegen des illegalen Aufenthalts verhängt werden kann“[168]EuGH, Pressemitteilung 133/11 vom 6.12.2011 zu EuGH, Urteil vom 6.12.2011 in der Rechtssache C-329/11 Alexandre Achughbabian v. Préfet du Val-de-Marne, Ziff. 50; vgl. auch BGer vom 24.1.2013, … Continue reading. Daraus folgt eine Pflicht (und nicht bloss eine Befugnis), bei Erschöpfung des mutmasslich strafbaren Verhaltens in der Rechtswidrigkeit der Einreise oder des Aufenthalts die Rückführung nicht durch die Strafverfolgung oder den Strafvollzug zu verzögern, soweit die sofortige Rückführung nicht am Verhalten der betroffenen Person scheitert. Das schweizerische Bundesgericht folgte dem[169]BGer vom 24.1.2013, 6B_196/2012, Erw. 2.. Gleichwohl wurde anlässlich der Schengen-Evaluation der Schweiz im Jahr 2014 die mangelnde Verbindlichkeit des damaligen AuG Art. 115 Abs. 4 kritisiert[170]BBl 2018 1712.. Der Gesetzgeber reagierte darauf, indem er im Rahmen des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 2018[171]BG vom 14.12.2018 (Verfahrensregelungen und Informationssysteme), in Kraft seit 1.6.2019, AS 2019 1413; Botschaft in BBl 2018 1685. AIG Art. 115 Abs. 4 neu fasste und AIG Art. 115 Abs. 5–6 hinzufügte.
Der Bundesrat schlug eine Neufassung von AIG Art. 115 Abs. 4 vor[172]BBl 2018 1713., für deren Streichung der Ständerat als Erstrat nach einlässlicher Diskussion mit eher kleiner Mehrheit stimmte[173]AB 2018 S 481 ff.. Darauf erarbeitete das SEM in Zusammenarbeit mit dem BAJ den in die drei Absätze AIG Art. 115 Abs. 4–6 gefassten Kompromissvorschlag, dem beide Räte diskussionslos folgten[174]AB 2018 N 1667, Brand für die Kommission; AB 2018 N 1669 f.; AB 2018 S 847..
AIG Art. 115 Abs. 4 schreibt die Sistierung eines einzig wegen Rechtswidrigkeit der Einreise oder des Aufenthalts eingeleiteten Strafverfahrens zwingend vor, wenn ein Weg- oder Ausweisungsverfahren hängig ist. Ist ein solches Verfahren nur vorgesehen, ist die Sistierung freiwillig. Gemäss AIG Art. 115 Abs. 5 darf der unmittelbar bevorstehende Vollzug einer rechtskräftigen Weg- oder Ausweisung durch die Ausfällung oder den Vollzug einer einzig die Rechtswidrigkeit der Einreise oder des Aufenthalts betreffenden Strafe nicht verzögert werden. Entsprechend dem Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie gilt dieser Strafausschluss nicht für die Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung[175]BGer vom 24.1.2013, 6B_196/2012, Erw. 2.2.1.. AIG Art. 115 Abs. 6 statuiert zwei Ausnahmen vom Vorrang der Weg- oder Ausweisung: Die Strafverfolgung hat Vorrang, wenn sie die Einreise unter Missachtung eines Einreiseverbots[176]Oben Ziff. B.III.2.a.ee. betrifft oder wenn die Weg- oder Ausweisung aufgrund des Verhaltens der betroffenen Person nicht vollzogen werden kann.
b) Vorgaben der Rückführungsrichtlinie
Die Rückführungsrichtlinie und damit auch AIG Art. 115 Abs. 4–6 sind in Konformität mit dem Rückkehr-Handbuch auszulegen[177]BGer vom 1.11.2021, 6B_427/2020, Erw. 1.3.3., dessen aktuelle Fassung dem Anhang zur Empfehlung (EU) 2017/2338 der Kommission vom 16. November 2017[178]Abl. L 339 vom 19.12.2017, S. 83–159. entspricht.
Das Rückkehr-Handbuch stellt klar, dass es den Schengenstaaten „nicht gestattet [ist], den illegalen Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen in ihrem Hoheitsgebiet zu tolerieren, ohne entweder ein Rückkehrverfahren einzuleiten oder eine Aufenthaltsberechtigung zu erteilen“[179]Rückkehr-Handbuch Titel 5 Abs. 3.. Im Rückkehrentscheid ist eine dieser beiden Möglichkeiten zu wählen. Nicht als „Rückkehr“ gilt die Überstellung eines illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen in einen anderen Schengenstaat[180]Rückkehr-Handbuch Titel 1.3 Abs. 3.. Für die Rückführung in ein rücknahmebereites Drittland ist derjenige Schengenstaat verantwortlich, der den Drittstaatsangehörigen aufgegriffen hat, unabhängig davon, über welches Land dieser unentdeckt in den Schengenraum eingereist ist und wo im Schengenraum er sich wie lange unentdeckt illegal aufgehalten hat[181]Rückkehr-Handbuch Titel 5 Abs. 6.. Wenn der illegal aufhältige Drittstaatsangehörige in einem anderen Schengenstaat über eine Aufenthaltsberechtigung verfügt, ist er aufzufordern, sich unverzüglich dorthin zu begeben; eine Rückkehrentscheidung ist nur zu erlassen, wenn er „dieser Aufforderung nicht nachkommt oder wenn eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die nationale Sicherheit besteht“[182]Rückkehr-Handbuch Titel 5.4 Abs. 2–3..
„Die Förderung einer freiwilligen Ausreise ist eines der Hauptziele der Rückführungsrichtlinie“[183]Rückkehr-Handbuch Titel 6 Abs. 3.. Nur wenn sonst der Zweck des Rückkehrverfahrens als gefährdet erscheint, sind die Schengenstaaten verpflichtet, „alle erforderlichen Massnahmen zur Vollstreckung der Rückkehrentscheidung“ zu ergreifen[184]Rückführungsrichtlinie Art. 8 Abs. (1) = Rückkehr-Handbuch Titel 7 Abs. 1 Ziff. (1).. Dabei kann es sich unter Beachtung der Verhältnismässigkeit um Zwangsmassnahmen, namentlich um administrative Haft, oder um sonstige Massnahmen handeln, wobei die konkreten Modalitäten in den Rechtsvorschriften und der Verwaltungspraxis der Mitgliedstaaten zu regeln sind[185]Rückkehr-Handbuch Titel 7 Abs. 2..
