Risiko & Recht

Ausgabe 02 / 2023

Übernahme von Risikobeurteilungen im Rahmen von transnationalen Verwaltungsakten – Veranschaulicht anhand der Streichung von Wirkstoffen nach der Verordnung vom 12. Mai 2010 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln

Marco Zollinger*

Die Thematik der transnationalen Verwaltungsakte, in deren Rahmen ein Staat die Rechtswirkungen eines ausländischen Verwaltungsakts anerkennt, findet in der schweizerischen Lehre und Rechtsprechung nur gelegentlich Beachtung. Der Beitrag veranschaulicht den Anerkennungsmechanismus anhand der Anerkennungsnorm in der Pflanzenschutzmittelverordnung zur Streichung von Wirkstoffen, die in Pflanzenschutzmitteln enthalten sind. Er beleuchtet die Anerkennungsnorm im Lichte des Grundsatzes der Gesetzmässigkeit und beurteilt den Anerkennungsmechanismus unter dem Blickwinkel des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes. Dabei zeigt sich, dass die Anerkennung ausländischer Verwaltungsakte mit Abstrichen beim inländischen Rechtsschutz einhergeht.

* Dr. iur. Marco Zollinger, Rechtsanwalt, hat an der Universität St. Gallen (HSG) Law & Economics studiert, an der Universität Bern promoviert und ist zurzeit als Gerichtsschreiber an der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts in Lausanne tätig. Er publiziert regelmässig Beiträge im Bereich des Verwaltungs- und Staatsrechts sowie des öffentlichen Verfahrensrechts.

Inhalt

  1. Einleitung
  2. Transnationale Verwaltungsakte
  3. Art. 10 Abs. 1 der Pflanzenschutzmittelverordnung
    1. Ausgestaltung des Anerkennungsmechanismus
      1. Verwaltungsakte der Europäischen Kommission und
        deren Anerkennung
      2. Natur des Anerkennungsmechanismus von Art. 10 Abs. 1 PSMV
      3. Umfang des Anerkennungsmechanismus von Art. 10 Abs. 1 PSMV
      4. Massgebendes inländisches Verwaltungsrechtsverhältnis
    2. Anerkennungsnorm und der Grundsatz der Gesetzmässigkeit
      1. Pflanzenschutzmittelverordnung als Rechtsverordnung mit
        gesetzesvertretenden Normen
      2. Delegationsnorm zur Einführung des Anerkennungsmechanismus
      3. Subdelegation im Anerkennungsmechanismus
      4. Zwischenergebnis
    3. Anerkennungsmechanismus und der Grundsatz der Verhältnismässigkeit
      1. Interessenabwägung in der gesetzlichen Grundlage und
        verhältnismässiges Übergangsrecht
      2. Festlegung der verhältnismässigen Ausverkaufs-
        und Verwendungsfristen
      3. Ermessensausübung im Rahmen von Art. 10 Abs. 2 PSMV
      4. Zwischenergebnis
  4. Würdigung
  5. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln unterliegt in der Schweiz einer Zulassungspflicht.[1]Vgl. Art. 14 Abs. 1 der Verordnung vom 12. Mai 2010 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (Pflanzenschutzmittelverordnung, PSMV, SR 916.161); vgl. auch Art. 160 Abs. 2 lit. a … Continue reading Die Zulassungsstelle bewilligt ein Pflanzenschutzmittel im Rahmen des Zulassungsverfahrens nur, wenn seine Wirkstoffe[2]Als Wirkstoffe gelten chemische Elemente und deren Verbindungen (Stoffe) mit allgemeiner oder spezifischer Wirkung gegen Schadorganismen an Pflanzen, Pflanzenteilen oder Pflanzenerzeugnissen (vgl. … Continue reading genehmigt sind.[3]Vgl. Art. 17 Abs. 1 lit. a PSMV. Die Genehmigung erfordert namentlich, dass die Rückstände von Pflanzenschutzmitteln weder schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen oder von … Continue reading Damit wird sichergestellt, dass die Pflanzenschutzmittel bei vorschriftsgemässem Umgang keine unannehmbaren Nebenwirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt haben und ein hohes Schutzniveau für die menschliche und tierische Gesundheit sowie für die Umwelt besteht.[4]Vgl. Art. 1 Abs. 1 PSMV. Die Zulassungsstelle kann einen genehmigten Wirkstoff daher auch jederzeit überprüfen.[5]Vgl. Art. 8 Abs. 1 PSMV (Wirkstoffe); vgl. auch Art. 11 Abs. 2 PSMV i.V.m. Art. 8 PSMV (Safener und Synergisten). Sowohl das Genehmigungs- als auch die Überprüfungsverfahren bedürfen einer Risikobeurteilung, mit der die Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier sowie auf die Umwelt erstellt und bewertet werden. Die hierfür erforderliche Ermittlung der Auswirkungen und deren Risikobeurteilung sind in der Regel aufwendig und kostenintensiv. Deshalb kann es aus Effizienzgründen sinnvoll sein, wenn die Verfahren nicht mehrfach – d.h. nicht in jedem Zulassungsland separat – durchgeführt werden. Bei der Überprüfung und allfälligen Streichung von in Pflanzenschutzmitteln enthaltenen Wirkstoffen übernimmt die Schweiz seit dem 1. Januar 2021 die Risikobeurteilung, welche die Europäische Kommission für die Europäische Union (EU) vorgenommen hat.[6]Vgl. AS 2020 5563 ff., 5564 und 5567. Diese „Vereinfachung des Streichungsverfahrens“ mittels „autonome[n]“ Nachvollzugs ist in der Verordnung vom 12. Mai 2010 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (Pflanzenschutzmittelverordnung, PSMV, SR 916.161) verankert.[7]BLW, 89; vgl. Art. 10 Abs. 1 PSMV. Dieser „besondere Mechanismus“ war unlängst Gegenstand gerichtlicher Verfahren.[8]Urteil des Bundesverwaltungsgerichts B-3969/2021 vom 28. März 2022; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts B-3860/2022 und B-3862/2022 vom 7. November 2022; Urteile des Bundesgerichts 2C_1034/2022 … Continue reading Dies gibt Anlass dazu, den Mechanismus zunächst aus einer theoretischen Perspektive (II.) und alsdann in seiner konkreten Ausgestaltung und Anwendung zu diskutieren (III.), um ihn abschliessend zu würdigen (IV.).

II. Transnationale Verwaltungsakte

Grundsätzlich ist ein Verwaltungsakt in seiner Rechtswirkung auf den Staat begrenzt, der ihn erlassen hat (nationale Rechtswirkung).[9]Vgl. Ohler, Rz. 27. Zum Begriff des Verwaltungsakts siehe Tschannen/Müller/Kern, Rz. 631 ff. Dieser Grundsatz ist Ausfluss des Territorialitätsprinzips,[10]Vgl. Breining-Kaufmann, 15 f. Zur Unterscheidung zwischen der Normgeltung und der Normwirkung respektive zwischen dem Geltungsbereich und dem Anwendungsbereich einer Norm siehe Breining-Kaufmann, … Continue reading dem zufolge das (nationale) Recht nur auf dem Staatsgebiet des erlassenden Staats gültig und lediglich auf Sachverhalte anwendbar ist, welche sich im Inland zugetragen haben.[11]Vgl. BGE 143 IV 63 E. 3.1; 138 II 346 E. 3.2 i.f.; Breining-Kaufmann, 15 f. Im Zuge eines transnationalen Verwaltungsakts anerkennt ein Staat dagegen die Rechtswirkung eines ausländischen Verwaltungsakts, womit die Geltung des Akts erstreckt und der Akt auch im Inland (des anerkennenden Staates) Bindungswirkung entfaltet (transnationale Rechtswirkung).[12]Vgl. Siegel, Rz. 213; Ohler, Rz. 28 ff. Vor dem Hintergrund der Souveränität der Staaten besteht zwar keine allgemeine völkerrechtliche Anerkennungspflicht für Verwaltungsakte anderer Staaten.[13]Vgl. Ohler, Rz. 27. Allerdings wird aufgrund der grenzüberschreitenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verflechtung sowie der damit einhergehenden Internationalisierung der Sachverhalte bisweilen auf staatliche Souveränität verzichtet,[14]Vgl. Breining-Kaufmann, 17. wenn die verwaltungsrechtlichen Entscheidungen anderer Staaten als gleichwertig betrachtet werden.[15]Vgl. Ohler, Rz. 27. Der transnationale Verwaltungsakt ist in diesem Spannungsfeld zwischen der Souveränität der Staaten und dem „Gedanken der Gleichwertigkeit verwaltungsrechtlicher Entscheidungen“ zu verorten.[16]Ohler, Rz. 27. Der Mechanismus des transnationalen Verwaltungsakts – mithin die Anerkennung eines ausländischen Verwaltungsakts – kommt namentlich dann zum Tragen, wenn unnötige Doppelspurigkeiten verhindert werden sollen oder parallele Verfahren zu unerwünscht widersprüchlichen Entscheidungen führen können.[17]Vgl. Breining-Kaufmann, 28 f. Voraussetzung für einen transnationalen Verwaltungsakt ist eine gesetzliche Grundlage in Gestalt einer Anerkennungsnorm.[18]Vgl. Breining-Kaufmann, 29; Ohler, Rz. 28; Siegel, Rz. 163.

Grundsätzlich sind zwei Formen transnationaler Verwaltungsakte denkbar. Die erste Form findet insbesondere in der EU Anwendung: Bei den transnationalen Verwaltungsakten im Zusammenhang mit dem (sekundären) Unionsrecht besteht das Merkmal regelmässig darin, dass sie „unionsweit verbindlich sind, ohne dass es in den anderen Mitgliedstaaten einer konstitutiven Anerkennungsentscheidung“ bedürfte.[19]Ohler, Rz. 28. Bei diesen sogenannten echten transnationalen Verwaltungsakten kann der anerkennende Staat keine inhaltliche Überprüfung des Akts vornehmen und der Rechtsschutz richtet sich nach dem Recht des Staates, der den Verwaltungsakt erlassen hat.[20]Vgl. Ohler, Rz. 31; Siegel, Rz. 164 f. Die transnationale Geltungserstreckung des (ausländischen) Verwaltungsakts ergibt sich mit anderen Worten automatisch aus der gesetzlichen Grundlage des anerkennenden Staates, mit der die Anerkennung angeordnet wird.[21]Vgl. auch Siegel, Rz. 163; Ohler, Rz. 28 ff.

