Risiko & Recht

Ausgabe 02 / 2025

Das polizeirechtliche Veranstaltungsverbot im Kanton St. Gallen

Patrice Martin Zumsteg*

Veranstaltungen können die öffentliche Sicherheit und Ordnung stören. Gleichzeitig stellt ein präventives Verbot von Veranstaltungen eine schwerwiegende Grundrechtseinschränkung dar. Der Kanton St. Gallen hat dementsprechend hohe Hürden in seinem Polizeigesetz für ein solches Verbot vorgesehen. Der vorliegende Beitrag untersucht anhand eines Anwendungsfalls die praktische Umsetzbarkeit von Art. 50<sup>quater</sup> des Polizeigesetzes des Kantons St. Gallen (PG/SG)[Polizeigesetz vom 10. April 1980 des Kantons St. Gallen (PG SG, sGS 451.1)].

* Dr. iur. Patrice Martin Zumsteg ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent für Staats- und Verwaltungsrecht an der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Winterthur. Er leitet dort den Kompetenzbereich Sicherheits- und Innovationsrecht. Überdies ist er als Rechtsanwalt bei AAK Anwälte und Konsulenten AG, Zürich, tätig. Beim vorliegenden Beitrag handelt es sich um die überarbeite Version eines Leistungsnachweises, den ein Polizist mit eidgenössischem Diplom im CAS Recht der inneren Sicherheit 2024 an der ZHAW eingereicht hat.

Inhalt

  1. Veranstaltungen als Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung
  2. Entstehungsgeschichte
    1. Rocktoberfest Unterwasser
    2. Ergänzung des kantonalen Polizeigesetzes als Reaktion
  3. Veranstaltungsverbot als Grundrechtseingriff
    1. Tangierte Grundrechte im Allgemeinen
    2. Versammlungsfreiheit im Besonderen
      1. Gesetzliche Grundlage
      2. Einschränkungsinteresse
      3. Verhältnismässigkeit
      4. Kerngehalt
      5. Zwischenfazit
  4. Anwendungsfall – Vortrag von Martin Sellner
  5. Zukunft des Veranstaltungsverbots
  6. Literaturverzeichnis

I. Veranstaltungen als Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung

Private Veranstaltungen sind ein wichtiger Teil des gesellschaftlichen Lebens.[1]Vgl. etwa die Übersicht bei <https://st.gallen-bodensee.ch/de/entdecken/veranstaltungen.html>. Gleichzeitig haben sie das Potenzial, eine ganze Reihe von öffentlichen Interessen zu tangieren, worauf dann staatliche Behörden tätig werden. Zu denken ist etwa an die Benutzung des öffentlichen Raums durch die Veranstaltungen oder Auswirkungen auf denselben von Veranstaltungen auf Privatgrund.[2]So gehört der Kybunpark, das Heimstadion des FC St. Gallen, einer Privaten, nämlich der Stadion St. Gallen AG. Wird durch eine Veranstaltung die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet oder gestört, ist der allgemeine Auftrag der Polizei angesprochen.[3]Art. 1 PG SG; Tiefenthal, § 4 Rz. 18 ff.

Als die Kantonspolizei St. Gallen 2016 mit einem rechtsextremen Grossanlass konfrontiert war, erkannten die Behörden, dass eine Rechtsgrundlage fehlte, um eine solche Veranstaltung verbieten zu können. Der vorliegende Beitrag stellt dar, wie im Anschluss daran das polizeirechtliche Veranstaltungsverbot im Kanton St. Gallen zu Stande kam. Dieses tangiert potenziell eine ganze Reihe von Grundrechten, wobei hier der Fokus auf die Versammlungsfreiheit gelegt wird. Die sich dabei stellenden Fragen werden sodann anhand eines Anwendungsfalls vertieft und der Beitrag wird mit einem Blick in die Zukunft abgeschlossen.

II. Entstehungsgeschichte

1. Rocktoberfest Unterwasser

Am 15. Oktober 2016 trafen sich rund 5’000 Personen aus der rechtsextremen Szene in Unterwasser, einer Ortschaft im ländlichen St. Galler Toggenburg.[4]Vgl. <https://www.srf.ch/news/schweiz/schweiz-rund-5000-besucher-bei-neonazi-konzert-im-toggenburg>.

Die Sicherheitsbehörden hatten zwar schon im Vorfeld Kenntnis über ein geplantes Rechtsrockkonzert unter dem Namen «Live im Reich», das innerhalb der Szene u. a. mit Flugblättern sowie online beworben worden war. Trotz intensiven Versuchen war es aber im Vorfeld nicht gelungen, den konkreten Veranstaltungsort ausfindig zu machen. Bis kurz vor dem Termin war von einem Ort in Deutschland ausgegangen worden; Hinweise auf eine Austragung in der Schweiz respektive im Kanton St. Gallen lagen nicht vor. Die Organisatoren gaben vor, ein Konzert für Schweizer Nachwuchsbands unter dem Namen «Rocktoberfest» zu organisieren, was sowohl den Gemeindebehörden als auch privaten Zulieferern glaubhaft schien. Deshalb lagen bei Veranstaltungsbeginn die notwendigen kommunalen Bewilligungen und gültige (Miet-)Verträge vor; die Gastronomie-, Sanitär- und Bühneninfrastruktur war komplett eingerichtet.[5]Vgl. <https://www.stern.de/politik/ausland/nazi-konzert-in-schweiz–wie-konnte-es-dazu-kommen–7107916.html>.

Erst sehr kurz vor Beginn gelang es den Sicherheitsbehörden schliesslich, den Veranstaltungsort zu ermitteln. Beim Eintreffen der ersten Polizeikräfte befanden sich dann aber bereits über 1’000 Besucherinnen und Besucher vor Ort. In den folgenden Stunden folgten weitere – vorwiegend ausländische – Teilnehmer mit Privatfahrzeugen und Reisecars. Der Andrang überraschte selbst die Veranstalter, welche mit höchstens 3’000 Personen gerechnet hatten. Tatsächlich waren am Ende aber die erwähnten rund 5’000 Personen vor Ort. Aufgrund dieses Ausmasses und der gültigen Bewilligung entschied die Kantonspolizei St. Gallen, den Anlass zu begleiten, um so wenigstens die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten.[6]Vgl. <https://www.spiegel.de/politik/ausland/neonazikonzert-in-der-schweiz-ein-anruf-bei-gemeindepraesident-rolf-zuellig-a-1117103.html#ref=rss>.

Die Veranstaltung löste heftige öffentliche Reaktionen aus – bis hin zur Rücktrittsforderung an den damaligen Kommandanten der Kantonspolizei St. Gallen.[7]Vgl. <https://www.tagesanzeiger.ch/sp-fordert-ruecktritt-von-st-galler-polizeichef-​553​623817905> und … Continue reading Bei der Staatsanwaltschaft St. Gallen gingen mehrere Anzeigen ein – u. a. von der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) – wegen des Verdachts auf Verletzung von Art. 261bis StGB[8]Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (StGB, SR 311.0). (Diskriminierung und Aufruf zu Hass). Die Staatsanwaltschaft eröffnete jedoch keine Strafuntersuchung, weil sich keine Anhaltspunkte für strafbares Verhalten der unbekannten Täterschaft fanden.[9]Vgl. <https://www.srf.ch/news/schweiz/rechtsextreme-in-unterwasser-keine-strafuntersuchung-wegen-neonazi-konzert>.