Strafrechtliche Verfahren und Sanktionen wegen der Rechtswidrigkeit der Einreise oder des Aufenthalts werden als potenzielle Behinderung der möglichst raschen und schonenden Rückführung nur unter einschränkenden Voraussetzungen zugelassen, namentlich dann, wenn sie in echte Konkurrenz mit andersartigen Straftaten treten[186]Rückkehr-Handbuch Titel 2.3.. Unter dem Vorbehalt der Nichtbehinderung der Rückführung empfohlen sind verhältnismässige strafrechtliche Sanktionen gegen Drittstaatsangehörige, „die die Rückkehr vorsätzlich behindern (beispielsweise durch Beseitigung von Reisedokumenten, Angabe falscher Personalien, Verhinderung der Identifizierung, wiederholte Weigerung, den Flug anzutreten)“[187]Rückkehr-Handbuch Titel 4 Abs. 4 Spiegelstrich 2., was auch für weitere „nicht berechtigte Gründe für die Nichtrückkehr“ gelten muss, „wie etwa mangelnde Kooperation bei der Beschaffung der Reisedokumente, mangelnde Kooperation bei der Offenlegung der Identität, Vernichtung von Dokumenten, Flucht oder Behinderung der Abschiebung“[188]Rückkehr-Handbuch Titel 4 Abs. 5 Hauptspiegelstrich 2.. Hielt sich die betroffene Person vor der behördlichen Ergreifung unerkannt im Land auf, gilt dies noch nicht als vorsätzliche Behinderung des Rückkehrverfahrens, da ein solches gar nicht Anhand genommen werden konnte[189]EuGH vom 7.6.2016, Affum, C.47/15, N 51 ff.. Geldstrafen und Bussen sind auch in diesem Fall zulässig, soweit sie die Rückkehr nicht verzögern[190]EuGH vom 6.12.2012, Sagor, C-430/11, N 36..
c) Richtlinienkonforme Auslegung
Der Wortlaut von AIG Art. 115 Abs. 4–6 erweist sich als taugliche Umschreibung der Begrenzung des Strafrechts, die sich aus der Rückführungsrichtlinie in Verbindung mit dem Rückkehr-Handbuch ergibt. Für die richtlinienkonforme Auslegung dieser Bestimmungen ist folgendes zu beachten:
Die Rückführungsrichtlinie wird nicht nur bei echter Konkurrenz von AIG Art. 115 Abs. 1 lit. a, b oder d mit Straftaten ausserhalb des Migrationsrechts unanwendbar auf Drittstaatsangehörige, sondern angesichts der unterschiedlichen geschützten Rechtsgüter auch bei echter Konkurrenz mit der Missachtung der Ein- oder Ausgrenzung gemäss AIG Art. 119 Abs. 1[191]BGE 143 IV 264 Regeste und Erw. 2.6.2; Maurer, Art. 115 N 31c.. Da auch die unbewilligte Erwerbstätigkeit gemäss AIG Art. 115 Abs. 1 lit. c nicht unter das Privileg gemäss der Rückführungsrichtlinie und AIG Art. 115 Abs. 4–5 fällt[192]BGer vom 24.1.2012, 6B_196/2 012, Erw. 2.2.1; BGer vom 14.7.2017, 6B_118/2017, Erw. 4.4; Maurer, Art. 115 N 31. und sich die Rechtsgüter unterscheiden[193]Oben Ziff. B.III.7., gilt bei echter Konkurrenz mit AIG Art. 115 Abs. 1 lit. a, b oder d nach hier vertretener Meinung dasselbe. Der Verweisungsbruch gemäss StGB Art. 291 fällt zwar grundsätzlich unter die Rückführungsrichtlinie[194]Oben Ziff. B.III.2.e., wird aber von AIG Art. 115 Abs. 4–6 nicht erfasst[195]BBl 2018 1753; Caroni/Scheiber/Preisig/Plozza, N 916..
Sowohl vor als auch nach Inkrafttreten der aktuellen Fassung von AIG Art. 115 Abs. 4–6 erkannte das Bundesgericht, die Verhängung einer Geldstrafe nach einem Wegweisungsentscheid und vor Ergreifung der erforderlichen Entfernungsmassnahmen sei mit der Rückführungsrichtlinie vereinbar[196]Sauthier, AMig, Art. 115 N 2; Krit. Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 55., vorausgesetzt, sie erschwere das Verfahren der Entfernung nicht[197]BGE 143 IV 249 Regeste und Erw. 1.9; BGE 145 IV 197 Erw. 1.4.3 (= BGer vom 24.4.2019, 6B_517/2017); BGer vom 1.11.2021, 6B_427/2020, Erw. 1.3.2 und 1.5; BGer vom 9.2.2021, 6B_438/2020, Erw. 1.4.. Diese Auslegung, die im Einklang mit dem Rückkehr-Handbuch steht[198]Rückkehr-Handbuch Titel 4 Abs. 4 Spiegelstriche 3–4., wird auch von AIG Art. 115 Abs. 5 gestützt, der die Verhängung oder den Vollzug der Strafe nur dann ausschliesst, wenn dadurch der „unmittelbar bevorstehende Vollzug einer rechtskräftigen Weg- oder Ausweisung“ verzögert würde. Ist ein solcher Vollzug ohnehin nicht durchführbar, besteht keine Einschränkung der Strafbarkeit, wobei die Strafe selbst dann bestehen bleibt, wenn der Vollzug später möglich wird[199]BGer vom 15.8.2014, 6B_894/2013, Erw. 1.4; Maurer, Art. 115 N 31a..
Dass die Aus- oder Wegweisung i.S.v. AIG Art. 115 Abs. 6 am Verhalten der betroffenen Person scheitert, bedingt gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts, dass die Rückkehr grundsätzlich möglich ist[200]Statt vieler BGer vom 22.3.2017, 6B_372/2016, Erw. 2. und „im verwaltungsrechtlichen Verfahren alles für den Vollzug der Rückkehrentscheidung Zumutbare vorgekehrt worden ist“[201]BGer vom 19.4.2013, 6B_713/2012, Erw. 1.4; ebenso BGer vom 24.1.2013, 6B_196/2012, Erw. 2.. Verlangt ist die beförderliche Anhandnahme und entschlossene Durchführung des Rückführungsverfahrens. Fehlt es daran, steht die behördliche Untätigkeit für das Scheitern der Rückführung im Vordergrund.
Beispiel: Algerien akzeptiert keine Rückschaffung mit Spezialflügen. Die betroffene Person kündigte an, nicht zu kooperieren. Die zuständige Behörde unterliess die zumutbare und nicht von vornherein aussichtslose Massnahme der polizeilichen Eskortierung bis zur Besteigung eines Linienflugzeugs. Dadurch fehlte die Voraussetzung für die Ausnahme gemäss AIG Art. 115 Abs. 6[202]BGer vom 7.12.2016, 6B_106/2016, Erw. 1.4; ähnlich BGE 147 IV 232 Erw. 1.2–7..