Demgegenüber ist es auch möglich, eine nationale Umsetzung vorzusehen, sodass der ausländische Verwaltungsakt keine unmittelbare grenzüberschreitende Wirkung entfaltet.[22]Vgl. Siegel, Rz. 162. Auch diese Form des transnationalen Verwaltungsakts sieht das sekundäre Unionsrecht in Einzelfällen vor, indem es die Geltung eines ausländischen Verwaltungsakts unter den Vorbehalt einer Anerkennungsentscheidung des anerkennenden Staates stellt.[23]Vgl. Ohler, Rz. 30. Dieser sogenannte unechte transnationale Verwaltungsakt wird in der Lehre teilweise nicht mehr als transnational im eigentlichen Sinne verstanden, sondern als eigenes „Referenzentscheidungsmodell“ erfasst.[24]Siegel, Rz. 214; vgl. Ohler, Rz. 30. Die ausländische Referenzentscheidung dient als Grundlage für die inländische Entscheidung. Je nach Ausgestaltung kann die Prüfungskompetenz des anerkennenden Staates auf bestimmte Ausnahme- oder Verweigerungsgründe beschränkt werden. Der Umfang des inländischen Rechtsschutzes folgt grundsätzlich dem Umfang der Prüfungskompetenz des anerkennenden Staates. Darüber hinaus ist in der Regel gegen die (ausländische) Referenzentscheidung vorzugehen.[25]Vgl. Ohler, Rz. 30 ff. Infolgedessen wird sowohl beim echten als auch beim unechten transnationalen Verwaltungsakt häufig vom „Herkunftslandprinzip“ gesprochen.[26]Siegel, Rz. 164 f.; vgl. Breining-Kaufmann, 29. Ein Anwendungsbeispiel des „Herkunftslandprinzips“ stellt das „Cassis de Dijon-Prinzip“ dar (vgl. auch Breining-Kaufmann, 33 ff.).

Aus dem Dargelegten zeigt sich, dass ein Staat, der für eine bestimmte Rechtsmaterie das Transnationalitätsmodell einführt,[27]Vgl. Siegel, Rz. 213. den „‚Import‘ von Rechtswirkungen aus dem Ausland“ anstrebt. Die transnationale Geltungserstreckung eines ausländischen Verwaltungsakts ist insofern das Gegenstück zur extraterritorialen Wirkung eines inländischen Verwaltungsakts – d.h. dem „‚Export‘ der Rechtswirkung eigener Verwaltungsakte“.[28]Breining-Kaufmann, 29.

III. Art. 10 Abs. 1 der Pflanzenschutzmittelverordnung

Mit Änderung vom 11. November 2020 beschloss der Bundesrat den Erlass eines neuen Art. 10 Abs. 1 PSMV.[29]Vgl. AS 2020 5563 ff., 5564. Die geänderte Verordnungsbestimmung trat am 1. Januar 2021 in Kraft.[30]Vgl. AS 2020 5563 ff., 5567. Die Norm bestimmt in der Fassung vom 1. Juli 2023, dass das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) einen Wirkstoff aus Anhang 1 der Pflanzenschutzmittelverordnung streicht, wenn der Wirkstoff in der EU aus der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 gestrichen wird. Es legt für das Inverkehrbringen bestehender Lagerbestände von Pflanzenschutzmitteln, die diesen Wirkstoff enthalten, und für deren Verwendung die gleichen Fristen fest, wie sie in der EU gelten.[31]In der ersten Fassung vom 11. November 2020 war noch das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) die zuständige Behörde (vgl. AS 2020 5563 ff., 5564). Die … Continue reading Zuvor hatte die Pflanzenschutzmittelverordnung bei der Streichung von Wirkstoffen lediglich vorgesehen, dass die Ergebnisse der Überprüfung des Wirkstoffs in der EU zu berücksichtigen seien.[32]Vgl. Art. 10 Abs. 1 lit. c aPSMV (zur Fassung vom 12. Mai 2010 siehe AS 2010 2331 ff., 2342). Die Regelung in Art. 10 Abs. 1 PSMV wird nachfolgend zur Veranschaulichung transnationaler Verwaltungsakte in der Schweiz im Detail betrachtet (1.), bevor die Verordnungsbestimmung im Lichte des Grundsatzes der Gesetzmässigkeit beleutet (2.) und ihre Anwendung unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit beurteilt (3.) werden.

1. Ausgestaltung des Anerkennungsmechanismus

Art. 10 Abs. 1 PSMV hat zwei Regelungsgehalte: Die Verordnungsbestimmung regelt erstens die Streichung von Wirkstoffen im Anhang 1 der Pflanzenschutzmittelverordnung. Zweitens bestimmt die Norm die Festlegung der Fristen für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, die diesen Wirkstoff enthalten (Ausverkaufsfrist), und deren Verwendung (Verwendungsfrist). Das EDI streicht die Wirkstoffe aus dem Anhang 1 der Pflanzenschutzmittelverordnung (Verordnungsänderung),[33]Vgl. z.B. AS 2022 338 ff., 1 f. während es die Fristen mittels Erlass von Übergangsbestimmungen festlegt.[34]Vgl. Art. 86e–86h PSMV. Beide Regelungen knüpfen an einen Verwaltungsakt der Europäischen Kommission (nachfolgend auch: Kommission) an. Auf diesen Akt ist im Folgenden einzugehen, um danach die Natur und den Umfang des Mechanismus von Art. 10 Abs. 1 PSMV sowie das massgebende inländische Verwaltungsrechtsverhältnis zu bestimmen.

a) Verwaltungsakte der Europäischen Kommission und deren Anerkennung

Die Regelung in Art. 10 Abs. 1 PSMV nimmt auf die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 der Kommission vom 25. Mai 2011 hinsichtlich der Liste zugelassener Wirkstoffe Bezug.[35]Vgl. ABl L 153 vom 11. Juni 2011, 1 ff. Diese Durchführungsverordnung dient der Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates.[36]Vgl. ABl L 309 vom 24. November 2009, 1 ff. Gemäss Art. 13 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 in Verbindung mit Art. 78 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 wird eine Verordnung erlassen, die eine Liste mit den genehmigten Wirkstoffen enthält. Dabei handelt es sich um die besagte Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011. Die im Anhang der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 in Form einer von der Kommission geführten Liste aufgeführten Stoffe gelten in der EU als genehmigt.[37]Vgl. Art. 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 i.V.m. Art. 13 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 und Art. 78 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009.

Streicht die Kommission einen für die Verwendung in Pflanzenschutzmitteln zugelassenen Wirkstoff aus der Liste im Anhang der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011, so hat das EDI seinerseits im Anhang 1 der Pflanzenschutzmittelverordnung denselben Wirkstoff zu streichen. Eine solche Streichung eines Wirkstoffs ordnete die Kommission beispielsweise mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2020/2087 der Kommission vom 14. Dezember 2020[38]Vgl. ABl L 423 vom 15. Dezember 2020, 50 ff. (Durchführungsverordnung [EU] 2020/2087 der Kommission vom 14. Dezember 2020 zur Nichterneuerung der Genehmigung für den Wirkstoff Mancozeb gemäss … Continue reading oder mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2021/2081 der Kommission vom 26. November 2021[39]Vgl. ABl L 426 vom 29. November 2021, 28 ff. (Durchführungsverordnung [EU] 2021/2081 der Kommission vom 26. November 2021 zur Nichterneuerung der Genehmigung für den Wirkstoff Indoxacarb gemäss … Continue reading an. Während die Kommission in der erstgenannten Durchführungsverordnung die Nichterneuerung der Genehmigung für den Wirkstoff Mancozeb anordnete,[40]Vgl. Art. 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2020/2087. erneuerte sie in letzterem Fall die Genehmigung für den Wirkstoff Indoxacarb nicht mehr.[41]Vgl. Art. 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2021/2081. In beiden Fällen strich sie die Wirkstoffe (Mancozeb und Indoxacarb) aus dem Anhang der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011.[42]Vgl. Art. 2 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2020/2087; Art. 2 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2021/2081. Im Weiteren bestimmte die Kommission, dass die Mitgliedstaaten spätestens am 4. Juli 2021 respektive am 19. März 2022 die Zulassungen für Pflanzenschutzmittel widerrufen, die Mancozeb bzw. Indoxacarb als Wirkstoff enthalten.[43]Vgl. Art. 3 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2020/2087; Art. 3 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2021/2081. Sie legte fest, dass etwaige Aufbrauchfristen spätestens am 4. Januar 2022 respektive am 19. September 2022 enden.[44]Vgl. Art. 4 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2020/2087; Art. 4 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2021/2081.