Die Reaktionen auf diesen Grossanlass der rechtsextremen Szene und die Erkenntnis, dass die Behörden keine Rechtsgrundlage hatten, um eine solche unerwünschte Veranstaltung zu verbieten, riefen die Politik auf den Plan. Diese kündigte schon kurz nach der Veranstaltung an, das kantonale Recht entsprechend ändern zu wollen.[10]Vgl. <https://www.srf.ch/news/schweiz/nach-nazi-konzert-rechtsextreme-anlaesse-koennen-nun-verboten-werden>. Umfassend zu den gesamten Geschehnissen auch … Continue reading

2. Ergänzung des kantonalen Polizeigesetzes als Reaktion

Am 21. Februar 2017 reichte die CVP-GLP-Fraktion im Kantonsrat St. Gallen eine Motion mit dem Titel «Veranstaltungen mit extremistischem Hintergrund verbieten» ein.[11]Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 42.17.01, Wortlaut vom 21. Februar 2017. Darin wurde festgehalten, dass sich Politik und Behörden im Umgang mit Links- und Rechtsextremismus schwer tun würden. Nach der Veranstaltung in Unterwasser sei ein Durchführungsverbot für eine von einer rechtsextremen Gruppierung angekündigte Veranstaltung auf die polizeiliche Generalklausel gestützt worden. Die Erfahrungen würden nun aber zeigen, dass eine besondere gesetzliche Grundlage zu schaffen sei. Dies würde auch die Rechtssicherheit verstärken. Die Regierung solle deshalb einen Entwurf für eine kantonale gesetzliche Grundlage vorlegen, gestützt auf welche Veranstaltungen mit extremistischem Hintergrund verboten werden könnten.[12]Ebenda.

Schon zwei Wochen später beantragte die Regierung die Gutheissung der entsprechenden Motion.[13]Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 42.17.01, Antrag der Regierung vom 7. März 2017. Eine spezifische Regel, wie von den Motionären gefordert, fehle im Kanton St. Gallen. Gleichzeitig würden Veranstaltungen mit extremistischem Hintergrund zunehmen. Es bestehe deshalb ein Bedarf danach, «extremistische Anlässe, die mit den schweizerischen Grundwerten unvereinbar sind», zu verhindern.[14]Ebenda.

Der Kantonsrat hiess die Motion am 25. April 2017 gut.[15]Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 42.17.01, Letzte Abstimmung. Die Umsetzung der Motion wurde in den XIII. Nachtrag zum Polizeigesetz integriert, zu welchem die Regierung im Sommer 2019 ihren Entwurf unterbreitete.[16]Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Botschaft und Entwurf der Regierung vom 2. Juli 2019, S. 2. Dabei wurde folgende neue Bestimmung im PG/SG vorgeschlagen:

«Art. 50quater Veranstaltungsverbot

Die Durchführung einer Veranstaltung, die nicht mit der demokratischen und rechtsstaatlichen Grundordnung vereinbart werden kann und dadurch das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung massgeblich beeinträchtigt, ist verboten.»[17]Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Botschaft und Entwurf der Regierung vom 2. Juli 2019, S. 27.

Die Regierung hielt in der Botschaft dazu fest, dass solche Veranstaltungen eine gewisse Anonymität erzeugen würden, aus welcher heraus Delikte begangen werden könnten. Zudem bestehe ein Risiko, dass Dritte mit entgegengesetzter Haltung Scharmützel starten könnten, welche sowohl für die Anwohner als auch für die Polizei gefährlich werden könnten. Dies könne dann wiederum dazu führen, dass sich die Bevölkerung durch eine derartige Veranstaltung unmittelbar bedroht fühle, was ein präventives polizeiliches Handeln notwendig mache.[18]Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Botschaft und Entwurf der Regierung vom 2. Juli 2019, S. 13. Gleichzeitig sei zu vermeiden, dass Grundrechte – wie insb. die Meinungsäusserungs-, Versammlungs- und Kunstfreiheit – übermässig eingeschränkt oder eine staatliche Zensur eingeführt würden. Keinesfalls gehe es darum, ein Gesinnungsstrafrecht einzuführen oder den legitimen politischen Diskurs zu verunmöglichen. Massgeblich solle deshalb einzig sein, dass die Veranstaltung die zentralen Werte der Schweiz, «namentlich die gewaltlose und tolerante Koexistenz von Menschen», beeinträchtigen könne.[19]Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Botschaft und Entwurf der Regierung vom 2. Juli 2019, S. 13 f. Bei der Anwendung der neuen Norm sei zu verhindern, dass unliebsame Veranstaltungen in einer willkürlichen Art und Weise verboten würden. Dies könne durch das zusätzliche Kriterium, dass gerade durch die Veranstaltung das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung massgeblich beeinträchtigt werde, erreicht werden. Als Beispiel, wie sich dies manifestiert, wurde genannt, dass Eltern ihre Kinder nicht mehr auf öffentlichem Grund spielen lassen würden.[20]Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Botschaft und Entwurf der Regierung vom 2. Juli 2019, S. 14 f. Abgestellt werden könne aber auch auf Rückmeldungen aus der Bevölkerung, Medienberichte oder auf die ausreichende «Lebenserfahrung» einer «Führungsperson der Kantonspolizei».[21]Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Botschaft und Entwurf der Regierung vom 2. Juli 2019, S. 22. Damit die vorgeschlagene Norm angewandt werden könne, müssten also kumulativ zwei Kriterien vorliegen: Unvereinbarkeit der Veranstaltung mit der demokratischen und rechtsstaatlichen Grundordnung und dadurch kausal ausgelöst eine massgebliche Beeinträchtigung des Sicherheitsempfindens.[22]Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Botschaft und Entwurf der Regierung vom 2. Juli 2019, S. 15 und 21 f. Ein neuer Übertretungsstraftatbestand sei nicht erforderlich. Das vorgeschlagene polizeirechtliche Verbot könne dann mit den Zwangsmassnahmen der Polizei durchgesetzt werden; wenn es dabei zu Straftaten komme, habe die Polizei auch diese Instrumente zur Verfügung.[23]Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Botschaft und Entwurf der Regierung vom 2. Juli 2019, S. 14 und 21 f.

Angesichts der mit der neuen Norm verbundenen Grundrechtseinschränkungen, allgemein der Frage der Eignung und damit der Verhältnismässigkeit der Massnahme, der Subjektivität des Sicherheitsempfindens und der sich daraus ergebenden (weiten) Entscheidungskompetenz zeigte sich die vorberatende Kommission zunächst skeptisch und beantragte die Streichung der Bestimmung.[24]Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Protokoll der Sitzung der vorberatenden Kommission vom 4. November 2019, S. 22 ff.; Anträge der vorberatenden Kommission vom 21. Oktober 2019. Die Regierung hielt dem vor allem entgegen, dass ein Abstellen auf die polizeiliche Generalklausel in Zukunft kaum mehr möglich sei, wenn die vorgeschlagene Norm abgelehnt werde. Das Bundesgericht verlange, dass bekannte Gefahren durch den Gesetzgeber adressiert würden; wo es an der Unvorhersehbarkeit fehle, sei eine Berufung auf die Generalklausel nicht mehr möglich.[25]Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Botschaft und Entwurf der Regierung vom 2. Juli 2019, S. 14, sowie Protokoll der vorberatenden Kommission vom 4. November 2019, S. 22.