Hingegen widerspräche es der Rückführungsrichtlinie, den illegalen Aufenthalt trotz der Kooperationsverweigerung oder des Untertauchens der betroffenen Person nur deshalb zu entschuldigen, weil die Behörden zulässige Zwangsmassnahmen nicht ergriffen haben. Denn die Rückführungsrichtlinie bevorzugt die zwangsfreie Rückkehr. Entsprechend ist eine vorgängige Anordnung von Ausschaffungs- oder Durchsetzungshaft keine zwingende Voraussetzung der Bestrafung[203]BGer vom 11.3.2013, 6B_617/2012, Erw. 1.4 f.; insbesondere die auf Beugung ausgerichteten und deshalb problematische Durchsetzungshaft sollte nicht zu den erforderlichen Massnahmen im Sinne der Rechtsprechung zur Rückführungsrichtlinie gezählt werden[204]Gl.M. Zünd, KMig, Art. 115 N 12; a.M. Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 54 m. Hinw. auf BGer vom 19.7.2019, 2C_629/2019, Erw. 3.3, der allerdings keinerlei Bezug zur … Continue reading. Freilich ist die blosse Ansetzung einer Ausreisefrist ungenügend[205]BGE 147 IV 232 Erw. 1.6., es sei denn, die betroffene Person erwecke den falschen Anschein, die selbständige Rückkehr vorzubereiten oder dazu gewillt zu sein[206]BGer vom 5.8.2014, 6B_139/2014, Erw. 3; BGer vom 19.4.2013, 6B_713/2012, Erw. 5; Maurer, Art. 115 N 31b.. Von vornherein aussichtlose Massnahmen sind nicht erforderlich[207]BGer vom 19.4.2013, 6B_713/2012, Erw. 1.4.. Das Scheitern der Rückführung ist namentlich dann dem Verhalten der betroffenen Person geschuldet, wenn diese dem Rückkehrverfahren, soweit möglich, unterzogen wurde und sich trotzdem ohne Rechtfertigungsgrund im entsprechenden Staatsgebiet aufhält[208]EuGH vom 26.7.2017, Ouhrami, C-225/16, N 56., z.B. weil diese nach der weisungsgemässen selbständigen Ausreise oder der zwangsweisen Ausschaffung trotz Einreiseverbots unbemerkt wieder eingereist ist[209]BGer vom 24.1.2013, 6B_196/2012, Erw. 2.2.2. oder weil sie die Fortsetzung des Rückführungsverfahrens verunmöglicht[210]Sauthier, AMig, Art. 115 N 3., z.B. indem sie untertaucht[211]BGer vom 19.4.2013, 6B_713/2012, Erw. 5; BGer vom 24.1.2013, 6B_196/2012, Erw. 2.2.2. oder Ausweispapiere vernichtet, verheimlicht[212]BGer vom 22.3.2017, 6B_372/2016, Erw. 2. oder durch Verweigerung der Mitwirkung unbeschaffbar macht[213]BGer vom 17.4.2012, 6B_188/2012, Erw. 5; BGer vom 11.3.2012, 6B_617/2012, Erw. 1.5; BGer vom 19.4.2016, 6B_952/2015, Erw. 2.3..
Beispiel: Die betroffene Person war vor dem Vollzug einer polizeilichen Wegweisungsverfügung untergetaucht, wurde später aufgegriffen und in Haft versetzt und missachtete schliesslich die Aufforderung, die Schweiz nach der Entlassung zu verlassen. Das Bundesgericht erachtete die blosse Aufforderung bei der Haftentlassung als ungenügend, so dass der Vollzug der aktuellen Rückführung nicht am Verhalten der betroffenen Person scheiterte. Gleichwohl kam die Rückführungsrichtlinie nicht zum Tagen, da die betroffene Person den Vollzug der früheren Wegweisung durch ihr Verhalten verhindert hatte[214]BGer vom 19.4.2013, 6B_713/2012, Sachv. A. und Erw. 1.5 (vor Erlass von AIG Art. 115 Abs. 6)..
C. Schluss
Die Untersuchung hat gezeigt, dass hinsichtlich der Rechtslage in der Schweiz die eingangs aufgeworfene Befürchtung unbegründet ist: AIG Art. 115 fügt sich im Wesentlichen widerspruchsfrei in den Schengen-Besitzstand ein; die festgestellten rechtlichen Unzulänglichkeiten bleiben marginal. Die schweizerische Strafbestimmung an sich trägt den europäischen Vorgaben Rechnung, indem sie die strafrechtliche Verfolgung nur dort einsetzt, wo die verwaltungsrechtliche Rückführung nicht als vorrangige Massnahme greift. Damit wird auf der rechtlichen Ebene der Grundsatz, wonach das Strafrecht das letzte Mittel – die ultima ratio – zur Rechtsdurchsetzung sein soll, vorbildlich umgesetzt. Dieses aus der Rückführungsrichtlinie abgeleitete Prinzip hat de lege ferenda das Potenzial zur generellen Anwendung auf Strafnormen zur Durchsetzung von Verwaltungsrecht, um gleichzeitig sowohl der notorischen Überlastung der Strafbehörden als auch der unnötigen Kriminalisierung der Rechtsunterworfenen entgegenzuwirken.
Allerdings ist die gelebte Rechtswirklichkeit im Strafbefehlsverfahren[215]Krit. dazu Gretler, ZMig, N 7.2 und 7.15. nicht Gegenstand der vorliegenden Abhandlung. Die stetig steigende Menge an Verurteilungen nach AIG Art. 115 weckt Zweifel, ob die Strafverfolgungsbehörden das europarechtliche Potenzial zum Verzicht auf die Strafverfolgung ausschöpfen. Die Strafverfolgung ist angebracht, wenn die zeitnahe Rückführung im Sinne der differenzierten Rechtsprechung am Verhalten der betroffenen Person scheitert. Europarechtlich zwar erlaubt[216]Oben Ziff. B.III.8.b., aber unnötig, ineffizient und rechtsstaatlich bedenklich ist es hingegen, auf jede objektive Rechtswidrigkeit einer Einreise oder eines Aufenthalts ohne nähere Untersuchung der Umstände mit der schnellen Ausfällung einer Geldstrafe im Strafbefehlsverfahren zu reagieren, um die betroffene Person sodann meist noch am Tag der Verhaftung dem Migrationsamt zu übergeben. Dieses Vorgehen führt aufgrund der Masse an Geschäften trotz der Kürze der Verfahren gesamthaft zu einer erheblichen Zusatzbelastung der Strafbehörden, ohne eine nennenswerte präventive Wirkung zu entfalten. Denn es wird den Bestraften bei solchen Abläufen kaum gelingen, das Verwaltungsverfahren und das Strafverfahren auseinanderzuhalten und sich durch die Strafe zusätzlich beeindrucken zu lassen.