In der Folge strich das EDI mit Änderung vom 17. Mai 2021 gestützt auf Art. 10 Abs. 1 PSMV den Wirkstoff Mancozeb aus dem Anhang 1 der Pflanzenschutzmittelverordnung, fügte der Verordnung einen neuen Art. 86f hinzu und setzte diese Norm auf den 1. Juli 2021 in Kraft. Art. 86f PSMV legt unter anderem fest, dass die Frist für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, die den Wirkstoff Mancozeb enthalten, bis am 30. September 2021 (Ausverkaufsfrist), und die Frist für die Verwendung dieser Pflanzenschutzmittel bis am 4. Januar 2022 (Verwendungsfrist) läuft.[45]Vgl. AS 2021 321 ff., 1 f. Mit Blick auf den Wirkstoff Indoxacarb strich das EDI alsdann mit Änderung vom 31. Mai 2022 gestützt auf Art. 10 Abs. 1 PSMV diesen Wirkstoff aus dem Anhang 1 und erliess eine weitere neue Bestimmung in der Pflanzenschutzmittelverordnung. Art. 86h PSMV, der am 1. Juli 2022 in Kraft trat, bestimmt, dass die Pflanzenschutzmittel, die den Wirkstoff Indoxacarb enthalten, bis zum 1. Oktober 2022 in Verkehr gebracht (lit. a; Ausverkaufsfrist) und bis zum 1. April 2023 verwendet werden (lit. b; Verwendungsfrist) dürfen.[46]Vgl. AS 2022 338 ff., 1 f.

b) Natur des Anerkennungsmechanismus von Art. 10 Abs. 1 PSMV

Angesichts des soeben Dargelegten verankert Art. 10 Abs. 1 PSMV einen Anerkennungsmechanismus, der als unechter transnationaler Verwaltungsakt einzuordnen ist.[47]Zur Definition des unechten transnationalen Verwaltungsakts siehe oben, II. Der jeweilige Verwaltungsakt der Kommission – d.h. ihre Durchführungsverordnung – erlangt in der Schweiz gestützt auf die Anerkennungsnorm keine unmittelbare Geltungswirkung: Zwar verpflichtet Art. 10 Abs. 1 PSMV das EDI, die analogen Massnahmen auch im Inland zu ergreifen (Streichung des Wirkstoffs und Festlegung der gleichen Fristen). Jedoch bedarf es hierfür einer eigenständigen nationalen Umsetzung. Im Zuge dieses innerstaatlichen (Umsetzungs‑)Verfahrens dient der Verwaltungsakt der Kommission als Referenzentscheidung. Eine Ausnahme von der Umsetzungspflicht sieht lediglich Art. 10 Abs. 2 PSMV vor. Gemäss dieser Bestimmung kann das EDI auf Antrag des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) auf die Streichung eines Wirkstoffs aus dem Anhang 1 der Pflanzenschutzmittelverordnung verzichten, wenn keine Alternative für die Bekämpfung eines Schadorganismus besteht und der Wirkstoff bei vorschriftsgemässer Verwendung keine schädliche Auswirkung auf die menschliche Gesundheit hat.[48]In diesem Fall wird der Einsatz dieses Wirkstoffs auf diese Verwendung beschränkt (vgl. Art. 10 Abs. 2 PSMV). Zum Gehalt von Art. 10 Abs. 2 PSMV siehe unten, III.3.c).

c) Umfang des Anerkennungsmechanismus von Art. 10 Abs. 1 PSMV

Nach der hier vertretenen Auffassung räumt Art. 10 Abs. 1 PSMV dem EDI bei der Anerkennung und Umsetzung des Verwaltungsakts der Kommission mit Bezug auf die Streichung des Wirkstoffs im Grundsatz kein Ermessen ein, da andernfalls die Ausnahmeregelung in Art. 10 Abs. 2 PSMV nicht erforderlich wäre. Es besteht diesbezüglich somit ein zwingender transnationaler Umsetzungsauftrag. Die Referenzentscheidung der Kommission dient dem EDI dabei als Grundlage für seine Entscheidung. Da das EDI den Verwaltungsakt der Kommission in der Schweiz umzusetzen hat, bleibt zu klären, in welchem Umfang es an den Verwaltungsakt gebunden ist.

Die Kommission streicht einen Wirkstoff aus dem Anhang der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011, wenn dieser die Genehmigungskriterien gemäss Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 nicht mehr erfüllt.[49]Vgl. Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009; vgl. auch Erw. 15 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2021/2081. Für eine Erneuerung der Genehmigung ist namentlich erforderlich, dass der Wirkstoff in Anwendung entsprechend der guten Pflanzenschutzpraxis und unter der Voraussetzung realistischer Verwendungsbedingungen wirksam ist und die Rückstände keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen oder Tieren haben.[50]Vgl. Art. 4 Abs. 2 und Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009; vgl. auch Art. 4 Abs. 1 PSMV i.V.m. Ziff. 3 Anhang 2 der Pflanzenschutzmittelverordnung. Die Feststellung der Wirksamkeit des Wirkstoffs sowie der (schädlichen) Auswirkungen der Rückstände stellen eine Frage der Sachverhaltsermittlung dar. Die Würdigung, ob die festgestellte Wirksamkeit und die ermittelten Auswirkungen hinreichend oder unzureichend im Sinne der gesetzlichen Anforderungen sind, betrifft die rechtliche Beurteilung. Als Rechtsfolge einer negativen Beurteilung werden die Genehmigung eines Wirkstoffs nicht erneuert,[51]Vgl. Art. 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2020/2087; Art. 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2021/2081. der Wirkstoff aus dem Anhang der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 gestrichen,[52]Vgl. Art. 2 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2020/2087; Art. 2 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2021/2081. die Zulassungen oder Bewilligungen für Pflanzenschutzmittel, die diesen Wirkstoff enthalten, widerrufen[53]Vgl. Art. 3 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2020/2087; Art. 3 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2021/2081. und entsprechende Ausverkaufs- und Verwendungsfristen festgelegt.[54]Vgl. Art. 4 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2020/2087; Art. 4 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2021/2081.

Art. 10 Abs. 1 PSMV verpflichtet das EDI, einen Wirkstoff aus Anhang 1 der Pflanzenschutzmittelverordnung zu streichen, wenn der Wirkstoff in der EU aus der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 gestrichen wird, und für das Inverkehrbringen bestehender Lagerbestände von Pflanzenschutzmitteln, die diesen Wirkstoff enthalten, und für deren Verwendung die gleichen Fristen festzulegen, wie sie in der EU gelten. Eine innerstaatliche Überprüfung des von der Kommission ermittelten Sachverhalts, der von der Kommission vorgenommenen rechtlichen Würdigung und der sich daraus ergebenden Rechtsfolgen ist nicht vorgesehen. Im Zuge des unechten transnationalen Verwaltungsakt von Art. 10 Abs. 1 PSMV hat das EDI nach der hier vertretenen Auffassung somit den im Ausland ermittelten Sachverhalt sowie die rechtliche Würdigung und die Rechtsfolgen des ausländischen Verwaltungsakts im Grundsatz zu übernehmen.[55]Vgl. aber Art. 10 Abs. 2 PSMV.

d) Massgebendes inländisches Verwaltungsrechtsverhältnis

Wie bereits einleitend dargelegt, unterliegt das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln in der Schweiz einer Zulassungspflicht.[56]Vgl. Art. 14 Abs. 1 PSMV; vgl. auch Art. 160 Abs. 2 lit. a LwG i.V.m. Art. 158 Abs. 1 LwG. Die Zulassungsstelle bewilligt ein Pflanzenschutzmittel im Rahmen des Zulassungsverfahrens unter anderem nur, wenn seine Wirkstoffe genehmigt sind.[57]Vgl. Art. 17 Abs. 1 lit. a PSMV. Wird ein Wirkstoff infolge eines entsprechenden Verwaltungsakts der Kommission (auch) aus dem Anhang 1 der Pflanzenschutzmittelverordnung gestrichen, so gilt dieser nicht mehr als genehmigter Wirkstoff für die Verwendung in Pflanzenschutzmitteln.[58]Vgl. Art. 5 Abs. 1 PSMV i.V.m. Art. 4 PSMV. Damit entfällt die Bewilligungsvoraussetzung des genehmigten Wirkstoffs,[59]Vgl. Art. 17 Abs. 1 lit. a PSMV. weshalb die Streichung eines Wirkstoffs der Zulassung des Pflanzenschutzmittels in der Regel entgegensteht und zum Widerruf der Bewilligung für das Inverkehrbringen führt.[60]Vgl. Art. 29 Abs. 3 lit. a PSMV; vgl. auch BVGer B-3969/2021 E. 10.1. Der Widerruf einer verfügten Bewilligung stellt seinerseits wieder eine Verfügung dar.[61]Vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_418/2019 vom 12. September 2019 E. 5.1.2; vgl. auch Saladin, 128. Es stellt sich daher die – besonders im Zusammenhang mit dem Rechtsschutz bedeutsame – Frage, worin das massgebende Verwaltungsrechtsverhältnis besteht,[62]Zum massgebenden Verwaltungsrechtsverhältnis im Allgemeinen siehe BGE 144 II 194 E. 4.4.2 und Tschannen, Rz. 101. wenn die Zulassungsstelle die Bewilligung für das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels widerruft.

Infrage kommt erstens die Durchführungsverordnung der Kommission als ausländischer Verwaltungsakt, der das EDI als Referenzentscheidung bei der Umsetzung bindet. Da der Anerkennungsmechanismus von Art. 10 Abs. 1 PSMV die Geltung des Verwaltungsakts der Kommission indes nicht auf die Schweiz erstreckt, sondern eine nationale Umsetzung vorsieht, fehlt es an einer grenzüberschreitenden Geltungswirkung. Die Bewilligungsinhaberin kann das Pflanzenschutzmittel in der Schweiz nach wie vor in Verkehr bringen, solange die inländische Umsetzung aussteht. Aus ihrer Sicht begründet der Verwaltungsakt der Kommission für die schweizerische Zulassung deshalb kein Verwaltungsrechtsverhältnis.

Zweitens fallen die vom EDI jeweils erlassene Umsetzungsentscheidung in Form der Verordnungsänderungen (Streichung und Übergangsbestimmung) sowie drittens die Verfügung in Betracht, mit der die Zulassungsstelle die Bewilligung für das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels widerruft. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist Ersteres massgebend: Sowohl mit Blick auf den Widerruf der Bewilligung für das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels als auch mit Bezug auf die Fristen begründet unmittelbar die Pflanzenschutzmittelverordnung das massgebende Verwaltungsrechtsverhältnis.[63]Vgl. BGer 2C_1034/2022 und 2C_1035/2022 E. 4.3. Das liegt am Umstand, dass das EDI im Zuge der Verordnungsänderung jeweils festlegt, bis zu welchem Zeitpunkt die Pflanzenschutzmittel mit einem nicht mehr genehmigten Wirkstoff noch in Verkehr gebracht sowie verwendet werden dürfen.[64]Vgl. z.B. Art. 86f PSMV; Art. 86h PSMV. Verfügt die Zulassungsstelle den Widerruf einer Bewilligung für das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels, teilt sie der Bewilligungsinhaberin lediglich mit, was kraft Verordnung ab dem Zeitpunkt der Ausverkaufsfrist ohnehin gilt.[65]Nach der hier vertretenen Auffassung wäre der Widerruf der Bewilligung für das Inverkehrbringen nicht erforderlich. Die Bewilligungsinhaberin dürfte nach Ablauf der in der Verordnung verankerten … Continue reading Gleiches gilt für den Fall, dass die Zulassungsstelle in der Widerrufsverfügung auf die Verwendungsfrist hinweist, die bereits in der Pflanzenschutzmittelverordnung festgelegt worden ist.[66]Vgl. BGer 2C_1034/2022 und 2C_1035/2022 E. 4.3. Des massgebenden Verwaltungsrechtsverhältnisses unbesehen stellt die Widerrufsverfügung das (rechtsmittelfristauslösende) Anfechtungsobjekt eines Rechtsmittelverfahrens dar, zumal gegen die bundesrätlichen Verordnungen die abstrakte Normenkontrolle nicht offensteht.[67]Vgl. Art. 189 Abs. 4 BV.