Zu einer zweiten Sitzung der Kommission wurde als Experte Benjamin Schindler, Professor für öffentliches Recht an der Universität St. Gallen, eingeladen. Er hielt fest, dass ein Veranstaltungsverbot zahlreiche Grundrechte tangiere. Neben einer gesetzlichen Grundlage sei ein schwerwiegendes öffentliches Interesse nötig, damit ein solcher Eingriff zulässig sei. Gerade bei der Versammlungsfreiheit reiche «nicht irgendein subjektives Sicherheitsgefühl».[26]Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Protokoll der Sitzung der vorberatenden Kommission vom 21. Januar 2020, S. 5 f. Zudem wies er auf die Unterscheidung zwischen privaten Räumen und dem öffentlichen Raum hin.[27]Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Protokoll der Sitzung der vorberatenden Kommission vom 21. Januar 2020, S. 6 f. Zur Verhältnismässigkeit hob er schliesslich hervor, dass diese jeweils im konkreten Fall beurteilt werden müsse.[28]Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Protokoll der Sitzung der vorberatenden Kommission vom 21. Januar 2020, S. 7. Ausgeklammert hatte Benjamin Schindler allerdings die Fragen der praktischen Umsetzung (Informationsbeschaffung und Auflösung einer bereits gestarteten Veranstaltung mit zahlreichen Personen).[29]Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Protokoll der Sitzung der vorberatenden Kommission vom 21. Januar 2020, S. 4. Ausgehend davon machte er einen alternativen Vorschlag für eine neue Bestimmung.[30]Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Protokoll der Sitzung der vorberatenden Kommission vom 21. Januar 2020, S. 8. In der anschliessenden Diskussion wurde beantragt, diesen Vorschlag zu übernehmen. Dem stimmte die Kommission mit grossem Mehr zu.[31]Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Protokoll der Sitzung der vorberatenden Kommission vom 21. Januar 2020, S. 24. Die Norm ist seit dem 1. Juli 2020 in Vollzug und lautet:[32]Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Festlegung des Vollzugbeginns vom 21. April 2020.

«Art. 50quater Veranstaltungsverbot

1 Veranstaltungen mit Auswirkungen auf den öffentlichen Raum werden von der Polizei verboten, wenn sie nicht mit der demokratischen und rechtsstaatlichen Grundordnung vereinbart werden können und dadurch das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung massgeblich beeinträchtigen.

2 Veranstaltungen auf privatem Grund können nach Abs. 1 nur verboten werden, wenn eine schwere und unmittelbare Gefährdung oder Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht anders abgewehrt werden kann oder Anzeichen bestehen, dass es zu Verbrechen oder Vergehen kommen könnte.»

III. Veranstaltungsverbot als Grundrechtseingriff

1. Tangierte Grundrechte im Allgemeinen

Von einem Veranstaltungsverbot sind potenziell zahlreiche Grundrechte betroffen. Neben der Versammlungs- und Meinungsfreiheit können dies etwa auch die persönliche Freiheit, der Anspruch auf Privatsphäre, die Glaubens- und Gewissensfreiheit, die Kunstfreiheit oder die Wirtschaftsfreiheit sein.[33]Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Protokoll der Sitzung der vorberatenden Kommission vom 21. Januar 2020, S. 5. Neben der direkten Verkürzung dieser grundrechtlichen Ansprüche kann ein Veranstaltungsverbot auch eine abschreckende Wirkung auf die Grundrechtsausübung haben: Wer eine Veranstaltung durchführen wollte, die dann verboten wird, könnte in Zukunft davon absehen, wieder eine Veranstaltung zu planen. Dieser «chilling effect» ist als eigenständiger Grundrechtseingriff in Lehre und Rechtsprechung anerkannt.[34]Grabenwarter/Pabel, § 23 Rz. 42; Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 309 f., je m. w. H. auf die Rechtsprechung.

Zu der Tatsache, dass von einem Veranstaltungsverbot zahlreiche Grundrechte direkt oder mittels Abschreckungswirkung tangiert werden, kommt hinzu, dass von einem solchen Verbot unbestimmt viele Grundrechtsträger betroffen sind, deren Grundrechtsausübung von Anfang an unterbunden wird. Auszugehen ist deshalb von einer schwerwiegenden Grundrechtseinschränkung.[35]Allgemein zur Intensität einer Einschränkung Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 312 ff.; spezifisch zu Veranstaltungsverboten als schwerwiegende Einschränkungen Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 1085, … Continue reading

Im Folgenden wird auf den Eingriff in die Versammlungsfreiheit fokussiert, da dieses Grundrecht von einem Veranstaltungsverbot wohl stets tangiert sein wird. Zur Veranschaulichung wird bei der Grundrechtsprüfung dargestellt, ob die neue Bestimmung in Art. 50quater PG/SG auf das Rechtsrockkonzert in Unterwasser in zulässiger Weise hätte angewandt werden können.

2. Versammlungsfreiheit im Besonderen

Die Versammlungsfreiheit wird u. a. in Art. 2 lit. p KV/SG[36]Verfassung des Kantons St. Gallen vom 10. Juni 2001 (KV SG, sGS 111.1)., Art. 22 BV[37]Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101). und Art. 11 EMRK[38]Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (EMRK, SR 0.101). geschützt.[39]Grabenwarter/Pabel, § 23 Rz. 69 ff.; Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 1046 ff. Unter einer Versammlung wird das Zusammenkommen von mehr als einer Person zu einem weit verstandenen, gegenseitig meinungsbildenden oder meinungsäussernden Zweck verstanden.[40]Grabenwarter/Pabel, § 23 Rz. 72; Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 1052 ff. Auf das entsprechende Grundrecht können sich primär natürliche Personen – unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit – berufen. Dies gilt aber ebenso für juristische Personen und Organisationskomitees, soweit sie Veranstalter einer Versammlung sind.[41]SGK BV-Errass, Art. 22 Rz. 51 f.; Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 1050.

Nach dem Gesagten fällt das Zusammenkommen von rund 5’000 Personen zu einem gemeinsamen Konzert unter die Versammlungsfreiheit. Sowohl die Teilnehmerinnen als auch die Organisatoren eines solchen Konzerts können sich auf dieses Grundrecht berufen.

Greifen die staatlichen Behörden mittels Veranstaltungsverbot in die Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit ein, so muss sich diese Einschränkung an den Voraussetzungen messen lassen, wie sie in Art. 36 BV verankert sind.[42]SGK BV-Errass, Art. 22 Rz. 57 ff.; Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 1084. Im Wesentlichen gleich sind die Anforderungen von Art. 11 Abs. 2 EMRK, weshalb im Folgenden eine gemeinsame Prüfung erfolgt.[43]Grabenwarter/Pabel, § 23 Rz. 78 ff.; Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 294 und 1084. Nicht weiter vertieft wird zudem die Frage der Berufung auf Art. 17 EMRK, der den Missbrauch der Konventionsrechte verbietet.[44]Vgl. etwa Villiger, Rz. 976 ff. Die Konstellationen, in welchen der EGMR sich auf Art. 17 EMRK stützte, betreffen vor allem Fälle, in denen ausdrücklich der Nationalsozialismus verherrlicht oder verharmlost wurde.[45]Vgl. etwa EGMR, Urteil vom 20. Oktober 2015 in der Rechtssache 25239/13 – M’Bala M’Bala/Frankreich, Rz. 33 ff.; EGMR, Urteil vom 13. Dezember 2005 in der Rechtssache 7485/03 – … Continue reading Es ist nicht auszuschliessen, dass es am 15. Oktober 2016 zu solchen Äusserungen kam, ein Nachweis dafür liegt allerdings nicht vor. Zudem wäre ein Verbot solcher Aussagen nach Schweizer Grundrechtsdogmatik über die Grundrechtseinschränkung – und nicht den Schutzbereich – zu betrachten.[46]Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 884; OK BV-Zumsteg, Art. 22 Rz. 18, m. w H.

a) Gesetzliche Grundlage

Das Veranstaltungsverbot ist in Art. 50quater PG/SG enthalten, der durch den Kantonsrat – und damit die kantonale Legislative – erlassen wurde.[47]Vgl. oben II.2. und Art. 63 ff. KV SG. Es handelt sich demnach um ein Gesetz im formellen Sinn, welches auch Grundlage schwerwiegender Grundrechtseinschränkungen sein kann.[48]Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BV und Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 336 f.