Der Geist der Verhältnismässigkeit, welcher der Rückführungsrichtlinie innewohnt, wird erst dann gelebte Rechtswirklichkeit, wenn die Abläufe dahingehend strukturiert werden, dass die Polizei nicht mehr jede unrechtmässig eingereiste oder anwesende Person, die sie aufgreift, mit einem entsprechenden Anzeigerapport der Staatsanwaltschaft zuführt[217]Vgl. dazu für den Kanton Zürich den „Fragekatalog AIG Polizei/Migrationsamt“, wonach nur an die Staatsanwaltschaft rapportiert wird, wenn gegen die aufgegriffene Person „eine rechtskräftige … Continue reading. Gemäss der Rückführungsrichtlinie gehört das Primat dem Migrationsamt, das dementsprechend die erste Anlaufstelle für solche Zuführungen sein sollte. Aus der Pflicht zur Sistierung des Strafverfahrens für die Dauer des Rückführungsverfahrens folgt, dass in diesem Zeitraum kein Verfolgungszwang gemäss StPO Art. 7 besteht und entsprechend auch keine Eröffnung eines Strafverfahrens gemäss StPO Art. 309 geboten ist. Wenn keine bereits rechtskräftige Wegweisung oder Landesverweisung missachtet wurde, ist die Einschaltung der Staatsanwaltschaft erst dann angebracht, wenn die Migrationsbehörden eine Strafanzeige erstatten, weil i.S.v. AIG Art. 115 Abs. 6 eine Weg- oder Ausweisung aufgrund des Verhaltens der betroffenen Person nicht vollzogen werden konnte.
Literaturverzeichnis
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Materialien
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Botschaft zur Änderung des Ausländergesetzes (Sorgfalts- und Meldepflichtverletzungen durch Luftverkehrsunternehmen, Informationssysteme) vom 8.3.2013, BBl 2013 2561
Botschaft zur Revision des Ausländergesetzes (AuG) (Verfahrensnormen und Informationssysteme) vom 2.3.2018, BBl 2018 1685
Botschaft zur Genehmigung und Umsetzung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) 2018/1240 über das Europäische Reiseinformations- und -genehmigungssystem (ETIAS) (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands) und zur Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes (Unterstellung des Nachrichtendienstes des Bundes unter das Schengen-Datenschutzgesetz) vom 6.3.2020, BBl 2020 2885
Botschaft zur Genehmigung und Umsetzung der Notenaustausche zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Verordnungen (EU) 2021/1150 und (EU) 2021/1152 zur Festlegung der Bedingungen für den Zugang zu anderen EU-Informationssystemen für die Zwecke des Europäischen Reiseinformations- und -Genehmigungssystems (ETIAS) (Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands) und zur Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes vom 18.5.2022, BBl 2022 1449.
Fussnoten[+]
| ↑1 | Das in der Verurteilungsstatistik häufigste Verbrechen ist Diebstahl i.S.v. StGB Art. 139 mit 9 303 Verurteilungen im Jahr 2024 (Quelle: s. folgende Fussnote). |
|---|---|
| ↑2 | Vgl. <https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/kriminalitaet-strafrecht/strafjustiz/verurteilungen-erwachsenen.html> (besucht am 7.10.2025). |
| ↑3 | Seit der Einführung der StPO im Jahr 2011 beträgt der Anteil der Strafbefehle (auch Strafmandate) an den Verurteilungen in Bezug auf sämtliche Straftaten im Durchschnitt 90.49 %, während er davor rund 80 % betrug (Quelle: s. vorstehende Fussnote). |
| ↑4 | SR 142.20. |
| ↑5 | Definition s. unten Ziff. B.III.1. |
| ↑6 | AIG Art. 1, 3 und 4. |
| ↑7 | UN Human Rights Committee, CCPR/C/21/Rev.1/Add.9, General Comment No. 27: Article 12 (Freedom of Movement), angenommen in der 67. Sitzung vom 2.11.1999, Ziff. 4; Uebersax/Petry/Hruschka/Frei/Errass, 62. |
| ↑8 | BBl 2002 3774; Caroni/Scheiber/Preisig/Plozza, N 910; Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Vor Art. 115 N 7. |
| ↑9 | Maurer, Art. 115 N 1; krit. Spescha/Bolzli/de Weck/Priuli, 387. |
| ↑10 | SR 0.142.112.681: Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit vom 21.6.1999. |
| ↑11 | SR 0.632.31: Anhang K betreffend Freizügigkeit (Freier Personenverkehr) zum Übereinkommen zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) vom 4.1.1960 in der Fassung gemäss der Änderung vom 21.6.2001. |
| ↑12 | SR 192.12: BG über die von der Schweiz als Gaststaat gewährten Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen sowie finanziellen Beiträge vom 22.6.2007. |
| ↑13 | Maurer, Art. 115 N 5. |
| ↑14 | SR 311.0: Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21.12.1937. |
| ↑15 | SR 312.0: Schweizerische Strafprozessordnung vom 5.10.2007. |
| ↑16 | SR 0.362.31: Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaft über die Assoziierung dieses Staates bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands vom 26.10.2004. |