2. Anerkennungsnorm und der Grundsatz der Gesetzmässigkeit

Nachdem die Natur und der Umfang des Anerkennungsmechanismus geklärt sind, stellt sich die Frage nach der Gesetzmässigkeit des Mechanismus, da er nicht in einem formellen Gesetz, sondern auf Verordnungsstufe verankert ist. Der Anerkennungsmechanismus von Art. 10 Abs. 1 PSMV muss mit dem übergeordneten Recht vereinbar sein, damit er Bestand hat.[68]Vgl. Art. 5 Abs. 1 BV. Zur inzidenten (Geltungs‑)Kontrolle siehe Brunner/Zollinger, Rz. 12 und Rz. 17 ff.

a) Pflanzenschutzmittelverordnung als Rechtsverordnung mit gesetzesvertretenden Normen

Die Pflanzenschutzmittelverordnung regelt im Wesentlichen die Zulassung, die Einfuhr, das Inverkehrbringen und die Verwendung sowie die Kontrolle für Pflanzenschutzmittel.[69]Vgl. Art. 1 Abs. 2 PSMV. Sie gestaltet somit das Verhältnis zwischen den zuständigen Behörden und den Privaten mit Blick auf den Umgang mit Pflanzenschutzmitteln,[70]Vgl. Art. 1 Abs. 1 PSMV. weshalb es sich um eine (unselbständige) Rechtsverordnung handelt.[71]Während sich Verwaltungsverordnungen „im Sinne einer generellen Dienstanweisung“ an die unter- oder übergeordnete Behörde nach Innen richtet, gestalten die Rechtsverordnungen das … Continue reading Bei Art. 10 Abs. 1 PSMV liegt im Weiteren eine gesetzesvertretende Verordnungsbestimmung vor, da der Verordnungsgeber – der Bundesrat – mit ihr die gesetzliche Regelung ergänzt.[72]Vgl. BGer 2C_1034/2022 und 2C_1035/2022 E. 4.4; vgl. auch Urteile des Bundesgerichts 2C_854/2021 und 2C_855/2021 vom 29. November 2022 E. 5.2.1. Zu den Vollziehungsverordnungen, die die … Continue reading Die Ergänzung der gesetzlichen Regelung auf Verordnungsstufe, namentlich die Einführung eines Anerkennungsmechanismus wie ihn Art. 10 Abs. 1 PSMV vorsieht, ist zulässig, sofern das Gesetz den Verordnungsgeber hierzu ermächtigt.[73]Vgl. Art. 5 Abs. 1 BV i.V.m. Art. 164 Abs. 2 BV; BGer 2C_854/2021 und 2C_855/2021 E. 5.2.1. Es ist demnach zu klären, ob der Gesetzgeber den Bundesrat sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht zur Einführung des Anerkennungsmechanismus hinreichend ermächtigt hat.[74]Vgl. auch Brunner/Zollinger, Rz. 15.

b) Delegationsnorm zur Einführung des Anerkennungsmechanismus

Wie aus dem Ingress der Pflanzenschutzmittelverordnung ersichtlich ist, stützt sich der Bundesrat für deren Erlass namentlich auf das Bundesgesetz vom 15. Dezember 2000 über den Schutz vor gefährlichen Stoffen und Zubereitungen (Chemikaliengesetz, ChemG, SR 813.1), das Bundesgesetz vom 29. April 1998 über die Landwirtschaft (Landwirtschaftsgesetz, LwG, SR 910.1) sowie das Bundesgesetz vom 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz (Umweltschutzgesetz, USG, SR 814.01). Das Bundesgericht erachtet allerdings im Wesentlichen das Landwirtschaftsgesetz als die massgebende Grundlage für den Anerkennungsmechanismus, da dieses, wie sich sogleich ergibt, die einschlägigen Bestimmungen über das Zulassungs- und Widerrufsverfahren für Pflanzenschutzmittel enthält.[75]Vgl. BGer 2C_1034/2022 und 2C_1035/2022 E. 5.2.

Die Pflanzenschutzmittel gelten laut Art. 158 Abs. 1 LwG als Produktionsmittel, da sie der landwirtschaftlichen Produktion dienen.[76]Vgl. auch BGE 144 II 218 E. 3.3 mit Hinweis auf Art. 4 lit. e ChemG. Sämtliche Produktionsmittel müssen die materiellen Grundsatzanforderungen von Art. 159 Abs. 1 LwG erfüllen, damit sie eingeführt oder in Verkehr gebracht werden dürfen. Für die Überprüfung der materiellen Anforderungen kann der Bundesrat die Einfuhr und das Inverkehrbringen von Produktionsmitteln gemäss Art. 160 Abs. 2 lit. a LwG einer Zulassungspflicht unterstellen, was er mit Bezug auf die Pflanzenschutzmittel gemacht hat.[77]Vgl. Art. 14 PSMV i.V.m. Art. 3 Abs. 1 lit. i PSMV, wonach die „Einfuhr […] ein Inverkehrbringen im Sinne dieser Verordnung“ ist. Das Landwirtschaftsgesetz ermächtigt den Bundesrat im Weiteren, das Zulassungsverfahren zu regeln.[78]Vgl. Art. 160 Abs. 1 LwG. Besondere Vorgaben an das Zulassungsverfahren machen Art. 160 Abs. 6 LwG sowie Art. 160a LwG. Ausländische Zulassungen oder deren Widerruf sowie ausländische Prüfberichte und Konformitätsbescheinigungen, die auf gleichwertigen Anforderungen beruhen, werden laut Art. 160 Abs. 6 LwG anerkannt, soweit die agronomischen und umweltrelevanten Bedingungen für den Einsatz der Produktionsmittel vergleichbar sind.[79]Der Bundesrat kann Ausnahmen vorsehen (vgl. Art. 160 Abs. 6 Satz 2 LwG). Überdies bestimmt Art. 160a LwG, dass die Pflanzenschutzmittel, die in der EU rechtmässig in Verkehr gebracht worden sind,[80]Art. 160a LwG bezieht sich auf den räumlichen Geltungsbereich des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Handel mit … Continue reading in der Schweiz in Verkehr gebracht werden dürfen. Bei Gefährdung öffentlicher Interessen kann der Bundesrat Einfuhr und Inverkehrbringen beschränken oder untersagen.

Im Lichte der genannten Regelungen des Landwirtschaftsgesetzes wird ohne Weiteres ersichtlich, dass der Bundesrat zum Erlass von Art. 10 Abs. 1 PSMV formell zuständig ist und mit der Einführung des Anerkennungsmechanismus in materieller Hinsicht „seine Bindung an die Delegationsnorm mit Rücksicht auf ihren Wortlaut, ihre Tragweite sowie den Sinn und Zweck“ gewahrt hat.[81]BGer 2C_1034/2022 und 2C_1035/2022 E. 5.5. Soweit Art. 160a LwG die Anerkennung von Verwaltungsakten der EU nicht geradezu vorschreibt, so ist der Bundesrat laut Art. 160 Abs. 6 LwG zumindest gehalten, die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln oder Wirkstoffen sowie deren Widerruf anzuerkennen, soweit in der EU gleichwertige Anforderungen bestehen.[82]Die Voraussetzungen für die Genehmigung eines Wirkstoffs respektive die Anforderungen an die genehmigten Wirkstoffe sind in der EU und in der Schweiz im Wesentlichen deckungsgleich (vgl. Art. 4 … Continue reading Dies entspricht dem ausdrücklich geäusserten Willen des Gesetzgebers.[83]Vgl. Botschaft vom 29. Mai 2002 zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik (Agrarpolitik 2007), Teil I: Teilrevision des Landwirtschaftsgesetzes (LwG), BBl 2002 4727 ff., 4843; vgl. auch Botschaft vom … Continue reading

c) Subdelegation im Anerkennungsmechanismus

Der Anerkennungsmechanismus von Art. 10 Abs. 1 PSMV enthält im Weiteren eine Subdelegation, denn der Bundesrat streicht einen Wirkstoff nicht selbst aus dem Anhang 1 der Pflanzenschutzmittelverordnung, sondern ermächtigt hierzu das EDI. Im Gegensatz zur in Art. 164 Abs. 2 BV vorgesehenen Möglichkeit, wonach der Gesetzgeber seine Rechtssetzungsbefugnisse an den Bundesrat delegieren kann, ist die Subdelegation, mit welcher der Bundesrat eine an ihn übertragene Befugnis weiterdelegiert, in der Bundesverfassung nicht geregelt.[84]Vgl. BGE 141 II 169 E. 3.5; Urteil des Bundesgerichts 2C_733/2020 vom 15. März 2021 E. 4.3.2. Allerdings räumt der Gesetzgeber in Art. 48 Abs. 1 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 1997 (RVOG, SR 172.010) dem Bundesrat die ausdrückliche Kompetenz ein, die Zuständigkeit zum Erlass von Rechtssätzen auf die Departemente zu übertragen. Dabei hat der Bundesrat die Tragweite der Rechtssätze zu berücksichtigen.[85]Demgegenüber ist eine Übertragung der Rechtsetzung auf Gruppen und Ämter nur zulässig, wenn ein Bundesgesetz oder ein allgemeinverbindlicher Bundesbeschluss dazu ermächtigt (vgl. Art. 48 … Continue reading Dementsprechend ist die Subdelegation, mit der der Bundesrat das EDI zur Streichung von Wirkstoffen aus dem Anhang 1 der Pflanzenschutzmittelverordnung und zur Festlegung der Fristen – und damit zur Verordnungsänderung – ermächtigt, mit dem Grundsatz der Gesetzmässigkeit vereinbar. Die bereits erwähnten Änderungen der Pflanzenschutzmittelverordnung vom 17. Mai 2021[86]Vgl. AS 2021 321 ff., 1 f. zwecks Einführung von Art. 86f PSMV (Wirkstoff Mancozeb) sowie vom 31. Mai 2022[87]Vgl. AS 2022 338 ff., 1. zwecks Einführung von Art. 86h PSMV (Wirkstoff Indoxacarb) fallen daher in die Zuständigkeit des EDI.