Darüber hinaus muss die Norm genügend bestimmt und klar formuliert sein. Die Rechtsunterworfenen müssen mögliche Einschränkungen vorhersehen können, während den rechtsanwendenden Behörden hinreichende Vorgaben gemacht werden, so dass eine rechtsgleiche und willkürfreie Handhabung möglich ist.[49]Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 338; SGK BV-Schweizer/Krebs, Art. 36 Rz. 24. Diesbezüglich erfordern zwei Begriffe eine nähere Betrachtung:

Der Begriff der Veranstaltung wird im (Polizei-)Recht des Kantons St. Gallen nicht näher definiert, auch wenn er in unterschiedlichen Kontexten Verwendung findet.[50]So etwa im Gesetz über Ruhetag und Ladenöffnung vom 29. Juni 2004 des Kantons St. Gallen (RLG SG, sGS 552.1) oder im Konkordat über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen … Continue reading Naheliegend ist deshalb das Abstellen auf ein Alltagsverständnis, wonach eine Veranstaltung ein geplantes Zusammenkommen von mehreren natürlichen Personen darstellt. Als solches umfasst der Begriff der Veranstaltung Anlässe aller Art (Tagungen, Seminare, Feste etc.), wobei ganz unterschiedliche Zwecke (kulturelle, sportliche, wirtschaftliche etc.) verfolgt werden können. Das Rechtsrockkonzert von Unterwasser ist demnach ebenso eine Veranstaltung wie ein Fussballspiel oder eine politische Tagung.

Eine Voraussetzung für ein Verbot von Veranstaltungen mit Auswirkungen auf den öffentlichen Raum ist eine massgebliche Beeinträchtigung für das «Sicherheitsempfinden der Bevölkerung» (Art. 50quater Abs. 1 PG/SG). Als innere Tatsache, welche zudem bei unbestimmt vielen Personen vorliegen muss, handelt es sich beim Sicherheitsempfinden um einen sehr unbestimmten Begriff.[51]Zu den vergleichbaren Schwierigkeiten bei der Schreckung der Bevölkerung i. S. v. Art. 258 StGB vgl. etwa BSK StGB-Fiolka, Art. 258 Rz. 21 ff. Das Bundesgericht hat zwar das «Sicherheitsgefühl von Passanten» (im Bahnhof Bern) als öffentliches Interesse anerkannt.[52]BGE 132 I 49 E. 7.1 S. 61; bestätigt etwa in BGE 140 II 214 E. 5 S. 225. Allerdings ist unklar, wie dieses Empfinden ermittelt wird respektive sich zeigen muss, damit darauf abgestellt werden kann.[53]Vgl. aus Deutschland etwa die Analyse von Lüdemann, woraus ersichtlich wird, dass entsprechende Erhebungen komplex sind. Immerhin hat das höchste Gericht festgehalten: «Das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung stellt ein Faktum dar, das die Rechtsetzung legitimerweise beeinflussen darf und muss, wenn es aufgrund von Erhebungen festgestellt wird».[54]BGE 136 I 1 E. 4.4.2 S. 11 (Hervorhebung hinzugefügt), unter Berufung auf Hangartner, 742. Anders als von der Regierung vertreten, genügt dazu nicht die Lebenserfahrung einer Führungsperson innerhalb der Kantonspolizei.[55]Vgl. oben II.2. Allfällige Meldungen aus der Bevölkerung hinsichtlich des Sicherheitsempfindens sind zu dokumentieren, wenn darauf abgestellt werden soll. Nur so kann im Nachhinein eine sinnvolle (gerichtliche) Überprüfung des Veranstaltungsverbots durchgeführt werden. Im Fall des Rechtsrockkonzerts in Unterwasser zeigt sich schliesslich eine weitere Schwierigkeit der Norm: Die Beeinträchtigung des Sicherheitsempfindens muss gemäss dem Wortlaut von Art. 50quater PG/SG tatsächlich eintreten («dadurch»).[56]Diese Kausalität ergibt sich auch aus den Materialien, vgl. oben II.2. Dies setzt Kenntnis über die geplante Veranstaltung bei der Bevölkerung voraus, was in casu gerade nicht der Fall war – nicht einmal die Behörden wussten von der Durchführung.

Zu Gunsten von Art. 50quater PG/SG ist festzuhalten, dass gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung die Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot im Polizeirecht herabgesetzt sind.[57]Statt vieler BGE 147 I 103 E. 16. S. 129 f., m. w. H. Diese Rechtsprechung ist aber einerseits auf berechtigte Kritik in der Lehre gestossen.[58]Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 362; SGK BV-Schweizer/Krebs, Art. 36 Rz. 26. Andererseits bindet die Praxis des Bundesgerichts den EGMR in seiner Anwendung des hier einschlägigen Art. 11 EMRK selbstverständlich nicht. Unter der EMRK muss eine gesetzliche Grundlage ebenfalls so hinreichend bestimmt sein, dass ein Rechtsunterworfener die Folgen seines Handelns voraussehen kann, wobei bei schwerwiegenden Eingriffen – wie hier einer vorliegt – tendenziell höhere Anforderungen an die Bestimmtheit gestellt werden.[59]Grabenwarter/Pabel, § 18 Rz. 11; Villiger, Rz. 645, je m. w. H. auf die Rechtsprechung des EGMR.

b) Einschränkungsinteresse

Das Polizeirecht im Allgemeinen wie auch Art. 50quater PG/SG wollen primär die öffentliche Sicherheit und Ordnung wahren.[60]Art. 1 PG SG und allgemein zum Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Tschannen/Müller/Kern, Rz. 1483 ff. Konkret bezweckt das Veranstaltungsverbot gemäss dem Willen der Regierung den Schutz der schweizerischen Grundwerte sowie die Prävention von Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppen und anderen Delikten.[61]Vgl. oben II.2. Dieses öffentliche Interesse ist grundsätzlich geeignet, Einschränkungen von Versammlungen im öffentlichen wie auch im privaten Raum zu rechtfertigen.[62]Urteil des Bundesgerichts 1C_35/2015 vom 28. Oktober 2015 E. 3.4, betreffend eine Veranstaltung auf privatem Grund des Islamischen Zentralrats Schweiz (IZRS); BGE 132 I 256 E 4.4 und 4.5 … Continue reading Letztere dürfen nur aus besonders schwerwiegenden Gründen untersagt werden.[63]So schon BGE 103 Ia E. 3b S. 312; bestätigt etwa in BGE 147 I 161 E. 7.2 S. 170. Aus der Lehre etwa OFK BV-Biaggini, Art. 22 Rz. 16.

Insbesondere im öffentlichen Raum sind zudem Konstellationen denkbar, in welchen der Schutz von Grundrechten Dritter zur Rechtfertigung eines Veranstaltungsverbots dienen kann.[64]Vgl. OK BV-Zumsteg, Art. 22 Rz. 54, m. w H. Etwa, indem die zu verbietende Veranstaltung bewusst und mit Gewalt eine bewilligte Demonstration stören soll. Im Kontext eines Rechtsrockkonzerts kann zudem mit Handlungen und Aussagen gerechnet werden, welche Art. 261bis StGB (Diskriminierung und Aufruf zu Hass) verletzen,[65]Vgl. Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Wallis vom 28. Januar 2010, KGVS P1 09 29 E. 4c. womit das Rechtsgut von Art. 8 Abs. 2 BV (Diskriminierungsverbot) tangiert ist.[66]Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 1879; SGK BV-Schweizer/Fankhauser, Art. 8 Rz. 65. Art. 261bis StGB ist ein Vergehen i. S. v. Art. 10 Abs. 3 StGB,[67]BSK StGB-Niggli, Art. 10 Rz. 26. so dass grundsätzlich auch der Abs. 2 von Art. 50quater PG/SG anwendbar ist. Allerdings wurde im Fall Unterwasser schliesslich keine entsprechende Strafuntersuchung eröffnet, weil die Staatsanwaltschaft keine Anhaltspunkte für strafbares Verhalten finden konnte.[68]Vgl. oben II.1.