| ↑17 | Schengen-Assoziierungsabkommen Art. 2 Ziff. 3 und Art. 7. |
| ↑18 | ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98; zur Bedeutung für die Schweiz vgl. Erwägung (29) zur Richtlinie. |
| ↑19 | BGer vom 24.1.2013, 6B_196/2012, Erw. 2.1.1. |
| ↑20 | BGer vom 24.1.2013, 6B_196/2012, Erw. 2.1.3. |
| ↑21 | Unten Ziff. B.III.8.a. |
| ↑22 | BGE 147 II 201 Erw. 4.2.3. |
| ↑23 | Strafrecht I, § 16 Ziff. 1.2. |
| ↑24 | BGE 143 IV 97 Erw. 1.5. |
| ↑25 | BGE 132 IV 29 Regeste; unten Ziff. B.III.2.a.aa. und B.III.2.d. |
| ↑26 | BGE 119 IV 164 Regeste (zu alt ANAG Art. 23 Abs. 1). |
| ↑27 | SGK Art. 1 und 20; Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 3; Zünd, KMig, Art. 115 N 3. |
| ↑28 | AIG Art. 9; Uebersax/Petry/Hruschka/Frei/Errass, 72. |
| ↑29 | BGE 119 IV 164 Erw. 2.b; Maurer, Art. 115 N 7; Zünd, KMig, Art. 115 N 3. |
| ↑30 | Strafrecht I, § 11 Ziff. 1–2, § 12 Ziff. 1.1–2. |
| ↑31 | A.M. BBl 2002 3832. |
| ↑32 | So der Sachverhalt gemäss BGE 119 IV 164. |
| ↑33 | Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9.3.2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex), ABl. L 77 vom 23.3.2016, S. 1–52, zitiert nach der konsolidierten Fassung per 10.7.2024. |
| ↑34 | SR 142.204. |
| ↑35 | BGer vom 21.10.2019, 6B_668/2019, Erw. 1.1.2; BGer vom 18.12.2012, 6B_619/2012, Erw. 1.3.2; BGer vom 1.6.2011, 6B_212/2011, Erw. 3; Maurer, Art. 115 N 6; Caroni/Scheiber/Preisig/Plozza, N 914; Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 9. |
| ↑36 | SGK Art. 23 lit. c; BGer vom 13.8.2020, 6B_1379/2019, Erw. 6.2; Maurer, Art. 115 N 10. |
| ↑37 | Vgl. <https://www.sem.admin.ch/sem/de/home/publiservice/weisungen-kreisschreiben/visa/liste1_staatsangehoerigkeit.html> (besucht 7.10.2025). |
| ↑38 | FZA Anhang I Art. 1 Ziff. (1) = EFTA-K Anlage 1 Art. 1 Ziff. 1. |
| ↑39 | Vgl. das deutsche Personalausweisgesetz vom 18.6.2009, BGBl. I S. 1346; PAuswG. |
| ↑40 | Vgl. „carte d’identité“ in der französischen Fassung von FZA Anhang I Art. 1 Ziff. (1); vgl. z.B. „Carte nationale d’identité“ in Frankreich; „Carta d’identità“ in Italien; in der englischen Übersetzung meist „Identity Card“ (ID Card) oder „National Identity Card“ (NID Card); auch „Passport Card“ (z.B. Irland). |
| ↑41 | BGer vom 21.12.2018, 6B_60/2018, Erw. 3.3; Maurer, Art. 115 N 10. |
| ↑42 | BGE 132 IV 29 Erw. 2.3.2 (mit dem Hinweis, dass sich die Rechtslage seit dem BGE dahingehend geändert hat, dass gemäss AsylG Art. 19 seit dem 29.9.2012 ein Asylgesuch nicht mehr bei einer schweizerischen Vertretung im Ausland gestellt werden kann, vgl. AS 2012 5359, BBl 2010 4455, BBl 2011 7325); Maurer, Art. 115 N 17; Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 8. |
| ↑43 | ZR 122 (2023) Nr. 8, Erw. 2.1.2; OGer AG vom 4.2.2025, ST.2024.101. Erw. 3.1; zur Frage der Rechtfertigung vgl. unten Ziff. B.III.2.d. |
| ↑44 | Zuständigkeit gemäss OV-EJPD Art. 14 Abs. 3. |
| ↑45 | AIG Art. 31 Abs. 1. |
| ↑46 | Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen, abgeschlossen in New York am 28.9.1954, Art. 27 f.; AIG Art. 59 Abs. 2 lit. b. |
| ↑47 | ZR 122 (2023) Nr. 8, Erw. 2.2.6. |
| ↑48 | Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.7.2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (Visakodex), ABl. L 243 vom 15.9.2009, S. 1–58, zitiert nach der konsolidierten Fassung der Änderungen per 28.6.2024. |
| ↑49 | Verordnung (EU) 2018/1240 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.9.2018 über die Einrichtung eines Europäischen Reiseinformations- und -genehmigungssystems (ETIAS), ABl. L 236 vom 19.9.2018, S. 1–71, zitiert nach der konsolidierten Fassung der Änderungen per 3.8.2021. |
| ↑50 | BBl 2020 2031, ohne nähere Erläuterung. |
| ↑51 | Visakodex Art. 1 Ziff. (1) und (3), ebenso Art. 2 Ziff. 2; vgl. auch VEV Art. 12 Abs. 1. |
| ↑52 | Visumspflicht gemäss Visakodex Art. 1 Ziff. (3); vgl. dazu die Liste von zwölf Ländern in Anhang IV zum Visakodex. |
| ↑53 | A.M. BBl 2002 3832, dazu unten Ziff. B.III.6.a. |
| ↑54 | Verordnung (EG) Nr. 810/2009. |
| ↑55 | BGE 131 IV 174 Regeste; a.M. Maurer, Art. 115 N 11. |
| ↑56 | Ausnahmen vgl. VEV Art. 9 Abs. 2. |
| ↑57 | Visakodex Art. 1 Ziff. (1). |
| ↑58 | ABl. L 81 vom 21.3.2001, S. 1; Verweis darauf in Visakodex Art. 1 Ziff. (2). |
| ↑59 | Vgl. <https://www.sem.admin.ch/sem/de/home/publiservice/weisungen-kreisschreiben/visa/liste1_staatsangehoerigkeit.html> (besucht 7.10.2025). |
| ↑60 | Verordnung (EG) Nr. 539/2001 Art. 1 Ziff. (1). |
| ↑61 | Verordnung (EU) 2018/1240 Art. 2 Ziff. (1). |