d) Zwischenergebnis

Dass sich der auf Verordnungsstufe eingeführte Anerkennungsmechanismus mit dem übergeordneten Recht als vereinbar erweist, ist vor allem der klar formulierten formell-gesetzlichen Delegationsnormen geschuldet.[88]Vgl. Art. 160 f. LwG. In der Praxis ist die Gesetzmässigkeit einer Verordnungsbestimmung regelmässig nicht derart offenkundig, sodass mittels Auslegung die Vereinbarkeit des Verordnungsrechts mit der Delegationsnorm als übergeordnetes Recht zu ermitteln ist.[89]Vgl. z.B. Urteil des Bundesgerichts 2C_254/2021 vom 27. September 2021 E. 6.3; BGer 2C_733/2020 E. 4.3.3–4.3.5; Urteil des Bundesgerichts 2C_765/2020 vom 14. Januar 2021 E. 5.4.1–5.4.5; vgl. … Continue reading Vorliegend ergibt sich die Gesetzmässigkeit des Anerkennungsmechanismus (ausnahmsweise) bereits aus dem klaren Wortlaut von Art. 160 Abs. 6 LwG und Art. 160a LwG.[90]Zur häufigen „Unzulänglichkeit des grammatikalischen Auslegungselements“ siehe Brunner/Zollinger, Rz. 19 ff. Zum pragmatischen Methodenpluralismus siehe den Unterschied zwischen BGE 145 II … Continue reading Angesichts des Umfangs des Anerkennungsmechanismus, aus dem – wie gerade noch zu zeigen sein wird – ein beschränkter Rechtschutz resultiert, ist es zu begrüssen, dass die getroffene Regelung dem Grundsatz der Gesetzmässigkeit klar standhält.

3. Anerkennungsmechanismus und der Grundsatz der Verhältnismässigkeit

Während die Prüfung des Gesetzmässigkeitsgrundsatzes in eine allgemeine, vom spezifischen Einzelfall losgelöste Geltungskontrolle der Anerkennungsnorm mündet, bezieht sich der im Folgenden zu betrachtende Grundsatz der Verhältnismässigkeit auf die konkrete Anwendung des Anerkennungsmechanismus.[91]Vgl. auch Brunner/Zollinger, Rz. 12 und Rz. 18 i.f. Wie zu zeigen sein wird, kommt der Prüfung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes aufgrund des Umfangs des Anerkennungsmechanismus allerdings nur noch eine beschränkte Tragweite zu.[92]Zur Definition des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit siehe BGE 148 II 475 E. 5 und BGE 148 II 392 E. 8.2 oder Müller, 27 ff.

a) Interessenabwägung in der gesetzlichen Grundlage und verhältnismässiges Übergangsrecht

Nach Art. 5 Abs. 2 BV gilt, dass staatliches Handeln im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein muss. Ausgangspunkt der vorliegenden Verhältnismässigkeitsprüfung bildet allerdings zunächst die Erkenntnis, dass der Anerkennungsmechanismus nach der hier vertretenen Ansicht das EDI dazu anhält, den im Ausland ermittelten Sachverhalt sowie die rechtliche Würdigung und die Rechtsfolgen des ausländischen Verwaltungsakts zu übernehmen.[93]Zum Umfang des Anerkennungsmechanismus siehe oben, III.1.c). Vor diesem Hintergrund erscheint der Spielraum zur verhältnismässigen Anwendung von Art. 10 Abs. 1 PSMV beschränkt. Dieser Umstand dürfte in erster Linie darauf zurückzuführen sein, dass der Gesetzgeber in Art. 160 Abs. 6 LwG und Art. 160a LwG sowie der Bundesrat in Art. 10 Abs. 1 PSMV die massgebende Interessenabwägung weitgehend vorwegnimmt. Mit der Anerkennung des ausländischen Verwaltungsakts und den (möglichst) gleichlaufenden Fristen soll nämlich verhindert werden, dass die Schweiz zum „Entsorgungshof“ für die in der EU nicht mehr zugelassenen Pflanzenschutzmittel wird.[94]Vgl. BGer 2C_1034/2022 und 2C_1035/2022 E. 6.3.3; BVGer B-3860/2022 und B-3862/2022 E. 3.4.4.3. Entsprechend wird mittels „autonome[r] Anpassung“ eine Harmonisierung „der schweizerischen Gesetzgebung mit dem europäischen Recht“ angestrebt.[95]BLW, 89. Dieses öffentliche Interesse gewichtet der Gesetzgeber und in der Folge der Bundesrat von vornherein höher als das private Interesse der Bewilligungsinhaberinnen an der Weitergeltung der Zulassungen zwecks Abbaus der Lagerbestände der Pflanzenschutzmittel. Diese Wertung in der Gesetz- und Verordnungsgebung nimmt die Antwort auf die Frage nach der Verhältnismässigkeit des konkreten Anwendungsfalls im Regelfall vorweg.

Die – im Ausnahmefall – erfolgreiche Berufung auf den Verhältnismässigkeitsgrundsatz in der Rechtsanwendung bedingt daher, dass im Einzelfall die Interessenabwägung entgegen der Annahme in der gesetzlichen Grundlage offenkundig zugunsten des privaten Interesses ausfällt. Dies trifft namentlich in Konstellationen zu, in denen die staatlichen Massnahmen in keiner Weise dringlich erscheinen.[96]Vgl. BVGer B-3969/2021 E. 13.9.6. Allerdings verhindert der Verhältnismässigkeitsgrundsatz diesfalls nicht die Streichung des Wirkstoffs, da Art. 10 Abs. 1 PSMV diese Massnahme von Gesetzes wegen „automatisch“ verlangt.[97]Vgl. Art. 10 Abs. 1 PSMV i.V.m. Art. 160 Abs. 6 LwG und Art. 160a LwG. Vielmehr ist die zuständige Behörde gehalten, die Ausverkaufs- und Verwendungsfristen unter Berücksichtigung der (fehlenden) Dringlichkeit in verhältnismässiger Weise festzusetzen. Zwar sieht der Bundesrat in Art. 10 Abs. 1 PSMV ebenso vor, dass das EDI „die gleichen Fristen“ festzulegen hat, wie sie in der EU gelten. Jedoch legt das Departement die Fristen mittels Übergangsbestimmungen fest. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sollen Übergangsbestimmungen sicherstellen, dass das alte Recht noch während einer gewissen Zeit gilt, damit die getätigten Investitionen nicht umgehend nutzlos werden und sich die betroffenen Personen an die neue Regelung anpassen können.[98]Vgl. BGE 145 II 140 E. 4; 134 I 23 E. 7.6.1. Auch wenn die Übergangsfristen nicht dazu dienen, möglichst lange von der bisherigen Regelung zu profitieren, hat das EDI bei der Festlegung der Übergangsfristen diesen Überlegungen, die auch Ausfluss aus dem Grundsatz von Treu und Glauben sind, Rechnung zu tragen.[99]Vgl. Art. 5 Abs. 3 BV; BGE 134 I 23 E. 7.6.1; 130 I 26 E. 8.1. In diesem Sinne ist das EDI verpflichtet, verhältnismässige Fristen festzulegen. Es steht ihm daher durchaus zu, ausnahmsweise länger als in der EU laufende Ausverkaufs- und Verwendungsfristen als mildere Massnahmen in den Verordnungsänderungen vorzusehen, wenn dies der Grundsatz der Verhältnismässigkeit gebietet.[100]Zur detaillierten Auslegung von Art. 10 Abs. 1 PSMV mit Blick auf „die gleichen Fristen“ siehe BVGer B-3969/2021 E. 13.6.

b) Festlegung der verhältnismässigen Ausverkaufs- und Verwendungsfristen

Dem EDI kommt somit ein gewisser Beurteilungsspielraum bei der Festlegung der (verhältnismässigen) Ausverkaufs- und Verwendungsfristen zu. Dies ändert indes nichts am Umstand, dass das EDI im Grundsatz die Beurteilung der Verhältnismässigkeit – namentlich die Interessenabwägung – im Wesentlichen gestützt auf den im Ausland ermittelten Sachverhalt vornimmt.[101]Vgl. BVGer B-3860/2022 und B-3862/2022 E. 3.4.3.2.

Im Fall des Wirkstoffs Indoxacarb legte das EDI die Ausverkauf- und Verwendungsfristen derart fest, dass für den Einsatz der Pflanzenschutzmittel mit diesem Wirkstoff keine Vegetationsperiode für den Abbau der Lagerbestände mehr zur Verfügung stand.[102]Vgl. Art. 86h PSMV; BGer 2C_1034/2022 und 2C_1035/2022 E. 6.3.3. Sowohl das Bundesverwaltungsgericht als auch das Bundesgericht erachteten diese Fristen in Anbetracht der Dringlichkeit des Verbots des Inverkehrbringens und des Verwendens als verhältnismässig.[103]Vgl. BVGer B-3860/2022 und B-3862/2022 E. 3.4; BGer 2C_1034/2022 und 2C_1035/2022 E. 6. Die (rechtliche) Beurteilung der Verhältnismässigkeit erfolgte im Wesentlichen gestützt auf die Beweggründe der Kommission in der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2021/2081 vom 26. November 2021, woraus sich die massgebenden Sachverhaltselemente – d.h. die ermittelten schädlichen Auswirkungen – ergaben.[104]Vgl. BGer 2C_1034/2022 und 2C_1035/2022 E. 6.2.2; BVGer B-3860/2022 und B-3862/2022 E. 3.4.3.2. Immerhin nahmen die Behörden eine Plausibilisierung des im Ausland ermittelten Sachverhalts vor, indem sie auf gewisse inländische Feststellungen und Erhebungen verwiesen.[105]Vgl. BGer 2C_1034/2022 und 2C_1035/2022 E. 6.2.3 mit Hinweis auf den Bericht des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) vom 19. August 2019, Das … Continue reading Neben der Geeignetheit und der Notwendigkeit der entsprechenden Fristen berücksichtigten die Gerichte mit Blick auf die Zumutbarkeit den Umstand, dass die Bewilligungsinhaberin die Pflanzenschutzmittel auch in der EU vertrieb. Infolgedessen wurde von der Bewilligungsinhaberin verlangt, dass sie den (inländischen) Widerruf der Bewilligung für das Inverkehrbringen der Pflanzenschutzmittel in Kenntnis des Anerkennungsmechanismus von Art. 10 Abs. 1 PSMV antizipierte und infolgedessen die Produktion reduzierte oder einstellte, um die Lagerbestände vorab abzubauen.[106]Vgl. BGer 2C_1034/2022 und 2C_1035/2022 E. 6.3.2; BVGer B-3860/2022 und B-3862/2022 E. 3.4.4.3.