Bereits erwähnt wurde schliesslich, dass das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ein öffentliches Interesse darstellt. Allerdings leidet der Begriff hier an denselben Schwächen, welche auch seine Anwendbarkeit als Teil der gesetzlichen Grundlage erschweren.[69]Vgl. oben III.2.a).

c) Verhältnismässigkeit

Zunächst ist zur Verhältnismässigkeit festzuhalten, dass der entsprechenden Prüfung eine besondere Bedeutung zukommt, wo – wie hier – die anzuwendende Bestimmung eine tiefe Normdichte aufweist.[70]BGE 136 I 87 E. 3.1 S. 90 f.; Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 359. Die Eignung, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit eines Veranstaltungsverbots ist deshalb in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen.[71]Vgl. allgemein zur Verhältnismässigkeit statt vieler OFK BV-Biaggini, Art. 36 Rz. 23.

An die Eignung einer Massnahme zur Verwirklichung der Eingriffsinteressen wird kein strenger Massstab angelegt: Erst wenn die Massnahme diesbezüglich gar keine Wirkung entfaltet oder gar kontraproduktiv ist, erweist sie sich als ungeeignet.[72]Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 403 ff., m. w. H. Grundsätzlich ist ein präventives Verbot von Veranstaltungen geeignet, zur öffentlichen Sicherheit und Ordnung beizutragen. Allerdings erscheint fraglich, wie die Eignung hinsichtlich des Sicherheitsempfindens der Bevölkerung festgestellt werden soll. Eine Veranstaltung mag verboten werden, weil sie mit der demokratischen und rechtsstaatlichen Grundordnung unvereinbar ist – die Personen, welche an dieser Veranstaltung teilgenommen hätten, legen deshalb aber nicht ihre entsprechenden Überzeugungen ab. Ist es nun dem Sicherheitsempfinden zu- oder abträglich, wenn das Vorhandensein solcher Haltungen aus der Öffentlichkeit verdrängt wird? Ohne seriöse Erhebungen lässt sich dies kaum abschliessend sagen.

Weiter müssen Einschränkungen von Grundrechten unterbleiben, wenn eine gleichermassen geeignete, aber mildere Massnahme zur Verfügung steht.[73]Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 408. Die Erforderlichkeit muss in sachlicher, räumlicher, zeitlicher und persönlicher Sicht gegeben sein.[74]Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 409.

Diesbezüglich ist zu begrüssen, dass Art. 50quater PG/SG zwischen dem öffentlichen und dem privaten Raum unterscheidet und so eine differenzierte Handhabung ermöglicht. Dies gilt ebenso für den Umstand, dass Art. 50quater Abs. 2 PG/SG ausdrücklich als Kann-Bestimmung («können») ausgestaltet ist. Anders der Wortlaut von Art. 50quater Abs. 1 PG/SG: Wenn die beiden normierten Voraussetzungen vorliegen, dann «werden [Veranstaltungen mit Auswirkungen auf den öffentlichen Raum] von der Polizei verboten». Immerhin muss das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung «massgeblich» beeinträchtigt sein, was den Behörden doch ein gewisses Ermessen gibt, das sie pflichtgemäss auszuüben haben.[75]Zur pflichtgemässen Ermessensausübung Tschannen/Müller/Kern, Rz. 591. Die Ausgestaltung von Art. 50quater Abs. 2 PG/SG als ultima ratio ist wiederum positiv zu werten: Erst wenn die schwere und unmittelbare Gefährdung oder Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung «nicht anders abgewehrt werden kann» können Veranstaltungen auf privatem Grund verboten werden. Hinsichtlich der Variante, bei welcher Anzeichen für Verbrechen oder Vergehen vorliegen müssen, ist ebenfalls zu verlangen, dass ihre Begehung sinnvoll nur mit einem Veranstaltungsverbot verhindert werden kann. Das Bundesgericht hat an ein absolutes Verbot von Versammlungen – auch im öffentlichen Raum – nämlich hohe Anforderungen aufgestellt. Wird ein solches Verbot aufgrund von befürchteten Ausschreitungen und gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppen ausgesprochen, müssen dafür ernsthafte und konkrete Hinweise vorliegen.[76]BGE 132 I 257 E. 4.5 und 4.6 S. 267 ff. betreffend den öffentlichen (!) Raum. Vgl. auch BGE 147 I 450 zu einem Veranstaltungsverbot aufgrund der Covid-19-Pandemie. Im Fall Unterwasser wäre etwa ein Aufeinandertreffen der rechtsextremen Konzertbesucher mit der Antifa als gefährlich einzustufen gewesen. Allerdings fehlten entsprechende konkrete Hinweise, weshalb darauf nicht hätte abgestellt werden dürfen.

Darüber hinaus verlangt die Erforderlichkeit in persönlicher Hinsicht, dass Einschränkungen nicht eine Vielzahl von Menschen treffen, wenn auch individuelle Anordnungen möglich wären.[77]Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 416. Dem entspricht das polizeirechtliche Störerprinzip, wonach sich Massnahmen zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung grundsätzlich gegen denjenigen zu richten haben, der die Gefahr oder Störung verursacht hat.[78]Mohler, Rz. 711, m. w. H. Hier zeigt sich ein weiteres Problem eines absoluten Verbots. Davon betroffen sind nämlich nicht nur jene Personen, welche als Verhaltensstörer die Gefahr oder Störung unmittelbar verursachen,[79]Zum Begriff des Verhaltensstörers statt vieler Tschannen/Müller/Kern, Rz. 1568. sondern alle potenziellen Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Allerdings ist es nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung auch zulässig blosse Zweckveranlasser, die nur mittelbar zur Störung oder Gefahr beitragen oder diese in Kauf nehmen, als Störer zu qualifizieren.[80]BGE 143 I 147 E. 5.1 und 5.2 S. 153 ff. Zur Kritik in der Lehre an dieser Figur Tschannen/Müller/Kern, Rz. 1571. So hat das höchste Gericht hinsichtlich einer Veranstaltung der Türkischen Föderation Schweiz (ITF) festgestellt, dass die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung indirekt von einer Gedenkveranstaltung ausgelöst werde, womit die Organisatorin als Zweckveranlasserin und Störerin zu gelten habe.[81]BGE 147 I 161 E. 6.4 S. 169 f. Das Veranstaltungsverbot gemäss Art. 50quater PG/SG könnte sich also auch gegen den Organisator eines Rechtsrockkonzerts als Zweckveranlasser richten. Allerdings ist für den Fall Unterwasser nochmals festzuhalten, dass für eine Gegenaktion keine Hinweise vorlagen und auch eine eigentliche Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht eingetreten ist. Die Anwendung von Art. 50quater PG/SG wäre unter diesem Gesichtspunkt unverhältnismässig und damit unzulässig gewesen.

Hinsichtlich der Zumutbarkeit ist hervorzuheben, dass der Versammlungsfreiheit sowohl eine individuell-menschenrechtliche Funktion als auch eine demokratische Funktion zukommt. Sie ermöglicht den freien Austausch von Meinungen auch ausserhalb des eigentlichen politischen Systems.[82]SGK BV-Errass, Art. 22 Rz. 5 ff.; Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 1049. Geschützt sind grundsätzlich auch Versammlungen, welche unwahre, provozierende und schockierende Meinungen verbreiten.[83]SGK BV-Errass, Art. 22 Rz. 22; OK BV-Zumsteg, Art. 22 Rz. 16. Nach dem Gesagten kommt der Versammlungsfreiheit in einer Abwägung der Interessen ein ganz erhebliches Gewicht zu.[84]Vgl. auch die Ausführungen des von der vorberatenden Kommission eingeladenen Experten oben II.2.

d) Kerngehalt

Nicht geklärt ist in der höchstrichterlichen Praxis, welche Ansprüche zum Kerngehalt der Versammlungsfreiheit gehören.[85]Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 1077. Nach Meinung der Lehre wären ein generelles und unbefristetes Verbot jeglicher Versammlungen sowie eine vorgängige und systematische Inhaltskontrolle von ideellen Versammlungen kerngehaltswidrig.[86]SGK BV-Errass, Art. 22 Rz. 42; Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 1078. Bezüglich der Vorzensur hat das Bundesgericht erwogen, dass sich die Pflicht zur Bezeichnung von Rednern einer Veranstaltung unter Umständen wie eine solche auswirken könne.[87]BGE 107 Ia 292 E. 4 S. 297 ff. In der Lehre wurde zwar festgehalten, dass dies für eine umfassende Gefahren- und Risikobeurteilung hinderlich sei.[88]SGK BV-Errass, Art. 22 Rz. 32; Zumsteg, Rz. 296. Allerdings hält Errass im Ergebnis ebenfalls fest, dass eine Versammlung nicht von den Namen der Rednerinnen und Redner abhängig gemacht werden darf.[89]SGK BV-Errass, Art. 22 Rz. 32. Streng ist auch Mohler, Rz. 515, der es für absolut unzulässig hält, für eine Bewilligung die Namen der Sprechenden im Voraus bekannt geben zu müssen.