| ↑62 | Vgl. <https://travel-europe.europa.eu/en/etias> (besucht 7.10.2025). |
| ↑63 | Vgl. <https://www.sem.admin.ch/sem/de/home/themen/einreise/etias.html> (besucht 7.10.2025). |
| ↑64 | Verordnung (EU) 2018/1240 Art. 1 Ziff. (1). |
| ↑65 | Verordnung (EU) 2018/1240 Art. 37. |
| ↑66 | Vgl. oben Ziff. B.III.2.a.aa. |
| ↑67 | BGE 131 IV 174 Erw. 4.2.2; Sauthier, AMig, Art. 115 N 11; Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 27; Zünd, KMig, Art. 115 N 7 |
| ↑68 | VEV Art. 3 Abs. 2. |
| ↑69 | VEV Art. 3 Abs. 3. |
| ↑70 | BGE 143 IV 97 Regeste. |
| ↑71 | Sauthier, AMig, Art. 115 N 7; Spescha/Bolzli/de Weck/Priuli, 388; Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 5; Zünd, KMig, Art. 115 N 1. |
| ↑72 | StPO Art. 113; IPBPR Art. 14 Ziff. (3) lit. g (Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, abgeschlossen in New York am 16.12.1966, SR 0.103.2, auch „Uno-Pakt II“); BGE 144 I 242 Erw. 1.2.1, wonach das Verbot des Selbstbelastungszwangs sich auch aus der Unschuldsvermutung gemäss BV Art. 32 Abs. 1 und EMRK Art. 6 Ziff. (2) herleitet. |
| ↑73 | Analogie zum Hausfriedensbruch durch Betreten eines Kaufhauses in Diebstahlsabsicht oder einer Parkgarage in Sachbeschädigungsabsicht, vgl.: BGE 108 IV 33 Erw. 5b; Corboz, Infractions I, Art. 186 N 38. Nydegger, AK StGB, Art. 186 N 18; Trechsel/Mona, PK StGB, Art. 186 N 15b; a.M. Stratenwerth/Bommer, BT I, § 6 N 9. |
| ↑74 | A.M. Spescha/Bolzli/de Weck/Priuli, 388; Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 5; Zünd, KMig, Art. 115 N 1. |
| ↑75 | Jean-Richard, Schutz des fremden Fiskus, forumpoenale 2010, 243. |
| ↑76 | Gl.M. Sauthier, AMig, Art. 115 N 7; Spescha/Bolzli/de Weck/Priuli, 388; Zünd, KMig, Art. 115 N 2. |
| ↑77 | Näheres Strafrecht II, § 7 Ziff. 6.14. |
| ↑78 | Uebersax/Petry/Hruschka/Frei/Errass, 209. |
| ↑79 | Vgl. im Einzelnen die teilweise überschneidenden Voraussetzungen gemäss AIG Art. 67 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 64d Abs. 2 lit. a–d, Art. 67 Abs. 1 lit. b und Art. 67 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 75–78. |
| ↑80 | AIG Art. 67 Abs. 1 lit. d, wobei gemäss dem Wortlaut und Zweck dieser Bestimmung die Widerhandlungen gegen das AIG nicht strafprozessual rechtskräftig festgestellt werden müssen, sondern ein verwaltungsrechtliches Beweismass als Grundlage für die Anordnung der Verwaltungsmassnahme der Einreisesperre genügt. |
| ↑81 | AIG Art. 67 Abs. 2 lit. a. |
| ↑82 | AIG Art. 67 Abs. 2 lit. c. |
| ↑83 | Gl.M. Sauthier, AMig, Art. 115 N 7; Spescha/Bolzli/de Weck/Priuli, 388; Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 5; Zünd, KMig, Art. 115 N 1. |
| ↑84 | VEV Art. 6 Abs. 1 lit. a. |
| ↑85 | A.M. Maurer, Art. 115 N 16. |
| ↑86 | A.M. Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Vor Art. 115 N 33. |
| ↑87 | Oben Ziff. B.I. |
| ↑88 | Vgl. <https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/49/279_279_293/de> (besucht 7.10.2025). |
| ↑89 | BGE 132 IV 29 Erw. 3. |
| ↑90 | A.M. Maurer, Art. 115 N 18. |
| ↑91 | SR 0.142.30: Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, abgeschlossen in Genf am 28.7.1951; zur direkten Anwendbarkeit vgl. BGer vom 17.3.1999, 6S.737/1998 (nicht auf bger.ch), zit. in BBl 2002 3832. |
| ↑92 | Ähnlich Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Vor Art. 115 N 27. |
| ↑93 | BBl 2002 3832. |
| ↑94 | Oben Ziff. B.III.2.a.aa. |
| ↑95 | A.M. Zünd, KMig, Art. 115 N 5 m. Hinw. auf BGer vom 17.3.1999, 6S.737/1998, Erw. 3, in Asyl 1999/2, 21, wonach die ernsthafte Befürchtung, an der Grenze keine Bewilligung zu erhalten, ein triftiger Grund für eine papierlose Einreise sei. Diese Rechtsprechung ist nun aufgrund des damals noch nicht geltenden AsylG Art. 21 Abs. 1 obsolet. |
| ↑96 | A.M. Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 8. |
| ↑97 | ZR 122 (2023) Nr. 8, Erw. 2.1.4. |
| ↑98 | ZR 122 (2023) Nr. 8, Erw. 2.2.7. |
| ↑99 | ZR 122 (2023) Nr. 8, Erw. 2.2.9. |
| ↑100 | BGE 117 IV 170 Regeste und Erw. 3; Zünd, KMig, Art. 115 N 6. |
| ↑101 | BGE 127 IV 166 Erw. 2b und f; Zünd, KMig, Art. 115 N 6. |
| ↑102 | BGE 147 IV 232 Erw. 1.1 und BGE 147 IV 253 Erw. 2.2.1: „une décision d’expulsion“. |
| ↑103 | BGE 147 IV 232 Erw. 1.1 (235) und 147 IV 253 Erw. 2.2.1 (256): „[…] si l’auteur a fait l’objet d’un refoulement, d’un renvoi, d’une interdiction d’entrée ou du non-renouvellement d’une autorisation de séjour“. |
| ↑104 | Gonseth/Chatton/Taillard, 110; Maurer, Art. 115 N 15. |
| ↑105 | BGE 150 IV 329 Erw. 1.3, 1.4 und 1.6.1-4; zur Rückführungsrichtlinie s. unten Ziff. B.III.8. |
| ↑106 | BGer vom 18.12.2012, 6B_619/2012, Erw. 1.3.2; Maurer, Art. 115 N 6. |