Eine andere Ausgangslage bestand demgegenüber bei der Streichung des Wirkstoffs Epoxiconazol.[107]Vgl. Art. 86f PSMV. Dort hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, es sei „nicht erkennbar, dass eine unannehmbare Gefährdung für Mensch, Tier oder Umwelt vorliegt, welche ein möglichst rasches Verwendungsverbot von Pflanzenschutzmitteln mit diesem Wirkstoff gemäss Art. 67 PSMV gebieten würde“.[108]BVGer B-3969/2021 E. 13.9.6. Wenn sich aus dem ausländischen Verwaltungsakt keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte ergeben, dass ein Verbot dringlich erscheint, ist es folgerichtig, dies der zuständigen Behörde anzulasten, da der Anerkennungsmechanismus von Art. 10 Abs. 1 PSMV nichts an der subjektiven und objektiven Beweislast verändert.[109]Zum Verhältnis zwischen dem Untersuchungsgrundsatz und der subjektiven sowie objektiven Beweislast siehe Urteil des Bundesgerichts 2C_387/2021 vom 4. November 2021 E. 7.3.1. Das EDI ist für den Nachweis, dass die von ihm verordneten Fristen verhältnismässig sind, subjektiv beweisbelastet. Es hätte mangels hinreichender ausländischer Tatsachenfeststellungen selbst Ermittlungen tätigen müssen, um allfällige schädliche Auswirkungen nachzuweisen, die ein dringliches Verbot notwendig erscheinen liessen.[110]Vgl. auch Art. 8 PSMV. Da dem nicht so war, gewichtete das Gericht das private Interesse der Bewilligungsinhaberin am Abbau der Lagerbestände von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Epoxiconazol höher als das öffentliche Interesse am möglichst zeitnahen Verbot des Inverkehrbringens und des Verwendens dieser Pflanzenschutzmittel.[111]Vgl. BVGer B-3969/2021 E. 13.9.7.

c) Ermessensausübung im Rahmen von Art. 10 Abs. 2 PSMV

Während die Festlegung der Ausverkaufs- und Verwendungsfristen im Lichte des Grundsatzes der Verhältsnismässigkeit zu prüfen sind, betrifft die in Art. 10 Abs. 2 PSMV verankerte Möglichkeit, dass das EDI auf die Streichung des Wirkstoffs aus dem Anhang 1 der Pflanzenschutzmittelverordnung verzichtet, obwohl ein entsprechender ausländischer Verwaltungsakt vorliegt, die Ausübung von Verwaltungsermessen. Art. 10 Abs. 2 PSMV sieht vor, dass das EDI einen Wirkstoff im Anhang 1 der Pflanzenschutzmittelverordnung belassen kann, wenn für eine Verwendung keine Alternative für die Bekämpfung eines Schadorganismus besteht und der Wirkstoff bei vorschriftsgemässer Verwendung keine schädliche Auswirkung auf die menschliche Gesundheit hat. Zwar impliziert die Kann-Bestimmung nicht in jedem Fall einen Ermessenspielraum.[112]Vgl. BGE 129 V 226 E. 2.2; Urteil des Bundesgerichts 2C_711/2022 vom 9. Dezember 2022 E. 1.3.2. Indessen räumt Art. 10 Abs. 2 PSMV nach der hier vertretenen Ansicht dem EDI klarerweise ein Ermessen ein, da es selbst bei Vorliegen der erwähnten Voraussetzungen (keine Alternative für die Bekämpfung eines Schadorganismus sowie keine schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit) nicht auf die Streichung des Wirkstoffs verzichten muss. Die Ausübung von Verwaltungsermessen betrifft indes die Frage der Angemessenheit und entzieht sich gewissermassen dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit,[113]Vgl. BGE 142 II 268 E. 4.2.3; Müller, 91 ff. soweit das Ermessen pflichtgemäss ausgeübt wird.[114]Zum Ermessensmissbrauch als eine Form der nicht pflichtgemässen Ausübung des Ermessens siehe anstelle vieler BGE 147 V 194 E. 6.3 oder BGE 98 V 129 E. 2. Vgl. auch Schindler, Rz. 198, „wonach … Continue reading Diese Unterscheidung ist zumindest im bundesverwaltungsgerichtlichen Verfahren von untergeordneter Bedeutung, da das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich auch eine Angemessenheitskontrolle vornehmen kann.[115]Vgl. Art. 31 VGG i.V.m. Art. 49 lit. c VwVG.

Der Anwendungsbereich von Art. 10 Abs. 2 PSMV dürfte im Übrigen aber beschränkt sein: Ein Wirkstoff wird aus dem Anhang 1 der Pflanzenschutzmittelverordnung insbesondere gestrichen, wenn schädliche Auswirkungen der Rückstände auf die Gesundheit von Menschen oder Tieren nachgewiesen werden.[116]Vgl. Art. 4 Abs. 2 und Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009; vgl. auch Art. 4 Abs. 1 PSMV i.V.m. Ziff. 3 Anhang 2 der Pflanzenschutzmittelverordnung. In der Regel dürfte der Nachweis einer schädlichen Auswirkung auf die Gesundheit von Tieren auch eine solche auf die Gesundheit von Menschen implizieren. An die gegenteilige Annahme sind im Lichte des in Art. 1 Abs. 2 USG, Art. 148a LwG und Art. 1 Abs. 4 PSMV verankerten Vorsorgeprinzips jedenfalls hohe Anforderungen zu stellen. Vor diesem Hintergrund dürfte nur in sehr wenigen Fällen eine schädliche Auswirkung auf die Gesundheit von Tieren vorliegen, während eine schädliche Auswirkung auf die Gesundheit von Menschen zu verneinen ist.

d) Zwischenergebnis

Nach dem Dargelegten zeigt sich, dass dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit in der konkreten Anwendung des Anerkennungsmechanismus nur noch eine bescheidene Rolle zukommt. Dieser Umstand ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass bereits in der gesetzlichen Grundlage von Art. 10 Abs. 1 PSMV – in Art. 160 Abs. 6 LwG sowie in Art. 160a LwG – der Gesetzgeber eine Interessenabwägung verankert hat, die dem öffentlichen Interesse an einer möglichst mit der EU harmonisierten Handhabung der genehmigten Wirkstoffe Vorrang einräumt. Setzt das EDI die gleichen Ausverkaufs- und Verwendungsfristen fest, wie sie in der EU gelten, trägt es dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz bereits von Gesetzes wegen Rechnung. Längere Fristen drängen sich nur im Ausnahmefall auf, sodass das EDI grundsätzlich gehalten ist, auf eine zeitnahe Umsetzung der Anerkennung zu achten.[117]Vgl. BVGer B-3860/2022 und B-3862/2022 E. 3.4.4.3 i.f., wonach „kein Grund ersichtlich [ist], weshalb die Umsetzungsfristen in der Schweiz gegenüber dem EU-Rechtssetzungsprozess derart verzögert … Continue reading

IV. Würdigung

Wie im allgemeinen Teil zu den transnationalen Verwaltungsakten dargelegt, sollen mit der Anerkennung von ausländischen Verwaltungsakten namentlich parallele Verfahren verhindert werden. Dies ist grundsätzlich zu begrüssen, da die schweizerischen Behörden ansonsten ein gleichartiges Verwaltungsverfahren zwecks Evaluation von genehmigten Wirkstoffen durchzuführen hätten, obwohl ein solches bereits im Ausland stattfindet. Da in diesem Rahmen regelmässig auf dieselben Studien und Erkenntnisse abzustützen ist, lassen sich somit Doppelspurigkeiten vermeiden. Die Effizienzüberlegungen sprechen daher dafür, gleichwertige ausländische Wirkstoffstreichungsverfahren sowie deren Ergebnisse (Risikobeurteilungen) in der Schweiz anzuerkennen, so wie dies die Regelung in Art. 10 Abs. 1 PSMV vorsieht.

Allerdings ist zu beachten, dass dieser Effizienzgewinn auf Kosten eines umfassenden Rechtschutzes geht. Auch wenn der Anerkennungsmechanismus von Art. 10 Abs. 1 PSMV lediglich einen unechten transnationalen Verwaltungsakt darstellt, anerkennen und übernehmen die Schweizer Behörden dennoch den im europäischen Verfahren ermittelten Sachverhalt, die von der Kommission vorgenommene rechtliche Beurteilung sowie die Rechtsfolgen der europäischen Referenzentscheidung. Die Bewilligungsinhaberinnen von in der Schweiz zugelassenen Pflanzenschutzmitteln haben angesichts des Anerkennungsmechanismus bereits im ausländischen Verfahren, soweit prozessual möglich, mitzuwirken, damit sie beim autonomen Nachvollzug durch das EDI nicht „vor vollendete Tatsachen“ gestellt sind. Dass die Schweizer Behörden vom entsprechenden ausländischen Verwaltungsakt abweichen, ist ferner nur in Ausnahmefällen denkbar. Dies betrifft namentlich Fälle ohne Dringlichkeit, wobei diesfalls nur längere als in der EU geltende Ausverkaufs- und Verwendungsfristen infrage kommen. Dagegen ändert sich – mit Ausnahme des Anwendungsbereichs von Art. 10 Abs. 2 PSMV – auch dann an der Streichung des Wirkstoffs aus dem Anhang 1 der Pflanzenschutzmittelverordnung als „automatische“ Rechtsfolge nichts.