Daraus lässt sich für die Handhabung von Art. 50quater PG/SG einerseits ableiten, dass nicht einfach alle Veranstaltungen verboten werden dürfen. Andererseits darf zum Zweck der präventiven Überprüfung von Veranstaltungen keine systematische Prüfung der geplanten Inhalte und Redner stattfinden und ein Verbot darf sich nicht einzig auf die Person der Auftretenden stützen. Soweit Inhalte und Sprechende nicht ohnehin öffentlich bekannt sind, erschwert dieser Umstand die praktische Anwendbarkeit der Norm erheblich. Das lässt sich aber wegen der Unantastbarkeit des Kerngehalts nicht vermeiden. Dies hat auch die Regierung insoweit anerkannt, als dass sie gerade keine staatliche Zensur einführen wollte.[90]Vgl. oben II.2. Vor diesem Hintergrund wäre es unzulässig gewesen, die Veranstaltung in Unterwasser allein aufgrund der Teilnahme einschlägiger Musikgruppen zu verbieten. Dies wäre einer inhaltlichen Vorzensur gleichgekommen und damit kerngehaltswidrig gewesen.

e) Zwischenfazit

Nach dem Gesagten erweist sich Art. 50quater PG/SG nicht per se als unvereinbar mit der Versammlungsfreiheit. Gleichzeitig hat sich gezeigt, dass die Anwendung dieser Bestimmung schwierig sein kann.[91]Der von der vorberatenden Kommission beigezogene Experte hatte Fragen der praktischen Umsetzung ausgeklammert, vgl. oben II.2. Konkret lässt sich Folgendes festhalten:

  • Grundsätzlich ist es zu begrüssen, dass für ein Veranstaltungsverbot eine besondere Grundlage in einem Gesetz im formellen Sinn geschaffen wurde, anstatt im Bedarfsfall auf die polizeiliche Generalklausel abzustellen.
  • Von einem Veranstaltungsverbot sind allerdings potenziell zahlreiche Grundrechte – direkt und über die Abschreckungswirkung – von zahlreichen Grundrechtsträgern tangiert. Es handelt sich um eine schwerwiegende Grundrechtseinschränkung.
  • Bei der Rechtfertigung dieser Einschränkung erweist sich bereits die Bestimmtheit der Norm als problematisch, insoweit auf das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung abgestellt wird. Nicht nur müsste im konkreten Fall aufgezeigt werden, wie dieses beeinträchtigt ist. Als Vorbedingung müssen Bevölkerung und Behörden überhaupt Kenntnis über eine geplante Veranstaltung haben, was nicht ohne Weiteres gegeben ist.
  • Dieselben Schwierigkeiten existieren, wenn auf das Sicherheitsempfinden als öffentliches Interesse abgestellt werden soll.
  • Der Verhältnismässigkeitsprüfung kommt aufgrund der tiefen Normdichte von Art. 50quater PG/SG besondere Bedeutung zu.
  • Da die Eignung einer Massnahme an den verfolgten Einschränkungsinteressen anknüpft, zeigt sich auch hier die Schwierigkeit eines Abstellens auf das Sicherheitsempfinden. Es ist unklar, wie dieses im konkreten Fall festgestellt werden soll, wenn keine wissenschaftlichen Erhebungen dazu stattfinden. Die Tragfähigkeit des Begriffs müsste daher wissenschaftlich zuerst geklärt werden.
  • Soll ein Veranstaltungsverbot aufgrund von befürchteten Ausschreitungen und gewaltsamen Auseinandersetzungen ausgesprochen werden, müssen dafür ernsthafte und konkrete Hinweise vorliegen. Diese Hinweise können in der Praxis ebenso fehlen wie Anhaltspunkte für strafbares Verhalten. Das gilt auch dann, wenn die Veranstaltung, wie das Rechtsrockkonzert in Unterwasser, als problematisch wahrgenommen wird.
  • Ein Veranstaltungsverbot richtet sich zunächst an den Organisator einer Veranstaltung, auch wenn er bloss der Zweckveranlasser von befürchteten Störungen ist. Dies ist insbesondere dann stossend, wenn friedliche Veranstaltungen eines Zweckveranlassers systematisch von gewalttätigen gegnerischen Gruppierungen gestört werden. Das Störerprinzip wird sodann komplett ausgehöhlt, wenn in einem bestimmten Fall konkrete Hinweise auf mögliche Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung schlicht fehlen.
  • Schliesslich wird die praktische Anwendbarkeit des Verbots dadurch weiter erschwert, dass aufgrund des absoluten Verbots der Vorzensur keine systematische Prüfung der geplanten Inhalte sowie Redner stattfinden und sich ein Verbot nicht einzig auf die Person der Auftretenden stützen darf.

Im Folgenden wird anhand eines effektiven Anwendungsfalls untersucht, ob die aufgezeigten Probleme bei der Anwendung von Art. 50quater PG/SG dort ebenfalls bestehen.

IV. Anwendungsfall – Vortrag von Martin Sellner

Eine Verfügung gestützt auf Art. 50quater PG/SG ist, soweit dem Autor bekannt, bisher erst im folgenden Fall ergangen.

Im Herbst 2024 war eine Veranstaltung mit einem Vortrag von Martin Sellner im Kanton St. Gallen geplant. Es wurde mit rund 100 Teilnehmenden gerechnet. Aufgrund von Verbindungen des Organisators zur Gruppierung «Junge Tat» wurde davon ausgegangen, dass es sich dabei um ein Treffen eines rechtsextremen Netzwerkes handelt.

Die geplante Veranstaltung wurde unter Berufung auf Art. 50quater PG/SG verboten. Zur Begründung wurde auf die Person von Martin Sellner hingewiesen. Der österreichische Staatsangehörige sei bereits in der Vergangenheit mehrfach mit rechtsextremen und menschenverachtenden Äusserungen aufgefallen. Zudem bestehe durch das Zusammentreffen von rund 100 Personen mit rechtsextremer Gesinnung die Gefahr, dass deren Auftreten und Verhalten die demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätze untergraben würden. Dies könne wiederum Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie eine massgebliche Beeinträchtigung des Sicherheitsempfindens der Bevölkerung zur Folge haben. Das hätten gleichgelagerte Veranstaltungen in der Vergangenheit gezeigt. Im Weiteren bestehe die Gefahr, dass politisch entgegengesetzte Gruppierungen von der Veranstaltung erfahren könnten. Diesfalls bestehe die konkrete Gefahr von Auseinandersetzungen und einer entsprechenden Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit durch mögliche Verbrechen oder Vergehen. Beim Veranstaltungsort handle es sich um ein öffentliches und gut erschlossenes Restaurant. Es sei deshalb auch mit Auswirkungen auf den öffentlichen Raum zu rechnen.[92]Verfügung der Kantonspolizei St. Gallen vom 30. September 2024 (liegt dem Autor in anonymisierter Form vor).