| ↑107 | Maurer, Art. 115 N 9 und 19. |
| ↑108 | Sauthier, AMig, Art. 115 N 14; Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 22; Zünd, KMig, Art. 115 N 7. |
| ↑109 | A.M. Caroni/Scheiber/Preisig/Plozza, N 919. |
| ↑110 | BGer vom 26.8.2016, 6B_839/2015 E. 4; Maurer, Art. 115 N 20. |
| ↑111 | Spescha/Bolzli/de Weck/Priuli, 389; Maurer, Art. 115 N 19. |
| ↑112 | BGE 131 IV 174 Erw. 4.2.2 am Ende; Sauthier, AMig, Art. 115 N 16; Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 27; Zünd, KMig, Art. 115 N 7. |
| ↑113 | FZA Anhang I Art. 6 = EFTA-K Anlage 1 Art. 2. |
| ↑114 | FZA Anhang I Art. 12 = EFTA-K Anlage 1 Art. 11. |
| ↑115 | FZA Anhang I Art. 24 = EFTA-K Anlage 1 Art. 23. |
| ↑116 | FZA Anhang I Art. 3 = EFTA-K Anlage 1 Art. 3. |
| ↑117 | EuGH vom 5.2.1991, C-363/89, Roux, Slg. 1991, I-273, N 12; EuGH vom 25.7.2002, C-459/99, MRAX, Slg. 2002, I-6591, N 74; BGE 134 IV 57 Erw. 4; 136 II 332 E. 2.2; BGer vom 26.8.2016, 6B_839/2015, Erw. 3.3; Caroni/Scheiber/Preisig/Plozza, N 918; Spescha/Bolzli/de Weck/Priuli, 390; Maurer, Art. 115 N 21. |
| ↑118 | BGer vom 16.1.2025, 6B_61/2024, Erw. 3.3; Zünd, KMig, Art. 115 N 8. |
| ↑119 | BGE 145 IV 449 Regeste. |
| ↑120 | BGE 145 IV 449 Erw. 1.1. |
| ↑121 | BGer vom 27.9.2021, 6B_519/2020, Erw. 2.5. |
| ↑122 | Oben Ziff. B.III.2.b. und B.III.2.c. |
| ↑123 | BGE 143 IV 249 Erw. 1.6.1; BGer vom 9.3.2023, 6B_1471/2021, Erw. 2.3.1; BGer vom 18.1.2023, 6B_242/2022, Erw. 1.1.2; BGer vom 23.5.2022, 6B_1092/2021, Erw. 2.1.1; BGer vom 11.4.2022, 6B_669/2021, Erw. 3.1; BGer vom 27.9.2019, 6B_385/2019, Erw. 3.2; BGer vom 14.7.2017, 6B_118/2017, Erw. 5.3.1; BGer vom 15.5.2017, 6B_308/2016, Erw. 1.6.1; BGer vom 22.3.2017, Urteil 6B_372/2016, Erw. 2; BGer vom 29.8.2013, 6B_320/2013, Erw. 2.1; BGer vom 2.3.2012, 6B_783/2011, Erw. 1.3; BGer vom 7.10.2010, 6B_482/2010, Erw. 3.2.2; BGer vom 3.7.2007, 6B_85/2007, Erw. 2.3. |
| ↑124 | Vgl. Jean-Richard, Über den Nutzen des Schuldvorbehalts im Strafrecht, in: T. Altwicker et al. (Hrsg.), FS Schweizerischer Juristentag, Zürich 2025, 185 ff., N 60 ff. |
| ↑125 | BGer vom 9.3.2023, 6B_1471/2021, Erw. 2. |
| ↑126 | BGer vom 3.7.2007, 6B_85/2007, Erw. 2.3. |
| ↑127 | BGE 147 IV 253 Erw. 2.2.2; Zünd, KMig, Art. 119 N 2; Chatton/Merz, AMig, Art. 74, N 14 ff., krit. in N 44. |
| ↑128 | Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 35. |
| ↑129 | AIG Art. 38 Abs. 4; Maurer, Art. 115 N 24. |
| ↑130 | Sauthier, AMig, Art. 115 N 31. |
| ↑131 | Krit. Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 39. |
| ↑132 | BGer vom 20.8.2015, 6B_468/2015, Erw. 3.3.1; Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 42. |
| ↑133 | Gl.M. Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 42; Zünd, KMig, Art. 115 N 9. |
| ↑134 | FZA Anhang I Art. 2 Ziff. (1) = EFTA-K Anlage 1 Art. 2 Ziff. 1. |
| ↑135 | FZA Anhang I Art. 6–23 = EFTA-K Anlage 1 Art. 6–22. |
| ↑136 | Gretler, ZMig, N 7.7. |
| ↑137 | Bis 3 Monate bewilligungsfrei gemäss FZA Anhang I Art. 6 Ziff. (2) Abs. 2 = EFTA-K Anlage 1 Art. 6 Ziff. 2 Satz 2. |
| ↑138 | FZA Anhang I Art. 6 Ziff. (3) = EFTA-K Anlage 1 Art. 6 Ziff. 3. |
| ↑139 | FZA Anhang I Art. 12 Ziff. (3) = EFTA-K Anlage 1 Art. 11 Ziff. 3. |
| ↑140 | FZA Anhang I Art. 5 Ziff. (1) = EFTA-K Anlage 1 Art. 5 Ziff. 1. |
| ↑141 | FZA Anhang I Art. 7 Ziff. (2) = EFTA-K Anlage 1 Art. 7 Ziff. 2. |
| ↑142 | FZA Anhang I Art. 13 Ziff. (2) = EFTA-K Anlage 1 Art. 12 Ziff. 2. |
| ↑143 | Bischofberger, 239. |
| ↑144 | Gl.M. Maurer, Art. 115 N 30. |
| ↑145 | BGE 137 IV 305 Regeste und Erw. 3.5 (Raumpflege); BGer vom 26.10.2011, 6B_188/2011, Erw. 2.5 (Prostitution); Zünd, KMig, Art. 115 N 9. |
| ↑146 | BBl 2002 3775. |
| ↑147 | AS 2008 5405 Art. 2 lit. a. |
| ↑148 | Schengen-Assoziierungsabkommen Art. 2 Ziff. 1 |
| ↑149 | Vgl. die Definition von Binnengrenzen und Aussengrenzen in SGK Art. 8 Ziff. 1–2. |
| ↑150 | Spescha/Bolzli/de Weck/Priuli, 389. |
| ↑151 | Sauthier, AMig, Art. 115 N 33; Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 12 f.; Zünd, KMig, Art. 115 N 3. |
| ↑152 | Vgl. <http://sem.admin.ch/dam/sem/de/data/einreise/aussengrenzen-ch-dfi.pdf> (besucht 7.10.2025). |
| ↑153 | Gl.M. Maurer, Art. 115 N 26. |
| ↑154 | Krit. zur solche Fehler begünstigenden Strafbefehlspraxis Gretler, ZMig, N 7.14. |
| ↑155 | BBl 2002 3832. |
| ↑156 | Oben Ziff. B.III.2.a. |
| ↑157 | BBl 2013 2588. |
| ↑158 | BBl 2002 3832. |
| ↑159 | Gestützt auf BGE 119 IV 164 Regeste, per analogiam. |
| ↑160 | Gl.M. Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 18. |
| ↑161 | A.M. Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 18. |