Als Korrektiv zum transnationalen Mechanismus, gegen den nur ein „zahnloser“ Rechtsschutz besteht, ist es deshalb von elementarer Bedeutung, dass sich die gesetzliche Grundlage des Anerkennungsmechanismus – wie vorliegend mit Art. 160 Abs. 6 LwG und Art. 160a LwG – ohne Weiteres als rechtsgenüglich erweist. Überdies bleibt es wünschenswert, dass die zuständigen Behörden und Gerichte den im Ausland ermittelten Sachverhalt zumindest plausibilisieren und die rechtliche Beurteilung verifizieren, um die Akzeptanz des Anerkennungsmechanismus zu stärken.

Literaturverzeichnis

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Fussnoten

Fussnoten
1 Vgl. Art. 14 Abs. 1 der Verordnung vom 12. Mai 2010 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (Pflanzenschutzmittelverordnung, PSMV, SR 916.161); vgl. auch Art. 160 Abs. 2 lit. a des Bundesgesetzes vom 29. April 1998 über die Landwirtschaft (Landwirtschaftsgesetz, LwG, SR 910.1) i.V.m. Art. 158 Abs. 1 LwG. Bei Pflanzenschutzmitteln handelt es sich gemäss der Definition in Art. 2 Abs. 1 PSMV um Produkte, die aus Wirkstoffen, Safenern oder Synergisten bestehen oder diese enthalten und für einen in Art. 2 Abs. 1 lit. a–e PSMV aufgeführten Verwendungszweck bestimmt sind. Zum Begriff des Wirkstoffs siehe Fn. 2. Safener sind chemische Elemente und deren Verbindungen (Stoffe) oder Zubereitungen von Stoffen, die einem Pflanzenschutzmittel beigefügt werden, um die phytotoxische Wirkung des Pflanzenschutzmittels auf bestimmte Pflanzen zu unterdrücken oder zu verringern (vgl. Art. 2 Abs. 3 lit. a PSMV i.V.m. Art. 3 Abs. 1 lit. b PSMV). Synergisten sind chemische Elemente und deren Verbindungen (Stoffe) oder Zubereitungen von Stoffen, die keine oder nur eine schwache Wirkung aufweisen, aber die Wirkung des Wirkstoffs oder der Wirkstoffe in einem Pflanzenschutzmittel verstärken (vgl. Art. 2 Abs. 3 lit. b PSMV i.V.m. Art. 3 Abs. 1 lit. b PSMV).
2 Als Wirkstoffe gelten chemische Elemente und deren Verbindungen (Stoffe) mit allgemeiner oder spezifischer Wirkung gegen Schadorganismen an Pflanzen, Pflanzenteilen oder Pflanzenerzeugnissen (vgl. Art. 2 Abs. 2 PSMV i.V.m. Art. 3 Abs. 1 lit. b PSMV).
3 Vgl. Art. 17 Abs. 1 lit. a PSMV. Die Genehmigung erfordert namentlich, dass die Rückstände von Pflanzenschutzmitteln weder schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen oder von Tieren noch auf das Grundwasser sowie keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben (vgl. Art. 4 Abs. 1 und Abs. 3 PSMV [Wirkstoffe]; vgl. auch Art. 11 Abs. 1 PSMV i.V.m. Art. 4 PSMV [Safener und Synergisten]).
4 Vgl. Art. 1 Abs. 1 PSMV.
5 Vgl. Art. 8 Abs. 1 PSMV (Wirkstoffe); vgl. auch Art. 11 Abs. 2 PSMV i.V.m. Art. 8 PSMV (Safener und Synergisten).
6 Vgl. AS 2020 5563 ff., 5564 und 5567.
7 BLW, 89; vgl. Art. 10 Abs. 1 PSMV.
8 Urteil des Bundesverwaltungsgerichts B-3969/2021 vom 28. März 2022; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts B-3860/2022 und B-3862/2022 vom 7. November 2022; Urteile des Bundesgerichts 2C_1034/2022 und 2C_1035/2022 vom 23. Mai 2023.
9 Vgl. Ohler, Rz. 27. Zum Begriff des Verwaltungsakts siehe Tschannen/Müller/Kern, Rz. 631 ff.
10 Vgl. Breining-Kaufmann, 15 f. Zur Unterscheidung zwischen der Normgeltung und der Normwirkung respektive zwischen dem Geltungsbereich und dem Anwendungsbereich einer Norm siehe Breining-Kaufmann, 12 f. und 16 f.
11 Vgl. BGE 143 IV 63 E. 3.1; 138 II 346 E. 3.2 i.f.; Breining-Kaufmann, 15 f.
12 Vgl. Siegel, Rz. 213; Ohler, Rz. 28 ff.
13 Vgl. Ohler, Rz. 27.
14 Vgl. Breining-Kaufmann, 17.
15 Vgl. Ohler, Rz. 27.
16 Ohler, Rz. 27.
17 Vgl. Breining-Kaufmann, 28 f.
18 Vgl. Breining-Kaufmann, 29; Ohler, Rz. 28; Siegel, Rz. 163.
19 Ohler, Rz. 28.
20 Vgl. Ohler, Rz. 31; Siegel, Rz. 164 f.
21 Vgl. auch Siegel, Rz. 163; Ohler, Rz. 28 ff.
22 Vgl. Siegel, Rz. 162.
23 Vgl. Ohler, Rz. 30.
24 Siegel, Rz. 214; vgl. Ohler, Rz. 30.
25 Vgl. Ohler, Rz. 30 ff.
26 Siegel, Rz. 164 f.; vgl. Breining-Kaufmann, 29. Ein Anwendungsbeispiel des „Herkunftslandprinzips“ stellt das „Cassis de Dijon-Prinzip“ dar (vgl. auch Breining-Kaufmann, 33 ff.).
27 Vgl. Siegel, Rz. 213.
28 Breining-Kaufmann, 29.
29 Vgl. AS 2020 5563 ff., 5564.
30 Vgl. AS 2020 5563 ff., 5567.
31 In der ersten Fassung vom 11. November 2020 war noch das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) die zuständige Behörde (vgl. AS 2020 5563 ff., 5564). Die Zuständigkeit vom WBF zum EDI wurde mit der Änderung vom 17. November 2021 angepasst (vgl. AS 2021 760, 1) und trat am 1. Januar 2022 in Kraft (vgl. AS 2021 760, 5).
32 Vgl. Art. 10 Abs. 1 lit. c aPSMV (zur Fassung vom 12. Mai 2010 siehe AS 2010 2331 ff., 2342).
33 Vgl. z.B. AS 2022 338 ff., 1 f.
34 Vgl. Art. 86e–86h PSMV.
35 Vgl. ABl L 153 vom 11. Juni 2011, 1 ff.
36 Vgl. ABl L 309 vom 24. November 2009, 1 ff.
37 Vgl. Art. 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 i.V.m. Art. 13 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 und Art. 78 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009.
38 Vgl. ABl L 423 vom 15. Dezember 2020, 50 ff. (Durchführungsverordnung [EU] 2020/2087 der Kommission vom 14. Dezember 2020 zur Nichterneuerung der Genehmigung für den Wirkstoff Mancozeb gemäss der Verordnung [EG] Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Änderung des Anhangs der Durchführungsverordnung [EU] Nr. 540/2011 der Kommission).
39 Vgl. ABl L 426 vom 29. November 2021, 28 ff. (Durchführungsverordnung [EU] 2021/2081 der Kommission vom 26. November 2021 zur Nichterneuerung der Genehmigung für den Wirkstoff Indoxacarb gemäss der Verordnung [EG] Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Änderung der Durchführungsverordnung [EU] Nr. 540/2011 der Kommission).
40 Vgl. Art. 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2020/2087.
41 Vgl. Art. 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2021/2081.
42 Vgl. Art. 2 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2020/2087; Art. 2 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2021/2081.
43 Vgl. Art. 3 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2020/2087; Art. 3 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2021/2081.
44 Vgl. Art. 4 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2020/2087; Art. 4 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2021/2081.
45 Vgl. AS 2021 321 ff., 1 f.
46 Vgl. AS 2022 338 ff., 1 f.
47 Zur Definition des unechten transnationalen Verwaltungsakts siehe oben, II.
48 In diesem Fall wird der Einsatz dieses Wirkstoffs auf diese Verwendung beschränkt (vgl. Art. 10 Abs. 2 PSMV). Zum Gehalt von Art. 10 Abs. 2 PSMV siehe unten, III.3.c).
49 Vgl. Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009; vgl. auch Erw. 15 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2021/2081.
50 Vgl. Art. 4 Abs. 2 und Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009; vgl. auch Art. 4 Abs. 1 PSMV i.V.m. Ziff. 3 Anhang 2 der Pflanzenschutzmittelverordnung.
51 Vgl. Art. 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2020/2087; Art. 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2021/2081.
52 Vgl. Art. 2 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2020/2087; Art. 2 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2021/2081.
53 Vgl. Art. 3 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2020/2087; Art. 3 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2021/2081.
54 Vgl. Art. 4 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2020/2087; Art. 4 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2021/2081.
55 Vgl. aber Art. 10 Abs. 2 PSMV.
56 Vgl. Art. 14 Abs. 1 PSMV; vgl. auch Art. 160 Abs. 2 lit. a LwG i.V.m. Art. 158 Abs. 1 LwG.