Ein gegen die entsprechende Verfügung eingereichter Rekurs wurde nicht materiell behandelt, sondern abgeschrieben, weil der Kostenvorschuss nicht einging.[93]Abschreibungsbeschluss des Sicherheits- und Justizdepartements des Kantons St. Gallen vom 12. November 2024 (liegt dem Autor in anonymisierter Form vor). Der Vortrag fand entsprechend im Kanton St. Gallen nicht statt.

Gleichwohl zeigen sich hier exemplarisch die dargestellten Schwierigkeiten bei der Anwendung von Art. 50quater PG/SG. Der Begründung der Verfügung lässt sich nicht entnehmen, wie das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung respektive dessen wesentliche Beeinträchtigung festgestellt wurde. Im Zeitpunkt der Verfügung konnte jedenfalls die Allgemeinheit (noch) keine Kenntnis von der Veranstaltung haben. Zudem konnten keine konkreten Hinweise auf eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung angeführt werden. Ebenso wenig wurde spezifiziert, welche Verbrechen und Vergehen zu befürchten seien. Insoweit an die Person von Martin Sellner angeknüpft wurde, erweist sich dies aufgrund des Verbots der Vorzensur als problematisch. Die Verfügung hat sich mit dieser Problematik nicht auseinandergesetzt. Allgemein scheint schliesslich die Aussage, dass das Zusammenkommen von rund 100 Personen mit rechtsextremer Gesinnung die demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätze untergraben würde, weit gegriffen. Der Rechtsextremismus und seine Vertreter lehnen unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat ab. Allerdings ist nicht anzunehmen, dass die ganzen übrigen Menschen, welche unseren Staat ausmachen, sich von 100 Rechtsextremen derart beeindrucken lassen würden, dass unsere Grundordnung erschüttert wäre.

V. Zukunft des Veranstaltungsverbots

Insgesamt erweist sich Art. 50quater PG/SG als schwierig anzuwenden und entsprechende Fälle dürften selten bleiben. Dies gilt insbesondere für Verbote von Veranstaltungen auf privatem Grund, für welche richtigerweise strenge Voraussetzungen gelten.

Zwar wäre es zulässig, das Veranstaltungsverbot gegenüber dem Organisator als Zweckveranlasser auszusprechen. Dies gilt selbst dann, wenn die Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung daraus resultiert, dass eine gegnerische Gruppe Gewalt androht. Allerdings würde dadurch der Grundsatz missachtet, wonach das Recht dem Unrecht nicht weichen muss. Ein Rechtsstaat kann nicht akzeptieren, dass gewaltbereite Gruppen bestimmen können, welche Veranstaltungen durchgeführt werden und welche nicht.[94]Vgl. OK BV-Zumsteg, Art. 22 Rz. 29, m. w. H.

Eine Umgehung respektive Verlagerung des Problems durch den Einbezug Privater (insbesondere von Vermietern von Veranstaltungslokalitäten) erscheint ebenfalls heikel. Der Staat würde dabei gezielt den Umstand nutzen, dass Private grundsätzlich nicht grundrechtsverpflichtet sind.[95]Art. 35 Abs. 2 BV e contrario; OFK BV-Biaggini, Art. 35 Rz. 11 ff. Diese nehmen gleichzeitig an Stelle des Staates faktisch die Aufgabe wahr, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu garantieren. Mit Blick auf das Gewaltmonopol kann dies kein wünschbares Ergebnis sein.[96]Zum Gewaltmonopol Mohler, Rz. 1290 ff.; Tiefenthal, § 15 Rz. 1.

Natürlich freut sich keine Gemeinde, wenn rechtsextreme oder andere Kreise, welche Demokratie und Rechtsstaat ablehnen, auf ihrem Gebiet eine Veranstaltung planen. Dies darf aber nicht dazu führen, dass die Voraussetzungen von Art. 50quater PG/SG über Gebühr gedehnt oder sogar ignoriert werden. Die Unterscheidung zwischen erwünschten und nicht erwünschten Meinungen steht dem Staat grundsätzlich nicht zu – und dies mit guten Gründen.[97]Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 882 ff, m. w. H. Eine Demokratie lebt schlussendlich von der ständigen Auseinandersetzung und der Rechtsstaat von der effektiven Ausübung der Freiheiten, die er garantiert.

Literaturverzeichnis

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Zumsteg Patrice Martin, Demonstrationen in der Stadt Zürich, Verwaltungsrecht und Behördenpraxis am Massstab der Versammlungs- und Meinungsfreiheit, Zürich/Basel/Genf 2020.