| ↑162 | BGer vom 10.10.2018, 6B_1314/2016, Erw. 9.5.3 (nicht publ. in BGE 145 IV 114), Vorbereitung einer Reise als Versuch zur Verletzung des Geschäftsgeheimnisses i.S.v. StGB Art. 162. |
| ↑163 | Vgl. sinngemäss FZA Anhang I Art. 1 Ziff. (1) = EFTA-K Anlage 1 Art. 1 Ziff. 1. |
| ↑164 | Vgl. sinngemäss FZA Anhang I Art. 5 Ziff. (1) = EFTA-K Anlage 1 Art. 5 Ziff. 1. |
| ↑165 | Oben Ziff. B.III.2.b. und B.III.2.c. |
| ↑166 | BBl 2002 3832. |
| ↑167 | Oben Ziff. B.II.4. |
| ↑168 | EuGH, Pressemitteilung 133/11 vom 6.12.2011 zu EuGH, Urteil vom 6.12.2011 in der Rechtssache C-329/11 Alexandre Achughbabian v. Préfet du Val-de-Marne, Ziff. 50; vgl. auch BGer vom 24.1.2013, 6B_196/2012, Erw. 2.1.2. |
| ↑169 | BGer vom 24.1.2013, 6B_196/2012, Erw. 2. |
| ↑170 | BBl 2018 1712. |
| ↑171 | BG vom 14.12.2018 (Verfahrensregelungen und Informationssysteme), in Kraft seit 1.6.2019, AS 2019 1413; Botschaft in BBl 2018 1685. |
| ↑172 | BBl 2018 1713. |
| ↑173 | AB 2018 S 481 ff. |
| ↑174 | AB 2018 N 1667, Brand für die Kommission; AB 2018 N 1669 f.; AB 2018 S 847. |
| ↑175 | BGer vom 24.1.2013, 6B_196/2012, Erw. 2.2.1. |
| ↑176 | Oben Ziff. B.III.2.a.ee. |
| ↑177 | BGer vom 1.11.2021, 6B_427/2020, Erw. 1.3.3. |
| ↑178 | Abl. L 339 vom 19.12.2017, S. 83–159. |
| ↑179 | Rückkehr-Handbuch Titel 5 Abs. 3. |
| ↑180 | Rückkehr-Handbuch Titel 1.3 Abs. 3. |
| ↑181 | Rückkehr-Handbuch Titel 5 Abs. 6. |
| ↑182 | Rückkehr-Handbuch Titel 5.4 Abs. 2–3. |
| ↑183 | Rückkehr-Handbuch Titel 6 Abs. 3. |
| ↑184 | Rückführungsrichtlinie Art. 8 Abs. (1) = Rückkehr-Handbuch Titel 7 Abs. 1 Ziff. (1). |
| ↑185 | Rückkehr-Handbuch Titel 7 Abs. 2. |
| ↑186 | Rückkehr-Handbuch Titel 2.3. |
| ↑187 | Rückkehr-Handbuch Titel 4 Abs. 4 Spiegelstrich 2. |
| ↑188 | Rückkehr-Handbuch Titel 4 Abs. 5 Hauptspiegelstrich 2. |
| ↑189 | EuGH vom 7.6.2016, Affum, C.47/15, N 51 ff. |
| ↑190 | EuGH vom 6.12.2012, Sagor, C-430/11, N 36. |
| ↑191 | BGE 143 IV 264 Regeste und Erw. 2.6.2; Maurer, Art. 115 N 31c. |
| ↑192 | BGer vom 24.1.2012, 6B_196/2 012, Erw. 2.2.1; BGer vom 14.7.2017, 6B_118/2017, Erw. 4.4; Maurer, Art. 115 N 31. |
| ↑193 | Oben Ziff. B.III.7. |
| ↑194 | Oben Ziff. B.III.2.e. |
| ↑195 | BBl 2018 1753; Caroni/Scheiber/Preisig/Plozza, N 916. |
| ↑196 | Sauthier, AMig, Art. 115 N 2; Krit. Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 55. |
| ↑197 | BGE 143 IV 249 Regeste und Erw. 1.9; BGE 145 IV 197 Erw. 1.4.3 (= BGer vom 24.4.2019, 6B_517/2017); BGer vom 1.11.2021, 6B_427/2020, Erw. 1.3.2 und 1.5; BGer vom 9.2.2021, 6B_438/2020, Erw. 1.4. |
| ↑198 | Rückkehr-Handbuch Titel 4 Abs. 4 Spiegelstriche 3–4. |
| ↑199 | BGer vom 15.8.2014, 6B_894/2013, Erw. 1.4; Maurer, Art. 115 N 31a. |
| ↑200 | Statt vieler BGer vom 22.3.2017, 6B_372/2016, Erw. 2. |
| ↑201 | BGer vom 19.4.2013, 6B_713/2012, Erw. 1.4; ebenso BGer vom 24.1.2013, 6B_196/2012, Erw. 2. |
| ↑202 | BGer vom 7.12.2016, 6B_106/2016, Erw. 1.4; ähnlich BGE 147 IV 232 Erw. 1.2–7. |
| ↑203 | BGer vom 11.3.2013, 6B_617/2012, Erw. 1.4 f. |
| ↑204 | Gl.M. Zünd, KMig, Art. 115 N 12; a.M. Vetterli/D’Addario Di Paolo, HK AIG, Art. 115 N 54 m. Hinw. auf BGer vom 19.7.2019, 2C_629/2019, Erw. 3.3, der allerdings keinerlei Bezug zur Rückführungsrichtlinie hat. |
| ↑205 | BGE 147 IV 232 Erw. 1.6. |
| ↑206 | BGer vom 5.8.2014, 6B_139/2014, Erw. 3; BGer vom 19.4.2013, 6B_713/2012, Erw. 5; Maurer, Art. 115 N 31b. |
| ↑207 | BGer vom 19.4.2013, 6B_713/2012, Erw. 1.4. |
| ↑208 | EuGH vom 26.7.2017, Ouhrami, C-225/16, N 56. |
| ↑209 | BGer vom 24.1.2013, 6B_196/2012, Erw. 2.2.2. |
| ↑210 | Sauthier, AMig, Art. 115 N 3. |
| ↑211 | BGer vom 19.4.2013, 6B_713/2012, Erw. 5; BGer vom 24.1.2013, 6B_196/2012, Erw. 2.2.2. |
| ↑212 | BGer vom 22.3.2017, 6B_372/2016, Erw. 2. |
| ↑213 | BGer vom 17.4.2012, 6B_188/2012, Erw. 5; BGer vom 11.3.2012, 6B_617/2012, Erw. 1.5; BGer vom 19.4.2016, 6B_952/2015, Erw. 2.3. |
| ↑214 | BGer vom 19.4.2013, 6B_713/2012, Sachv. A. und Erw. 1.5 (vor Erlass von AIG Art. 115 Abs. 6). |
| ↑215 | Krit. dazu Gretler, ZMig, N 7.2 und 7.15. |
| ↑216 | Oben Ziff. B.III.8.b. |
| ↑217 | Vgl. dazu für den Kanton Zürich den „Fragekatalog AIG Polizei/Migrationsamt“, wonach nur an die Staatsanwaltschaft rapportiert wird, wenn gegen die aufgegriffene Person „eine rechtskräftige Wegweisung / Landesverweisung“ vorliegt und bei Mitwirkung dieser Person eine Ausreise bzw. Rückführung in ihr Land möglich wäre. Ob dieser in jeder Hinsicht richtlinienkonforme Ablauf der gelebten Polizeiroutine entspricht, konnte im Rahmen des vorliegenden Beitrags nicht geprüft werden. |