57 Vgl. Art. 17 Abs. 1 lit. a PSMV.
58 Vgl. Art. 5 Abs. 1 PSMV i.V.m. Art. 4 PSMV.
59 Vgl. Art. 17 Abs. 1 lit. a PSMV.
60 Vgl. Art. 29 Abs. 3 lit. a PSMV; vgl. auch BVGer B-3969/2021 E. 10.1.
61 Vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_418/2019 vom 12. September 2019 E. 5.1.2; vgl. auch Saladin, 128.
62 Zum massgebenden Verwaltungsrechtsverhältnis im Allgemeinen siehe BGE 144 II 194 E. 4.4.2 und Tschannen, Rz. 101.
63 Vgl. BGer 2C_1034/2022 und 2C_1035/2022 E. 4.3.
64 Vgl. z.B. Art. 86f PSMV; Art. 86h PSMV.
65 Nach der hier vertretenen Auffassung wäre der Widerruf der Bewilligung für das Inverkehrbringen nicht erforderlich. Die Bewilligungsinhaberin dürfte nach Ablauf der in der Verordnung verankerten Ausverkaufsfrist bzw. Frist für das Inverkehrbringen das entsprechende Pflanzenschutzmittel bereits kraft Verordnung nicht mehr in Verkehr bringen. Allerdings sieht Art. 29 Abs. 3 PSMV vor, dass die Zulassungsstelle die Bewilligung formell zu widerrufen hat.
66 Vgl. BGer 2C_1034/2022 und 2C_1035/2022 E. 4.3.
67 Vgl. Art. 189 Abs. 4 BV.
68 Vgl. Art. 5 Abs. 1 BV. Zur inzidenten (Geltungs‑)Kontrolle siehe Brunner/Zollinger, Rz. 12 und Rz. 17 ff.
69 Vgl. Art. 1 Abs. 2 PSMV.
70 Vgl. Art. 1 Abs. 1 PSMV.
71 Während sich Verwaltungsverordnungen „im Sinne einer generellen Dienstanweisung“ an die unter- oder übergeordnete Behörde nach Innen richtet, gestalten die Rechtsverordnungen das (Aussen‑)Verhältnis zwischen den Behörden und den Privaten (vgl. Brunner/Zollinger, Rz. 3; Tschannen/Müller/Kern, Rz. 1114 ff.; Tschannen, Rz. 116 ff.). Die Pflanzenschutzmittelverordnung stützt sich im Wesentlichen auf das Chemikaliengesetz (SR 813.1), das Landwirtschaftsgesetz (SR 910.1) und das Umweltschutzgesetz (SR 814.01), weswegen eine unselbständige Rechtsverordnung vorliegt (vgl. Brunner/Zollinger, Rz. 4).
72 Vgl. BGer 2C_1034/2022 und 2C_1035/2022 E. 4.4; vgl. auch Urteile des Bundesgerichts 2C_854/2021 und 2C_855/2021 vom 29. November 2022 E. 5.2.1. Zu den Vollziehungsverordnungen, die die gesetzlichen Bestimmungen ausführen, aber nicht erweitern, abändern oder ergänzen können, siehe BGE 142 II 451 E. 5.2.7.1, BGE 139 II 460 E. 2.2 oder BGE 136 I 29 E. 3.3. Zu den vollziehenden und gesetzesvertretenden Verordnungen im Allgemeinen siehe Tschannen/Müller/Kern, Rz. 311 ff.
73 Vgl. Art. 5 Abs. 1 BV i.V.m. Art. 164 Abs. 2 BV; BGer 2C_854/2021 und 2C_855/2021 E. 5.2.1.
74 Vgl. auch Brunner/Zollinger, Rz. 15.
75 Vgl. BGer 2C_1034/2022 und 2C_1035/2022 E. 5.2.
76 Vgl. auch BGE 144 II 218 E. 3.3 mit Hinweis auf Art. 4 lit. e ChemG.
77 Vgl. Art. 14 PSMV i.V.m. Art. 3 Abs. 1 lit. i PSMV, wonach die „Einfuhr […] ein Inverkehrbringen im Sinne dieser Verordnung“ ist.
78 Vgl. Art. 160 Abs. 1 LwG.
79 Der Bundesrat kann Ausnahmen vorsehen (vgl. Art. 160 Abs. 6 Satz 2 LwG).
80 Art. 160a LwG bezieht sich auf den räumlichen Geltungsbereich des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen (SR 0.916.026.81). Zum räumlichen Geltungsbereich siehe Art. 16 des Abkommens.
81 BGer 2C_1034/2022 und 2C_1035/2022 E. 5.5.
82 Die Voraussetzungen für die Genehmigung eines Wirkstoffs respektive die Anforderungen an die genehmigten Wirkstoffe sind in der EU und in der Schweiz im Wesentlichen deckungsgleich (vgl. Art. 4 PSMV; Art. 4 Abs. 2 und Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009). Daher ist von „gleichwertigen Anforderungen“ im Sinne von Art. 160 Abs. 6 LwG auszugehen.
83 Vgl. Botschaft vom 29. Mai 2002 zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik (Agrarpolitik 2007), Teil I: Teilrevision des Landwirtschaftsgesetzes (LwG), BBl 2002 4727 ff., 4843; vgl. auch Botschaft vom 17. Mai 2006 zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik (Agrarpolitik 2011), BBl 2006 6337 ff., 6379 f.
84 Vgl. BGE 141 II 169 E. 3.5; Urteil des Bundesgerichts 2C_733/2020 vom 15. März 2021 E. 4.3.2.
85 Demgegenüber ist eine Übertragung der Rechtsetzung auf Gruppen und Ämter nur zulässig, wenn ein Bundesgesetz oder ein allgemeinverbindlicher Bundesbeschluss dazu ermächtigt (vgl. Art. 48 Abs. 2 RVOG).
86 Vgl. AS 2021 321 ff., 1 f.
87 Vgl. AS 2022 338 ff., 1.
88 Vgl. Art. 160 f. LwG.
89 Vgl. z.B. Urteil des Bundesgerichts 2C_254/2021 vom 27. September 2021 E. 6.3; BGer 2C_733/2020 E. 4.3.3–4.3.5; Urteil des Bundesgerichts 2C_765/2020 vom 14. Januar 2021 E. 5.4.1–5.4.5; vgl. auch Kocher, Rz. 489, der in diesem Zusammenhang zu Recht von einer „Doppelauslegung“ spricht.
90 Zur häufigen „Unzulänglichkeit des grammatikalischen Auslegungselements“ siehe Brunner/Zollinger, Rz. 19 ff. Zum pragmatischen Methodenpluralismus siehe den Unterschied zwischen BGE 145 II 270 E. 4.1 und BGE 144 III 100 E. 5.2. Zur Kritik an der „Methodenbeliebigkeit“, den das Bundesgericht zu pflegen schient, siehe Stadelmann, 690 ff.
91 Vgl. auch Brunner/Zollinger, Rz. 12 und Rz. 18 i.f.
92 Zur Definition des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit siehe BGE 148 II 475 E. 5 und BGE 148 II 392 E. 8.2 oder Müller, 27 ff.
93 Zum Umfang des Anerkennungsmechanismus siehe oben, III.1.c).
94 Vgl. BGer 2C_1034/2022 und 2C_1035/2022 E. 6.3.3; BVGer B-3860/2022 und B-3862/2022 E. 3.4.4.3.
95 BLW, 89.
96 Vgl. BVGer B-3969/2021 E. 13.9.6.
97 Vgl. Art. 10 Abs. 1 PSMV i.V.m. Art. 160 Abs. 6 LwG und Art. 160a LwG.
98 Vgl. BGE 145 II 140 E. 4; 134 I 23 E. 7.6.1.
99 Vgl. Art. 5 Abs. 3 BV; BGE 134 I 23 E. 7.6.1; 130 I 26 E. 8.1.
100 Zur detaillierten Auslegung von Art. 10 Abs. 1 PSMV mit Blick auf „die gleichen Fristen“ siehe BVGer B-3969/2021 E. 13.6.
101 Vgl. BVGer B-3860/2022 und B-3862/2022 E. 3.4.3.2.
102 Vgl. Art. 86h PSMV; BGer 2C_1034/2022 und 2C_1035/2022 E. 6.3.3.
103 Vgl. BVGer B-3860/2022 und B-3862/2022 E. 3.4; BGer 2C_1034/2022 und 2C_1035/2022 E. 6.
104 Vgl. BGer 2C_1034/2022 und 2C_1035/2022 E. 6.2.2; BVGer B-3860/2022 und B-3862/2022 E. 3.4.3.2.
105 Vgl. BGer 2C_1034/2022 und 2C_1035/2022 E. 6.2.3 mit Hinweis auf den Bericht des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) vom 19. August 2019, Das Insektensterben stoppen – eine Auslegeordnung zuhanden der UREK-N, Ursachen, Handlungsbedarf, Massnahmen; vgl. auch BVGer B-3860/2022 und B-3862/2022 E. 3.4.3.2 mit weiteren Hinweisen.
106 Vgl. BGer 2C_1034/2022 und 2C_1035/2022 E. 6.3.2; BVGer B-3860/2022 und B-3862/2022 E. 3.4.4.3.
107 Vgl. Art. 86f PSMV.
108 BVGer B-3969/2021 E. 13.9.6.
109 Zum Verhältnis zwischen dem Untersuchungsgrundsatz und der subjektiven sowie objektiven Beweislast siehe Urteil des Bundesgerichts 2C_387/2021 vom 4. November 2021 E. 7.3.1.
110 Vgl. auch Art. 8 PSMV.
111 Vgl. BVGer B-3969/2021 E. 13.9.7.
112 Vgl. BGE 129 V 226 E. 2.2; Urteil des Bundesgerichts 2C_711/2022 vom 9. Dezember 2022 E. 1.3.2.
113 Vgl. BGE 142 II 268 E. 4.2.3; Müller, 91 ff.
114 Zum Ermessensmissbrauch als eine Form der nicht pflichtgemässen Ausübung des Ermessens siehe anstelle vieler BGE 147 V 194 E. 6.3 oder BGE 98 V 129 E. 2. Vgl. auch Schindler, Rz. 198, „wonach Ermessensmissbrauch und Willkür weitgehend ineinander aufgehen“, und Rz. 267. Zur Sinnhaftigkeit der Kategorien der Ermessensüberschreitung und Ermessensunterschreitung siehe Schindler, Rz. 222 und Rz. 268 f. sowie Rhinow, 93 ff.
115 Vgl. Art. 31 VGG i.V.m. Art. 49 lit. c VwVG.
116 Vgl. Art. 4 Abs. 2 und Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009; vgl. auch Art. 4 Abs. 1 PSMV i.V.m. Ziff. 3 Anhang 2 der Pflanzenschutzmittelverordnung.
117 Vgl. BVGer B-3860/2022 und B-3862/2022 E. 3.4.4.3 i.f., wonach „kein Grund ersichtlich [ist], weshalb die Umsetzungsfristen in der Schweiz gegenüber dem EU-Rechtssetzungsprozess derart verzögert sind“.