Fussnoten

Fussnoten
1 Vgl. etwa die Übersicht bei <https://st.gallen-bodensee.ch/de/entdecken/veranstaltungen.html>.
2 So gehört der Kybunpark, das Heimstadion des FC St. Gallen, einer Privaten, nämlich der Stadion St. Gallen AG.
3 Art. 1 PG SG; Tiefenthal, § 4 Rz. 18 ff.
4 Vgl. <https://www.srf.ch/news/schweiz/schweiz-rund-5000-besucher-bei-neonazi-konzert-im-toggenburg>.
5 Vgl. <https://www.stern.de/politik/ausland/nazi-konzert-in-schweiz–wie-konnte-es-dazu-kommen–7107916.html>.
6 Vgl. <https://www.spiegel.de/politik/ausland/neonazikonzert-in-der-schweiz-ein-anruf-bei-gemeindepraesident-rolf-zuellig-a-1117103.html#ref=rss>.
7 Vgl. <https://www.tagesanzeiger.ch/sp-fordert-ruecktritt-von-st-galler-polizeichef-​553​623817905> und <https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgallen-gossau-rorschach/kritik-an-polizei-faessler-haelt-zu-polizeikommandant-zanga-ld.733339>.
8 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (StGB, SR 311.0).
9 Vgl. <https://www.srf.ch/news/schweiz/rechtsextreme-in-unterwasser-keine-strafuntersuchung-wegen-neonazi-konzert>.
10 Vgl. <https://www.srf.ch/news/schweiz/nach-nazi-konzert-rechtsextreme-anlaesse-koennen-nun-verboten-werden>. Umfassend zu den gesamten Geschehnissen auch <https://www.woz.ch/1642/neonazikonzert-im-toggenburg/unterwasser-liegt-in-thueringen>.
11 Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 42.17.01, Wortlaut vom 21. Februar 2017.
12 Ebenda.
13 Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 42.17.01, Antrag der Regierung vom 7. März 2017.
14 Ebenda.
15 Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 42.17.01, Letzte Abstimmung.
16 Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Botschaft und Entwurf der Regierung vom 2. Juli 2019, S. 2.
17 Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Botschaft und Entwurf der Regierung vom 2. Juli 2019, S. 27.
18 Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Botschaft und Entwurf der Regierung vom 2. Juli 2019, S. 13.
19 Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Botschaft und Entwurf der Regierung vom 2. Juli 2019, S. 13 f.
20 Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Botschaft und Entwurf der Regierung vom 2. Juli 2019, S. 14 f.
21 Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Botschaft und Entwurf der Regierung vom 2. Juli 2019, S. 22.
22 Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Botschaft und Entwurf der Regierung vom 2. Juli 2019, S. 15 und 21 f.
23 Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Botschaft und Entwurf der Regierung vom 2. Juli 2019, S. 14 und 21 f.
24 Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Protokoll der Sitzung der vorberatenden Kommission vom 4. November 2019, S. 22 ff.; Anträge der vorberatenden Kommission vom 21. Oktober 2019.
25 Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Botschaft und Entwurf der Regierung vom 2. Juli 2019, S. 14, sowie Protokoll der vorberatenden Kommission vom 4. November 2019, S. 22.
26 Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Protokoll der Sitzung der vorberatenden Kommission vom 21. Januar 2020, S. 5 f.
27 Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Protokoll der Sitzung der vorberatenden Kommission vom 21. Januar 2020, S. 6 f.
28 Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Protokoll der Sitzung der vorberatenden Kommission vom 21. Januar 2020, S. 7.
29 Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Protokoll der Sitzung der vorberatenden Kommission vom 21. Januar 2020, S. 4.
30 Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Protokoll der Sitzung der vorberatenden Kommission vom 21. Januar 2020, S. 8.
31 Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Protokoll der Sitzung der vorberatenden Kommission vom 21. Januar 2020, S. 24.
32 Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Festlegung des Vollzugbeginns vom 21. April 2020.
33 Kantonsrat St. Gallen, Geschäft Nr. 22.19.07, Protokoll der Sitzung der vorberatenden Kommission vom 21. Januar 2020, S. 5.
34 Grabenwarter/Pabel, § 23 Rz. 42; Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 309 f., je m. w. H. auf die Rechtsprechung.
35 Allgemein zur Intensität einer Einschränkung Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 312 ff.; spezifisch zu Veranstaltungsverboten als schwerwiegende Einschränkungen Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 1085, m. w. H. auf die Rechtsprechung.
36 Verfassung des Kantons St. Gallen vom 10. Juni 2001 (KV SG, sGS 111.1).
37 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101).
38 Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (EMRK, SR 0.101).
39 Grabenwarter/Pabel, § 23 Rz. 69 ff.; Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 1046 ff.
40 Grabenwarter/Pabel, § 23 Rz. 72; Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 1052 ff.
41 SGK BV-Errass, Art. 22 Rz. 51 f.; Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 1050.
42 SGK BV-Errass, Art. 22 Rz. 57 ff.; Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 1084.
43 Grabenwarter/Pabel, § 23 Rz. 78 ff.; Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 294 und 1084.
44 Vgl. etwa Villiger, Rz. 976 ff.
45 Vgl. etwa EGMR, Urteil vom 20. Oktober 2015 in der Rechtssache 25239/13 – M’Bala M’Bala/Frankreich, Rz. 33 ff.; EGMR, Urteil vom 13. Dezember 2005 in der Rechtssache 7485/03 – Witzsch/Deutschland, Rz. 3.
46 Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 884; OK BV-Zumsteg, Art. 22 Rz. 18, m. w H.
47 Vgl. oben II.2. und Art. 63 ff. KV SG.
48 Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BV und Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 336 f.
49 Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 338; SGK BV-Schweizer/Krebs, Art. 36 Rz. 24.
50 So etwa im Gesetz über Ruhetag und Ladenöffnung vom 29. Juni 2004 des Kantons St. Gallen (RLG SG, sGS 552.1) oder im Konkordat über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen vom 15. November 2007 (Hooligan-Konkordat, sGS 451.51).
51 Zu den vergleichbaren Schwierigkeiten bei der Schreckung der Bevölkerung i. S. v. Art. 258 StGB vgl. etwa BSK StGB-Fiolka, Art. 258 Rz. 21 ff.
52 BGE 132 I 49 E. 7.1 S. 61; bestätigt etwa in BGE 140 II 214 E. 5 S. 225.
53 Vgl. aus Deutschland etwa die Analyse von Lüdemann, woraus ersichtlich wird, dass entsprechende Erhebungen komplex sind.
54 BGE 136 I 1 E. 4.4.2 S. 11 (Hervorhebung hinzugefügt), unter Berufung auf Hangartner, 742.
55 Vgl. oben II.2.
56 Diese Kausalität ergibt sich auch aus den Materialien, vgl. oben II.2.
57 Statt vieler BGE 147 I 103 E. 16. S. 129 f., m. w. H.
58 Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 362; SGK BV-Schweizer/Krebs, Art. 36 Rz. 26.
59 Grabenwarter/Pabel, § 18 Rz. 11; Villiger, Rz. 645, je m. w. H. auf die Rechtsprechung des EGMR.
60 Art. 1 PG SG und allgemein zum Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Tschannen/Müller/Kern, Rz. 1483 ff.
61 Vgl. oben II.2.
62 Urteil des Bundesgerichts 1C_35/2015 vom 28. Oktober 2015 E. 3.4, betreffend eine Veranstaltung auf privatem Grund des Islamischen Zentralrats Schweiz (IZRS); BGE 132 I 256 E 4.4 und 4.5 S. 263 ff., betreffend eine Veranstaltung auf öffentlichem Grund durch ein «Bündnis für ein buntes Brunnen».
63 So schon BGE 103 Ia E. 3b S. 312; bestätigt etwa in BGE 147 I 161 E. 7.2 S. 170. Aus der Lehre etwa OFK BV-Biaggini, Art. 22 Rz. 16.
64 Vgl. OK BV-Zumsteg, Art. 22 Rz. 54, m. w H.
65 Vgl. Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Wallis vom 28. Januar 2010, KGVS P1 09 29 E. 4c.
66 Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 1879; SGK BV-Schweizer/Fankhauser, Art. 8 Rz. 65.
67 BSK StGB-Niggli, Art. 10 Rz. 26.
68 Vgl. oben II.1.
69 Vgl. oben III.2.a).
70 BGE 136 I 87 E. 3.1 S. 90 f.; Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 359.
71 Vgl. allgemein zur Verhältnismässigkeit statt vieler OFK BV-Biaggini, Art. 36 Rz. 23.
72 Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 403 ff., m. w. H.
73 Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 408.
74 Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 409.
75 Zur pflichtgemässen Ermessensausübung Tschannen/Müller/Kern, Rz. 591.
76 BGE 132 I 257 E. 4.5 und 4.6 S. 267 ff. betreffend den öffentlichen (!) Raum. Vgl. auch BGE 147 I 450 zu einem Veranstaltungsverbot aufgrund der Covid-19-Pandemie.
77 Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 416.
78 Mohler, Rz. 711, m. w. H.
79 Zum Begriff des Verhaltensstörers statt vieler Tschannen/Müller/Kern, Rz. 1568.
80 BGE 143 I 147 E. 5.1 und 5.2 S. 153 ff. Zur Kritik in der Lehre an dieser Figur Tschannen/Müller/Kern, Rz. 1571.
81 BGE 147 I 161 E. 6.4 S. 169 f.
82 SGK BV-Errass, Art. 22 Rz. 5 ff.; Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 1049.
83 SGK BV-Errass, Art. 22 Rz. 22; OK BV-Zumsteg, Art. 22 Rz. 16.
84 Vgl. auch die Ausführungen des von der vorberatenden Kommission eingeladenen Experten oben II.2.
85 Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 1077.
86 SGK BV-Errass, Art. 22 Rz. 42; Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 1078.
87 BGE 107 Ia 292 E. 4 S. 297 ff.
88 SGK BV-Errass, Art. 22 Rz. 32; Zumsteg, Rz. 296.
89 SGK BV-Errass, Art. 22 Rz. 32. Streng ist auch Mohler, Rz. 515, der es für absolut unzulässig hält, für eine Bewilligung die Namen der Sprechenden im Voraus bekannt geben zu müssen.
90 Vgl. oben II.2.
91 Der von der vorberatenden Kommission beigezogene Experte hatte Fragen der praktischen Umsetzung ausgeklammert, vgl. oben II.2.
92 Verfügung der Kantonspolizei St. Gallen vom 30. September 2024 (liegt dem Autor in anonymisierter Form vor).
93 Abschreibungsbeschluss des Sicherheits- und Justizdepartements des Kantons St. Gallen vom 12. November 2024 (liegt dem Autor in anonymisierter Form vor).
94 Vgl. OK BV-Zumsteg, Art. 22 Rz. 29, m. w. H.
95 Art. 35 Abs. 2 BV e contrario; OFK BV-Biaggini, Art. 35 Rz. 11 ff.
96 Zum Gewaltmonopol Mohler, Rz. 1290 ff.; Tiefenthal, § 15 Rz. 1.
97 Kiener/Kälin/Wyttenbach, Rz. 882 ff, m. w. H.